Gernulf Olzheimer kommentiert (LI): Herrenkosmetik

2 04 2010
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Es ist eine Errungenschaft der Zivilisation, dass man auch bei unvollständiger Beleuchtung noch den Bauern am Geruch vom Schwein unterscheiden kann. Zwar hat sich insbesondere das christliche Abendland den Ruf erworben, dass die ehrbare Persona ihr Gesichtsübungsfeld ungeschminkt durch die Vegetation schleppt – dementsprechend freudlos schob sich die Ansammlung beknackter Zeitgenossen von einem Jahrhundert ins andere – doch brach sich künstliche Schönheit im Zeitalter der Aufklärung gewaltsam ihre schiefe Bahn mit falschen Wimpern, penetrantem Parfüm, albernen Schönheitspflästerchen und schließlich visuellem Gebrüll in der Lidschattenpartie, das heutzutage die Geschmacksgrenzen ausgeleiert hat wie einen zu oft aufgepusteten Luftballon. Happy Hauptschule bestimmt den optischen Eindruck einer Liga von ästhetisch Benachteiligten, die sich nicht mehr nur im Textilbereich verhaltensindividuell zeigen.

Die Herrenkosmetik stellt hier lediglich eine gewisse Ausprägung dar, von der chemischen Industrie auf eine Zielgruppe abgestimmt, die nur durch stumpfe Gewaltanwendung phänotypisch überhaupt aufzuwerten wäre. Das doofe Geschlecht hat seine eigenen Regeln, und der Mann (und alles andere, was sich dafür hält, ohne es auch nur im Entferntesten zu sein) verfährt damit, wie er auch bei Kraftfahrzeug und Kleinkredit verführe: viel hilft viel. Der Behämmerte schlonzt sich also mit Egodiesel zu, dass zufällig anwesende Kellerasseln vom Brechreiz geplagt die Fliege machen, und wälzt eine olfaktorische Kriegserklärung vor sich her durch die Umwelt friedliebender Schleimhäute. Seltener behandelt der Nappel die Gesäßhaut wie die Schmiernippel im Motorinnenraum, doch nähert er die Dosierung von Peeling, Bleaching und ähnlicher Kampfschminke an die Schulmathematik an und diskutiert nur globale Maximalwerte. Lieber die Knochen mit der Epidermis aufgeschubbert, als beim Nachdenken in Zweifel geraten.

Überhaupt ist der Mann als das sich selbst für naturwissenschaftlich begabter haltende Wesen ein Musterbeispiel an Seppelhaftigkeit unterhalb der Schädeldecke. Wo der Schmadder, den er sich täglich in die Fresse klatscht, Aufbaustoffe für eine angeblich relevante Hautatmung antäuscht, lässt sich die Pampe sofort als Nährcreme in den Tiegel quetschen. Absurde Aufpolsterungen mit arkanen Proteinen oder verschleierten Vitaminkomplexen, der wissenschaftsgläubige Y-Chromosomer nimmt der PR-Abteilung der Beauty-Konzerne jeden geistigen Dünnsinn kritiklos ab, eher als das in jahrelangem Kampf erst gegen, dann mit der Realität gestählte weibliche Pendant, das sich leicht einziehenden Formeln und aromatherapeutischen Wirkungsgraden beharrlich widersetzt, da die Synapsen im Verblödungsweg kampieren. Die Frau hat ja immerhin kapiert, dass niedermolekulare Eisenverbindungen, die auch bei Verdauung und Knorpelaufbau helfen, nicht durch konsequentes Knabbern an der Türklinke in den Organismus einzubringen sind.

Ohnedies verhält sich der Mann beim Schlachtanstrich wirkungsorientiert. So schmiert er statt der vom Hersteller angedachten Menge lieber die halbe Tube Haarschmiere auf der Matte, um zum Verteidigungsminister aufzurücken, oder haut sich die komplette Flasche Ginkgo-biloba-Extrakt unter die Augen, obgleich Schattenwurf und Tränensäcke sich einen feuchten Fisch um die Entwässerung der maskulinen Maske kümmern und alles beim, horribile dictu, Alten belassen. Die entwässernde Wirkweise zellaktiver Folsäure schien sich nur im Elementarteilchenbereich zu vollziehen, weshalb der Schniepelträger noch Magnesium-mit-Avocado-Lichtfiltersysteme gegen heimtückische Hautalterungsprozesse nachschieben muss – der Vergänglichkeit via anorganischer Kleistermasse zu entrinnen wird zum übermächtigen Wunsch, vor allem die unter dem Aktiv-Mikro-Glätter gebügelten Kalkbratzen glauben sich noch einmal dem Lifting entronnen und fühlen sich fern der Gefahr, jüngeren Damen gegenüber in die Rolle harmloser Neutra geflutscht zu sein. Sobald der Elektrorasierer in den Halsfalten verschwindet, greift Seufzen um sich, und die Nummer des Schönheitschirurgen kommt wieder auf den Tisch.

Denn nicht Reife ist des Mannes Ziel; reif ist auch Fallobst. Wenn sich die Zellerneuerung durch das Übermaß von Abbauprodukten in der Unterhaut auszeichnet, löst er den Kredit ab, der er seinerzeit zur Finanzierung des Grabsteins aufgenommen hatte, und orientiert sich in Richtung Optik um. Bevor er in die Generation der Nasenhaarschneider einsortiert wird, lässt er sich lieber mit Ätzwerk betupfen, bis der Schorf zum öffentlichen Ärgernis schwillt, und knallt sich Mineralien, Koffein und Hyaluronsäure auf den Riechkolben, um die Poren um ein Zehntel zu verkleinern. Als letzten Test reicht man dem He-Man Kordelseife, um etwaig verbliebene grobmotorische Muster zu checken, danach darf er des großen Recyclings harren. Er hat die Prüfung nicht bestanden. Das Weibchen tröstet sich indes mit dem Typen, der einen Waschlappen verletzungsfrei bedienen kann.





Glück aus der Tube

13 02 2009

Jedes Jahr derselbe Terror. Der Spamordner platzt aus allen Nähten, Werbung verstopft den Briefkasten, alle setzen sie mir die Knarre an die Schläfe, damit ich Konfekt und Damenunterwäsche kaufe, bis der Dispo droht. Wie mir dieses Fest der Liebe auf den Sack geht!

Nein, nicht Weihnachten. Valentinstag. Schmachten nach Zahlen. Diesen Frontalangriff auf Geld- und Herzbeutel, bei dem beides auf der Strecke bleibt. Herzklopfen auf Zuruf. Müßig zu sagen, dass Hildegard bei den ersten Parfümerie-Prospekten, die sie mit der Tagespost reintrug, einen lauernden Blick aufsetzte. Die Schlange fordert einen Liebesbeweis.

Am 14. Februar 1929 zogen ein paar Killer in Chicago Polizeiuniformen an und nieteten ihre Konkurrenten um. Auf der Flucht gewandete sich einer von ihnen schnell als Verdächtiger und wurde von den kreuzfalschen Ordnungshütern abgeführt. Niemand schöpfte Verdacht. Die Welt war wieder in Ordnung. Sie hätten sich als Einzelhandelskaufleute verkleiden sollen, denn genau so fühle ich mich: die Wächter von Liebreiz und Zärtlichkeit nehmen mich in die Mangel. Wenn ich mitspiele, darf ich bis auf weiteres überleben. „Verknallt sein“ gewinnt da eine leicht schräge Bedeutung.

Also suchte ich einen dieser Läden auf, deren Logo ganz danach aussieht, als beträte man eine Reparaturwerkstatt für Federboas. Zwei unfassbar aparte Damen kreuzten millimetergenau meinen Weg und ließen eine Duftwolke hinter sich, die bei Funkenflug zu einem Inferno geführt hätte. Ich hatte mich also doch nicht in der Tür geirrt.

Was schenkt man nun einer Frau, die, sagen wir mal, nur mühsam zu befriedigen ist? Unschlüssig stand ich zwischen zwanzig Metern Nagellack auf einer Seite und einer Kletterwand voller Lippenstift auf der anderen. Gott sei Dank sprach mich eine der Dekorationsdamen an. Zumindest sah es unter der messerrückendicht aufgetragenen Puderschicht nach Lippenbewegungen aus. Gerettet.

Mit dezenter Herablassung erkundigte sich die Parfümöse, welcher Typ denn die Dame sei. Was sollte ich antworten? Dass Hildegard unmusikalisch ist, ständig dazwischenredet und ein Besuch im Möbelmuseum mit ihr peinlich wird, da sie Barock und Bauhaus nicht unterscheiden kann? Dass sie aussieht wie die personifizierte Hungersnot mit einem Haarschnitt, für den ihr Frisör standrechtlich erschossen gehört? Oder dass ihre Qualitäten als Spaßbremse oft kopiert werden, aber noch immer als unerreicht gelten? Ich entschied mich dafür, sie als anspruchsvolle, reife Frau zu bezeichnen. Man lügt so ungern, wenn’s um das Liebste geht.

Zum Einkreisen des Zielprodukt zwang mich die Visagistin, den Hauttyp meiner Frau (ich ließ die Verkäuferin in ihrem Glauben über meinen Familienstand, um mir alle weiteren Diskussionen zu ersparen) möglichst erschöpfend zu beschreiben. Trocken, fettig, Mischhaut? Hm, nicht so leicht. Hildegard hat die Haut eines Pfirsichs. Eines siebenunddreißig Jahre alten Pfirsichs, um es genau zu sagen.

Die existenziellen Fragen drangen auf mich ein. Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Und warum stehe ich hier in einem Fachgeschäft für Schönheitsbedarf, um Kosmetika für Verliebte zu kaufen? Wieso verliebt? War Hildegard etwa frisch verliebt in mich? Noch am Abend zuvor hatte sie mir resolut das Kirschwasser aus der Hand gerissen und mitgeteilt, sie gedenke nicht, mich darin zu unterstützen, wie ich die Voraussetzungen für einen jähen Herzinfarkt zu schaffen mich befleißige – sie wünschte mir jahrelanges Siechtum mit schier unerträglichen Schmerzen, irgendeinen ekelhaften Krebs und am liebsten noch Pest und Pocken dazu. Klang das frisch verliebt? Nein, eher nach einer organisch gewachsenen Zweierbeziehung.

Früher waren Frauen mit Lavendelseife zufrieden. Zum Namenstag. An Sankt Valentin gab’s maximal eine Grußkarte plus Schnittblumen. Für die Floristeninnung ein willkommener Anlass, den Preis für rote Rosen knapp zu verdreifachen und auf Bestellung struppiges Spargelkraut mit untoter Baccara-Beilage zu liefern.

Als Nothilfe reichte mir die Rougereklame das Fertigkaufangebot für vollignorante Gatten unter Zugzwang: vielfarbige Knisterfolie mit Badepillen in den Duftnoten Sanitärreiniger bis nasser Hund. Einmalig. Ich war begeistert. Erst auf dem Weg zur Kasse fiel mir ein, dass meine Mansarde zwar einen Stutzflügel und eine Luxusküche beherbergt, aber leider nur mit einer Duschwanne ausgestattet ist.

Wir fanden rasch Ersatz. Ich nahm das Tiegelchen zur Hand und kramte die Brille aus der Anzugtasche. Aufbaustoffe auf reiner Paraffinbasis, neue Beauty-Shine-Formel mit polyzyklischen Kohlenwasserstoffen, Phthalsäureester in siebzehn Trendfarben, Vasenol, Bisabolol, 1-Octen-3-ol, diverse anorganische Säuren sowie eine Überdosis Ylang-Ylang. Das musste einfach gut sein. Meine Hemmschwelle sank ins Bodenlose, als ich auf der Vorderseite Revitalizing Sensitive Satin Maximum Moisturizer Creamy Look Gloss las. Das mit dem Sensitiven glaubte ich zwar nicht – Hildegard gehörte zu der Sorte Frau, die auch beim Trauergottesdienst noch über schlecht gefeudelte Kirchenböden mosert – aber etwas Revitalisierung kann nie schaden. Möglich, dass sich meine Liebste in ihrer nächsten Inkarnation in ein anmutiges Frauenzimmer verwandelt.

Übrigens besteht Hildegard auf getrennte Betten, seitdem ich ihr Handcreme geschenkt habe.