
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Die poröse Stelle an der Höhlendecke war Rrt schon seit längerer Zeit ein Dorn im Auge gewesen. Was, wenn der beständig herabtropfende Niesel die ohnehin brüchige Struktur herauslöste und in die Tiefe stürzen ließe? Natürlich war der Platz an der Feuerstelle begehrt, auch hatte der Sippenälteste wenig Lust, sich von der mit Jagdszenen anmutig geschmückten Wand zu entfernen, die gleichzeitig bei gutem Wetter ein laues Lüftchen und Wärme im Winter bot. Er machte also Gebrauch von seiner Richtlinienkompetenz und entschied, dass nichts geschehen solle. Satt und schläfrig lag er auf einer Lage Bärenfell, als leises Knistern einsetzte. Wenig später bollerten ein paar Tonnen Gestein und Reste von Anhydrit auf den Alten, der sich schon in den ewigen Jagdgründen befand. Nicht mangelhafte Kenntnisse der Mineralogie hatten die Katastrophe befördert, sondern die bräsige Ignoranz eines wie immer nicht an der Umwelt interessierten Deppen, der letztlich für sein eigenes Schicksal und das der gesamten Sippe verantwortlich war. Die Trägheit der Dummen hatte wieder einmal gesiegt.
Es gibt viele Arten, auf die Herausforderungen der Zukunft zu reagieren. Manche beglücken die wehrlose Menschheit mit Hysterie, mit tumben Lügen, mit aggressiver Verleugnung, abhängig von Erkenntnisfähigkeit und Interessenlage. Ab und zu schlägt auch eins Profit daraus, entweder aus dem drohenden Unheil oder aber aus der Tobsucht der Menge und viele sind schlicht gelähmt, weil sie die Angst vor dem Unbekannten und seinen Folgen in Haft nehmen. Nichts aber ist so unverständlich wie die dusselige Ignoranz, die Phlegma und weißes Rauschen zwischen den Ohren erzeugen. Ja, es ist Pandemie, aber wir haben jedes Jahr Weihnachten in der Großfamilie gefeiert. Sicher, man merkt im Sommer die klimawandelbedingte Hitze, aber wie kommen wir denn sonst nach Mallorca? Der in Denken und Handeln verfaulte Honk aus der Mitte der Gesellschaft hält sein Abwägen zwischen den Chancen und Risiken bereits geschehener Havarien gar für vernunftorientiert und beweist messerscharf, dass ein Tempolimit auf deutschen Straßen ja gar nicht durchzusetzen wäre, denn sonst hätte man es längst beschlossen. Er hat die Ruhe weg, hält er sie doch für die einzig notwendige Bürgerpflicht.
Diese Bequemlichkeit, die sich allerlei Gründe zurechtschwiemelt, um aus dem Bezugssystem auszusteigen, betrifft dabei nicht nur den Einzelnen, sondern im Zweifel die ganze Menschheit, die mit der trägen Masse wie mit einem Gewicht um die Füße laufen muss, weil einige offensichtlich zu behämmert sind, um die Kausalketten zu kapieren. Nicht wenigen reicht ein einziges Motiv, das sie mit gewohntem Hirnplüsch entkräften oder gleich in die Richtung des Verschwörungsgelabers drücken, denn wer will sich schon nachsagen lassen, dass er seine eigenen Interessen verriete.
Dabei ist ἀκήδεια, die negative Verknotung von Begehren und Zorn, genau diese Selbstzerstörung, die eine ganzheitliche Lähmung erzeugt, und so hocken die dünn gestrickten Nachtjacken auch nicht einmal mehr wie das Kaninchen vor der Schlange, sie legen sich zur guten Ruhe und hoffen, dass der Weltuntergang schon nicht so schlimm wird. Ist die Dummheit ohnehin selten eine löbliche Eigenschaft und versteckt sich gern hinter der Absonderung von verbalem Bauschaum, die Gruppendynamik in der Krise verträgt intentionstransparente Bremser nicht, die gerade die Mutlosen noch davon überzeugen, dass ein Schiff, das mit ordentlich Schlagseite im Eismeer trudelt, erst ab einem Neigungswinkel von mindestens soundsoviel Grad verlassen werden dürfe, da alles andere die Konfrontation mit kalter Seeluft nach sich zöge. Es ist die Unelastizität, die auch dieses System aus Politik und Technokratie in einen Betonklotz verwandelt, auf dem sämtliche Kackbratzen bis zum Erbrechen diskutieren, ob auch ja alle Interessen von Staat und Wirtschaft in ausreichendem Maße berücksichtigt worden seien, bevor der Meteroit diesen zweifelhaften Planeten aus der Umlaufbahn befördert.
Möglicherweise ist der gesellschaftliche Gehalt an Schnarchschaben unter den Querkämmern schon ein verlässlicher Indikator, wie weit es noch sein kann bis zum Aufprall. Man könnte sie nutzen wie einen Kompass, der beharrlich nach Süden zeigt. Aber es ist komplexer, denn sie sitzen oft an den Schlüsselstellen von Macht und Verantwortung, wo sich die Gleichgültigkeit auf die Überlebenschancen der restlichen Menschheit direkt auswirken könnte, wenn man ihnen nicht im entscheidenden Moment das Messer an die Kehle setzt. Und nicht einmal dann wäre klar, ob wir uns aus der festgefressenen Situation befreien könnten, die uns die Knalltüten eingebockt haben, weil ihnen eine Flasche Bier, ein schnelles Auto, der Fernsehabend wichtiger waren, die Umgehungsstraße, der Grillabend mit jüngst infizierten Nachbarn, die Gasheizung, ihre billige Entschuldigung, die Gläubigkeit an die Errettung in letzter Sekunde, Zweifel an der Selbstwirksamkeit, Skifahren, Charity, das neue Smartphone, Bioobst und zehn Euro im Monat für arme Waisenkinder in Bangladesch. Es ist uns allen scheißegal. Wenn es kippt, haben wir ja immer noch die Opferrolle.
Satzspiegel