Klimagerechtigkeit

11 05 2023

„Wir brauchen so schnell wie möglich eine echte Heizungswende, weniger Gas- und Ölheizungen, mehr Wärmepumpen, keine Frage. Deshalb werden wir auch alles daran setzen, um das zu verhindern.

Gut, ganz werden wir es nicht schaffen. Es gibt ja leider Industriezweige, die auch zur Wirtschaft gehören und die wir nicht so gut unter Kontrolle haben, oder meinetwegen auch umgekehrt. Die Fotovoltaik haben wir mit Merkels Hilfe bereits beseitigt, Windkraft erledigt Söder, und wenn sich die Heizungshersteller auch verabschieden, müssen wir auf die auch keine Rücksicht mehr nehmen. Erneuerbare Energien haben leider noch nicht den Marktwert, den wir uns erhofft hatten. Und die FDP auch nicht, wenn wir darauf setzen würden.

Außerdem muss man auch mal realistisch bleiben. Ich wette mit Ihnen, dass wir in diesem Sommer regional bis zu vierzig Grad haben werden, dann kratzen endlich wieder ein paar Rentner ab, was ja gut für die Sozialsysteme ist, und es interessiert sich keine Sau mehr für diese dämlichen Wärmepumpen. Außerdem würde daran eine neue Heizung auch nichts mehr ändern, wir haben uns also nach der üblichen Methode ein bisschen Zeit gekauft für mehr Konsumkapital, und die Party ist noch nicht so schnell vorbei. Solange niemand das solarbetriebene Auto erfindet, können wir auch auf die Zukunftstechnologie warten und den Grünen die Schuld dafür geben, dass das solarbetriebene Auto noch nicht erfunden wurde.

Ach was, schauen wir positiv in die Zukunft. Ob wir bis 2040, 2050 oder 2080 nicht klimaneutral sind, ist dann auch egal. Dann sind wir alle weg, Kinder setzt man als vernünftiger Mensch eh nicht mehr in die Welt, wenn man sich mal durchrechnet, wie viel einen die kosten, und die, die jetzt gerade alt genug sind, um sich auf die Straße zu kleben, die dürfen dann unsere Zeche bezahlen. Dabei gehen uns nicht mal Wähler verloren, weil die Generation noch gar keine Heizungen austauscht – alle zu jung für eigene Immobilien, größtenteils nicht mal ein ordentliches Erbe in Aussicht, also diese Jugend hat es echt verdient, dass man sie in die Tonne tritt.

Man sollte dem Klimawandel auch seine guten Seiten abgewinnen, schließlich sorgt so eine Dürre für weniger Wasser und damit automatisch für mehr Strand. Das geht in linke Schädel natürlich nicht rein, weil die alle immer nur an sich selbst denken und nie an uns als Leistungsträger und unser Recht, überall Urlaub zu machen, wo es noch schön ist. Dass wir mit mehr Sonne für den Inlandstourismus auch solchen Bevölkerungsschichten helfen, die nie aus Deutschland rauskommen würden, dankt einem auch keiner. Aber von Klimagerechtigkeit reden!

Neulich sagte mal einer in der Fraktion, dass der Zementverbrauch eine echte Klimagefahr ist. Wenn wir jetzt genug Windräder aufstellen würden, dann hätten wir einerseits billigen Strom für eFuels und gleichzeitig immer noch genug Erderwärmung. So muss man nämlich planen, das kapieren die Grünen mit ihrem ideologischen Brett vorm Kopf nie, dass der Technologieoffenheit die Zukunft gehört.

Außerdem ist Ihnen wohl klar, dass wir bei einer so wichtigen Aufgabe wie der letzten Chance der Menschheit auf Klimaschutz Gründlichkeit immer vor Geschwindigkeit sehen – da sage noch einer, in der FDP halten wir nichts von Tempolimit! Nein, es muss gründlich sein, sonst kriegen wir die Grünen nicht kaputt, und wenn sich die Union nach der nächsten Bundestagswahl am Riemen reißt, dann machen wir da weiter, wo wir mit Merkel aufgehört haben. Und dann können Sie sich warm anziehen, das verspreche ich Ihnen. Wer dann noch an eine Wärmepumpe denkt, kann sich einweisen lassen.

Die Grünen wollen Fehlinvestitionen der Bürger vermeiden, indem sie gleich die richtige Heizung befehlen und die falsche verbieten. Was für eine bescheuerte Idee, da zeigt sich mal wieder, dass die Idioten gar nichts von Wirtschaft kapiert haben, schon gar nicht von nachhaltiger. Jetzt schnell die Gasheizung rausreißen und eine neue einbauen, das kostet richtig Geld, das Bruttoinlandsprodukt wächst, die Betriebskosten steigen, und irgendwann hauen die Hausbesitzer die alten Heizungen alle auf den Müll, holen sich zu total überteuerten Preisen eine Wärmepumpe und sorgen nochmals für ordentlich Wachstum. So heizt man die Wirtschaft an, und nicht mit diesem Klimagejammer von den Grünen. Dann können Sie sich ausrechnen, dass Wärmepumpen schon wegen mangelnder Rohstoffe immer teurer werden, dann kommt die Nachfrage, das Personal fehlt, um die Teile einzubauen, und am Ende werden die gesetzlichen Vorgaben um viele Jahre verlängert, worauf sich der Ausbau noch mehr verzögert. Sie sehen, wenn wir den Bürgern Freiheit versprechen, dann meinen wir das auch so. Es geht um unsere Freiheit. Wenn Sie das als Drohung verstehen, ist es nicht unser Problem.

Aber wir sind ja lernfähig, vielleicht kriegen wir ein paar gute Deals hin für Fußbodenheizungen, Dämmung oder Altbausanierung. Es müssen nicht gleich Aufsichtsratsposten sein, für den Anfang tun es auch ein paar vernünftige Parteispenden. Oder extrem kostspielige Werbeanzeigen in den richtigen Zeitungen, die sich dann für die Freiheit einsetzen, die wir meinen. Irgendwann ist es alternativlos, aber ich glaube kaum, dass ich das noch erleben werde. Vorher werden deutsche Ingenieure noch die Spitzentechnologie erfinden, die die ganze Welt vor der Katastrophe retten kann. Hauptsache, wir setzen den Mist nicht hier ein. Oder meinen Sie, damit ließe sich ausreichend Geld scheffeln?“





Gaspedal

4 04 2023

„… müsse die Bundesregierung die Bedürfnisse der Leistungsträger fördern, statt den Bundeshaushalt für Partikularinteressen von Kindern zu belasten. Es werde nach Aussage des Bundesfinanzministers in der laufenden Legislatur daher ein Energiegeld in Höhe von mehreren…“

„… sei nicht mit dem Wirtschaftsministerium abgesprochen. Dass Lindner eine Subventionierung gasbetriebener Geräte durchsetzen wolle, könne Habeck außerdem nicht mit den Klimazielen der Regierung vereinbaren, weshalb es seiner Ansicht nach keinen verfassungsgerechten Weg gebe, die Gelder an die…“

„… zur deutschen Leitkultur gehöre. Die FDP bestehe auf die Förderung von Gasgrills, die aus keinem Haushalt mehr wegzudenken seien und die bestmögliche Unterstützung der Politik bräuchten. Eine Weigerung werde er nicht…“

„… nach der Kabinettsklausur kein weiterer Bedarf zur Klärung bestehe. Scholz wolle sich aus der Diskussion heraushalten, rate den Grünen aber, nicht erneut einen Konflikt als Vorwand zu nutzen, um sich gegenüber einem Koalitionspartner zu…“

„… die Versorgung mit Gas nicht auf Flaschen beschränkt bleibe, um einer Unterbrechung in der Lieferkette vorzubeugen. Die Liberalen würden vor allem feste Gasanschlüsse bevorzugen, die mit steuervergünstigtem eGas, das langfristig aus den ursprünglich für Heizungen und…“

„… von der Union unterstützt werde. Im Falle vorgezogener Neuwahlen wolle Merz die Begasung deutscher Familien fördern, wenn diese nicht durch Verzehr veganer Produkte, Gendern oder andere kulturfremde Boykotthetze an der nationalen…“

„… bisher nicht geklärt sei, was sich Lindner unter künstlichem Gas vorstelle. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung könne derzeit kein Verfahren nennen, das eine Versorgung von Grillgeräten mit den Erzeugnissen einer partiellen Oxidation gewährleiste. Auch mit Wasserstoff sei ein befriedigender Brennwert nicht zu…“

„… anders als bei volkswirtschaftlich fraglichen Überlegungen wie einem Tempolimit gute Chancen sehe, auch bei einem offenbaren Bruch von EU-Gesetzen einen deutschen Alleingang durchsetzen zu können. Buschmann wisse noch nicht, warum eine Streichung der Umsatzsteuer auf eGas gegen europäisches Recht verstoße, es sei ihm aber…“

„… in keinem Zusammenhang mit der vom Unternehmen angekündigten Ausweitung seiner Produktpalette stehe, die Gasgrills enthalten solle. Porsche werde spätestens bis zum…“

„… sich enttäuscht zeige, dass die Grünen nicht die klimaschonende Einsparung von Holzkohle als Zeichen des Entgegenkommens werten würden. Für Lindner zeige sich darin der unsoziale Charakter Habecks, der seine Politik nur für Kinder und…“

„… zum großen Teil nur mit Alkanen befeuert werden könnten. Die Hersteller könnten ihre Grills nur für die Beschickung mit Flüssiggas empfehlen, das im Erdgas vorkomme, alle weiteren Brennstoffe seien schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht…“

„… die Wissenschaft gefordert sei, neue Gase zu erfinden, die nicht durch fortschrittsfeindliche Gesetze aus Physik oder Chemie in ihrer Effizienz beschränkt würden. Buschmann werde durch eine handwerklich sehr, sehr gut gemachte Verordnung die technologieoffene Ausweitung homologer Reihen auf mehr Kohlenstoffatome, die durch eine steuerfreie Bindung an…“

„… sammle man im Ministerium unter dem Projektnamen Gaspedal Material, um mit Fotovoltaik oder Wärmepumpen betriebene Grills durch ein gesetzliches Verbot von den Sanktionen auszuschließen. Lindner halte dies für legitim, da Habeck zuvor auch durch die Drohung mit einem Gesetz seine…“

„… als Abfallprodukt der Erdölförderung in den Raffinerien entstehe. Wissing weise darauf hin, dass durch künstlich erzeugte Grillgase die Versorgung mit Benzin und Diesel, die erforderlich seien für den Verkehr auf zehnspurig ausgebaute Autobahnen und Schnellstraßen, kaum oder nur in wenigen…“

„… die Annäherung an Russland fördern werde, wenn die Bürger sehen würden, dass Grillen auch in Kriegszeiten nicht von den linken Parteien verboten werden könne. Lindner halte auch weiterhin an der Finanzierung seines…“

„… ein starkes Plus auf der Einnahmenseite erwarten würden. Dürr sehe die Entwicklung auf einem guten Weg, wolle aber in Bezug auf eFuels, eGas und noch zu entwickelndes eHeizöl eine Steuerfreiheit bereits jetzt gesetzlich festschreiben, um nach der Regierungsübernahme einen…“

„… auch mit der Abwärme von Fusionskraft die notwendige Grillhitze erzeugt werden könne. Ein Pilotprojekt sei nach Stark-Watzingers Planung die beste Möglichkeit, um mehrere Trilliarden Würste auf einem Grill in der Größe von…“

„… dass auch die soziale Komponente nicht vernachlässigt werden dürfe. Im Finanzministerium sei nach jüngsten Konsultationen über die Inflation beraten worden, ob Gasgrills für Familien, die wegen steigender Mieten obdachlos würden, in Ausnahmefällen auch als Heizungen oder…“

„… sich die BAM abschließend mit dem Plan beschäftigt habe, aus der Braunkohlevergasung gewonnenen Wasserstoff zu Produktion von Gas zu verwenden. Die aktuellen Produktionsmethoden seien lediglich geeignet, den Brennwert von einem Doppelzentner Holzkohle pro Jahr, verteilt auf die Gesamtbevölkerung der…“





Richtlinienkompetenz

15 08 2022

„Ich verstehe nicht, wieso Scholz sich das gefallen lässt.“ „Das war der Plan.“ „Dass sich Scholz das gefallen lässt?“ „Der Mann hat so viel um die Ohren, der kann nicht auch noch die Richtlinien der deutschen Bundespolitik bestimmen.“

„Dann ist Scholz also gar nicht der Bundeskanzler?“ „Sagen wir’s mal so: formal schon.“ „Also quasi geschäftsführend.“ „Eher pro forma.“ „Und er lässt sich das einfach so gefallen?“ „Was genau sollte er Ihrer Ansicht nach dagegen tun?“ „Wie wäre es mit Regieren?“ „Das hat ja schon Merkel nicht unbedingt besonders erfolgreich geschafft.“ „Und jetzt müssen wir uns den Aufguss von sechzehn Jahren Untätigkeit noch mal antun?“ „Dafür wurde er schließlich gewählt, ja.“ „Und die Regierungsgeschäfte besorgt in der Zwischenzeit Lindner?“ „Wie kommen Sie auf das schmale Brett?“ „Jedenfalls nicht, weil Scholz als Finanzminister auch das Kanzlerinnenbackup war.“ „Und welche Gründe gibt es dann, die Sie zu dieser Annahme bewegen?“ „Wahrscheinlich organisiert Scholz seine gesamte Politik von den Finanzen her und lässt Lindner damit den gestalterischen Vortritt.“ „Sie haben ja noch mehr Fantasie, als ich befürchtet hatte.“ „Wer macht denn dann die Finanzpolitik?“ „Jedenfalls nicht Lindner.“

„Gut, Sie wollen mir vermutlich damit sagen, dass Organisieren und Verantworten nicht dasselbe sind.“ „Jetzt denken Sie nicht immer um die Ecke, Verantwortung hat dieser Versager in seinem Leben noch für nichts übernommen.“ „Also ist er auch nicht der Finanzminister?“ „Und der Bundeskanzler schon gleich gar nicht.“ „Dann haben wir ja am Ende gar keine Bundesregierung!“ „Jetzt driften Sie aber in Verschwörungsmythen ab.“ „Meine Güte, einer muss sich doch die Richtlinien von diesem ganzen Quark ausgedacht haben!“ „Fragen Sie sich doch mal, wer von diesem Tankrabatt am meisten profitiert.“

„Das würde ja bedeuten, dass die Politik nur für die Aktiengesellschaften gemacht wird.“ „Von den Aktiengesellschaften.“ „Bitte?“ „Nicht für, sondern von den Aktiengesellschaften – man überlässt bei so wichtigen Projekten halt ungern etwas dem Zufall.“ „Und was machen dann solche Gestalten wie Lindner im Bundeskabinett?“ „Ich habe keine Ahnung, ob das noch unter Sozialwesen läuft oder bereits als Inklusion gilt.“ „Erklären Sie mir doch mal, wie das funktionieren soll.“ „So, wie Sie sich das vorstellen: zum Beispiel brauchen die Mineralölkonzerne mehr Geld…“ „… und die Regierung schreibt ihnen dann das passende Gesetz?“ „Sie sind schon auf einem guten Weg, mein Lieber.“ „Ich frage mich nur, wenn die nichts dem Zufall überlassen, warum machen die das nicht selbst?“ „Das sind schwer beschäftigte Leute, die so hart arbeiten, da muss man als Politiker nicht einmal lügen, wenn man behauptet, etwas für die produktive Gesellschaft zu tun.“

„Gut, dann kehren wir noch mal zur Ausgangsfrage zurück: warum lässt sich Scholz das gefallen?“ „Haben Sie sich jemals gefragt, ob der Mann wirklich Bundeskanzler werden wollte?“ „Er hätte sich ja sonst kaum zur Wahl gestellt.“ „Mit dieser lächerlichen Kampagne und einem geradezu erbärmlichen Wahlkampf gegen eine grüne Außenpolitikerin, die erst durch die nationalistische Hetzpresse mit russischer Unterstützung gestoppt werden konnte?“ „Hatten Sie nicht gesagt, dass Sie keine Verschwörungstheorien wollen?“ „Warum hat die SPD wohl ausgerechnet den aufgestellt, der bei der Wahl zum Vorsitzenden krachend durchgefallen war?“ „Keine Ahnung, vielleicht hatte er wieder Erinnerungslücken oder hatte nicht rechtzeitig eine gute Ausrede parat – bei ihm weiß man ja nie, was gerade zutrifft.“ „Ich sehe, Sie kehren langsam zur Vernunft zurück.“

„Das beantwortet natürlich immer noch nicht die Frage, wer in dieser Koalition überhaupt die Richtlinienkompetenz der Bundespolitik ausübt.“ „Ich hätte da auch eine Frage: warum muss man seit Jahrzehnten diskutieren, wie man Haushalte mit niedrigem Einkommen stärkt?“ „Sagen Sie’s mir.“ „Weil man dann darüber diskutiert.“ „Das bedeutet, man diskutiert in diesem Augenblick nicht über die Nebenverdienste von Kanzlern, Finanzministers oder anderen gierigen Befehlsempfängern oder über andere schmutzige Geschäfte in der Politik.“ „Genau das.“ „Merkwürdigerweise kippt das immer auf – halten Sie das nicht auch für sehr verdächtig?“ „Halten Sie alles für eine Verschwörung, was nicht auch ein größenwahnsinniger Volldepp hinkriegt.“

„Wir haben also ganz konkret die Autokonzerne, die Mineralölbranche und die Energieanbieter, die ihre Ziele bei der Bundesregierung durchsetzen.“ „Das ist ja auch vernünftig – stellen Sie sich mal vor, die Forstwirtschaft würde uns erzählen, wie man Autos verkauft.“ „Das ist doch Unfug!“ „Ich habe nie etwas anderes behauptet, auf der anderen Seite ist das, was wir jetzt haben, auch nicht besser.“ „Und dann diskutieren wir die ganze Zeit, wie man Haushalte mit niedrigem Einkommen stärkt?“ „Damit wir nicht darüber diskutieren, wie die Richtlinienkompetenz der Bundespolitik von den Experten ausgeübt wird, die nichts dem Zufall überlassen und daher nur die besten Fachkräfte in der Regierung installieren.“ „Das war doch aber bei Merkel schon so?“ „Bei Schröder und Kohl auch.“ „Also hat sich im Grunde überhaut nichts geändert, seitdem wir diesen neoliberalen Scheißdreck haben?“ „Dann wissen Sie jetzt ja auch, warum sich Scholz das gefallen lässt.“ „Nein, warum?“ „Damit er Bundeskanzler bleibt.“





Zuzahlungspflichtig

14 07 2022

„Nehmen Sie Platz. Es tut mir leid, heute müssen wir über Geld reden, aber das macht mir nichts aus, weil es nicht mein Geld ist. Sie hatten da diverse Bedarfe angemeldet, und Sie haben ja auch recht, weil das für Sie äußerst wichtig ist. Wir hingegen müssen das finanzieren, und da merken Sie sicher schon den Unterschied, dass wir nicht allen einfach alle geben können, was sie wollen. Das heißt, Ihnen nicht. Sie können es sich nicht leisten.

Nein, nicht wir können uns das nicht leisten, Sie können das nicht. Wenn Sie sagen, Sie wollen das Neun-Euro-Ticket dauerhaft, weil Sie sich damit den Nahverkehr wieder leisten können, dann ist das zwar menschlich nachvollziehbar, aber politisch absolut irrelevant. Wir müssen das ja irgendwie im Griff haben, falls mal einer kommt und noch mehr Autobahnen durch Naturschutzgebiete haben will, weil er das dufte findet, da im Stau zu stehen, wo extra für ihn zwanzig Seevogelarten ausgerottet wurden.

Wir könnten beispielsweise zwölf Milliarden für den Flugverkehr abziehen, das macht das Fliegen schlagartig sehr viel teurer, aber wir haben dann auch die finanziellen Mittel, um die Bahn so auszustatten, dass sich Inlandsflüge gar nicht mehr lohnen und die regionale Abdeckung verbessert wird. Das wird nur keiner in der Bundesregierung mitmachen, zumindest nicht, solange die meisten Regionalanbieter keine Aktiengesellschaften sind. Eigentlich würden dafür fast schon die acht Milliarden Dieselförderung ausreichen, die sowieso irgendwann obsolet werden, wenn keine Verbrenner mehr gebaut werden, aber das merken die Lobbyisten erst, wenn die Autokonzerne sie nicht mehr bezahlen. Sie merken, wir bieten Ihnen gerne eine Feuerversicherung an, aber erst fackeln wir Ihnen die Bude ab, weil so schön aussieht.

Zum Glück haben wir die fehlende Umsatzsteuer auf Kerosin international geregelt, so dass ein deutscher Alleingang hier schwierig wird. Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir internationale Abkommen einhalten, damit die Verhältnisse gerade in Europa einheitlich sind. Also abgesehen vom Tempolimit, das sind Menschenrechte, die man den Deutschen nicht nehmen kann, ohne die innere Sicherheit zu gefährden.

Alle Lösungen, die wir Ihnen anbieten können, sind zuzahlungspflichtig, und zwar um mindestens dreihundert Prozent. Das heißt natürlich nicht, dass Sie für 36 Euro pro Monat ein 365-Euro-Ticket kaufen können – das wäre ganz schlimm, damit müssten wir zugeben, dass wie Sie ernst nehmen, und das wäre für Sie eine Gleichsetzung mit den Knalltüten, die Sie gewählt haben – weil das ja nicht nachhaltig wäre. Und da muss man auch die Pendlerpauschale berücksichtigen, die langt ja bald nicht mehr, wenn man täglich mit dem Panzer ins Büro fährt. Da muss man irgendwas machen, damit die Bevölkerungsmehrheit von etwa zehn bis zwölf Prozent sich nicht ausgegrenzt fühlt.

Wir können ja die politische Verantwortung für diese Gesellschaft nicht dem Staat überlassen, das Private ist auch politisch, und deshalb muss man die Politik privatisieren. Die Bürger können sich ganz gut um die Verantwortung kümmern, das umfasst übrigens auch die Ausgabenseite, und die Einnahmen bekommen traditionell die Politiker. Das muss nicht zwangsläufig die Regierung sein, zumal die sich an Maßnahmen wie beispielsweise Einsparungen im Sozialbereich gar nicht beteiligen können. Aber da müssen wir Sie in Haftung nehmen, Sie haben diese Typen in ihre Ämter gewählt, und jetzt muss es einen Konsens geben, wie wir das finanzieren, ohne dass Sie uns ständig auf die Nerven gehen.

Sie müssen auch mal die Summen in Relation sehen. Homöopathie als Kassenleistung zahlen, das Dienstwagenprivileg, das sind vielleicht nur ein paar Euro täglich, und so viel macht das auch nicht aus. Aber für ein Wahlgeschenk sind Subventionen für Energie und Verkehr nun mal zu kostspielig, und wir können Ihnen ja schlecht dasselbe Geld aus der Tasche ziehen, das wir Ihnen wieder auszahlen, zumindest nicht ohne eine Bearbeitungsgebühr. Ich würde vorschlagen, wir überlegen uns ein Modell, nach dem Sie wie bisher Ihre Privatkosten tragen, und wir geben Ihnen ein paar Tipps, wie Sie die reduzieren können. Kürzer duschen, Topfdeckel benutzen, nachts den Stecker vom Fernsehgerät ziehen. Da Sie das größtenteils schon kennen, wird sich für Sie nicht viel ändern, also ist das ideell gesehen schon mal ein großer Vorteil, der mit Geld gar nicht aufzuwiegen ist. Dagegen muss so ein Autofahrer, der jeden Morgen mit dem SUV die hundert Meter bis zum Bäcker zurücklegt, teilweise so viel mehr Spritkosten schultern, dass der Bestand der Bäckereien gefährdet ist, und da müssen wir eingreifen. Das müssen Sie verstehen, schließlich ist es auch in Ihrem Interesse.

Stellen Sie sich mal eine Welt vor, in der nachts die Schaufenster nicht mehr beleuchtet werden, weil die Geschäftsleute sich das nicht mehr leisten können. Das muss der Markt regeln, und da er das nicht ohne Unterstützung der Regierung tun kann, greifen wir eben ein und tun das für Sie. Ihre Stromkosten steigen sowieso an, dann verkraften Sie die paar Euro am Tag auch noch. Ratschlag unsererseits: Sie müssen nicht ständig mit dem SUV zum Bäcker fahren, Brot aus dem Supermarkt tut’s auch. Dann haben Sie auch noch ein bisschen Luft nach oben, wenn wir die Steuerbelastung für Leistungsträger etwas abmildern. Sie wollen in der Krise doch solidarisch bleiben, oder?“





Gernulf Olzheimer kommentiert (DLXXXVII): Fresserziehung

22 10 2021
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Die ästhetischen Ideale mögen sich im Lauf der Geschichte verändert haben, doch Nggr lebte weit davor. Noch im vorgerückten Alter von 27 war er sportlich schlank, aß Buntbeeren, Nüsse, oft auch Fisch aus dem kleinen Fluss neben der westlichen Felswand. Mühelos kletterte er auf Bäume, jagte die Säbelzahnziege und frischte den Genpool nach Bedarf auf. Seine jüngeren Brüder standen eher auf tierische Fette. Man sah es ihnen an. In der Folge gedieh nicht nur die Raubtierpopulation in jener Gegend, auch wertvolles Wissen ging verloren, zum Beispiel, wie man sich von Buntbeeren und Nüssen ernährt. Keine sozialpädagogische Maßnahme hat seitdem in unseren Breitengraden dafür gesorgt, die Kalorienversorgung des Volkes etwas gesünder zu gestalten. Wir bräuchten Fresserziehung.

Zwar jubelt eine ganze Fitnessbranche uns das Diktat sportlicher Dauerbewegung in die Hirnrinde, während die Mode alles, was sich bei der Drehung nicht als Strich vor dem Hintergrund ausmacht, als zu dick abkanzelt, aber den Size-Zero-Befehl muss jeder eigenverantwortlich umsetzen. Das wäre nicht so wild, würden nicht Herz-Kreislauf-Erkrankungen grassieren, die den Medizinbetrieb belasten und die Lebenserwartung wieder auf prähistorisches Maß stutzen. Volkswirtschaftlich sollten wir es billigend in Kauf nehmen; netto lohnt es sich durchaus fürs Sozialsystem, wenn der Bürger frühzeitig die Rente verlässt, statt sich kostenintensiven Alterskrebs zu leisten. Aber hier geht es ja um die Werktätigen, die adipös und diabetisch Fußgängerzonen verstopfen auf der Suche nach der Frittenfettembolie. Muss der Staat hier nicht herzhaft und kräftig eingreifen?

Allein er tut’s nicht, weil ihm das Wohlergehen der Massen wumpe ist. Die Lobbyhörigkeit für Fett, Salz, Zucker und künstliche Zusätze steigert sich in absurde Höhen, wenn die amtierende Grützbirne in ministerieller Mission den Kalorienkonzernen nach dem Mund redet, um deren Umsätze aufzublasen. Halbherzige Einhegungsversuche mit Ämpelchen und Buchstaben machen die Talentdetonation nicht glaubwürdiger, am Ende bleiben die von der EU befohlenen Werbeverbote für Tabak und Alkohol, nicht aber für Chemieplempe aus dem Baukasten der sich blähenden Shareholder Values. Die Medien tun das Ihre. Warenkunde und Zubereitung werden mit Kochshows weggeschwiemelt, in denen sich große Teile der Bevölkerung nicht wiederfinden, da ihnen das Biobarock finanziell kaum möglich ist, wenn die Lebenshaltungskosten anschwellen. So viel Freiheit ist ungesund.

Der Staat entzieht sich folgerichtig aus seiner Verantwortung für die Volksgesundheit und stellt die Ernährungspolitik ein. Positive und negative Anreize sind so gut wie obsolet, wenn der Handel Schlachtabfälle aus Niedriglohnfertigung in die Kunden drückt, als gäbe es kein Morgen ohne das Menschenrecht auf Schnitzel. Wolkige Erklärungen umwabern die Aluhütchenspieler, die Tierwohl und mehr Nachhaltigkeit versprechen, auf dass der Deutsche nicht mehr mit dem SUV zum Discounter brettert, während sein französischer Nachbar in der Altente zum Sterneladen töfft. Gute Absichten, da macht uns keiner etwas nach. Und Nudging hat ja schon in der Impfkampagne prima funktioniert.

Alles, was der Politik einfällt, ist die reflexartig hochgepopelte Zuckersteuer, als könne man seinen Kohlenhydrathaushalt nicht auch mit Obst in die Nähe der Hyperglykämie treiben. Währenddessen hält eine ganze Gesellschaft es für den Normalfall, dass Singles im Jobmodell feststecken, das für den Alleinverdiener mit Vollzeithausfrau konstruiert wurde – mehr als Aluschalenfutter kann sich der Werktätige nicht leisten, wenn er nebenbei auch noch systemkonform konsumieren und die Freizeitindustrie bei Laune halten soll. Was wir an Cholesterin in die Arterien quetschen, ist die Folge der kapitalistischen Funktionalität, die uns Rädchen im Getriebe die notwendigen Nährstoffe zumisst. Ob und wie lange man das überlebt, ist nur eine statistische Größe. Oder ein Unfall.

Die klassische Haushaltsführung ist aus dem Kanon der Alltagsbildung verschwunden. Längst bräche ein durchschnittlicher Passant in Tränen aus, befragte man ihn vor laufender Kamera, was eine Mehlschwitze sei und zu welchem Ende man sie verfertige. Fertigfressalien, gewachsen im Regal der Einkaufszentren, pflastern unsere Wege. Während wir uns Analogkäse und künstliche Aromastoffe hinters Zäpfchen schmirgeln, ahnt kaum noch ein Standardverbraucher, wie das Zeug in echt röche. In Kitas und Schulen wächst gerade eine Generation neu heran, die kostenoptimierte Kost reinpfeift, wo die bürgerliche Brotdose ausgedient hat. Ab und an sieht man geradezu herzige Versuche, den Kindern mit einer rohen Karotte die Feldfrucht an sich zu demonstrieren – meist ist ein TV-Koch dabei, ein Promi nicht weit, ein Politikdarsteller sondert seins ab, und alle sagen: wir müssten viel mehr tun für die gesunde Ernährung. Warte nur, balde gibt’s die Grünzeugschnipsel in Dino-Form, TK-Ware, extra kleine Portionsgröße, damit man die Abzocke auch so richtig rafft, und dann hagelt es Vitamine. Nur noch kurze Zeit. Wir suchen gerade die Knalltüte, die dafür Reklame machen könnte. Alles wird gut.





Gewaltverzicht

14 07 2021

„Der Mann ist auf einer Backe doof, aber er ist immerhin Bundesminister, und wenn Herr Altmaier sagt, dass das in der Zeitung stehen soll, dann steht das in der Zeitung. Wir leben in einer Demokratie, hier kann nicht jeder einfach machen, was er will.

Im Fernsehen hätten Sie auch ab und zu mal Werbeunterbrechungen, warum soll Ihnen das im Printjournalismus besser gehen? Das Internet ist ja auch mit Werbung vollgepflastert, also wozu muss man dann auf Berichterstattung verzichten, wenn ein wichtiges deutsches Unternehmen an die Börse geht und viele Aktien verkaufen kann, mit denen die Bürger ihre demnächst wegbrechenden Renten ersetzen sollen? Die Presse hat nun einmal ausgewogen zu berichten – ich verbitte mir hier irgendwelche Scherze im Zusammenhang mit dem Bundeswirtschaftsminister, wir haben hier immer noch die Meinungsfreiheit, aber ich bin Ihr Chef – und das heißt auch, dass Sie sich an die Vorschriften halten, was journalistische Beiträge angeht. Es ist nicht erwünscht, dass Sie einseitig diffamierende Artikel veröffentlichen, klar? Wir reden hier nicht über Menschenrechte, wir reden über die deutsche Wirtschaft. Die hat mit dem Grundgesetz überhaupt nichts am Hut.

Es ist doch jetzt schon kompliziert genug, als Bundeswirtschaftsminister irgendwas mitzukriegen, was in diesem Ministerium passiert. Da müsste man nicht nur Ahnung von Ministerien haben, sondern auch von Wirtschaft. Sehen Sie sich mal den Merz an, der kennt die alle, die Wirtschaftsbosse. Der legt deren Kohle auf anonymen Nummernkonten an und weiß bei jedem, wofür er ihn jahrelang in den Knast bringen kann. So macht man das. Nicht umgekehrt.

Deshalb eben die Disziplinierung der Presse zu sachlicher, richtiger und vollständiger Information. Es geht nicht darum, dass ein Unternehmen seine Gewinne aus Insidergeschäften zieht oder sein Startkapital aus Kinderhandel geholt hat. Das kann man alles schreiben, wenn man Platz hat. Es muss eben sachlich sein, richtig und vollständig, und der Kunde hat ein Anrecht auf weiche Faktoren, ist das klar? Der Kunde soll wissen, dass die Angestellten auf roten Kunststoffstühlen sitzen und dass es in der Kantine zweimal die Woche Pizza gibt. Dass die ein Sportprogramm für Teilzeitkräfte haben und eine Sauna für den Vorstand. Elektroautos, Dienstroller, den ganzen Scheiß, und wenn dann irgendwann der Platz weg ist, dann überlegen Sie noch mal, ob das wichtig ist, dass die solange keine Steuern gezahlt haben, bis es verjährt war. Das will keine Sau mehr wissen. Ist das so schwierig?

Es ist eben mit einem enormen Verlust an Vertrauen und Umsatzsteigerungen verbunden, wenn man ständig negativ über jemanden berichtet. Denken Sie nur an den Bundesverkehrsminister – gut, viel Vertrauen war da nie, aber seine Berater haben eine Menge Umsatz gemacht, und das hat die Wirtschaft doch nun wirklich nicht verdient, dass man das schlechtredet. Stellen Sie sich mal vor, an der Börse hätte jemand gewettet, dass Herr Scheuer deshalb zurücktreten müsste. Da hätten Leute ihr Geld verlieren können – also nicht Ihr Geld, aber letztlich weiß man das auch nie – und das wäre ein ungeheurer Vorgang gewesen, weil da in den Markt eingegriffen worden wäre. Pressefreiheit ist ein herausragendes Grundrecht, zu dessen Schutz wir alle verpflichtet sind. Aber was braucht denn der Bürger mehr, eine Presse, die einfach schreibt, was ihr in den Kram passt, oder eine funktionierende Wirtschaft?

Sie sollten froh sein, dass Sie noch in einem so freien Land leben dürfen. Also dass das Land, in dem Sie leben, noch so frei ist. Anderswo wird der Journalistenberuf nicht eingeschränkt, da wird man als Journalist gleich massakriert. Und jetzt dürfen Sie gerne noch mal überlegen, was Ihnen lieber ist, eine gesetzlose Bande von Kriminellen oder ein Staat, der extra für diesen Zweck einen Erlass hat, damit alles nach Recht und Gesetz ablaufen kann. Wie Sie Ihren Beruf als Vierte Gewalt auffassen. Und ob wir in einer marktkonformen Demokratie nicht alle auch etwas für mehr Gewaltverzicht tun könnten.

Journalismus lebt eben von unterschiedlichen Meinungen, und wenn man die Energiekonzerne zu Kohleabbau und Klimawandel fragt, wird man ein viel differenzierteres Bild haben als nur mit diesen ganzen Wissenschaftlern, die noch nie einen einzigen Wald abgeholzt haben. Deshalb sitzen jetzt auch die Energiekonzerne im Rundfunkbeirat, die Neonazis und die Homophoben, die eben auch eine Schnittmenge aus der Gesellschaft abbilden. Diese vielen Politmagazine, die im Fernsehen gezeigt werden, die will doch nur ein Bruchteil der Bürger sehen. Außerdem kommen die immer viel zu spät, und dann gibt’s auf dem anderen Sender Fußball oder eine Naturdoku aus ehemals reichsdeutschen Gauen. So kann man ein Publikum natürlich auch von seinen eigenen Wurzeln entfremden. Aber diese Absicht, das ganze Volk linksgrün gleichzuschalten, das machen Sie als zuverlässiger Journalist für unseren Zeitungsverlag doch sicherlich gar nicht erst mit, oder sollte ich mich da getäuscht haben?

Sehen Sie, ich wusste doch, dass man sich auf Sie verlassen kann. Im Grunde wollen wir doch alle dasselbe: ein diszipliniertes Volk, das sich der vollständigen Deregulierung der kapitalistischen Konzerne nicht in den Weg stellt, weil es seiner Regierung einfach vertraut. Schreiben Sie das mal, das mit dem Vertrauen. Bis morgen. Und wenn Sie schon mal dabei sind, ich warte immer noch auf Ihren Antrag auf Gesinnungsprüfung.“





Beschlussvorlage

21 06 2021

„Ausländer raus!“ „Aber Fachkräfte rein.“ „Aber Ausländer raus!“ „Und es darf nicht gegendert, am besten gesetzlich verbieten!“ „Das geht gar nicht.“ „Dann lassen wir uns da halt irgendwas einfallen.“ „Was denn?“ „Ist doch egal, wir müssen uns doch nicht daran halten.“ „Auch wieder wahr.“

„Vor allem brauchen wir ambitionierte Ziele.“ „Hunderttausend!“ „Aber pro Monat!“ „Ich dachte, wir reden über Klimaschutzinvestitionen?“ „Das ist nicht so drängend.“ „Erstmal müssen wir uns über die Zuverdienste der Abgeordneten unterhalten, wir müssen das schließlich vier Jahre lang aushalten.“ „Aber erst kommt doch das Land?“ „Wie lange ist er jetzt schon in der Partei?“ „Und warum?“ „Auf jeden Fall darf der Benzinpreis nicht steigen.“ „Das hat die Regierung doch jetzt schon beschlossen.“ „Dann sagen wir halt, die Grünen hätten den Sprit um mindestens zehn Euro teurer gemacht.“ „Das glaubt uns doch keiner!“ „Wenn wir sagen, es wäre nur ein Cent gewesen?“ „Lüge ist Lüge.“ „Eben, und wenn, dann gleich richtig.“

„Also Ausländer raus, mehr Steuern für den…“ „Moment, die zehn Milliarden für Kohlekonzerne und Atomstrom?“ „Wir könnten da die Förderung nochmals um zehn Jahre verlängern.“ „Das reicht nicht.“ „Außerdem ist es noch die Frage, ob es so viel Kohle überhaupt gibt.“ „Dann könnte man die importieren.“ „Wie sehen die Handelsbeziehungen zu Australien aus?“ „Man könnte neue Flugzeuge bauen für die Kohleimporte.“ „So viele Flugzeuge gibt es gar nicht, wie wir dazu bräuchten.“ „Dann fangen wir erstmal an, versprechen der Lufthansa die zehnfache Auslastung bis 2060, und sobald es nicht funktioniert, entschädigen wir alle.“ „Und die deutschen Kohlekonzerne?“ „Die natürlich auch.“

„Gleichzeitig muss aber das Fliegen preiswerter werden.“ „Für die Lufthansa?“ „Ich wäre vorsichtig mit denen.“ „Stehen die wieder vor der Pleite, weil sie ihre Boni auszahlen wollen?“ „Die wollen die Staatshilfen zurückzahlen.“ „Haben die noch alle Tassen im Schrank?“ „Das ist ja antikapitalistische Boykotthetze!“ „Unverantwortlich!“ „Man könnte die enteignen!“ „Machen das nicht die Grünen?“ „Auf jeden Fall fordern wir das Geld zurück.“ „Ja, das sehe ich auch so.“ „Könnte man das dann nicht gleich unter den Fraktionsmitgliedern verteilen?“ „Ich muss mal sehen, wie das geht.“ „Ach was, erst verteilen.“ „Eben, dann geht das schon.“

„Auf der anderen Seite müssten wir wirklich gegen den Klimawandel…“ „Jetzt kommen Sie hier nicht wieder mit dieser Windradscheiße an!“ „Es wird aber immer wärmer in Deutschland.“ „Dann stellen wir halt Ventilatoren auf.“ „Sind das nicht auch Windräder?“ „Wenn wir sie aufstellen, dann nicht.“ „Außerdem könnten wir so auch das Benzin preiswerter machen.“ „Hä!?“ „Naja, steuerfreier Kraftstoff für den Flug nach Malle ist gut, aber wenn wir in Deutschland bald auch tropische Hitze haben, kann man mit dem Auto in den Urlaub fliegen.“ „Sie meinen: fahren.“ „Wollen Sie uns auf die Art auch noch ein Tempolimit unterjubeln?“ „Aber ich…“ „Wenn hier bald Urwald wächst, ist das doch hübsch.“ „Gibt perspektivisch irgendwann auch wieder Kohle.“ „Dann brauchen wir vielleicht den Ausstieg erst nach 2060.“ „Das sehen wir dann, wenn wir nicht mehr an der Regierung sind.“

„Und die Arbeitsmarktpolitik?“ „Wie gesagt, Ausländer raus.“ „Heißt das, wir wollen keine neuen mehr reinlassen, oder sollen auch alle aus Deutschland verschwinden, die jetzt schon hier leben?“ „Das muss man dann von Fall zu Fall mal sehen.“ „Irgendwas dazwischen.“ „Kommt ja auch darauf an, mit wem wir koalieren.“ „Das ist doch keine Frage der Koalition, das muss man doch ganz grundsätzlich mal entscheiden!“ „Wir werden dafür natürlich eine Umsetzungsstrategie entwickeln, aber das müssen wir dann erst noch entscheiden.“ „Was entscheiden?“ „Was man für so eine Strategie halt braucht.“ „Hängt ja auch davon ab, mit wem wir die Koalition…“ „Das ist so Unsinn!“ „Natürlich, aber warum sollen wir uns mit Sachen befassen, von denen wir keine Ahnung haben?“ „Jetzt regen Sie sich nicht auf, wir müssen doch nur ein paar Sachen festzurren, den Rest kriegen wir eh vorgelegt.“ „Was heißt: vorgelegt?“ „Naja, als Vorlage eben.“ „Beschlussvorlage.“ „Das ist so viel Arbeit, das kann man nicht alles selber machen.“ „Und man will es sich auch nicht mit denen verderben, die die wirklich wichtigen Sachen…“ „Was sind denn für Sie wirklich wichtige Sachen?“ „Naja, Kohle.“

„Und der Mindestlohn?“ „Was ist mit dem?“ „Wir wollten doch irgendwas für Wohneigentum tun.“ „Dazu braucht man aber keinen Mindestlohn.“ „Es sollte mehr Wohneigentum geben.“ „Klar, das wollen wir auch so umsetzen.“ „Es darf auf keinen Fall weniger Wohneigentum geben!“ „Sehr gut!“ „Die meisten können sich nur eine Mietwohnung leisten.“ „Dann müssen die Menschen in diesem Land eben die nötigen finanziellen Mittel haben.“ „Aber woher denn?“ „Die Banken sollten gerade in der Niedrigzinspolitik…“ „Entschuldigung, das ist Quatsch – die meisten haben dafür nicht einmal das Startkapital.“ „Da müssen die Menschen halt mehr sparen.“ „Aber wovon denn!?“ „Indem man zum Beispiel in eine Wohnung zieht, die weniger Miete kostet.“ „Klingt vernünftig.“ „Mehr ist aktuell vom Mindestlohn auch nicht drin.“ „Dann müssen wir den auch nicht erhöhen.“ „Sehr gut.“ „Gilt das auch für die Mieten?“ „Was haben wir denn mit den Mieten zu tun?“ „Ich dachte ja nur.“ „Würde ich als Vermieter ja wohl wissen.“ „Gut, dann haben wir’s ja.“ „Finde ich auch.“ „Hallo, Herr Laschet? Ja, hier ist die Kommission. Das Programm ist fertig, und es ist wieder für jeden etwas dabei.“





Altlasten

14 06 2021

„… nicht mehr finanzierbar sei. Die Anhebung der gesetzlichen Altersrente auf 68 Jahre habe nicht nur in der Folge der Pandemie als einzige Lösung der gravierenden Finanzprobleme eine…“

„… begrüße Lindner den Vorschlag, da nun die Bürger ein Jahr länger Zeit hätten, ihre private Altersvorsorge zusätzlich zur Grundsicherung und den Erlösen aus dem Verkauf von Autos und…“

„… sehe der Bundeswirtschaftsminister die in den letzten Legislaturperioden durch eine von Linken und Grünen dominierte Mehrheit in der Pflicht, die gegen den Willen der Bevölkerung die Sozialleistungen hätten explodieren lassen. Altmaier habe bereits vor der Corona-Krise genau gewusst, dass eine derartige Misswirtschaft für die wichtigen Posten wie Ministergehälter, Abgeordnetenpensionen und staatliche…“

„… dass die Produktivität anders als dargestellt auch in der Pandemie steige und bereits innerhalb weniger Jahre wieder das Vorkrisenniveau erreichen werde. Das Bundeswirtschaftsministerium und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft würden jedoch nur zur Sicherheit bereits jetzt über drastische Kürzungen der Renten sprechen, damit eine von den Grünen geführte Bundesregierung nicht behaupten könne, Deutschland habe die Rezession gut überstanden und gehe gestärkt aus den erheblichen…“

„… müsse das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor einer endgültigen Entscheidung erst Beratungsleistungen im Wert von 46 Millionen Euro in Anspruch nehmen. Derzeit befinde sich in der Bundespolitik niemand, der von der gesetzlichen Rente selbst betroffen sei und über die notwendigen Kenntnisse einer…“

„… als durchweg positive Entwicklung sehe. Laschet wisse zwar, dass die Kernwähler der CDU vor allem durch altersspezifische Wohltaten bei der Stange gehalten werden könnten, könne aber jetzt schon versichern, dass mit ihm eine Erhöhung des Renteneintrittsalters vor der Wahl auf keinen Fall zu…“

„… sei es dank der Bemühungen von Spahn sehr wahrscheinlich, dass ein Großteil der Bürger das Rentenalter gar nicht mehr erleben werde. Die Strategie der Bundesregierung sei damit gerecht finanziert, weil sie Kürzungen nur denen aufbürde, die alt genug für den…“

„… dass Arbeitnehmer, die ihrer Beschäftigung länger nachgehen wollten, dies oft aus tariflichen Gründen gar nicht dürften. Merz und Laschet seien sich darüber einig geworden, dass zum Wohle der Wirtschaft die Abschaffung der Gewerkschaften eine nachhaltige und sehr positive…“

„… zu Missverständnissen gekommen sei. Offenbar habe Laschet selbst die Idee gehabt, sich mit der Plakataufschrift Die Renten sind sicher für eine Kampagne der WerteUnion fotografieren zu…“

„… dass Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen von erwartbaren Kürzungen verschont bleiben sollten. Spahn beispielsweise leide darunter, dass er als einziger Deutscher kein geistig zurückgebliebenes Arschloch sei. Er werde sich daher mit dem Anspruch auf abschlagsfreie Altersversorgung sofort nach dem Ende der…“

„… seien nach Aussage der Berater die Deutschen insgesamt schuld, die in den letzten dreißig Jahren zu wenig Kinder bekommen hätten, die nun als Beitragszahler fehlen würden, so dass in weiteren dreißig Jahren weniger Arbeitnehmer, die wegen ihrer sinkenden Löhne auch eine geringere Rentenerwartung als die…“

„… dürfe die Beitragsbemessungsgrenze für Privatversicherte nicht angetastet werden. Laschet wolle sie nach der Wahl umgehend im Grundgesetz verankern, um spätere sozialistische Regierungen in ihrem Wahn einer ungebremsten Umverteilung von oben nach unten eine radikale Abfuhr zu…“

„… ob Altersrenten nicht Leistungsträgern vorbehalten bleiben dürften. Lindner habe sich dafür ausgesprochen, dass jeder Bürger, der durch ein Erbe oder Aktienvermögen vorweisen könne, durch staatliche Förderung in den Genuss der…“

„… ein tarifliches Weiterbeschäftigungsrecht nur unter dem Vorbehalt gewährt werden könne, dass die Arbeitnehmer während der verbleibenden Jahre keine zusätzlichen Rentenansprüche erwerben würden. Für Laschet sei diese Entlastung der Sozialversicherung ein wesentlicher Schritt zur Förderung des Innovationsgedankens in der…“

„… den Wechsel Altmaiers in die Vorstände mehrerer Versicherungskonzerne dementiert habe. Lindner verweise darauf, dass ein solcher Posten nur in einem Unternehmen besetzt werden könne, außerdem wolle der Wirtschaftsminister, der wegen mangelnder Fachkompetenz von den Shareholdern sehr geschätzt würde, erst nach dem Ende der…“

„… sich Automatisierungseffekte sehr wohl auf die wirtschaftliche Situation auswirken würden. In Deutschland würden beispielsweise der Ruf nach Steuersenkungen seitens der FDP, die Forderung nach Strafverschärfungen durch die CDU und viele andere einfache Prozesse durch billige KI im…“

„… aber nicht als Altlasten betrachtet würden. Laschet wolle daher die neue Alterslohnarbeit als rentenversicherungsfreie Beschäftigung getreu der neokatholischen Soziallehre ‚Wer arbeitet, der soll wenigstens nicht essen‘ und den daraus…“

„… einer Umstellung auf ein steuerfinanziertes Modell eine Absage erteilt habe. Die FDP wolle dem nur zustimmen, dafür eine Abschaffung aller Steuern und Abgaben bei gleichzeitiger Umstellung der Renten auf einen privat finanzierten…“





Vorbildliche Unterstützung

12 05 2021

„Also ich finde das ganz großartig. Endlich haben wir in der Politik wieder eine Chance, die richtigen Ziele zu verfolgen und dabei auch das umzusetzen, was die Bürger wirklich von uns verlangen. Gerade im Wahlkampf ist das super. Ob Sie’s glauben oder nicht, wir sind dem Bundesverfassungsgericht sehr, sehr dankbar.

Sie dürfen das jetzt nicht verwechseln: die Ziele der Bundesregierung werden von Karlsruhe nicht in Zweifel gezogen, nur unsere Gesetze. Also sagt das Bundesverfassungsgericht nur, dass wir beschissen arbeiten, aber nicht, dass unsere Absichten schlecht seien. Daher haben wir jetzt die einmalige Chance, mit guter oder zumindest nicht ganz so beschissener Arbeit und, sagen wir mal, erkennbarer Zielsetzung ein verfassungskonformes Gesetz hinzukriegen. Ich sehe darin eine Stärkung unserer politischen Ziele, die ja nicht bestritten wurden, mehr noch: das ist ein klarer Regierungsauftrag, natürlich auch über diese Legislaturperiode hinaus.

Weil wir ja als Regierung immer diese Gesetze machen, müssen wir uns auch mit anderen Kräften in der Gesellschaft auseinandersetzen, etwa mit der Wirtschaft. Also vor allem mit den Vorgaben, die die Wirtschaft uns in der Politik macht, denn wir in der Politik können das ja lediglich umsetzen. Das wird von den Bürgern immer unterschätzt, dabei sind wir da sehr eingeschränkt. So werden in einer Marktwirtschaft die Gesetze gemacht, und ich kann Ihnen sagen, das ist eine ganz große Ernüchterung für viele, die in die Politik gehen, um endlich mal das umzusetzen, was die Wähler schon so lange von der Regierung und dem Parlament fordern.

Deshalb ist es ja jetzt auch so eine tolle Chance, dass wir in der Kürze der Zeit bis zum Ende dieser Legislaturperiode wenigstens anfangen, ein Gesetz in die Wege zu leiten, das den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügt. Wir haben uns seit Jahren in der Situation befunden, dass wir die gesetzlichen Regelungen gegen scharfe Kritik von Wählern und Aktivisten verteidigen mussten, und dann kamen auch noch die externen Entwicklungen dazu: erst die anderen EU-Staaten, teilweise haben einzelne Wirtschaftsunternehmen ihre eigenen Ziele formuliert und sind uns in den Rücken gefallen, und jetzt haben wir auch noch die USA als traditionellen Partner verloren. Aber das hier, das ist jetzt unsere Rettung. Wir müssen uns dem Diktat aus Karlsruhe beugen – nicht meine Worte, man gewöhnt sich das schwer ab, wenn man jahrelang mit der Wirtschaft zu tun hatte – und dürfen ein Klimaschutzgesetz machen, das seinen Namen auch verdient. Und die Wirtschaft kann es uns nicht mehr verbieten!

Wissen Sie, man muss die unterschiedlichen Kräfte im politischen Zusammenspiel auch richtig einschätzen, wie sie miteinander kooperieren und zu nachhaltigen Entwicklungen beitragen können. Wir haben in der Vergangenheit viele Gesetze zu den unterschiedlichsten Dingen verabschiedet – Vorratsdatenspeicherung, die Hartz-Gesetze, jetzt eben der Klimaschutz – und das war alles nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren. Natürlich ist man da nicht zufrieden, wenn man nur die Interessen der Geldgeber vertreten darf, und glauben Sie mir, wenn man dafür einen Aufsichtsratsposten, zehn Millionen Euro und eine Eigentumswohnung in Mitte bekommt, ist das nur ein schwacher Trost. Da muss doch mehr sein! Wenn wir jetzt aber das Bundesverfassungsgericht auf unserer Seite haben und zum Handeln verpflichtet werden, dann können wir nicht anders, und wie bei den Hartz-Gesetzen oder der Vorratsdatenspeicherung haben wir freie Hand. Das Bundesverfassungsgericht leistet hier vorbildliche Unterstützung, weit über die juristische Fragestellung hinaus. Ich würde sogar sagen, das ist Teil unserer Staatlichkeit und der Erfolgsgeschichte des Grundgesetzes. Da hat man jeden Grund zur Freude, finden Sie nicht?

Übrigens hat das Gericht uns nicht gesagt, was wir in das Gesetz reinschreiben sollen. Das werten wir auch als ganz großes Vertrauen in Regierung und Parlament. Vorher hatte es da die einen oder anderen Kommunikationsschwierigkeiten gegeben, zum Beispiel zwischen dem Wirtschaftsminister und dem Vizekanzler, die beide nicht wussten, was da ins Gesetz rein soll, wie teuer das wird und wie lange es dauert. Das Bundesverfassungsgericht hat uns jetzt aber wenigstens noch einmal ganz klar zu verstehen gegeben, dass das alles kompletter Müll ist. Ich finde, das erleichtert uns die Arbeit, denn jetzt wissen wir: alles, was wir vorher gemacht haben, war kompletter Müll, jetzt müssen wir nur noch ein Gesetz auf den Weg bringen, das eine gute und müllfreie Regelung des Klimaschutzes schafft.

Zum Beispiel haben wir jahrelang über den Atomausstieg diskutiert, der dafür irrelevant war, was wir natürlich auch wussten, aber jetzt hat uns das Bundesverfassungsgericht noch einmal ganz unmissverständlich erklärt: das ist irrelevant. Wenn das nicht unser Vertrauen in die Staatlichkeit stärkt, dann weiß ich auch nicht. Natürlich müssen wir die erneuerbaren Energien und die Minderungsziele für den Ausstoß schädlicher Gase und überhaupt einen verlässlichen Rahmen für… – Hören Sie mir noch zu? dann ist ja gut, ich hatte sowieso gerade den Faden verloren. Was wir jetzt brauchen, das sind zuverlässige und planbare Ziele, da lassen wir uns auch nicht von irgendwelchen Aktivisten oder von der Wissenschaft reinquatschen, denn sonst haben wir keine Zeit, vernünftige Kompromisse mit dem Koalitionspartner auszuhandeln. Sagen Sie mal, hätten Sie nicht Lust, uns auf die Schnelle noch zu verklagen? Dann könnten wir die Digitalisierung bis 2021 vielleicht gerade eben wuppen.“





Gernulf Olzheimer kommentiert (DLXI): Freiwillige Selbstverpflichtung

23 04 2021
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Schon im frühen Mittelalter soll es sehr liberal zugegangen sein. Pippin der Mittlere, Hausmeier von Burgund, setzte stets auf eigenverantwortliche Untertanen, denen er sicherheitsrelevante Bereiche der Königsburgen zu Schutz und Verteidigung überließ, indem er ihnen erklärte, dass er im Falle der Pflichtverletzung überhaupt keinen Spaß mehr verstehen würde. Ein brennender Wehrturm, zehn bis hundert feindliche Reiter im Burghof – Rübe ab, und zwar sofort. Kontrolle, das wusste der alte Arnulfinger, ist nur besser, wo Vertrauen herrscht. Nur ab und zu musste er durchgreifen, dann aber mit der zeittypischen Zielstrebigkeit, bei der auch enge Verwandte nicht lange im Weg standen. Die Geschichte, das wusste der Urgroßvater Karls des Großen, würde alles schon richtig einordnen. Die Lehensleute und ihr Gefolge hätten ja genau gewusst, worauf sie sich einlassen würden bei einer freiwilligen Selbstverpflichtung.

So ähnlich funktioniert das Controlling in einer durchschnittlichen Studierenden-WG: zwei bis drei oder mehr verantwortungsbewusste Personen haben die Notwendigkeit verinnerlicht, die Küche und die sanitären Anlagen je nach augenscheinlich eruierten hygienischen Befunden zu säubern, um den Befall mit Ungeziefer oder Kammerjägern vermeidbar zu machen. Der Prozess wird als zeitnah einsetzend bezeichnet und soll möglichst sanktionsfrei gegen die Wohnenden durchgeführt werden. Historische Forschungen zur Motivation haben ergeben, dass sich dieses System sukzessive etabliert hat, als der seit Jahrzehnten gebräuchliche Putzplan endgültig sinnlos geworden war und seine Verankerung im sozialen Gefüge der angehenden Akademiker total eingebüßt hatte. Lebensrhythmus, die psychische Bereitschaft sowie die Akzeptanz eines Stimulus-Response-Modells in der Bedingtheit eines auf die autoritären Wurzeln der bürgerlichen Wohnweise beschränkten Rollenverständnisses brachte die Sache zu einem Kipppunkt: Putzen ist für Nazis.

So sieht es in dieser Gesellschaft auch aus. Da überraschenderweise Machtverhältnisse auch sind, wo man sie erwartet – ein Minister lässt Gesetze erarbeiten, die Wirtschaft wird davon in ihrer freien Entfaltung eingeschränkt – ändert sich auch die Tragweite dieser Pflichten. Fadenscheinig und nicht selten irreführend werden die Beziehungen, wenn sich zeigt, wer wen beherrscht. Gibt der Ministrant den Konzernen das Muster einer verschwiemelten Verpflichtung vor, das diese aus freien Stücken abnicken und ansonsten ignorieren dürfen, dann ist weder ein Rechtsanspruch entstanden noch eine bindende gesetzliche Regelung, die der Gesellschaft Sicherheit gäbe. Die freiwillige Selbstverpflichtung gaukelt Verantwortung und Handlungsfähigkeit vor, wo sie jedes Handeln vermeidet und sich aus der Verantwortung stiehlt.

Was mit etwas Naivität betrachtet noch den Eindruck von Rechenschaft erweckt, ist nicht viel mehr als ein billiger PR-Stunt. Kükenschreddern und Ferkelkastration, Ausstoß von Stickoxiden und Abbau des fairen Handels, der Kleiderschrank mit den Schutzmäntelchen ist gut bestückt und deckt eine Menge übler Lügen zu, die die Politik offiziell nicht bekämpfen kann, weil der Gegenstand sich außerhalb ihres Zugriffs befindet, oder kaum mehr wird bekämpfen können, weil sich die Folgen des Versäumnisses längst zur Havarie entwickelt haben. Die Frauenquote und den flächendeckenden Einsatz von Schulhunden mag man lässlich finden in einer Welt, deren Wirtschaft die Menge des anfallenden Plastikmülls in den Meeren für nicht so gravierend hält, solange der Tourismus davon verschont bleibt, wo aber Protzkarrenbauer statt des versprochenen Drei-Liter-Autos Straßenpanzer vom Band rotzen und ihre Brüder von der Braunkohlelobby die bis zu zwanzig Prozent veranschlagte Reduktion des CO2-Ausstoßes als Freibrief zum Tiefschlaf versteht – Nichtstun ist ja auch irgendwo zwischen 0 und 20 – haben wir die Reinform der lobbygesteuerten Schuldumkehr erreicht.

Wie viel Lächerlichkeit in derartigen Kodizes steckt, sieht der geneigte Realitätsallergiker, wenn die Abgeordneten einer Regierungspartei freiwillig zu beteuern gezwungen werden, sich nur legal die Taschen gefüllt zu haben. Wer nichts zu verbergen hatte, hätte auch keinen Grund gehabt, sich lauthals zu beschweren; wer den Schwanz einkniff und als Lügner auffiel, sorgte nur im Glanz der übrigen Scheinheiligen für bigottes Empörungsgepopel. Der Zweck einer ethischen Maskerade bleibt also die billige Präventiventlastung, damit keiner mehr für den Mist gerade stehen muss, den er in Amt und Würden verursacht hat. So schaffen sich Politik und Wirtschaft gemeinsam rechtsfreie Räume mit zwei separat benutz- und verschließbaren Ausgängen, um ein Vakuum an Einfluss, Zuständigkeit und Moral zu erzeugen, wann immer sie es brauchen. Bis auf Weiteres werden Küken geschreddert, Öl in den Ozeanen verklappt, Wälder für überflüssigen Kohleabbau abgeholzt und Boni an Bänker gezahlt, die die höchsten Umsätze mit Schwarzgeld machen. Nur als Supermarktangestellte sollte man besser keinen Kuchen mitnehmen, der in den Müll gehört. Aber das versteht sich ja wohl von selbst.