
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Nichts scheint derart transzendent, vollkommen und absolut wie diese Dinger, die Heiligkeit für sich beanspruchen. Höchstens noch Nationen, wo nicht der unmittelbare Übergang in die Religion sichtbar wird. Und natürlich der Markt, das perfekte Wesen, das nach Ansicht von Theologen in den Chefetagen regelmäßig kollabierender Konzerne nur deshalb nicht funktioniert, weil sich immerzu Menschen im Getriebe aufhalten. Alles kann die unsichtbare Hand alleine, vor allem regeln – es sei denn, Angebot und Nachfrage funktionieren tatsächlich einmal so, wie es den Profiteuren der Wirtschaft nicht in den Kram passt. Dann muss das Regeln reguliert werden, am besten durch Deregulierung, und auf einem mehr oder weniger sinnlosen Umweg kommt die ganze Grütze da an, wo die Logik es will: im Versagen des Marktes. Denn nur dazu ist der Kapitalismus gut.
Bereits mit der vollständigen Konkurrenz, in der jeder Depp seinen Industriekonzern gründen kann, fällt die Grundvoraussetzung, die genügend großes Kapital erfordert, das sich marktwidrig akkumuliert in einem System, das nur Arbeit besteuert, nicht aber arbeitslosen Besitz – allen Mythen zum Trotz hat sich noch kein Tellerwäscher zum Millionär emporgeschwiemelt, und das wäre für neoliberale Apologeten eine Marktverzerrung, die unverzüglich bekämpft werden müsste. Zwar lallt der geistige Bodensatz in jedem Wahlkampf, Leistung müsse sich wieder lohnen, aber das ginge doch eben nur mit der Abschaffung des Kapitalismus.
Kaum ein Aspekt wurde in den vergangenen Jahrzehnten so ausgiebig ignoriert wie die Effekte von Individualverkehr und Energieerzeugung auf das Klima. Wie schön lässt sich daran zeigen, dass der kurzfristige Gewinn, den die Politik in einem als Ökonomie getarnten Casino als größtes Glück für die Vermögenden verklärt, stets eine Belastung für die Mehrheit erzeugt, die mit Umweltbelastung oder Verteuerung allein gelassen wird, wenn die Straßen verstopft, die Brennstäbe leergelutscht, die Atmosphäre mit CO2 gesättigt sind. Die externen Kosten werden dem Verbraucher als Abschiedsgeschenk hinterlassen, das nur durch den Anstieg von Staatsschulden getilgt werden könne – der Gottseibeiuns für die Arschgeigenkaste, die ihr Privatvermögen mit der Zerstörung des Planeten in Sicherheit gebracht haben – oder durch Verzicht auf Güter wie Wasser, Luft und Wohnraum. Bringt man diese Opfer nicht, so rettet der verhasste Staat gerne die Leidtragenden, etwa Mineralölhöker mit eigener Dealerkette, und hofft, dass die Subventionen, die sich eigentlich nur kommunistische Planfetischisten wünschen, nicht von der Unterschicht für Schnaps und Kippen ausgegeben werden. Öffentliche Güter gar, Straßen und Brücken, werden dem Bürger ohne Gegenleistung zur Verfügung gestellt, und verfolgt man den Ansatz der permanenten Steuersenkung, wie es der Nachtwächterstaat tut, zahlt niemand für diesen Allgemeinbesitz – es sei denn, man stampft für die Amigos eine Firma aus dem Boden, die eine Maut eintreibt für Straßenbeleuchtung und Schulen. Und schon warzt das Allgemeinwesen wieder an den externen Effekten ab, die aus unterfinanzierten Kliniken einen maroden Arbeitsmarkt macht oder aus einem von Blödföhnen seit Generationen in die Tonne getretenen Schienennetz eine Belastung für den Güterverkehr. Je öfter der Staat mit gezielter Dummheit in den Markt eingreift, indem er Flugreisen durch steuerfreies Kerosin attraktiver macht oder für lange Zeit Mondpreise im deutschen Telekommunikationssektor förderte, während alle angrenzenden Staaten sich ins Fäustchen lachten, desto sicherer vollzieht das System sein Versagen, denn dies ist immanent, wenn man in einem System lebt, das ständig gerettet werden muss, damit wir in weiter einem System leben können, das ohne diese Rettung nicht überlebensfähig wäre.
Den Beweis dafür lieferten die französischen Kolonialherren in Vietnam, die der Rattenplage in Hanoi Herr werden wollten und eine Prämie auf die Schwänze aussetzten. Die armen Bauern schnitten den Ratten die Schwänze ab, ließen sie aber am Leben, damit sie sich ungehindert fortpflanzen und die Stadt bevölkern konnten – die Besatzer zahlten sich dumm und dämlich, wie der Legende nach die Briten in Indien, die die Verbreitung der Kobras mit Preisgeldern einzudämmen versuchten und für eine private Schlangenzucht sorgten, so dass am Ende die Staatskasse leer und die Population größer war als je zuvor. Der Markt hatte auf die Nachfrage mit stetig wachsendem Angebot reagiert, ohne sich mit der Frage aufzuhalten, ob ein volkswirtschaftlicher Nutzern dahinterstecken könnte. Er hatte nur sein vollständiges Versagen zelebriert, Arbeit um ihrer selbst willen geschaffen und Entgelt dafür gezahlt, dass der Wille der Wirtschaftslenker geschehe, von Staatsversagen durch die Eigeninteressen des Volks einmal abgesehen. Darin zeigt sich auch die ganze Verachtung des Volkes in der Volkswirtschaft, wenn man es unaufhörlich anstachelt, rücksichtslos die eigenen Interessen zu verfolgen, dann aber nicht damit rechnet, wenn es dies tatsächlich auch tut. Die Folgen der Markteingriffe treffen selten diejenigen, die sie erforderlich machen. Wir wären sonst längst im Sozialismus. Oder im Krieg.
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