
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Es war ja nichts in Stein gemeißelt, denn das musste für länger halten. Das Papier war unsagbar teuer, weil es noch niemand erfunden hatte. Die wichtigen Dinge merkte man sich, was irgendwie heilig war, wurde in weiches Wachs geritzt oder in Ton gestichelt, und ganz ab und zu ließen sich durchgeknallte Herrscher mit ihren Heldentaten – zehn Völker ausgerottet, Hunderten von Frauen die Hasenscharte beim Nachwuchs angedreht, das halbe Land versklavt und die Bevölkerung beim Bau sinnloser Prachtbauten systematisch zu Tode geschunden – in Metallguss bringen. Den Klatsch aller Generationen aber hat keiner auch nur auf Palmblätter gekritzelt, auf Pappe gestempelt, in Runen gekerbt. Erst mit der Erfindung des Buchs als Verbrauchsmedium für die soziale Couture schälte sich aus der holzigen Rinde heraus, was man zu tragen hatte, in Dünndruck oder unter dem Arm; was es nicht ins Feuilleton schaffte, in den pseudoelitären Schwafelbla, über den man reden musste, weil es alle taten, wurde kurz zerkaut und wieder ausgespieen, aber nicht bis in die Kultur durchgereicht, schon gar nicht in die Bizarrerie der Literatur. Je mehr das Totholz zum Leitbesitz der Hochglanzgrobiane wurde, war das Skandalbuch ein Distinktion stiftendes Must-have.
Der zweifelhafte Ruf des Machwerks für das hirnentkernte Unterschichtengeklump beruht auf der in die müde Luft posaunten Schockwirkung, die ungefähr so nachhaltig schockiert wie ein Sandkorn am Badestrand. Uh, Marsmenschen essen keine Marmelade! Ah, Hitler hat echt geatmet! Jene stammelnde Hängefresse muss nur Deutsche, tötet alle Ausländer, weil alle Ausländer nur leben, um Deutsche zu töten! auf den Bierschiss in Halbleinen kleben, und mit einem IQ unterhalb von Fußpilz kauft das jede Fehlinkarnation. Der aus grobem Schmodder geschwiemelte Plan, mit etwas Sex, Empörung oder Ekel – die Übergänge sind fließend, meistens hebt sich das geistige Niveau sowieso nicht vom Boden ab – die niedersten Instinkte der offenporigen Kriechschicht am Rande der Gesellschaft zu tangieren, er verfängt meist nur da, wo mit intellektueller Auseinandersetzung eh nichts zu holen ist, das größer als null wäre. Etwas Theaterblut und Tütenkotze, Readymades aus dem Effektendiscounter, schon pufft die Provokation in sich zusammen wie ein fiependes Gummischwein mit Bisslöchern. Für Hunde mag das reichen.
Die Entstehung ist ja selten ein Geheimnis, da sich keiner der Brüllanten je literarischer Leistung verdächtig gezeigt hat, zuvor und hernach. An der Zastertanke herrscht Vollflaute, Taxifahren ist auch keine Alternative, und das Sein lässt sich vom Sendungsbewusstsein nicht groß beeindrucken, also greift der Klötenkönig tief in den Eimer mit dem verbalen Bauschaum, aus dem sich jedes Gedöns schnitzen lässt, Hohlraum sei Dank. Wer, wenn nicht die in kalkuliertem Tabugebrösel geschulten Deppen sollte diese Verquastheit aus Igitt und streng nach Vertrag geliefertem, lektoriertem und in betriebswirtschaftlicher Hyperkorrektur geplantem Stillstand der Dinge noch eine zäh angehobene Wimper schenken, wenn nicht die reizhysterischen Rumpelköppe, die jeden Tinneff aus der Lieferung für Heckenpenner hochjagen zum Ereignis, wenn auch nur für negative Euphorie? Schreibt nicht das gemeine Müllbeutelimitat in Strumpfhosen einen Erlebnisbericht nach dem anderen aus der komplett verquarkten Biografie, mit verkorksten Ehen und finanziellem Desaster, lustigen Szenen aus der Knastdusche und ähnlich dünn angerührtem Dreck, um sich bei den publizistischen Wurmfortsätzen der national führenden Primatenpostillen tief in die Ausgangsschleimhaut zu fräsen? Der Schmerz ist geduldig, kommt es doch nur darauf an, ihn möglichst schnell zu versilbern.
Das Skandalbuch ist eigentlich keins. Es wird nur von hysterischen Behämmerten aus panischer Angst vor der grauen Vorstellung, jeder könnte den Schmodder aus Vernunft ignorieren, zum Geschrei gemacht, bar jeder sozialen Indikation, die von außen auf den Papierstapel einwirkte. Eine krude Werbeindustrie verjuxt unbarmherzig Lebenszeit von Idioten, die sich zur Lektüre herablassen, kurz feststellen, dass ihnen beim Durchblättern bereits das Gesicht eingeschlafen ist, und dann doch nicht zugeben können, dass sie sich mit des Kaisers neuen Kleidern die Schuhe abgeputzt haben. Uh, Marsmenschen! Hitler, ah! Wie viel besser wäre die Welt, und wir würden diesen zusammengekehrten Hirnschorf einfach ignorieren, wie wir dieses größenwahnsinnige Pack ausgeblendet haben, als es uns noch nicht mit derartigem Geschreibsel auf die Plomben ging. Das Fallobst, das die Zeitungen füllt, reicht für soliden Ekel schon aus, man muss nicht auch noch so tun, als kümmerte einen die rüde Ruhmsucht dusseliger Blähboys. Weg mit dem Mist. Der Container reizt zur deutschesten aller Heldentaten, und ist der Müll einmal getrennt, ließe sich aus dem Brei allerlei machen. Auch auf Rollen. Es wäre dem Elaborat endlich, endlich gerecht.
Satzspiegel