Keinkindergeld

23 06 2015

„Jetzt regen Sie sich mal nicht so auf, Frau Merkel. Früher oder später sind Sie auch weg vom Fenster – ich sag’s ja nur, also nicht, dass Sie keiner gewarnt hätte! – und dann muss einer das Ruder von Ihnen übernehmen. Und wozu haben Sie schließlich die Junge Union?

Sie sehen das wieder viel zu negativ, Frau Merkel. Keiner spricht hier von Strafmaßnahmen, wir wollen nur den Bürgerinnen und Bürgern einen Anreiz bieten, Kinder zu kriegen. Also muss man ihnen ein bisschen auf die Füße treten, damit sie sich endlich mal wieder ordentlich fortpflanzen. Sonst kriegen sie halt Ärger. Hat doch bei den Arbeitslosen bisher auch immer gut geklappt.

Ich weiß, was Sie meinen; die einen kriegen Kindergeld, und wer keine Kinder hat, kriegt halt keins. Natürlich haben Sie ganz recht, Frau Merkel, wir zahlen doch denen kein Kindergeld, die keine Kinder haben! Aber wir brauchen einen stärkeren Anreiz, das verstehen sie doch auch? Wenn man keine Kinder kriegt, warum bezahlt man dann nicht dem Staat umgekehrt Keinkindergeld? Ich meine, ist das denn jetzt argumentativ so komplex? Gut, es ist bekloppt. Aber was Pofalla und de Maizère so von sich geben, löst ja bei anderen Leuten auch akute Migräneanfälle aus.

Es ist richtig, dass CDU-Familienpolitik heißen muss, Familien mit Kindern stärker zu entlasten. Schon wegen der sozialen Ausgewogenheit. Aber das bedeutet doch auch wieder, dass wir sehr viel Geld ausgeben. Sehr viel Geld, das uns auf der andern Seite wieder fehlt, und das sage ich nicht nur, weil wir gerade von schwierigen Aufgaben in der Landesverteidigung stehen und weil ich noch ein paar Jahre habe, bis ich im Bundestag sitze, und bis dahin sollten die Abgeordnetenbezüge noch mal kräftig zugelegt haben. Wir müssen wieder ein Solidargefühl entwickeln, Frau Merkel. Und Solidargefühl, Frau Merkel, das entwickelt der Deutsche doch am ehesten, wenn er für eine Sache zahlen darf.

Die Kitas werden gerade bestreikt, Frau Merkel. Die Schulen sind ein Hort des Bildungsmangels geworden, die Kinderspielplätze – haben Sie in den letzten Jahren mal einen Kinderspielplatz gesehen? oder ein Jugendzentrum? Ist doch kein Wunder, wenn die, die es nicht bis in die Junge Union schaffen, zu den Kommunisten gehen oder gleich zur SPD. Wir müssen doch unseren Nachwuchs auch fördern, oder sehe ich das falsch? Eben, Frau Merkel. Und deshalb muss man wieder Solidargefühl entwickeln. Also entwickeln lassen. Wir sind ein Solidargefühlentwicklungsland, und als solches kann man auch von Eltern verlangen, dass sie für ihre Kinder ganz direkt die Schulen und Kitas und Spielplätze bezahlen. Und im Gegenzug bekommen Sie halt Kindergeld, als staatliche Anerkennung. Das ist dann quasi kostenneutral, und wer keine Kinder hat, wird zwar nicht direkt benachteiligt, aber ob das indirekt auch stimmt, ist uns dann eigentlich egal. Hauptsache, wir tun da etwas, und es gibt wieder ein staatliches Instrument, das man je nach politischer und Haushaltslage –

Frau Merkel, das ist doch ganz einfach. Bei der Maut hat die Erstattung der Kraftfahrzeugsteuer doch auch nichts mit der Finanzierung unserer Bundesautobahnen zu tun. Gut, die Maut an sich auch schon nicht, aber darüber will ich hier nicht auch noch diskutieren.

Oder Mütterrente, noch so ein Sozialfall. Nein, nicht so, aber es ist doch sozial ein – Frau Merkel, jetzt lassen Sie mich das doch mal auf den Punkt bringen! Wenn Sie kinderlos sind – ich werde überhaupt nicht persönlich, Frau Merkel! Aber kein bisschen, das macht höchstens die Opposition! Wenn Sie kinderlos sind, dann bezahlen Sie die Mütterrente nämlich mit, und das Betreuungsgeld, und das Kindergeld, und so sieht’s ja aus. Ist das gerecht gegenüber denen, die es sich leisten können?

Meine Güte, hier will doch niemand was mit Abkindern einführen, Frau Merkel! Sie hatten das doch selbst, und das hat ja schon damals im Sozialismus nicht geklappt.

Was wollen Sie denn schon wieder mit der Ehe? Die Diskussion hatten wir doch gerade, das ist doch völlig – Frau Merkel, lassen Sie uns doch hier nicht noch ein Fass aufmachen. Der Wahlkampf kommt früh genug.

Dann fassen Sie es doch als Lehrgeld auf oder als Vermögensumschichtung. Gerade junge Menschen, die gerade erst ihre Ausbildung abgeschlossen haben und seit wenigen Jahren in Praktika oder atypischen Arbeitsverhältnissen stecken, die können sich doch Kinder gar nicht leisten. Das wäre ein viel zu hohes Risiko, weil ihnen dann die Verarmung drohen könnte, gerade als Alleinerziehdende. Da ist es doch besser, wir nehmen ihnen noch so ein kleines bisschen Geld weg, damit sie gar nicht erst in Versuchung geraten, eine Familie zu gründen. Ist doch total clever, oder?

Dann ist das eben nicht clever, aber was sollen wir denn machen, Frau Merkel? Wir brauchen eine vernünftige Finanzgrundlage für die nächste Wirtschaftskrise, und da es Deutschland ja gerade wirtschaftlich so gut geht, müssen wir doch ein Instrument, dass den Bürgerinnen und Bürgern einen Anreiz bietet, sich solidarisch sowie in Eigenverantwortung für die Sicherung ihrer –

Steuererhöhung? Ja, oder so, Frau Merkel.“





Aller Seelen Heil

1 11 2010

„… befand der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, bei den alljährlichen Umzügen zu Halloween, das seit einem Jahrzehnt nun auch in Deutschland gefeierte keltische Fest sei ein Angriff auf christliche Werte, so dass man schon eine…“

„… natürlich für Gelächter, dass der Schreihals wieder einmal nichts ausgelassen habe, um sich mit seiner mangelhaften Bildung auf die Titelseiten der Unterschichtenpresse zu…“

„… sich von Mißfelders Diktion abzugrenzen. Die Bundeskanzlerin, die bestrebt war, sich auf der Gedenkveranstaltung der Opfer im Kampf gegen die Demokratie einigermaßen deutlich zu äußern, betonte, liberal, christlich-sozial und konservativ solle man doch sagen können dürfen zu müssen, es handle sich in Wahrheit um die jüdisch-christlichen Werte, die…“

„… konnte nicht ausbleiben, dass auch Geert Wilders de erste Verwirrung ausnutzte, um seiner neuen Freundin Angela beizuspringen und zu erklären, man wolle diese islamistischen Umtriebe, das Verschleiern von Kindern und Jugendlichen und die Terrorangriffe auf Klingelknöpfe, nicht mehr länger dulden. Man müsse, so Bundesinnenminister de Maizière, als Eltern darauf eingerichtet sein, dass auch ohne ein Entschuldigungsschreiben kein Recht auf Widerstand gegen die Wasserwerfer der…“

„… fragte der Deutsche Philologenverband, ob eine solche Missbilligung der einfachsten Schul- und Erziehungsinhalte, wie sie der Populist der JU einmal mehr unter das Volk gemischt habe, nicht erst recht dazu führe, die Leitkultur nachhaltig zu schädigen. Man wisse schließlich, dass auch Ostern und Weihnachten mit ihrem Volksbrauchtum nur eine semantische Überformung von…“

„… stellte die ehemalige Ratsvorsitzende fest, dass es sich keinesfalls um eine Verdrängung der lutherischen Tradition handele; Käßmann wies darauf hin, dass der Reformationstag zudem nicht in Konkurrenz zu dem katholischen Fest stehe – Luthers Geburts- und Sterbetag sowie der 25. Juni als Tag der Augsburger Konfession seien zuvor festlich begangen worden, der erste November-Sonntag sei in der Schweiz das gängige Datum – und erst 1667 durch Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen auf den Vorabend von Allerheiligen gelegt worden sei; diese zeitliche Koinzidenz sei zufällig. Mißfelder antwortete in seiner Rede anlässlich der Besichtigung von Ausnüchterungszellen in Berlin, er diskutiere gar nicht erst mit Personen, die vom Katholizismus keinen blassen Schimmer…“

„… natürlich noch weiter, weil Mißfelder die in äußerster Wut geführte Auseinandersetzung nicht versachlichen wollte – es dürfe doch nicht sein, verkündete der Nachwuchs-Sarrazin, dass man Kinder mit Monstermasken zum Bonbonbetteln auf die Straße schicke, denn genau hiermit werde die Anspruchshaltung jenes Hartz-IV-Parasitenpacks erzeugt, dass man im anstrengungsloser Dekadenz an Zuckerzeug seinen Wohlstandsbauch mästen könne, um Geld aus den Regelsätzen zu sparen für Sportwagen, Ferienhäuser am Starnberger See oder Privatflugzeuge, während kinderlose Millionäre mit dem Schicksal leben müssten, vom geliebten Staate nicht einmal das Elterngeld gekürzt zu bekommen, so dass man als Leistungsträger kaum noch jene jüdisch-christliche Vorweihnachtsfreude empfände bei dem Gedanken, wie viele Neger ganz umsonst für die Rendite von Rüstungsaktien…“

„… sickerte dann durch, dass Alice Schwarzer weniger von den freiwillig vermummten Kindern in ihren antisemitischen Bedürfnissen gestört werde, sie empfände es nur als eine Zumutung, dass die Kleinen schon seit drei Jahren mit brennenden Laternen vor ihrem Haus das Lied Da wohnt die alte Schrumpelhex intonierten und…“

„… geriet Mißfelder in Zorn, als er der Presse einhämmerte, dass minderjährige Personen nach Einbruch der Dunkelheit in die Obhut ihres gesetzlichen Vormundes gehören und nicht mit Kerzen oder anderweitigen Beleuchtungsterror erzeugenden Bedrohungsobjekten…“

„… für einen weit verbreiteten Alltagsirrtum zu halten. Prof. Dr. Dr. Dr. Peire Finkelstajner erläuterte, die Entwicklung keltischen Brauchtums einschließlich der Feste im christianisierten Europa sei nicht mehr als eine von vielen ethnologischen Hypothesen, allerdings eine, die auf dem Kontinent keine Anhänger finde. Die Kulturanthropologin, die den renommierten Eugenie-Goldstern-Lehrstuhl für Kontinuitätsforschung innehat, betonte zudem, dass die Festelemente der Lostage und Heischebräuche erheblich älter seien als der Katholizismus und in nahezu identischen Formen über das ganze Festland verbreitet wurden. Der christliche Rechtspopulist erwiderte, er äußere sich genau dann zu der polyatheistischen Hetzpropaganda gewisser Kreise, wenn diese ihre jüdischen Werte nicht länger…“

„… verbat sich Pater Anselm Zirbler (Pfarrei St. Vitus in Reuth) die Geschmacklosigkeit des CDU-Schreihalses. Zu gegebener Zeit werde man seinen Einfluss geltend machen, zuvor aber rate er allen Mitgliedern der Jungen Union dringend ab, den jährlichen Laternenumzug am Martinstag durch ihre Anwesenheit zu stören oder eventuell…“

„… schon als neues Sendeformat gehandelt: viele Kinder, unsichere Beleuchtungsverhältnisse, Stephanie zu Guttenberg wollte sich mit versteckter Kamera auf Jagd begeben und suchte bereits in BILD nach Protagonisten, die für eine Handvoll Vollmilch-Nuss im Unterschichten-TV Süßes für Saures vorzumachen…“

„… brüllte Mißfelder in die Mikrofone, die Moslems auf Borneo würden ihr Zuckerfest inzwischen im jüdischen Teil der christlichen Leitkultur von Deutschland feiern wollen, mithin sei der Islam doch nur an Karies und Fettsucht interessiert und wolle den Krankenkassen wie die bolschewistischen Untermenschen der Ökostrom- und Internet-Lobby das Mark aus den Knochen…“

„… wusste Angela Merkel nicht, was sie auf diese Anfeindungen entgegnen sollte, immerhin konnte sie dem Ausspruch ihres Rechtsablegers, die Kelten seien ein nicht integrationsfähiges Volk, kaum mit einer Meinung begegnen, denn dies sei die Union nicht gewohnt – ‚Multikulti ist tot‘, gab die Regierungschefin zu Protokoll, ‚und wenn dies kein gemeinsamer Herbst der Entscheidungen wird, dann müssen wir eine gemeinsame Lösung…‘“

„… sich gegen den Monstermaskenverleih, ja bereits gegen die Herstellung derartiger Halloween-Artikel wandte – die Junge Union wandte sich erneut gegen jeglichen karnevalistischen…“

„… keinesfalls ungehalten, aber doch mit leicht amüsiertem Unterton, dass ausgerechnet Mißfelder, der das religiöse Fundament unserer Gesellschaft diskutieren zu müssen meine, sich so despektierlich gegenüber dem Volk der Vereinigten Staaten äußere. Man werde ihn, teilte die Atlantik-Brücke mit, nicht für mehr als untergeordnete Positionen gebrauchen und ihn, sollte er weiterhin Stuss von sich geben, in den Medien zu gegebener Zeit…“

„… legte nach: als ‚Kommerzkacke‘ und ‚unchristlich-jüdische Unwert-Unart‘ bezeichnete Mißfelder das bunte Treiben der Spukgestalten. Mit gottloser Penetranz verunschimpfiere der Pöbel das Allerheiligste der deutschen Nation, man schrecke nicht einmal davor zurück, Kürbisse aufzustellen, wiewohl das Hohlgemüse größtenteils (Thilo Sarrazin habe ihm das selbst gesagt) genetisch nicht nachweisen könne, dass es arischer Abkunft…“

„… teilte Ewald P. (73), Ehrenvorsitzender der Kölner Karnevalsgesellschaft Immerjröne Strüssjer, den Reportern mit, er habe in Übereinstimmung mit Ältestenrat und Präsidium den Mitgliedern der Jungen Union bis auf weiteres untersagt, sich auf den Sessionen blicken zu lassen. ‚Was für ein Unfug‘, polterte der in der Domstadt wohlgelittene Karnevalist, ‚außer Saufen haben diese Affen wohl nichts gelernt!‘ Mißfelder gab zu verstehen, eine römisch-katholische Einzelmeinung sei seiner Ansicht nach nicht geeignet, die ganze Bedeutung des Reformationsfestes zu…“

„… sich auch die mexikanische Gesandtschaft aus der Diskussion zurückzog. Man wolle als weltweit sechstgrößter Erdölproduzent nicht mehr stören, wenn die deutsche Binnenkonjunktur in sich zusammensacke, den Día de Muertos könne man auch ohne europäische Hilfe…“

„… löschten das brennende Fahrzeug, während die Kriminalpolizei die beiden Täter Kevin H. (23) und Stefan P. (22) schnell ermittelt hatte. Die beiden am Tatort hinterlassenen Fachbroschüren Marketing-Impulse zum Muttertag und Valentin – Abzocke mit Herz hatten die Einzelhandelskaufleute verraten. Philipp Mißfelder bekam von alledem nichts mit, er wurde mit einer Alkoholvergiftung von der Halloween-Party der Jungen Union in Krefeld…“