Gernulf Olzheimer kommentiert (DCXXXI): Die Mehrheitsgesellschaft

9 09 2022
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Irgendwann in grauer Vorzeit führte Pummi, Stammvater der Pummilonen, seinen Clan mit Kind und Kegel in die fruchtbaren Niederungen des heute als Pummilonien bekannten Siedlungsgebiets, das durch Wälder, Fließgewässer und einen nicht zu hohen Gewerbesteuersatz internationale Investoren lockt. Ein paar Lokalfürsten stellten vorübergehend ihre internen Zwistigkeiten ein, brachten den einen oder anderen Herzog professionell um die Ecke, konnten aber gegen den Herrschaftsanspruch des neuen Königsgeschlechts nicht viel ausrichten – mit Ausnahme ihres Einflusses auf die dialektale Prägung des Pummilonischen, das alsbald unter den Nachbarsprachen rückstandsfrei getilgt wurde, auch deshalb, weil Pommi, der angeheiratete Bastard der Pommilunen, hin und wider die Pummilonier zum Neubau ihrer frisch abgefackelten Residenzen zwang. Historisch hatte ein Häuptling im frühen Mittelalter einen günstigen Moment erwischt, war unter die überregional wichtigen Dynastien geraten und bekommt bis auf die heutige Tage eine Rolle in der Nationalerzählung. Was man vor seiner Ankunft schon getan hatte, Fische mit Beerenobst füllen, der Braut einen Knotenstock für lange Winterabende mit dem zugesoffenen Gatten schenken oder den stimmlosen bilabialen Frikativ als Marker für eine unmittelbar abgeschlossene Vergangenheit vor das Verb stellen, tut man dort bis heute, nur gilt es als typisch pummilonisch.

Die Mehrheitsgesellschaft ist eine Chimäre, sie hat nie existiert und kann nicht existieren. Damit wäre das Thema erschöpfend behandelt, nur nicht die Frage, was diese Zwangsvorstellung mit den Menschen anrichtet und wozu. Dass Mehrheiten sich ausnahmslos aus der Überschneidung vieler Minderheiten zusammensetzen, dass es durch die natürliche Fragmentierung sozialer Konstruktionen diese Vorstellung nur als Dominanzfantasie geben kann, ist zugleich Binsenweisheit und Drohung, die sich bestenfalls als falsch verstandene Prophezeiung selbst erfüllt. Dem Deutschen ist alles deutsch, was für die entlegensten Aneignungen gilt, Gartenzwerg und Zipfelmütze, er hat alles erfunden, auch das Mittel dagegen, und lässt es sich zufällig ein paar Jahrtausende früher in Mesopotamien nachweisen, hat er es optimiert, patentiert und im industriellen Maßstab damit die Welt vermüllt. Was innerhalb seiner Grenzen stattfindet: geschenkt, wichtig ist nur, dass es diese Grenze gibt, denn was wäre seine Identität, müsste er sie mit anderen teilen?

Es geht ja selten um Distinktionsgewinn, denn woher sollte der Bratwurstbräter, Kartoffelschäler, Biertrinker sie nehmen? Ist die kulturelle Norm, in Deutschland eingeführte Verhaltensweisen derart als internalisierte Prozesse zu behandeln, schon ein Grund, Abarten von der eigenen Abweichung als ausgrenzungswürdig zu behandeln? Immerhin hat es vergangenen Theoretikern für die Konstruktion eines christlichen Abendlandes gereicht – Spoiler: weder das eine noch das andere – um irgendeine geistige Grundhaltung postulieren zu können, auch wenn dabei allen die Einheit um die Ohren flog, die sie sich zurechtschwiemeln wollten. Das manische Reinerhaltungsgejodel der selbst eingewanderten Beutegermanen einmal beiseite gelassen, klammert sich jeder Angstbeißer an die kleinen Unterschiede, mit denen sich Ossis von Wessis, Personen mit von Personen ohne Behinderungen säuberlich trennen lassen, weil das ja notwendig ist, und wer als Angehöriger obskurer Glaubensgruppen Fuß fassen will, wo ausschließlich anständige Menschen leben, hat als Protestant in manchen Feuchtgebieten keine Chance. Hier sind wir noch nicht bei den offiziell als verboten empfohlenen Kriterien, mit denen man sich als Vermieter, Schwiegervater oder Arbeitgeber am Stammtisch beliebt machen darf, wenn es um die Dominanzkultur eines strukturellen Rassismus geht, wenn man einfach nur aus der Opferhaltung sein Dorf von den bösen Einwanderern fernhalten will, weil sonst auch in den nächsten zehn Jahren keiner mehr da den Landarzt geben will.

Nun muss man nicht denken, es würde den typischen Abwrackschnackern schon reichen, beim ersten Anzeichen von Migrationshintergrund zur Mistgabel zu greifen. Die aber warten nicht auf eine auffällige Hautfarbe, ungewöhnliche Namen oder Nachbarn, die ohne erkennbaren Grund einen akademischen Beruf ausüben. Die alte Form dieser Mehrheitsgesellschaft hätte syrische Neurologen als Allgemeinärzte akzeptiert, beim Eintritt in die Feuerwehr kein Kreuzverhör durchgeführt oder den neuen Dorfwirt schon vor der Insolvenz der neu renovierten Schenke zur Kenntnis genommen. Die heutige Form besteht aus 15% Deppen, 10% Idioten und 9% Gewohnheitslügnern, ungefähr so vielen Soziopathen mit und ohne rassistischen Neigungen, 5% Dummklumpen, 6% Drogenschmeißern und 20% Wahnwichteln. Bleiben wir bei den Deppen, wissen wir ungefähr, wer sich für die Mehrheit hält und warum. Der Rest nimmt billigend hin, dass er sich nicht mit der Integration der anderen abmühen muss. Alles andere ist nicht bekanntes Terrain, im Klartext: Feindesland. Es ist gut, wenn man es kennt, denn nur so kann man um alles eine Mauer bauen. Das hilft uns. Und nur das zählt.





Haus Deutschland

16 05 2017

„Guten Tag.“ Herr Gottlieb und ich, wir hatten dem nichts entgegenzusetzen. Schon deshalb nicht, weil der Portier uns die Hand hinhielt wie ein Messer. „Hier sind wir richtig“, murmelte Gottlieb, „das muss das Hotel mit der Leitkultur sein.“

Man hatte uns bereits an der Rezeption eine schriftliche Fassung der Hausordnung überreicht, den Zimmerschlüssel sowie einen freundlichen Hinweis, dass das Mobiliar in den Räumen nur zu Wohn- und Gebrauchszwecken benutzt werden dürfe. „Ich bin ja vieles gewohnt“, wunderte ich mich, „aber das scheint mir eher ungewöhnlich.“ Gottlieb wollte gerade etwas entgegnen, da trat uns freundlich, aber bestimmt der Fahrstuhlführer in den Weg. „Wenn ich bitte Ihren Zimmerschlüssel sehen dürfte?“ Den vorhandenen würdigte er keines Blickes, mich jedoch sah er äußerst kritisch an. „Sie sind offenbar kein Gast“, sagte er. „Bitte nehmen Sie die Treppe – die Aufzüge sind ausschließlich für unsere Gäste reserviert.“ „Aber ich bin doch Gast“, meldete Gottlieb seinen Protest an. „Ich werde jetzt diesen Aufzug benutzen und…“ „Wenn mich Ihre unmaßgebliche Meinung interessiert“, keifte der Liftmitarbeiter, „lasse ich es Sie wissen!“ Ungleich höflicher wandte er sich wieder mir zu. „Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, wir würden Sie gerne als Gast in unserem Hause begrüßen dürfen, aber jetzt nehmen Sie bitte die Treppe.“

Der Aufstieg ins zehnte Stockwerk war rasch erledigt – mein Begleiter hatte zwischendurch in der Wäschekammer sein Unterhemd gewechselt – und schon waren wie im opulent eingerichteten Zimmer angekommen. Die Teppiche waren frisch gereinigt, die Badewanne roch nach Seife. „Das ist guter Standard“, befand Gottlieb. „Sie müssen wissen, als Hoteltester ist man immer ein bisschen voreingenommen, aber hier werde ich doch sehr auf die Probe gestellt.“

Es dauerte nicht lange, bis das Zimmermädchen wenige Sekunden nach dem Klopfen den Raum betrat. „Wir legen hier sehr viel Wert auf Ordnung“, wie sie mich unaufgefordert zurecht. „Sie sollten die Handtücher jeden Morgen, wenn Sie einen Wechsel wünschen, auf den Rand der Badewanne legen, und zwar richtig zusammengefaltet. Ich habe nicht auch noch Zeit, Ihnen hinterherzuräumen.“ „Aber…“ Auch sie drehte sich ansatzlos zu Gottlieb um. „Unterbrechen Sie mich ruhig“, zischte sie. „Wenn etwas wie Sie nicht an seinem Leben hängt, braucht man mir das nicht zu erklären.“ „Ich hätte gerne einen Tee“, versuchte ich die Wogen zu glätten. „Einfach schwarzen Tee, etwas Zitrone, und vielleicht zwei Stück Zucker.“ Ich hatte nicht mit den Feinheiten der Hausordnung gerechnet. „Hier wird der Müll getrennt“, knurrte die Maid. „Das Etikett vom Teebeutel kommt in die Papiertonne, und für den Rest werden Sie hoffentlich die Hausordnung eingehend zurate ziehen, klar!?“ Gut, dass sie ohne die Bestellung aufzunehmen wieder abrauschte. Wir mussten nicht nachfragen, ob der Tee heut noch abzuholen zu sei, und wann und wo. Oder ob man eine Eingabe an der Rezeption zum Ziehen der Nummer hätte machen müssen. Also vor dem Einchecken.

Gottlieb seufzte. „Normalerweise mache ich ja immer touristisch gut erschlossene Ziele“, klagte er. „Dieses Jahr war ich auf Malta – ging so, nicht sehr luxuriös, aber erstklassiges Personal – und dann zweimal im Fünf-Sterne-Bereich. Asien und Amerika.“ „Sie wurden strafversetzt?“ Er schüttelte den Kopf. „Im Gegenteil. Bevor sie mich zum Abteilungsleiter machen, bekomme ich noch mal die richtig schlimmen Fälle. Das ist nicht ganz ungewöhnlich.“ Die Hausordnung brachte mich auf eine interessante Idee. „Kommen Sie“, sagte ich unternehmungslustig. „Nehmen wir den Aufzug.“

Der Garten war wie zu erwarten leer; kein Gast hätte es gewagt, sich an die ungedeckten, vor Schmutz starrenden Tische zu setzen. „Kommen Sie!“ Ich zog Gottlieb am Arm hinter mir her und nötigte ihn auf einen Stuhl. Widerstrebend setzte er sich. „Es steht nirgends, dass hier geöffnet ist.“ „Es steht auch nirgends“, wandte ich ein, „dass dies ein gesperrter Bereich ist.“ Und so dauerte es keine Minute, bis der erste Kellner zu uns kam. „Draußen nur Kännchen“, schnarrte er. „Schön für Sie“, warf ich ungerührt zurück, „wir nehmen zwei große Biere.“ „Aber draußen nur Kännchen“, murrte er. Ich blickte ihn über den Rand der Brille prüfend an. „Dann eben den Geschäftsführer.“ Gottlieb biss sich verzweifelt auf die Unterlippe. „Wir haben hier keinen Geschäftsführer.“ Ich lächelte leise in mich hinein. „Sie werden sich noch daran erinnern, wenn ich Ihre Bude innerhalb der nächsten fünf Minuten schließe.“ „Er hat keine Zeit für Sie.“ Der Tester gestikulierte heftig hinter seinem Rücken, doch ich sah es wohl gerade nicht. „Holen Sie mir den Manager“, beschied ich. Der Kellner straffte sich und sprach mit leise bibbernder Arroganz: „Ich beende dieses Gespräch!“ Gottlieb tupfte sich den Schweiß von der Stirn. Ich erhob mich langsam. Unvermittelt packte ich den Domestiken am Kragen und zog ihn mit beiden Fäusten zu mir heran. „Sie beenden also Gespräche“, flüsterte ich, „und ich vernichte Biografien. Noch Fragen?“ Ruckartig ließ ich ihn los.

„Nicht schlecht“, sagte Gottlieb lächelnd. „Nicht ganz schlecht.“ Er warf dem Liftboy den Schlüssel vor die Füße. „Drei Wochen Malediven, das kann sich durchaus sehen lassen.“ Er setzte die Sonnenbrille auf. „Jetzt muss ich es nur noch der Redaktion schonend beibringen.“





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCLXXII): Leitkultur

12 05 2017
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Wahrscheinlich war es einer der Abende, an denen erst der Schnaps zu schnell leer war und dann doch noch eine Flasche auftauchte. Tapfer hatte sich die versammelte Nacktmullzucht alles in die Birne gebembelt, was von lästigen Angewohnheiten wie aufrechtem Gang, artikulierbarer Muttersprache oder Atmen als ISO-zertifiziertem Prozess direkt in die Freiheit von sämtlichen Gedanken führte. Hier wurde keiner überfordert, intellektuell schon gleich gar nicht. Ein Rest Pinselreiniger mag eine tragende Rolle bei der Begriffsbildung gespielt haben, das Gegenteil lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Jedenfalls hieß der Schrott dann Leitkultur und roch dementsprechend.

Es ist ein biologistischer Begriff wie Parasit und Schmarotzer, und er zeichnet seine Verwender wie der Rest aus der Schädelvollprothese aus als das, was sie eingestandenermaßen sind: brauner Dreck. Die Benutzung heißt Ehre für Treuepunktesammler, falls gerade die Preise für Hakenkreuztattoos im Gesicht wieder anziehen, denn es geht auch billig, wenn man sich zum Zielgruppenkuscheln mit den anderen Arschlöchern Abgrenzungsbegriffe wie Abendland herauslegt, gern in der Variante christlich-jüdisch – als wäre ansatzweise christlich, was diese zivilisatorische Ausschussware mit dem jüdischen Teil unter dem eingekoteten Mäntelchen der Geschichte getrieben hat. Der Ächzstaat müht sich ab, dass die Fangzähne seines Sprachgebrauchs ad usum Adolphini keine Sau bemerkt.

Sie verkaufen es als Wertekonsens, und doch ist es eine hastig zusammengeschwiemelte Wirrnis von Klischees, Händeschütteln und Bratkartoffeln, Jäger aus Kurpfalz und miserabler Allgemeinbildung. Die Knalldeppen, die von einer in langen Jahrhunderten zusammengewachsenen Kultur salbadern, haben im Dreißigjährigen Krieg den Schulbesuch für müßig erklärt und sich nur noch mit Landserheftchen wach gehalten. Da sie den üblichen Sott aus der gelben Ecke im Schnee, eine aus Ethnizität gespeiste nationale Identität, mit feucht-völkischem Getöse tatkräftig unterstützen, brauchen sie sich hernach über Brandsätze nicht zu wundern. Aber vielleicht ist das auch gut so, wenn selbst für Erstsemester der Geschichtswissenschaft nicht mehr als ein peinlich berührtes Grinsen herausspringt, während sich die Reichsideologen aus Glaubwürdigkeit gegenseitig an die Weichteile packen.

Wie diese Steilvorlage für die Rechten, die den Begriff mit jeder beliebigen Jauche anfüllen, zu immer neuen Raumkrümmungen führt, in denen Hautfarbe, Religionszugehörigkeit der Eltern oder Bildungsabschlüsse eine tragende Rolle spielen, das sucht seinesgleichen. Letztlich ist das alles nicht viel mehr als ein im Wahlkampf aufgepumptes Druckmittel angeblich verfassungstreuer Eliten gegenüber einer postulierten Unterschicht, für die Bier und Schweinsbraten als xenophobes Theater plötzlich nicht mehr ausreicht. Auch hier, geübt und gebimst durch die Generationen, war plötzlich der Stein schuld, bevor in einem letzten Schritt von freiheitlicher Rhetorik die Fensterscheibe selbst die Verantwortung trug für ihren Schaden als der Volks-Wirtschaft. Wer mehr wissen will, blättert durch die Buchführung des vergangenen Jahrhunderts, das keinen Sollwert schuldig blieb. Vernunft wird vor Religion gestellt – mit dem jüdisch-christlichen Erbe verbinden sich historisch ganz andere Haufen von Schutt und Scheiße, als man sie heute zu sehen bereit wäre.

Aber wen in der klinisch bekloppten Zielgruppe interessiert das noch. Die Fahnehochhalter fordern im Zeichen ihrer Identitätskrise Toleranz als Mittel, um Toleranz als Schwäche zu bezeichnen, einer der gröber gestrickten Kniffe der Moorleichenlehrlinge, und erfinden gemeinsam mit den Stützen ihrer eigenen Parallelgesellschaft den Assimilationsdruck als Peitsche gegen alles Andersartige. Ob auch der Japaner jetzt ironiefrei Lederhose tragen muss? Wird der Neger je in den Schwarzwald integriert? Man weiß es nicht, hofft aber kollektiv, dass die Parallelgesetzgebung nicht für Katholiban und andere grundrechtsfeindliche Terrororganisationen gilt. Denn fremdenfeindliche Gewaltherrschaft, das wissen wir aus absolut sicherer Quelle zeigt ja stets, dass die vermeintlich Integrierten untauglich für die Leitkultur sind. Ob damit freilich alle Hessen oder gleich die ganze Bundeswehr gemeint ist, das will niemand wissen.

Es kommt der Tag, da waren wir schon immer gegen alle Rothaarigen, die vor dem Fernseher nicht ausreichend brandenburgisch aussahen oder altkatholische Gürkchen aßen. Hymne, Fahne und andere Staatssymbole werden uns nicht darüber hinwegtäuschen können, was die Führer jener Tage zur Minderheitenfrage sagen: wer integriert ist, bestimmen wir. Wie gut, dass wir wenigstens die Vergangenheit bis dann hinter uns gelassen haben werden.





Soziale Gewohnheit

10 05 2017

„Ja, das ist auch alles ganz nett, aber wenn Sie jetzt nicht die Lederhose anziehen, kriegen Sie eins auf die Fresse. Das hat hier Tradition, bis zu einem gewissen Grad entspricht es der Lebenswirklichkeit und dem kulturellen Erbe, und irgendwie sind wir auch dem Bild verpflichtet, das wir im Ausland mit unserer Kultur hinterlassen haben. Was für die Lederhose übrigens auch gilt, Herr de Maizière.

Hier gilt der Leistungsgedanke. Und das heißt nicht, dass Sie sich alles leisten können. Wir sehen Leistung als etwas an, auf das jeder Einzelne stolz sein kann. Also leisten Sie mal etwas. Ziehen Sie gefälligst den Bauch ein. Bauch einziehen, rede ich Chinesisch? Sie dürfen gerne die Klappe halten während der Untersuchung, auf die Privatmeinung dahergelaufener Zivilisten legen wir hier keinen besonderen Wert. Leisten Sie etwas. Das kommt für Sie genau so zu spät wie überraschend, aber darauf nehmen wir hier nun mal keine Rücksicht. Ihre aus religiösen Gründen eingewanderten Vorfahren hätten sich ein anderes Land aussuchen können. Dann hätten wir jetzt nicht die Scherereien mit einem Blindgänger wie Ihnen.

Essen Sie gefälligst die Wurst, es gibt nichts anderes. Jedenfalls nicht für Sie. Und seien Sie froh, dass Biofleisch inzwischen als politisch in Deutschland erwünscht gilt. Spargel? Bürschchen, ich lache mal, wenn ich Zeit habe. Sie fressen jetzt Ihre verdammte Bratwurst, und das war’s dann für heute. Spargel, ich glaube es nicht – machen Sie hier einen auf Elite? diese liberalen Fuzzis, die als Warmduscher nicht mehr in der Lage wären, Polen den Krieg zu erklären, die können gerne Spargel essen, so viel sie wollen. Für Sie gilt die Leitkultur. Sie kriegen Wurst wie die anderen Idioten. Sehen Sie es meinetwegen als soziale Gewohnheit an, Herr de Maizière. Wie das Vermummungsverbot.

Es entzieht sich meiner Kenntnis, warum Sie wieder ständig dazwischenreden. Verwechseln Sie mich etwa mit jemandem, den das interessiert? Oder ist das bei Ihnen auch schon so eine soziale Gewohnheit? Wir, Herr de Maizière, legen Wert auf einige soziale Gewohnheiten, nicht weil sie Inhalt, sondern weil sie Ausdruck einer bestimmten Haltung sind. Für Sie ist es das Vermummungsverbot – ob Sie zu einer Haltung im engeren Sinne fähig sind, lasse ich an dieser Stelle mal außen vor, aber da es Ihrem Weltbild aus sozialer Gewohnheit entspricht, empfehle ich Ihnen den Besuch einer Fankurve in einem deutschen Fußballstadion. Sollte es Ihnen in den Sinn kommen, die größtenteils nicht vorbestraften Staatsbürger – Staatsbürger, Herr de Maizière, Sie dürfen das nicht mit Reichbürgern verwechseln, die haben einen vergleichbaren Anteil an Faulschlamm im Schädel – für das Tragen von Schals zu kriminalisieren, dann richten Sie sich auf das Experiment ein, wie viele Vorderzähne sie mit zwei gebrochenen Händen vom Betonboden aufheben können. Kleiner Tipp: Sport gehört als Kultur zum Amtsbereich eines zurechnungsfähigen Ministerialbeamten, dessen Vertretung der Vertretung der Vertretung der Vertretung Sie gerade aushilfsweise bestücken.

Welches Wort, Herr de Maizière, welches Wort von Schnauze hatte Sie intellektuell gerade überfordert?

Wir sehen Bildung und Erziehung als Wert und nicht allein als Instrument. Schüler lernen – manchmal zu ihrem Unverständnis – auch das, was sie im späteren Berufsleben wenig brauchen. Ich muss Sie nicht unbedingt daran erinnern, wer den Schwachsinn verzapft hat. Immerhin hat es sich bei Ihnen bewahrheitet. Ihnen hat man jede Menge Dreck in den Schädel gepfropft, weil man wusste: der größte Teil kleckert eh zu den Ohren wieder raus, das wird in der Klippschule vom Linoleum gefeudelt, aus die Maus. Vielleicht hätten eine Nulpe wie Sie mal ins Grundgesetz reinschauen können. Oder überhaupt mal in etwas anders als Landserheftchen, oder womit haben Sie sich so die Zeit im Geschichtsunterricht vertrieben?

Doch, das ist noch Ihr Deutschland. Wir leben in einem Sozialstaat, der jedem Brechreiz erregend dummen Arschloch, das sich in jeder Situation als peinlicher Versager erwiesen hat, einen Ministerposten nach dem anderen zuschiebt, um immer wieder zu sehen, dass ein Eimer Streusand den Job erheblich kompetenter erledigen könnte.

Für Sie gehören Bach und Goethe der ganzen Welt und waren Deutsche. Was den Begriff von Deutschland angeht, will ich dann lieber nicht wissen, mit welcher Hand Sie Ihre Heftchen im Geschichtsunterricht bedient haben. Aber dass Sie Brecht und Hindemith als Vaterlandsverräter bezeichnen würden – geschenkt. Wir sind ja Erben unserer Geschichte mit all ihren Höhen und Tiefen. Was für den unteren Rand wie Sie nicht unbedingt gilt, oder?

Schuhe putzen. Herr de Maizière, bräuchten Sie eventuell eine schriftliche Einladung? Wir haben in unserem Land eine Zivilkultur bei der Regelung von Konflikten. Ich werde ganz entspannt dabei zusehen, wie man Ihnen die Gräten bricht. Danach haben Sie eine Strafanzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte am Hals. Zivilkultur, Sie verstehen. Wir verknüpfen Vorstellungen von Ehre nicht mit Gewalt. Andere schon.

Sie sehen, wir meinen es stellenweise etwas ernster als Sie. Wo wir gerade dabei sind, Herr de Maizière, zeigen Sie mir doch mal Ihre Fingernägel. Wäre doch ein Zufall, wenn die der behördlich akzeptablen Toleranzgrenze für unerwünschte Elemente entsprächen. Oder?“





Bedrohte Arten

13 10 2016

„… dass importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert würden. Petry habe angekündigt, die Bundesrepublik einer grundlegenden Veränderung in Kultur und Gesellschaft zu…“

„… bedürfe es einer gründlichen Integration der deutschen Kernbevölkerung in die kulturellen Ideale des nationalen Staates. Die Auswanderung integrationsunwilliger Personen, so Pretzell, werde zwar nicht finanziell bezuschusst, die Behörden seien aber angehalten, bei der Beschleunigung der Verfahren nach Belieben…“

„… kein deutscher Junge mehr mit Kaugummi vergiftet werden solle. Meuthen werde die von Wallstreet und zionistischen Zuhältern geplante Zerstörung völkischer Kindergebisse nicht…“

„… die Synergien der Leitkultur nutzen wolle. Mit der Neuausrichtung aller Leibesübungen werde die Besetzung der Fußball-Nationalmannschaft mit Sportsoldaten einen wesentlichen…“

„… parasitäres Pack sei, dass an der brutalen Entdeutschung des Volkskörpers sogar verdiene. Höcke habe den Brandanschlag auf den Leipziger Thai-Imbiss als heldische Tat von tapferster…“

„… eine lange Geschichte in der deutschen Erziehung gespielt habe. Poggenburg habe die Kultusminister angewiesen, die Prügelstrafe wieder auf sämtlichen Schultypen zu…“

„… den Buchmarkt nicht mit fremdländischer Schundliteratur überschwemmen dürfe. Die deutschen Verlage seien angehalten, nur noch auf Deutsch verfasste…“

„… zu viele Kraftfahrzeuge ausländischer Hersteller auf deutschen Straßen zu sehen seien. Der Handel werde ab sofort gesetzlich verpflichtet, keine Wagen mehr zu anzubieten, die von multinationalen Konzernen…“

„… und sämtlichen Fremdsprachenunterricht in allgemeinbildenden Schulen sofort zu streichen. Gauland vertrete die Ansicht, wenn Ausländer sich mit Deutschen unterhalten wollten, könnten sie dies auch auf…“

„… müsse der Neue Deutsche Film nicht mehr für ein ausländisches Publikum produziert werden. Die Neuverfilmung bewährter Drehbücher aus den großen Jahren der UFI könne sich auch heute…“

„… als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit betrachte. Das Sprechen in deutscher Mundart dürfe nur noch nach einer vorherigen Prüfung sowie unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen Angehörigen derselben in Gauen organisierten Landsmannschaften…“

„… dass die Prügelstrafe vorläufig nur im Jugendstrafrecht verankert werden solle, nach einer mehrmonatigen Evaluationsphase aber auch ergänzend zu den bisherigen…“

„… als Zwischenlösung zu betrachten. Die Zwangsumsiedlung ausländischer Personen aus einer deutschen Nachbarschaft könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Ghetto nur die Vorstufe zu einer endgültigen…“

„… sofort rückgängig gemacht werden müsse. Deutsche Autos, so Meuthen, seien zwingend mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet, da die Patente der dafür verwendeten Antriebstypen von deutschen Erfindern…“

„… empfindliche Geldbußen verhängt worden seien. Die sächsische Polizei habe die Dresdner Demonstration danach mit Wasserwerfern und Gummigeschossen auflösen müssen, weil viele der teilnehmenden Volksgenossen sich nicht an die Auflage gehalten hätten, sich hochdeutsch zu…“

„… ein nationales Vornamensregister einführen wolle, das die rassisch erlaubten Bezeichnungen für deutsche Kinder…“

„… es notwendig gewesen sei, deutsche Frauen nach der Eheschließung wieder von der Erlaubnis ihres Gatten bei der Aufnahme und Fortführung einer Berufstätigkeit abhängig zu machen. Der sich aus diesem Umschwung entstandene Mangel an Fachkräften sei also letztlich durch die drohende Zerstörung der deutschen Nation durch fremdes…“

„… das deutsche Volk in die Liste der bedrohten Arten aufnehmen müsse. Gauland verspreche sich davon Zahlungen an die Bundesrepublik, die in die Parteikasse der…“

„… Personen, die Fremdnamen weiterführen wollten, in ihrem Ausweis durch eindeutige Zusätze zu kennzeichnen seien. Die Polizei könne dann bei Amber Grete oder Björn Siegfried die Zugehörigkeit zur…“

„… den sozialen Frieden eher erhalten könne, wenn die Feinde einer homogenen Gesellschaft nicht mehr Teil des völkischen…“

„… es sich um keine Kultur des christlichen Abendlandes handle. Die japanische Kolonisierung Düsseldorfs werde bereits in wenigen Millionen Jahren zu einer kompletten Umvolkung der europäischen…“

„… schon in der nächsten Grillsaison der Bratwurstsonntag eingeführt werden solle. Der Verzehr von billigem Separatorenfleisch aus dem Discounter solle dazu dienen, das im Vergleich zu hochwertigem Bio-Gemüse gesparte Geld für die Nachzucht wehrfähiger…“

„… das Christentum als dem germanischen Volkskörper wesensfremd betrachte. Gauland wolle die Abschaffung der eingewanderten Ideologie mit allen Mitteln…“

„… jahrhundertelang ohne sie ausgekommen und sich in zahlreichen Kriegen bewährt habe. Höcke wolle keine Bananen in Deutschland, da die Frucht zu einer genetischen Vernegerung des…“





Oh Tannebaum

4 10 2016

„Und Schweinshaxn mit Kraut und eine anständige Maß Bier!“ „Kruzitürken!“ „Vor allem die Maß!“ „Das müssen diese Ausländer mal lernen, wie sich das gehört!“ „Es war…“ „Diese Scheißneger!“ „Alle raus hier!“ „Raus, raus bis zur letzten Patrone aus unserem Land!“ „… Ihnen nicht entgangen, dass es sich um die Schulverpflegung handelt, oder sollte ich mich getäuscht haben?“

„Wenn einer einen bayerischen Schweinsbraten nicht will, dann soll er Deutschland verlassen!“ „Und Sie sind sich wirklich sicher, dass Sie Ihre Aufgabe verstanden haben?“ „Was für Bayern gut ist, das kann nicht schlecht sein für Deutschland!“ „Kruzitürken!“ „Sie verwechseln das, hier geht es erst mal nur um die Schulverpflegung.“ „Ich habe damals auch mit zehn mein erstes Bier gekriegt!“ „Ach, daran liegt das.“ „Uns hat das damals nicht geschadet!“ „Wir reden hier von Grundschulen und Sie haben nichts anderes im Kopf als Bier?“ „Wir sind halt Bayern, da setzt man Prioritäten!“ „Das ist Leitkultur, verstehen Sie das? wenn’s d’Leit tuan, dann is Kultur!“ „Und im Bayernland dulden wir keine Einmischung in unsere Angelegenheiten!“ „Das müssen Sie gerade sagen, Sie sind Franke!“ „Ich verbitte mir diese…“ „Franke!“ „Könnten wir vielleicht wieder zum Thema kommen?“ „Franke!“ „Jetzt regen Sie sich nicht auf, in Bayern gibt es doch so etwas wie friedliche Koexistenz. Wir haben einen Schweinsbraten, er ist halt nur ein Franke, aber sie machen ja Würstel.“ „Trotzdem ist er eine ethnische Minderheit und hat sich in die Ordnung des Freistaates zu integrieren!“ „Was machen Sie eigentlich mit Vegetariern?“ „Hören Sie doch zu, die kriegen halt Würstel!“ „Dazu ist der Franke gut, Schweinsbraten kann er keinen, aber zugewanderte Rassen assimilieren sich untereinander bekanntlich doppelt so schnell!“ „Kruzitürken!“

„Die Vorschriften sehen jedenfalls so aus, dass Kinder täglich vitamin- und mineralstoffreiche Kost brauchen. Das geht nur mit Obst und Gemüse.“ „Sollen jetzt alle bayerischen Knaben und Mädel homosexuell werden, damit ein paar Grüne den Nachwuchs an linksradikalen Berufsdemonstranten decken können?“ „Was hat denn Gemüse mit…“ „Heute kauen die einen Lauch, morgen tanzen sie nackert durch die Kirchen!“ „Das würde mit einem gescheiten Schweinsbraten nicht passieren!“ „Ich kann ja nicht für die Franken sprechen, aber das würden die nie machen. Schon aus intellektuellen Fähigkeiten.“ „Sie halten Gemüse nicht ernsthaft für…“ „Die bayerische Leitkultur ist nun mal ganz eindeutig, wir lassen uns die historischen Wurzeln nicht einfach von irgendwelchen zugewanderten Chaoten abschneiden!“ „Kruzitürken!“ „Sie halten Vegetarier für eine fremde Nationalität?“ „Die, wo immer Tofu essen, die kommen doch aus Berlin!“ „Das ist doch quasi schon feindliches Ausland!“

„Wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, dass sämtliche Deutschen sich an Bayern orientieren sollen?“ „Sie, jetzt kommen Sie mir nicht wieder mit der Rassismuskeule!“ „Das können wir nicht mehr hören!“ „Aber ich…“ „Wir akzeptieren die Franken als minderwertige… Minderheit, wollte ich sagen, und ansonsten lassen wir uns nichts Braunes anhängen!“ „Das hat mit der Schulverpflegung gar nichts zu tun, warum erzählen Sie mir das denn die ganze Zeit?“ „Weil man das ja in einem größeren Zusammenhang sehen muss!“ „Das ist doch Teil der kulturellen Entfremdung!“ „Von den Franken?“ „Sie – keine Nazikeule hier, sonst können Sie gleich wieder zurück nach Berlin!“ „Ich komme aus dem Kultusministerium in…“ „Noch schlimmer!“ „Kruzitürken!“ „Jetzt braucht’s ein Ministerium, um aus unseren Kindern asoziale Dreckschweine zu machen!“ „Das haben bei uns die Lehrer alleine geschafft!“ „Und der Herr Pfarrer!“ „Kruzitürken!“

„Sie wissen ja wohl gar nicht, dass bei uns in der Kinderkrippe kein Christbaum mehr aufgestellt wird!“ „Das kommt jetzt auch ein paar Monate zu früh, würde ich sagen.“ „Das ist die Entwertung der Gesellschaft!“ „Den Kindern wird die Gottesfurcht nicht mehr gelernt!“ „Aber…“ „Die Verwaltung sagt dazu jetzt Tannebaum!“ „Das ist ein Kniefall vor den Fremdrassen!“ „Diese Scheißneger!“ „Alle raus hier!“ „Moment mal, da sind Sie gewaltig auf dem Holzweg.“ „Kein Mensch sagt Tannebaum, das ist eine islamistische…“ „Der Tannenbaum als Weihnachtsschmuck wurde um die Mitte des 16. Jahrhunderts aus dem Elsass importiert.“ „Das ist nicht wahr!“ „Es gab auch Bäume in Osteuropa, aber die wurden am Ende der Weihnachtstage auf dem Marktplatz angezündet.“ „Anzünden ist immer gut!“ „Sie wollen uns erzählen, dass das ein… ein ausländisches…“ „Ja.“ „Und dieses Lied, das seit dem Krieg hier gesungen wird, ist das auch aus dem Islam?“ „Das kommt aus Schlesien.“ „Dann ist das aber nicht…“ „Möglicherweise von Flüchtlingen, die sich vor der Reformation abgesetzt haben.“ „Dann ist das ja…“ „Bayern ist aber ein modernes Land, wir können auf mittelalterliches Brauchtum keine Rücksicht nehmen!“

„Also Gemüsebeilage?“ „Kann man das als besondere Belastung steuerlich geltend machen?“ „Nein, aber es ist gesetzliche Vorschrift.“ „Gut, das ist okay.“ „Und einmal die Woche Nudeln.“ „Das ist undeutsches…“ „Kruzitürken, gut jetzt!“ „Ja, das geht auch.“ „Und wenn man alkoholfreies…“ „Natürlich könnten wir die CDU auch in Bayern antreten lassen.“ „Malzbier!“ „Ja, das wollte ich auch gesagt haben!“ „Wir alle lieben Malzbier hier im Bayernland!“ „Sogar die Franken!“ „Ja mei!“ „Fein, dann gehen wir zum nächsten Punkt über. Es soll hier vereinzelt Befürworter einer Obergrenze geben?“