Schuldknechtschaft

19 01 2022

„… in vielen Ländern bis heute körperlich und seelisch ausgebeutet würden. Die Bundesregierung werde dazu noch strenger auf die UN-Konvention hinweisen, damit Kinderarbeit nicht länger zum…“

„… zahlreiche Auswirkungen auch auf die deutschen Märkte hätte. So könnten sich gerade die Ärmsten der Armen, die vom Bürgergeld leben müssten, alltägliche Produkte wie Schokolade und Kaffee nicht mehr leisten, wenn die EU durch eine überzogene Verbotspolitik die soziale Schere aus moralischen Gründen ansetze. Merz fordere ein…“

„… würden Gegenpositionen in der öffentlichen Diskussion oftmals vorsätzlich unterschlagen. Weidel sehe in der frühen Berufstätigkeit auch eine praktisch orientierte Bildungschance, da man bei minderwertigen Rassen mit Schule nur überflüssige Potenziale zur Auswanderung nach…“

„… touristische Angebote sehr stark von einem ausreichenden Vorrat an Kinderarbeitskräften abhängig seien. Gerade durch negative Faktoren wie Corona oder den Klimawandel müsse man die Reiseindustrie wieder stärken, indem man durch eine flexiblere Kooperation mit den Betrieben vor Ort eine beiderseitige…“

„… nach Lindners Ansicht mit dem sofortigen Stopp keinem gedient sei. Vielmehr müssten auch die positiven Effekte gesehen werden, die in den Herkunftsregionen viel deutlicher zutage träten als in Europa. Eine langfristige Verbesserung aller an den Lieferketten beteiligten Volkswirtschaften sei nur mit einem langsamen Ausstieg aus der…“

„… werde auch die Textilindustrie nachhaltig geschwächt, wenn andere soziale Randgruppen wie Frauen die Hauptlast der Fabrikarbeit zu tragen hätten. Merz wolle durch eine bessere Verteilung der Arbeit auf die Gesellschaft ein nachhaltiges…“

„… dass in Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten noch bis weit ins vergangene Jahrhundert Kinder ganz selbstverständlich in den elterlichen Betrieben beschäftigt und teilweise dafür nicht einmal entlohnt worden seien. Die FDP warne vor einer Neiddebatte, dass die vergleichsweise gute Lohnsituation in den heutigen Ländern der Dritten Welt im Vergleich zu den damals…“

„… habe auch die AfD kein Interesse an einer kompletten Ächtung der Kinderarbeit. Würde man den Familien die Anreize zur eigenverantwortlichen Haushaltsführung nehmen, so Meuthen, so öffne man die Schleusen einer Massenmigration, die vor allem unbegleitete Jugendliche aus sämtlichen…“

„… könne sich Kubicki auch einen direkten Transfer ausländischer Wirtschaftsmodelle auf die deutschen Verbraucher vorstellen. So sei die legale Verschreibung in Schuldknechtschaft für viele sich in Privatinsolvenz befindliche Erwerbslose eine durchaus attraktive Möglichkeit, die letztlich auch die Interessen der Finanzdienstleister sehr gut…“

„… sich der Fachkräftemangel inzwischen auch in Ostasien zeige. Für den Bundesverband der Deutschen Industrie sei klar, dass viele Firmen im Schichtbetriebe ohne den Einsatz von Kindern nicht mehr wirtschaftlich arbeiten könnten, weshalb das Verbot nach internationalen Richtlinien langfristig zu schweren Schäden an der Weltwirtschaft und damit an den börsennotierten…“

„… sich Merz im Falle der Textilhersteller für den möglichst frühen Einstieg in die Erwerbsarbeit ausgesprochen habe. Durch das Ansammeln vieler Berufsjahre steige seiner Erfahrung nach auch die individuelle Rente, was zu mehr Wohlstand und…“

„… habe Deutschland nach Ansicht von Weidel kein Recht, anderen Ländern ihren Umgang mit den eigenen Kindern vorzuschreiben, solange hier noch geduldet werde, dass linksextremistische Demos während der Schulzeit die Zerstörung staatlicher Erziehungsziele einläuten würden, bis sich die…“

„… werde das Aufstiegsversprechen des freien Marktes sich gerade in den aufstrebenden Nationen beispielhaft bewahrheiten. So könne ein Kind, das mit fünf Jahren als Näher seine Karriere starte, mit 35 bereits Eigentümer eines Textilkonzerns mit mehr als einer Million Arbeitskräften sein, die mit ihrem eigenen Konsumverhalten für eine große…“

„… müssten Veränderungen im politischen und gesellschaftlichen System der Länder berücksichtigt werden. Lindner warne vor einer Ausbreitung der Kindergewerkschaften, die noch mehr Sozialismus und Verarmung in den betreffenden…“

„… lehne die AfD die Zuwanderung von mehreren Millionen Kinderarbeitern pro Jahr strikt ab, da es nicht genug Beschäftigungsmöglichkeiten für diese gebe. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Arbeitsmigranten deutschen Kindern die Ferienjobs wegnähmen, was zu einer katastrophalen…“

„… weite Teile der Union die Ausweitung eines allgemeinen Kinderarbeitsverbots auf die deutsche Gesellschaft kritisch sähen. Man habe bereits durch das Verbot der körperlichen Züchtigung durch die Eltern das christliche Menschenbild leichtfertig preisgegeben und müsse nun durch besondere Berücksichtigung des Kindeswohls eine…“

„… sehe sich die Kultusministerkonferenz aber nicht in der Lage, ein einheitliches Urteil über Lockerungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes zu kommunizieren. Man gebe jedoch zu bedenken, dass die Kinder in Deutschland durch die in den Schulen vorangetriebene Durchseuchung mit dem Corona-Virus derzeit nicht geeignet seien, die in der Wirtschaft erwarteten Personallücken einer neuen Infektionswelle zeitnah zu…“





Gernulf Olzheimer kommentiert (DLIII): Die Kinder der Mittelschicht

26 02 2021
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Ja, es ist alles so fürchterlich, weil nämlich niemand, wirklich keiner, und zwar buchstäblich keine Sau an die Kinder denkt! Schrecklich! Es ist eine Tragödie! Wir werden alle sterben – das war bisher weder Herrschaftswissen noch stand es im empirischen Kontext je ernsthaft zur Debatte – und die Kinder auch! Die Kinder! Nein, vor einer Kita die asozialen Hohlpfosten aus ihren SUVs zu zerren, ihnen bei Geschwindigkeitsüberschreitung in Tateinheit mit ungebremsten Überfahren eines Fußgängerüberwegs den Schlagring durch den Gesichtsübungsversuch zu ziehen und die Reste in der Kanalisation zu verklappen, das geht nicht. Im Namen der Freiheit Bambini zu opfern für das deutsche Menschenrecht auf Auto, das ist süß und ehrenvoll, vor allem für unterprivilegierte Opfer, die ja einfach neue Kinder in die Welt setzen, wenn man sie nicht rechtzeitig verhungern lässt. Dass in der benachbarten Grundschule der Unterricht auch mal ausfällt, der Putz von der Decke bröselt und die sanitären Einrichtungen eher den Hygienestandard einer Spulwurmaufzuchtstation haben, das ist nicht schön, aber wen interessiert’s. Dass der Nachwuchs der Latte-macchiato-Mammis in der Krabbelmäuse-Gruppe jetzt keinen ganzheitlich vor Erdstrahlen geschützten, regional aufgezogenen Ökorosenkohl mehr kriegen, das macht uns voll total betroffen. Weil diese kollateralbekinderten Grützbirnen der Mittelschicht angehören und wichtig sind.

Wie tröstlich klingt das alles: unsere Kleinen, sie brauchen soziale Zuwendung, die aus staatlicher Hand quillt, Schule als Heimstatt des Humanen, Reit- und Geigenstunden, damit sich bürgerliche Tugend vom Säugling an in Untertanenköpfen fest mit der Vaterlandsliebe verschwiemelt. Fördern ist unsere zweite Natur, Kindeswohl und Schutz der Schwächsten in unserer Gesellschaft lösen wohlig patriotische Gänsehaut aus, wo sie an erster Stelle stehen im Gemeinwesen. Wen würde es nicht zu Tränen rühren, der das in dieser kalten Welt sähe?

Am Arsch. Ginge es den Profilneurotikern um Kinder, sie würden den Fiedelunterricht gegen eine warme Mahlzeit tauschen, den mehr Eltern nicht finanzieren können, weil sie leider kein ausreichend relevantes Einkommen mitbringen, um Laberlurche im Kanzlerwahn auf den Boden der Tatsachen zu bringen. Da werden psychische Auffälligkeiten und voraussichtlich lebensbedrohliches Bauchweh als emotionale Totschlagargumente aus Schmierseife geschnitzt, damit man sich nicht erinnert, dass die Kinder ihnen bisher an der Rosette vorbeigingen – auch und gerade unter Aspekten wie Bildung oder Gesundheitsschutz, auch und gerade in pandemisch zugespitzten Verhältnissen.

Ähnlich funktionieren Politiker sonst nur im Wahlkampf, weil sie dann erst recht ein Interesse haben, sich auf Kosten anderer zu profilieren. Alles abholzen, weil man auf der Trasse durch den Wald eine dufte Autobahn hinklotzen kann, die zufällig zehn Amigos kostenlose Verkehrsanbindung an die Produktionspaläste garantiert? Aber Naturschutz ist doch wichtig, der deutsche Baum muss wieder in unsere familienfreundlichen Naherholungsgebiete mit Schmetterling und Singvogel locken! Rind und Schwein werden als mastfreundliches Eiweiß unter hygienisch abstoßenden Bedingungen mit allerlei Medikamenten vollgepfropft, vor und nach dem Abschlachten hunderte von Kilometern durch die Landschaft gekarrt, weggeballert, zerteilt und in Plastik eingeschweißt in die Supermärkte gekippt? Hallihallo, Milch von glücklichen Bio-Kühen, sonst stresst der Verbraucherschutz wieder sinnlos herum! Der Senior deliriert sauber und satt vor sich hin, damit Pflege und Medizin die Goldgrube für Aktionäre bleibt, die fette Rendite verspricht statt ethischer Standards? Aber es ist Wahlkampf, und jede Stimme zählt! Wobei man derart komplexe Zusammenhänge schon oberhalb des intellektuellen Verständnisrandes sehen kann, den ein Politiker mit der Trittleiter erreichen kann.

So sind dem durchschnittlichen Feuchtbeutel auch die begabten Schülerinnen aus Familien mit Fluchthintergrund herzlich egal, wenn er sie nicht in seinem innenpolitischen Programm als potenziell straffällige Jugendliche zu Abschiebekandidaten hochstilisieren kann, denen man Abitur, Studium oder sonstige Wohltaten angedeihen lassen muss, die bekanntlich nur ihnen selbst nutzen. Das Kind ist für ihn nur ein Accessoire, das man für hübsche Fotos auf den Arm nehmen kann, wenn gerade kein Hund greifbar ist. In seltenen Ausnahmefällen, etwa bei knappen Prognosen, lässt er sich schon mal im sozialen Brennpunkt sichten, wo so gut wie kein digitaler Unterricht stattfindet, nicht einmal in der notwendigen Präsenzbeschulung, da schlicht keine Mittel zur Verfügung stehen für Menschen, die später Auffüllmaterial für die Unterschicht werden, weil sie nicht einmal von ihren neoliberalen Eltern auf den persönlichen Vorteil getrimmt werden und mit solidarischem Verzicht das Pack alimentiert, das vorgibt, sich um ihr Seelenheil zu kümmern. Gut, dass keiner sie auf den Arm nimmt. Am Ende würden sie noch Zeugen, wie man diese Schnösel einebnet, bis sie wie Wahlplakate aussehen, die am Bionadeviertelspielplatz herumhängen. Für uns alle.





Kinder an die Macht

1 02 2017

„… gefordert habe, das von der UNO beschlossene Verbot von Kinderarbeit auf nationaler Ebene nicht zu ernsthaft durchzusetzen. Es vertrage sich nicht mit den ethischen…“

„… den Lebensstandard nicht mehr halten könne. Die völkische Reproduktion, so Petry, müsse sofort auf das antideutsche Erbgut beschränkt werden, um geblütmäßig minderwertiges Gezücht von der Infiltration in die Rasse des…“

„… klar gegen jede Form von Kinderarbeit sei, die als spätimperialistische Form der Sklaverei die Menschenrechte verhöhne. Der SPD-Konvent habe eine einstimmige…“

„… zu viel Zeit mit Schulbesuch verplempert würde. Gauland wolle den Nachwuchs zu guten Bürgern erziehen, die nicht dabei gewesen seien und sich trotzdem für die Ehre von Führer, Volk und Vaterland in die…“

„… und Kinderarbeit erst 2025 beendet werden solle. Der DAX sei angesichts dieser Zahl mit einem gewaltigen…“

„… einstimmig gewesen sei, nach Aussage von Nahles aber die Wahlurnen verwechselt habe. Die Sozialdemokraten seien eher für eine Abstimmung, um ihre Haltung zu Parteiprogramm, Verfassung und persönlichen Absprachen nochmals deutlich zu…“

„… müsse jede Parteimitgliedschaft hinfort auf die Rente angerechnet werden, sofern die Partei nicht von Umvolkung, zionistischem Schuldkult oder christlichem Abendland…“

„… filigrane Lötarbeiten von Industrierobotern erst unterhalb eines Lohnes von umgerechnet vier Cent pro Stunde rentabel seien. Bis dahin seien die Hersteller leider gezwungen, Schulkinder zum…“

„… die Höcke-Jugend nicht geeignet sei, als Körperschaft öffentlichen Rechts die…“
„… zwar richtig sei, dass Kinderarbeit ganze Generationen vom Schulbesuch abhalte. Dies sei jedoch auf die unteren drei Viertel der Gesellschaft beschränkt und sei daher als Blaupause für den…“

„… dass auch heute Rechtssicherheit für Kindersklaven herrsche. Nahles habe darauf hingewiesen, dass es ungeachtet einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Verschlechterung der Lebensumstände von Kindern klare Grenzen gebe, bis zu denen Minderjährige Löhne von Ferienjobs, Geburtstagsgeschenke oder andere geldwerte Vorteile bei der Berechnung von…“

„… sich westliche Technologiekonzerne in zunehmendem Maße der Verantwortung bewusst würden, die sie für die Entwicklung ostasiatischer Staaten hätten. Es sei für die Unternehmen längst Konsens, die Versorgungslücke zwischen Kinder- und Jugendprostitution sozialverträglich zu…“

„… die Verhinderung des Schulbesuchs nicht nur negativ sehen. Durch eine stark verlängerte Berufstätigkeit könne der durchschnittliche Einwohner eines Entwicklungslandes fast ein Viertel des Äquivalent eines in der EU prekär beschäftigten…“

„… sich die EZB wegen des Asiengeschäfts gezwungen sehe, die Zinsen nochmals auf einen neuen Rekordwert…“

„… der westlichen Industriegesellschaft nicht zuzumuten sei, dass die Preise für Sportschuhe um fast ein Prozent in der Produktion und im Verkauf um mehr als das…“

„… viel mehr internationale Solidarität fordere. Gabriel wolle für die Opfer der Globalisierung in Südostasien und Afrika dieselbe Aufmerksamkeit wie für die unterernährten Kinder von Goslar, auch wenn ihm deren Lebensumstände komplett am…“

„… dass das Verbot legaler Kinderarbeit stets eine Vermehrung illegaler Kinderarbeit nach sich ziehe. Man müsse nach diesem Muster möglichst auch Waffenhandel, Strafrecht und…“

„… letztlich zu einer Verteuerung aller im Westen gebräuchlichen Fabrikate führen könne. Der Mangel an minderjährigen Fachkräften führe so zu einer globalen Katastrophe, die zur Senkung von Hartz IV, einer Anhebung der Kaltmieten und einem…“

„… dass eine postsozialdemokratisch erfahrene Globalisierung auch mit einfachen Mitteln wirken könne. Man verstehe, so Gabriel, die Kinderarmut in der Dritten Welt erst aus der Perspektive der Industriestaaten, wenn die Hartz-Gesetze deutsche Kinder wie den allerletzten…“

„… der durchschnittliche Fußball um mehr als einen ganzen Cent teurer würde, Luxusmodelle sogar um einen halben. Der finanzielle Ruin der Bundesliga sei nur noch eine Frage der…“

„… die tatsächliche Belastung nicht angerechnet werden dürfe. Lindner fordere eine Abschaffung der Steuern bei gleichzeitig dreifacher Rückzahlung der veranlagten…“

„… den Terrorismus aus Europa fernhalte, da die extrem geringe Lebenserwartung der Kinder eine Ausbildung zum Suizidbomber so gut wie…“

„… deutsche Experten dabei helfen könnten, die Ausbreitung von Gewerkschaften und Betriebsräten zu verhindern, um die Volkswirtschaften nicht…“

„… auch den betroffenen Regionen nütze, da Kindersoldaten dank industrieller Verwendung kaum noch eine militärische Rolle…“

„… auch die FIFA betroffen sei. Eine WM mit 96 Mannschaften reiche nicht mehr aus, um die Kosten der Geberstaaten zu verteilen, daher habe man eine Sondersteuer im…“

„… eine Grundversorgung von Kindern, deren Familien bisher nie das geringste Interesse an der Stabilisierung internationaler Bankhäuser gezeigt hätten, auf keinem vernünftigen…“





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCLXV): Kindergeburtstage

7 11 2014
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Sie hatten das mit der ewigen Verdammnis ausdiskutiert, sie hatten die Psychosen erfunden, Homöopathie, Bungeespringen, Volksmusik, aber so richtig schlecht fühlte sich keiner von ihnen. Auf den Bundesparteitagen rechter Splittergruppen, da beschlich sie schon diese leichte Grundübelkeit, die man von Dichterlesungen kannte, wenn in der Buchhandlung an der Ecke der billige Rosé in Pressglas serviert wurde, parallel zum Odeur feuchter Übergangsjacken im Spätherbst, aber das war nicht der Weltekel, den man gerne schon in biblischem Ausmaß gespürt hätte, wenn man nur an Es dachte. Deutscher Schlager? Stalingrad und Leberwurst hatten sie hinter sich gelassen, die Möbel von 1970, was sollte sie noch schocken? Natürlich der Kindergeburtstag.

Sechs bis zwanzig quengelnde Schutzbefohlene zerlegen innerhalb gestoppter zehn Minuten einen Wohnblock in seine Einzelteile. Einer von ihnen ist schuldig, aber gerade dem kann man nicht das Licht ausknipsen, es ist Fleisch vom eigenen Fleische und dauerhaft gegen alles imprägniert. Wie eine Schule von Kraken auf Speed stopfen sie ihre Tentakeln in die Öffnungen der Zivilisation, die an sich von und für Erwachsene gedacht war. Vernunft, Wildleder und filigranes Handwerk sind hier zu Hause, nicht plärrende Terroristenzöglinge, mit denen man ab zwei Personen aufwärts bereits eine ganze Armee in Schach halten könnte, immer vorausgesetzt, sie schlafen nicht vorher ein. Die Armee nämlich.

Sie produzieren infernalischen Lärm, indem sie auf Töpfen klömpern, verschmieren Landstriche mit Senf und Kakao, brechen Butterkekse in der Lüftung des SUV ab, während nichts ahnende Eltern dem melodiösen Singsang der Brut zum Opfern fallen, und lotsen die Ausrichter der Spiele in die unmittelbare Nähe einer Hirnembolie. Warum nur? Sie haben aus nicht mehr zu diskutierenden Gründen einmal Leben in die Welt gesetzt, und schon werden sie mit den gebündelten Reproduktionsversuchen anderer Querkämmer konfrontiert, schlimmer noch: man lässt sie alleine mit ihnen.

Dieser Schrecken verliert nie seine Widerhaken. Denn je mehr und je besser man dieses fröhliche Fest von Minigolf und Vanillepudding zu ordnen versucht, desto grandioser rutscht es in die Grütze. Hat je ein besorgter Vater es vollbracht, den Lieblingsgast des Geburtstagskindes vom Versuch abzuhalten, sich zwei Dutzend Frikadellen samt Tomatenpampe und Schokomatsch in den Magen zu hauen, ohne hinterher eine abstrakte Collage in Brauntönen auf der Auslegeware zu zaubern? Und was, wenn es tastsächlich gelänge: wird er das Image des Arschlochvaters je annehmen, wenn auch sein Erbe fortan wie ein Paria behandelt wird?

Die postmoderne Variante des Horrors basiert auf der Furcht, unter den Erziehungsberechtigten der Kindsgäste eine Monstermammi vorzufinden – was wie die robuste Variante einer Latte-macchiato-Nervschratze klingt, die lediglich sich und ihr nachgemachtes Lkw-Planen-Handtäschchen ins Schlampenlicht stellen will, ist in Wirklichkeit eine gefährliche Irre, die schon zu präpubertären Zeiten heimlich davon geträumt hat, mit einer rostigen Büroklammer die Hälfte der Menschheit über die Wupper zu bringen. Während sie sich dem Areal einer handelsüblichen Blumenwiese nähert, die zum Fußhandballrugby von zehn gesunden Kindern genutzt wird, drischt die Dumpfturbine dem Gastgeberpaar eine vorformulierte Kanzelrede rein, die sich mit der mangelnden Barrierefreiheit der Grasnarbe beschäftigt, eine hilfsverbal gequirlte Rumpelkammer dümmlicher Wortkotze, aber man versucht es halt, wenn kein anderes Druckmittel zur Hand ist. Gerne genommen werden Schrapnelle aus der Ernährungstheorie – das eigene Kind isst nur laktose-, gluten- und zuckerfrei, vegan, koscher, in Anwesenheit einer Bezugsperson repressionsfrei entbundene Eier oder arische Marshmallows – oder das vulgärpädagogische Dogma: jedes Kind muss beim Wetthumpeln einmal gewinnen, sonst leidet die Integration der andersartig Begabten, und wenn schon einer alle drei Runden als Sieger durchsteht, dann bitte der eigene hochbegabte Rotzlöffel, der schon mit fünfzehn Monaten rhythmisch rülpsen und das Telefonbuch nach Quadratwurzeln einsabbern konnte. Endgültig dreht das inwendig blondierte Intellektgranulat am Rad, wenn einer der Sprösslinge an der Flasche mit natriumarmem Wasser ohne Kohlensäure nuckeln sollte, die für den eigenen Zellklumpen beschriftet war. Sollten sich Hitler, Stalin, Pol Pot und die Mistmutter im Raum befinden, in der entsicherten Flinte aber nur sechs Schuss sein: je einen in die Kniescheiben der Klötenkönigin, den Rest nach Möglichkeit verschleißfrei ins Zentrum. Muttersöhnchen neigen im Gegensatz dazu schon mal zum Spontanableben, gerne auch bleifrei. Der Friedensnobelpreis dürfte sicher sein.

Schon haben die erziehungswissenschaftlich geschulten Vollprofis die Zügel in die Hand genommen und lotsen die Blagen durch Motto- und Erlebnisnachmittage. Piraten und Leistungssport, Naturkunde und Rebirthing bucht der betroffene Kindshalter für seine Kleinen, um nach der jäh an ihnen vorbeirauschenden Zwangsbespaßung zu bemerken, was sie wirklich wollen. Denn zum Schluss des professionellen Eventgeschmodders finden auch die Vorturner sich mit den Kids wieder im Frittenparadies, um sich fettgeschwollene Klopse im Matschbrötchen hinters Zäpfchen zu schwiemeln. Wenn das Zeug rauskommt, dann auch auf dem elterlichen Flokati, aber wenigstens kann man sich dann beim Gouvernantement beschweren und das Honorar kürzen. Immer noch besser als Bundesparteitag.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCXXXII): Das unfunktionale Kind

7 03 2014
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Was war die Welt für ein wundervoller Ort, sein unbedeutendes Leben kurz und schmerzlos zu beschließen. Wer nicht die falschen Pilze knabberte, wurde vom Säbelzahntiger beseitigt oder verlor das Match gegen Grippe, Wundbrand und Asthma. Niemand wurde älter als 40 – ein Traum für die Jugendfetischisten, die noch mit 95 aussehen wollten wie Wolfgang Joop mit 59. Kinder waren n och Kinder. Sie durften noch auf eigene Faust durch die Savanne streichen, hatten dann aber Pech, wenn die Raubkatzen sich gerade das Lätzchen umgebunden hatten. Was jedoch die Erzeuger nicht groß aus dem Ruder brachte: sie legten vor dem Abnippeln noch mal drei neue Folgen Nachwuchs hin und suchten sich dann das beste Material aus. Die Evolution war ja hart, aber herzlich. Nur heute funktioniert das nicht mehr. Was aber nicht am durchschnittlich viel gesünderen Nachwuchs liegt. Sondern an den Dummklumpen von Eltern, die ihre Kinder generell für dümmer halten als sich selbst – was technisch unmöglich sein sollte.

Denn die heutigen Nachkommen sind einfach zu nichts zu gebrauchen. Sie können nicht segeln, beherrschen ihre Drittsprache nicht akzentfrei, betonen in den Pralltrillern der Scarlatti-Sonaten die Mittelnote einfach zu stark, haben noch keine internationalen Finanzkonzerne gegen die Wand gefahren, und dabei sind sie meistens schon mitten im dritten Lebensjahr. Dass sie Versager sind, liegt nicht an den Eltern, so viel ist sicher. Und dann sind sie auch noch so störrisch und funktionieren nicht auf Knopfdruck.

Die Abgehobenheit helikopternder Eislaufmammis ist nichts gegen den Drill im heimischen Camp, den aufstrebende, also ab Werk noch nicht zur obersten Gesellschaftsschicht gehörende Deppen ihrem Gezücht mit auf den Weg geben. Dieser ist meist vorgezeichnet, wird steinig und hat nicht zwingend eine große Erfüllung zur Folge, in der Mehrzahl jedoch einen charakterlichen Kollateralschaden, der beim Ultramarathon ein perfektes Largo geigt und ansonsten als Blödföhn die Menschheit nervt. Das nicht hinreichend in die Erfolgsspur geprügelte Kind hat keine Zeit mehr, sich selbst zu entfalten, deshalb faltet es die anderen zusammen und wird, Überlebensfähigkeit immer vorausgesetzt, auch von ihnen gefaltet. Wer das sät, erntet Kompott.

Dies jedoch ist nur die übliche Brutalität der Querkämmer auf Sündenbocksuche, wie sie für ihre eigene Beklopptheit alles zur Verantwortung zerren, was nicht schnell genug zurückschießt. Als Steigerung der Perversion gibt die niedermolekulare Verschwiemelung mit der gesellschaftlichen Norm den Ist-Zustand ungefragt als Krankheit aus, sprich: was nicht hinreichend den wirren Vorstellungen der Egoleptiker entsprich, wird umgehend als pathologische Erscheinung gebrandmarkt. Ist das Söhnchen nicht sportlich genug, weil es als Kleinkind lediglich die Koordinationsfähigkeit eines Kleinkindes aufweist, so handelt es sich um eine Entwicklungsstörung, die therapeutisch zu therapieren ist. Meist werden dem Balg aus Gründen der gesteigerten Effizienz (die Verziehungsberechtigten haben ja noch richtige Erben und müssen sich auch um die Finanzen kümmern) pharmazeutische Waffen verabreicht. Wer soll sich auch ständig um den Familienmist kümmern.

So kleben die Schorfhirne Etiketten auf ihre Zöglinge: bipolare Störung, Autismus, Aufmerksamkeitsdefizit. Wie sonst auch sollten sie die Reaktionen ihrer Kinder bezeichnen, deren Defizite hauptsächlich darin bestehen, dass sie wenig bis höchstens falsche Aufmerksamkeit einer sozialen Zusammenrottung bekommt, die man mit ihr besser nicht allein lassen sollte. Natürlich sind diese Heranwachsenden bipolar gestört, und zwar zunächst von ihren Eltern, die sich nichts nehmen lassen, als sie zwischen Überforderung und Kontaktsperre einzuklemmen. Sie treten die Hinterlassenschaft ihrer Kinder an, vielmehr: sie werden sie mit in ihr eigenes Leben nehmen, wenn sie zufällig allen Rückkehrwünschen zur Biomasse entsagt haben, und werden den Schmodder an ihre eigenen Enkel weiterreichen. In den Gepeinigten Staaten leiden 25 Prozent der Bevölkerung unter Angststörungen; warum wir aus dieser Gesellschaft, die sich als unterer Dreckrand der westlichen Zivilisation etabliert hat, die persistente Paranoia als Normalzustand übernommen haben, bedarf keiner Diskussion mehr.

Es besteht Hoffnung, dass die Bescheuerten irgendwann dem Innendruck nicht mehr standhalten und sich mit einem preiswerten Burnout aus der Nummer verabschieden. Das macht kurzfristig etwas Lärm, aber dann wird eine hübsche Wohnung frei. Und der ewige Kreislauf zwischen zur Sau gemacht werden und zur Sau machen ist endlich einmal durchbrochen. Es kann so einfach sein, sein unbedeutendes Leben kurz und schmerzlos zu beschließen.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CV): Lernen im Säuglingsalter

20 05 2011
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Schnabeltier und Nacktmull, Tapir und Tapeti, kurz: Säuger wie Du und ich verbringen zwar eine erheblich längere Spanne auf diesem netten Rotationskörper irgendwo zwischen Epsilon Indi und Ross 248, doch bedarf es auch längerer Zeit, um die jeweils kommende Generation an ihre dürftige Existenz zu gewöhnen, länger allemal als beispielsweise Prokaryoten, die die Kohlenstoffwelt erblicken, zur Klärung aller Sachfragen einmal kurz den Nebenmann anrempeln und unverzüglich starten mit dem Normalprogramm aus Fressen, Vermehrung und Verteidigung des angestammten Reviers – das, was der an seinem gefleckten Feinrippunterhemd zu identifizierende Beknackte zwischen zwei Flaschen Bier vollzieht, wenngleich es viel mehr Mühe gekostet hat, ihm den aufrechten Gang anzutrainieren. Bis der Dummlurch sein Auto waschen und Kernkraftwerke in die Landschaft klotzen kann, vergehen etliche Lenze. Gerade in Zeiten des Effektivitätswahns dürfen wir keine Zeit verplempern. Nur Lernen im Säuglingsalter hilft.

Bevor sie noch das erste Lebensjahr vollendet hätte, darf die Hominidenmade schon dreisprachig lallen, Oxford, Mandarin und Mutterlaut, obgleich das hysterische Getue völlig umsonst ist, denn noch ist nichts unter der Kalotte verschaltet, was durch Vokabelgeplapper in Bewegung gesetzt werden könnte. Möglicherweise ist dem Pädagockel die Wortschatzexplosion kollateral an die Birne geraten, vorher ist jedes Gebimse mit dem Wickelpeter nur linguistischer Lackschaden wundgedachter Geschäftemacher. Und bekäme der Infant seine zweite Sprache erst im dritten Jahr durch Umzug in andere Breiten serviert, er spräche sie bis zur Grundschule sattelfester, da nicht aus dem Bildungsaquarium herausgefischt. Aber wer will davon wissen? Nicht Eltern, die man schneller, höher, weiter in den Orbit knüppeln sollte, weil sie dem Baby Kung-Fu und Ausdruckstanz reindrücken, damit es sich später beim Gehen nicht so plump anstellt wie Nachbars Zweibeiner. Doch der Lernerfolg gibt den Zeremonienmeistern des Hirnschadenkaraoke Recht; Kleinstkinder, die beim Klang fremder Sprachen verstört gucken und plärren, haben immerhin kapiert, dass es mehr als nur eine Möglichkeit gibt, sich missverständlich auszudrücken. Grund genug, sein Erfolgshonorar einzutreiben.

Schon blubbert eine ganze Industrie aus der trüben Brühe hoch, die den Eltern ins löcherige Gewissen hämmert, dass nur mit einem straffen Terminkalender das zweite Lebensjahr überhaupt zu schaffen sei. Eifernde Schreihälse setzen die Knirpse auf Sozialentzug, aber wenn der Dreikäsehoch nur rechtzeitig eine Geige unters Kinn kriegt, wird sicher alles gut. Und ganz nebenbei verinnerlichen sie auch die wichtigsten Dinge des Menschseins: dass einem nichts geschenkt wird, dass man in dieses Dasein gekippt wird von ein paar elitären Drecksäcken, denen man nichts zu verdanken hat als die Hoffnung auf ein frühes Magengeschwür, und das Bewusstsein, dass nur Stress erstrebenswert ist, wozu auch immer.

Die Güte dieses pädagogischen Konzepts zeigt sich daran, dass Kernphysik und Molekularbiologie im Lehrplan vorsichtshalber nicht berücksichtigt werden, geschweige denn die Anfangsgründe der Mathematik. Denn was bräuchte ein Kind mehr als zehn Finger fürs Milchmädchenrechnen? Dass es auf Transferwissen, Kreativität oder Abstraktion ankäme, um einen Nobelpreis zu wuppen, wer würde das ernsthaft behaupten?

Wie jeder pseudolastige Schnickschnack arbeitet die Krabbelalterverschulung nach dem Viel-hilft-viel-Prinzip, vulgo: wenn Schackeline nicht unbedingt auch Wirtschaftskoreanisch für Windelkinder mitmacht, waren mindestens vier Monate Aufbaukurs Klatschen für die Tonne. Vater zahlt, weil die dumme Trine es einmal besser haben soll als er – ob sie will oder nicht. Außerdem hat sie im Gegensatz zu Üffes zweimal öfter Wauwau und Hottehü auf den bunten Bildern erkannt, wenigstens sah es so aus. Wer würde denn seine Kinder vernachlässigen, wenn nur das Geld zählte?

Gier ist das, was zählt; Gier, die den findigen Windbeuteln in den Augen steht, Gier in den Hirnen verschnöselter Elitemammis, die ihre Bälger lieber zu Psychokompott verdeppen lassen, statt sie anständig und mit eigener Hand zu erziehen. Gier, die Brut am Handgriff zu Markte zu tragen und einen möglichst guten Preis dafür auszuhandeln, was doch nur ihrem eigenen Ansehen dienen soll. Es dient zur Eingewöhnung in die Ichlingspest, sich vom frühesten Stadium an als Topprodukt für eine schöne neue Weltwirtschaft züchten zu lassen, um zu funktionieren, wenn das Kapital pfeift. Allein es könnte noch amüsant werden, wenn die Sache ins Kippen gerät. Schon gehen Kindern grundlegende motorische Fähigkeiten verloren, sie können nicht mehr auf Fahrrädern sitzen oder unfallfrei den aufrechten Gang vollführen, der sie als höhere Trockennasenprimaten kenntlich macht. Die Bescheuerten überfordern ihre Töchter und Söhne so zielgerichtet, dass eine komplette Lieferung Elitenachschub im Raster der Regelschule sich verheddert und versagt, und so war es ja wohl auch vorgesehen: wer in diesem als Rattenrennen inszenierten Neuaufguss von Lebensborn und Napola nicht aufs Siegertreppchen kommt, ist eben eine Nulpe und darf aussortiert werden. Kopf hoch, liebe Eltern – auch stotternde Bettnässer können es zu etwas bringen. Notfalls als Postkartenmaler.





Gernulf Olzheimer kommentiert (LXXXIII): Elternabend

19 11 2010
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Das Kind hat es verhältnismäßig leicht. Es verbringt den Vormittag in angenehmer Atmosphäre beim Klingeltonherunterladen, auf dem Raucherhof oder gleich Pädagogen schonend im Stadtpark, panzert sich eine Portion Separatorenfleisch in die Figur und döst vor der Spielkonsole dem Abend entgegen, wenn die Haushaltsführung abrückt, um selbst die Schule zu betreten. Die Suppe auslöffeln sollen die, die das Blag unvorsichtigerweise in die Welt gesetzt haben. Es ist Elternabend.

Größtenteils paarig gemischtes Publikum in herkömmlicher Wuchshöhe trifft sich zum rituellen Fest der Selbsterniedrigung, und da das wörtlich gemeint ist, falten sich Bausparer im Schlichtpulli neben Zahnwälten im Kaschmirsakko auf XXS-Stühlchen zusammen, bis der Meniskus röhrt. Zehn Masochisten treffen zehn Sadisten, die Spielregeln standen lange fest, bevor einer der anwesenden Akteure die Bildfläche mit seiner langweiligen Existenz entnervt hatte. Es geht nicht um Schule, Erziehung, Bildung, es geht um alles, aber nicht um Kinder, schon gar nicht um die, die tagsüber der Versetzung entgegenschnarchen in diesem Reservat der unangenehmen Körpergerüche, wo noch die Ausdünstung des letzten Jahrhunderts aus dem Bröckelputz keucht. Hier sind Erwachsene ganz unter sich. Wenngleich sie sich nicht unbedingt auch dementsprechend verhalten.

Allerdings beruht das auf Gegenseitigkeit. Der Auftrieb der Genspender hat nichts mehr gemein mit dem ursprünglich angedachten pädagogischen Partizipationsschmonzes, er gleicht inzwischen einer Aktionärshauptversammlung mit Powerpoint-Präsentationen und haufenweise Overhead-Folien über die Performance der Blagen: Justin notiert fest, Frühenglisch zieht an, während die Mathe-Werte in diesem Quartal stagnieren, dafür kann Anne-Sophie schon ganz toll ihren Namen tanzen. Demnächst werden sie die Corporate Identity der Penne auf einem Motivationsseminar kommunizieren und den Biestern Benchmarks verpassen, börsentaugliche. Leistung und Anspruch klaffen jäh auseinander, komplett verstrahlte Lehrerinnen reflektieren tapfer völlig irrelevantes Anstaltsgeschehen, das weder wichtig noch schmerzfrei zu ertragen wäre. Möglicherweise sind die ganzen Rotzlöffel inzwischen sowieso schon alle hochbegabt, stopfen sich anorganische Materialien nur noch aus Protest gehen die strukturelle Verschleierung der Heteronormativität in die kariesverseuchten Plärröffnungen und freuen sich auf den Tag, da sie die narzisstischen Gehstörungen mit der Waffe in der Hand auf die Gesellschaft trampeln können. Denn um Bildung ging es ja kaum.

Sollte es aber. Die Altlasten der Großbaustelle namens Schule klömpern auf Erziehungsberechtigte ein, die längst abgeschaltet haben und sich nur noch ärgern, in welche Mischpoke man sie verfrachtet hat. Was aus diesem verschwiemelten Ansatz von Gesellschaft soll daran witzig sein, wenn Ökos, Kapitalistenschweine und Hipster sich mit dem freundlichen Neonazi von nebenan über die Kost auf dem Wandertag zanken müssen? Cola sei ein freundlichen Gruß in Richtung Satanismus, gibt der Moppel aus dem Frauenbuchladen zu Protokoll, während die erfolgreich geschiedene Kreative eh nur Holunderlimo als adäquat ansieht – was diverse Migrationshintergründe aus einer Scheibe Schinken machen können, ähnelt bei flüchtigem Hinsehen bereits dem Spanischen Erbfolgekrieg. Auf Gedeih und Verderb ist man zusammengeschweißt, obwohl man sich im wirklichen Leben meist aus dem Weg gehen würde – wo nicht ohnedies Homogenität herrscht, weil der Mietspiegel längst die untere Mittelschicht an den Rand gedrängt hat und sich keine Sorgen mehr macht, wenn das Schulessen bei drei veganen Gerichten zur Auswahl aus dem Budget kippt, weil die elenden Bastarde ohne eine korrekte Verwesung in Sahne-Glutamat-Emulgator keine Pause überstehen könnten, ohne die ganze Hütte zusammenzuschreien.

Und so führen die Beknackten lustvoll ihre Stellvertreterkriege, Mann gegen Mann. Während der eine Sohn tolle Lateinnoten bekommt, hat der andere aus reinem Interesse den Gasthörerschein in Festkörperphysik – beides Gejodel infantiler Papas, um aus dem lästigen Stuhlkreis wenigstens etwas Personality-Show zu machen, auch wenn es wieder keine Sau interessieren dürfte. Das glutenfreie Dinkelgebäck, das die Bambinos zur Belohnung nach dem repressionsfreien Nasenflötenunterricht mitbekommen, verstärkt den Eindruck permanenter Fassadenbildung; was die Kids mit dem Schmadder machen (Fußball, Weitwurf, Tauben vergiften), entzieht sich im Regelfall der elterlichen Kenntnis und soll es auch, denn sie bemerken recht schnell, dass die Großen irgendwie nicht alle Latten am Zaun haben können. Möglicherweise sind die sogar ein bisschen glücklich, wie sie so kauern auf ihren Möbelchen, adulte Streber, absolut unfähig, den Ernst des Lebens auch da wahrzunehmen, wo er wirklich einmal lauert. Sie merken es an Söhnen und Töchtern, wie sie ins offene Messer der Peinlichkeit laufen, man lässt sie die Erniedrigung spüren. Und Kinder können so grausam sein.





Fehlerträchtig

9 12 2009

„So eine gottverdammte Schweinerei!“ Die junge Frau drosch mit der Tasche auf den Papierkorb ein. „Danke, gestorben!“ Siebels lehnte sich zurück und gab dem Kamerateam ein Handzeichen. „Und jetzt wieder Position B, bitte!“ Ich schlürfte vorsichtig am heißen Kaffee. „Ob das eine so brillante Idee war, den Sendeplatz direkt nach dem Original zu buchen?“ „Aber ja“, bekräftigte der TV-Produzent, „nur so haben wir auch eine reelle Chance, dem Zuschauer die Flöhe wieder aus dem Ohr zu holen.“

Unterdessen hatte sich die Blondine mit dem deutlich erkennbaren Babybauch wieder beruhigt und stapfte nach einer kurzen Absprache mit der Continuity aus dem Bild. „Wir machen dann den Innendreh mit ihr nächste Woche Montag um halb vier, vorher bekommt sie keinen Termin.“ „Kein Problem“, antwortete Siebels, „dann machen wir ihren Nervenzusammenbruch gleich in einem Aufwasch mit. Spart uns eine Stunde Drehzeit.“ „Sie entwickeln sich langsam zu einem richtigen Ekel“, bemerkte ich angewidert. Siebels zog eine Braue in die Höhe. „Nur, weil ich der Republik zeige, was passiert, wenn sie schwanger wird?“ „Sie scheinen sich sehr sicher zu sein, dass Sie mit Ihrem Sozialporno noch ankommen. Ich bezweifle, ob sich das Fernsehpublikum den galoppierenden Niveauverlust noch lange antun wird.“ „Was? Ich? Sozialporno?“ Er kicherte. „Wir zeigen die wirklich unappetitlichen Sachen, die niemand erträgt. Das, was das Unterschichtenfernsehen sich nicht zu zeigen traut – die Wirklichkeit.“

Inzwischen waren ein Sanitäter und der Beleuchter schon damit beschäftigt, die nächste Schwangere aufzurichten; sie hatte den Gegenwert eines Gebrauchtwagens investiert, um ihre Sterilisation wieder rückgängig zu machen, und erfuhr nun, dass ihre Krankenkasse die Kosten des Eingriffs nicht tragen würde. „Was soll ich jetzt machen“, heulte sie, „ich bin völlig überschuldet, wenn das Kind kommt!“ „Hervorragend“, lobte Siebels. „Das Bild ist wirklich gut gelungen. Dazu als Gegenschnitt eine der Wahlkampfreden von Westerwelle oder Merkel mit ihrem üblichen Familiengewäsch, und der Zuschauer weiß, was Phase ist. Großartig!“

Mesemann klopfte an die Tür des Trailers. „Ah, Sie sind’s!“ Siebels strahlte. „Schieben Sie die Aufnahme gleich rein. Wir wollen sehen, was wir für die erste Sendung verwenden können.“ Die Supermarktkassiererin, die bereits fünf Kinder von vier Männern hatte und sich neben ihrem Halbtagsjob größtenteils von Kindergeld ernährte, wurde gerade vom Personalchef angebrüllt. Ihre Schwangerschaft passte nicht ins Konzept des Gebietsleiters. „Damit haben wir dann auch Innenaufnahmen in der Sozialbehörde“, nickte Siebels tief befriedigt, „und können uns ansehen, wie sie jetzt ihr sechstes Blag füttert, wenn man ihr wegen der Hartz-IV-Leistungen das komplette Kindergeld streicht. Vielleicht begleiten wir sie sogar auf Wohnungssuche.“ Begeistert klatschte er in die Hände. „Arbeitslose Schwangere mit fünf verwahrlosten Kindern sucht eine Sozialwohnung – das klingt nach einer satten Einschaltquote!“

Ich blätterte die Unterlagen durch. „Das Ding sieht mir sowieso aus wie eine Dauerwerbesendung für künstliche Befruchtung.“ Siebels nickte. „Das kommt noch dazu. Aber das ist es nicht. Haben Sie schon die gynäkologischen Befunde gelesen?“ Ich verneinte. „Ein bunter Reigen. Die Mittvierzigerin mit psychotischem Kinderwunsch trifft auf die Risikopatientin, die mit einer Schwangerschaft ihr Leben aufs Spiel setzt. Allesamt bekloppt.“ „Und die Sendung zeigt das, um den Kinderwunsch beim Zuschauer durch eine Art Trotzreaktion zu verstärken?“ „Genau, wenn Sie das sehen, wissen Sie: jeder Depp kann ein Kind kriegen. Jeder noch so absurde Kinderwunsch, wenn Sie beispielsweise HIV-positiv und hoch verschuldet sind, schon ein halbes Dutzend Kinder haben, die Ihnen das Jugendamt regelmäßig wegnimmt oder die mit Ihnen nichts mehr zu tun haben wollen – jeder Kinderwunsch ist grundsätzlich legitim. Gesunder Menschenverstand nicht.“

Die nächste Kandidatin hätte die Tochter des geistig völlig überforderten Vaters sein können; tatsächlich war sie die Mutter seiner Kinder. „Da kleben wir dann Wurfprämien-Gefasel von der Ex-Familienministerin rein und als Gegenschnitt die kinderfeindliche Politik, die sie jetzt als Arbeitsministerin betreibt.“ „Also wollen Sie aufklären, dass die Gesellschaft kinderfeindlich ist?“ „Mitnichten“, winkte Siebels ab, „ich zeige, dass das Unterschichtenfernsehen das irrationale, da die Realität ignorierende Diktat der Lebensentwürfe kopiert und sich zum willfährigen Sprachrohr einer Politik macht, die das NS-Repertoire abkupfert und die Wirkung durch neoliberales Klientelgeschleime gleich wieder zerstört.“ „NS-Politik?“ „Was dachten denn Sie, woher die Perfektionierung der Malthus-Theoreme kam? Beine breit für den Führer! Bisschen BDM-Charme, gebärfreudige Vaterlandsliebe, das wird doch gerne gepredigt in Parteien mit christlichem Anstrich. Fragen Sie mal einen katholischen Priester in Paderborn, was er von muslimischen Säuglingen hält. Der entdeckt ganz neue Toleranzen, wenn’s um Abtreibung geht.“ Ich war entsetzt. „Und diese psychotischen Ideen treffen auf die Wirklichkeit.“ „Die auch nicht viel besser ist“, bestätigte Siebels. „Aber wir kriegen das schon hin. Der Sendeplatz stimmt. Schwangere gibt es in Deutschland auch genug. Und Eva Herman ist froh, endlich mal wieder im Fernsehen zu sein.“





Gernulf Olzheimer kommentiert (XXXIII): Elternprojektionen

13 11 2009
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Früher war nichts komplizierter als die Logik, die dem Leben innewohnt: Väter sterben, Söhne erben, der Betrieb bleibt in der Familie. Das Nötige, das es für den Seifensieder, Schmierbrenner oder Leichenwäscher zu wissen gilt, wird von einer Generation zur nächsten vererbt. Selbst der unterste Rand, der höchstens ab und an als US-Präsident in den Arbeitsmarkt reingereicht wird, überfordert sich nicht mit der billigen Faustregel: wenn Du bei einer Sache zusehen kannst, ohne Dich ernsthaft zu verletzen, dann behaupte, Du habest es sowieso schon gekonnt. Ein Großteil der Nieten im System wird über diesen Selektionsprozess installiert.

Vereinzelt bedroht etwas das Gequirle in der Existenzbrühe; Elektrizität, Relativitätstheorie und Nanotechnologie versuchen mit Innovation die abgestandenen Verhältnisse zum Tanzen zu bringen, doch gelingt ihnen selten mehr, als eine neue Gewerkschaft zu gründen. Fundamentale Sprünge lehnt der Behämmerte kategorisch ab, er lässt sich nicht vom Baum noch aus der Höhle prügeln. Seine Begeisterung für steigende Lebensqualität durch minimale Veränderungen ist eher eingebildet als vorhanden, denn er lehnt Veränderungen, so minimal sie auch sein mögen, ab. Etwaigen Wellen begegnet der geistige Nichtschwimmer mit radikaler Verleugnung, der Inszenierung eines Weltkriegs oder vorzeitigem Gesprächsabbruch.

Doch der Bekloppte wäre nicht bekloppt, besäße er nicht schließlich und endlich die Fähigkeit, vollkommen gegen legitime Ziele wie Arterhaltung, Lebenszeitverlängerung und Wohlstand zu arbeiten und sein Recht auf Frustration, Krieg und seelische Verrohung mit der Kraft der Hohlbirne zu verteidigen. Er entwickelt Ehrgeiz; allerdings wirft er den Nachbrenner erst dann an, wenn er mit der Stirn vor dem benzingetränkten Bretterzaun klebt. Sein Motiv: der Generationskonflikt, aber so, wie er ihn versteht.

Der grauenhafte Prototyp dieses einseitigen Ausstiegs aus der Zivilisation ist die Eislaufmutti; das Gesichtsübungsfeld auf welkfleischigen Rumpfresten lümmelt sich an der Bande zum Kunsteis, riecht penetrant nach billigem Parfüm, kann einen Salchow nicht von einem Wadenkrampf unterscheiden und verleiht dem Begriff der Peinlichkeit eine ungeahnt kategoriale Tiefe, ohne es doch selbst zu begreifen. Mittlerweile hobelt es in runderneuerter Form als Tennisvater über die Kanten des Erträglichen oder schleppt als Stage Mum die überwiegend weibliche Brut in Beauty-, Ballett- und Blödblunzenbewerbungen, obwohl sie selbst bei der Aufnahmeprüfung in den Zoo als Plumplori-Ersatz durchgefallen war.

Fehlgeleitete Gutmenschen, die dreimal im Jahr unbezahlten Urlaub nehmen, um suizidgefährdete Investmentbanker wieder ins Meer zurück zu schleppen, interpretieren diese narzisstische Spielart des Machtanspruchs als reinen Sadismus; statt die Abkömmlinge im Machwahn zu Geigenspiel, Eisschnelllauf, ja Wirtschaftschinesisch zu drängen, könnte man ihnen in einem Anfall von Ehrlichkeit gleich eins in die Fresse zimmern. Dem Hass auf die Jugend wäre Genüge getan, das Kind müsste nicht länger als Stellvertreter der volljährigen Flachbratze seinem Missbrauch als Placebo beiwohnen und leistete durch seine Abwesenheit in der Kompensation klebrigen Selbstmitleids einen erheblichen Beitrag zur seelischen Gesundheit – seiner eigenen, auf die es hier eher ankommt als auf den Synapsenkasper eines Abflussschnorchlers, der einmal zu oft gegen die Kacheln gepaddelt ist. Selbstbetrug atmet die ganze Konstruktion, denn welches Blag würde nach mühevollem Aufstieg am Sportler- und Intellektuellenhimmel konstant mit dem Finger auf den Verursacher zeigen? Damit der Betrieb in der Familie bliebt, wenn Söhne erben, muss Pappi ja erst mal unter die Grasnarbe.

Schmerzhafter noch ist der Alltag, wo die Vollbrezel sich einbildet, die Frucht seiner Lenden gehöre zu den an jeder Straßenecke auftretenden, da weltexklusiven Hochbegabten. In verschwiemelter Rückwärtslogik tritt die Vermutung, der Erzeuger des Stammhalters verfüge über eine Anzahl von Hirnzellen im hohen, fast schon zweistelligen Bereich, schwerpunktmäßig unter egozentrischen Dumpfblähern auf, die den bisherigen Gasaustausch vorwiegend dazu genutzt haben, sich zum Prädikatsdeppen zu machen. Sie gieren nach Anbetung, weil sie selbst eine nicht nennenswert verlaufende Kindheit überlebt haben – und rächen sich für ihre intellektuellen Rasenlöcher an dem Jahrgang, der ihretwegen gar nicht erst ein eigenes Selbstwertgefühl entwickelt. Einen Zeugungsakt später geht die Grütze wieder von vorne los.

Es besteht keine Hoffnung, dass sich etwas ändert; in viehischen Phantasmagorien sieht man, wie der Große Depp durch Traumwälder torkelt, er ist der ontologischste aller Transzendentalbeweise, denn etwas derart Bescheuertes kann sich kein Mensch ausdenken. Er nagt noch einmal am geräucherten Vater, stößt sich gewaltig die Birne und lallt also: „Wenn ich in Rente gehe und Euer Erbe versaufe, dann wird das alles hier einmal Euch gehören!“





Kindersicherung

15 10 2009

Der Diener stieß seine Nase so vornehm in die Luft, dass man ihn auch für verschlafen hätte halten können. „Sir Jeremy lässt bitten“, näselte er und öffnete die Tür. Ich trat in ein dunkles Zimmer, das ganz mit dicken Teppichen ausgelegt war. An den Wänden hingen die Porträts älterer Herrschaften aus viktorianischer Zeit. Sir Jeremy stand hinter einem mächtigen Schreibtisch. „Ich erbitte Ihre Verzeihung“, begrüßte er mich, „ich hatte Sie für eine Weile warten lassen, ist es nicht? Aber nehmen Sie sich einen Platz.“ Und so tat ich es.

„Sir Jeremy“, begann ich, „ich bedaure dieses scheußliche Verbrechen außerordentlich, aber die Reaktionen in Ihrem Land sind, mit Verlaub, doch ein bisschen merkwürdig.“ „Nein, durchaus nicht!“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Das sind, wie sagt man in Ihrer Sprache? ein Haufen von Beknackten. Sie haben nicht mehr alle Latten am Zaun, wenn Sie mir dies Wort gestatten.“ Und er goss einen stark duftenden Tee in die Tassen. „Es ist ja recht albern, was passiert in der Politik in dem Moment. Die Gesellschaft geht auf dem Kopf. Man könnte das Gefühl haben, wir sind bei den Hottentotten.“ „Weil diese Behörde die Daten sämtlicher Briten sammelt?“ „Nein, weil sie sie nicht sammelt, verstehen Sie?“ Er verwirrte mich ein wenig. „Weil sie sie nicht sammelt – noch nicht.“ „Aber es wird doch schon registriert“, wandte ich ein, „wer etwas mit Kindern zu tun hat.“ Er lehnte sich zurück in seinen Sessel und seufzte tief auf. „Es ist der Missbrauch. Ich muss Ihnen das erklären. Es ist sehr kompliziert.“

Er zog eine Liste aus der Schreibtischschublade. „Schauen Sie auf diese Berufe. Lehrer und Erzieher und Krankenschwestern, Ärzte und Studenten, das nimmt kein Ende. Jeder von diesen könnte im Prinzip ein Pädophiler sein, was der Grund ist, dass er diese Profession ausübt.“ „Damit wird also jeder unter Generalverdacht gestellt“, konstatierte ich, „und ganze Berufsstände sind ausgegrenzt.“ „So verkehrt ist das ja nicht“, antwortete Sir Jeremy bissig, „Sie wissen wohl, dass eine Hälfte der Rechtsgelehrten ihren Beruf haben, um kriminelle Energie in ihnen zu überkompensieren.“ „Wer muss sich denn überhaupt registrieren lassen?“ „Jede Person. Wenn Sie ein Gemüsehändler sind und haben jeden Tag Kinder in der Kundschaft: Sie lassen sich registrieren. Ein Busfahrer: Registrieren. Ein Verkäufer in einem Geschäft, das hat Kinderschuhe: Registrieren. Jeder darf das tun müssen.“ „Dürfen?“ „Es ist freiwillig“, bestätigte Sir Jeremy, „was das Perfide daran ist. Denn dann, wenn Sie sich nicht registrieren lassen, bekommen Sie eine Geldstrafe aufgeurteilt von bis zu 5.000 Pfund Sterling. Und Sie werden gestellt an einen öffentlichen Pranger – also nicht ein öffentlicher Pranger wie im Mittelalter auf dem Markt, aber ein Strafregister, das ist öffentlich für jeden einsehbar. Es ist eine Art Hexenjagd. Sie denunzieren die Putzfrau, die arbeitet in einer Schule, und sie wird in das Register eingetragen und ist eine Pädophile!“

„Und wenn diese freiwillige Eintragung nicht mehr gemacht wird…“ „… macht die Behörde den Missbrauch“, vollendete er. „Es zerstört die Kommunikation in der Gesellschaft. Denken Sie darüber, was wird, wenn die Behörde entscheidet, dass die Freiwilligkeit nicht nützlich war – dann wird man jeden mit Zwang in das Register schreiben und jeder ist ein Pädophiler.“ „Was wird da geschehen?“ Er senkte den Kopf. „Da wird sein kein Vertrauen mehr. Sehen Sie, wenn Sie ein junger Mann sind und studieren Medizin, um Kindern zu helfen, Sie werden als Pädophiler geführt – wer wird werden noch ein Kinderarzt? Wer wird noch leiten einen Kinderchor freiwillig oder trainieren eine Fußballmannschaft?“

Sir Jeremy stellte die Tasse klappernd ab; seine Hand zitterte vor Zorn. „Das ist dasselbe Ding, was hat Ihre Ministerin gegen Familien gemacht, in Ihrem Land. Die Kinder werden missbraucht in Familien, und also missbraucht die Politik die Sache für ihre manischen Ideen. Man braucht diese Hysterie dazu, dass man die Gesellschaft kann total kontrollieren.“ Ich nickte. „Genau genommen muss man doch jetzt auch sämtliche Eltern als Pädophile registrieren – sie halten sich doch am meisten bei Kindern auf.“ „Sie werden erstaunt sein“, sagte Sir Jeremy, „sie tun es. Natürlich nicht nur mit eigenen Kindern, sondern mit den Kindern auch von den Nachbarn oder wen immer man kennt. Ein ehemaliger Kriminalbeamter ist dazu gezwungen, dass er die Bilder löscht, was er hat gemacht von seinem neun Jahre alten Enkel. Er gilt nun als ein Pädophiler.“ Er lachte verzweifelt auf. „Stellen Sie sich vor, ein königlicher Prinz wird Vater – Sie dürfen das Baby anschauen, aber nicht mehr ein Bild davon schießen! Es ist recht lächerlich.“

„Ich las, dass es da bestimmte Richtlinien geben solle.“ „Ach was“, wischte er die Sache vom Tisch, „Geschwätz! Personen mit schwerer emotionaler Einsamkeit werden registriert werden – in England neigt man dazu, mit seinen Gefühlen sich auch zurückzuziehen. Verwendung von berauschenden Substanzen – ich neige zu schlechter Laune und trinke jeden Abend ein Glas Port, deshalb bin ich also pädophil? Nein, das ist ja Unsinn!“ „Und weshalb braucht die Behörde dies Register?“ Er blickte mich traurig an. „Es ist der Perfektionismus. Und es macht viel weniger Kosten. Mit Ausnahme von meinem Bruder Gordon, der ein schrecklicher Kinderhasser ist und nie Kinder um sich hat, wird man die Bevölkerung von England haben. Alle in einer Datei und alle sind verdächtig. Ganz einfach. Das hat nicht geschafft einmal Ihr Herr Schäuble.“