Sie warf sich quiekend auf dem Rücken hin und her, während die Hand sie am Bauch streichelte. Die Finger wanderten auf und ab, sie ließ ein lautes und inbrünstiges Schnurren ertönen. Anne konnte gar nicht aufhören, die Katze forderte immer mehr.
„Wenn ich es mir recht überlege, dann sollte ich mir auch eine Katze anschaffen.“ Ich blickte sie verständnislos an. „Ich will Dir ja nicht zu nahe treten“, begann ich vorsichtig, „aber hast Du noch in Erinnerung, wie das mit dem Alpenveilchen ausgegangen ist?“ Anne runzelte die Stirn. Offenbar war ihr nicht entfallen, wie sie es geschafft hatte, eine Topfpflanze, die als Raumschmuck für ihr Wohnzimmer dienen sollte, konsequent so lange zu ignorieren, bis das Ding, das immerhin auf dem fast leeren Couchtisch stand, braun und krustig in seine Bestandteile zerbröselte. „Ich habe doch gar nichts gemacht!“ „Eben“, replizierte ich trocken, „was erwartest Du denn? Dass der Bewuchs mit den Blättern wedelt, sobald Du Dich in der Nähe einer Gießkanne aufhältst?“ „Ein Haustier wäre eben einfacher“, murmelte sie kleinlaut. „Das würde irgendwann schon sein Recht einfordern.“
Vor meinem inneren Auge tat sich das Grauen auf. Mumifizierte Fische klebten am Boden eines ausgetrockneten Aquariums, an der Terrassentür haftete ein versteinerter Gecko, wie zufällig lag hier und da das Skelett einer Springmaus, ausgeblichen von jahrelanger Sonne, auf dem Perserteppich, während als letztes Anzeichen von Leben eine Myriade Schmeißfliegen im Sturzflug auf die Reste einer Dogge niedergeht. Selbst Sukkulenten kann diese Frau, da eine begabte Juristin, nur mit Hilfe einer Gebrauchsanweisung sowie strikt nach einem ausgeklügelten Bewässerungsplan versorgen. Das einzige Getier, mit dem sie fertig würde, wäre wohl ein ausgestopfter Saurus, für den es keinerlei Vorschriften zur artgerechten Haltung mehr gibt.
„Wenn Du wirklich der Meinung bist, dass Du ein Tier versorgen könntest, warum muss es dann ausgerechnet eine Katze sein?“ Es hatte fast den Anschein, als habe meine vierpfotige Gefährtin die Frage verstanden; mit runden Augen blickte sie Anne an, während ihr Schwanz unschlüssig hin und her peitschte. „Auf Katzen muss man nicht so viel aufpassen, einmal am Tag füttert man sie, und das reicht dann aus.“ Idigniert rümpfte die Katze ihr feines Näschen – sie musste tatsächlich jedes Wort begriffen haben – und sprang vom Sofa. Anne rasselte mit einer kleinen Dose voller Leckerchen, doch nicht einmal das schien die Empörte noch zu interessieren; mit stolz erhobenem Schweif schnürte sie davon.
Herr Breschke war zuvorkommend wie immer. „Da sagen Sie einen schönen Gruß von mir, und dass ich Sie als Hundehalter wärmstens empfehle.“ Bismarck, der mit Abstand dümmste Dackel im weiten Umkreis, hechelte mit heraushängender Zunge um Anne und wickelte dabei seine Leine mehrmals um die Stuhlbeine, so dass Anne beim Versuch, sich von Breschkes Küchentisch zu erheben, fast vornüber in die Teetasse gekippt wäre. „Ja, wo ist denn mein Kleiner“, flötete der pensionierte Finanzbeamte. „Momentan sitzt er unter meinem Rock und macht Männchen“, zischte Anne. Es hatte nicht den Anschein, als ob der Besuch bei einem Hundezüchter sonderlich großen Erfolg würde zeitigen können.
Shakira und Shalila kläfften ohrenbetäubend. „Die sind sehr zäh und viel widerstandsfähiger, als Sie denken“, schrie Konoppke. Die beiden Westies machten keine Anstalten, ihr lautstarkes Gebell zu unterbrechen; wütend schnappten sie nach Annes Hand, die sie ängstlich wieder zurückzog. „Die halten was aus, die können Sie auch bei jedem Wetter mit rausnehmen. Lieben die Tiere wirklich, kommen ja schließlich aus dem Hochland. Raues Klima, das mögen die. Deshalb auch Vorsicht mit zu viel Sonne. Können die ja gar nicht ab.“ „Und wenn ich im Sommer wieder in die Toskana – Du weißt, Staatsanwalt Husenkirchen hat doch dieses entzückende kleine Sommerhaus…“ Ich blockte ab. „Wenn Du meinst, ich hüte Deine töffeligen Terrier, während Du Dich in Italien sonnst, dann hast Du Dich gewaltig geirrt.“ „Aber ich bitte Dich, die sind doch klein und niedlich und schauen so süß aus!“ Die beiden niedlich bis süß ausschauenden Hunde geiferten gerade mein Hosenbein an und blafften sich heiser. Shalila, oder war’s Shakira? jedenfalls belferte das weiße Haarbüschel mit Spitzohren aus Leibeskräften, so dass ich einen knurrenden Laut ausstieß. Schlagartig verstummten die Welpen. „Und die sind doch so klein – schau mal, die sind so klein, dass Du mit denen nur einmal am Tag ganz kurz rausgehen musst.“ Konoppkes Kiefer klappte auf. Nein, es würde keinen West Highland White Terrier bei ihr geben, so viel war sicher.
Sie raschelte und schüttelte und machte jede Menge verdächtiger Geräusche: Anne hatte eine große Tüte voller Leckerlis besorgt und suchte in der ganzen Wohnung nach der Katze. Ich ließ sie gewähren, schließlich hatte sie eine Entschuldigung mehr als verdient. Drei volle Tage begegnete sie mir mit äußerster Distanz und ließ mich deutlich spüren, dass sie es als Zumutung empfand, den Inhalt der von mir geöffneten Dose zu verspeisen. (Einige Stunden später sah sie die Sache weniger dogmatisch und fraß die Entenpastete vollständig auf.) Da lag sie auf dem Sessel und tat unbeteiligt. „Ich dachte“, druckste Anne, „vielleicht kann ich ja an ihr ein bisschen üben. Einmal in der Woche, das würde mir dann schon reichen.“ „Wenn sie nichts dagegen hat“, antwortete ich lakonisch. „Wie wär’s denn sonst mit einem Alpenveilchen?“
Satzspiegel