Gernulf Olzheimer kommentiert (XCV): Menschen im Einrichtungshaus

4 03 2011
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Sie sind alle, wie Mutter Natur sie gedacht hat. Der Borkenkäfer käfert hinter der Borke, der Wurm wurmt durch die kühle Erde, der Maulwurf häuft, wie sein Name andeutet, an der Oberfläche auf, was sein Hausbau abwirft, und keiner der drei wäre nur im Geringsten interessiert, ließe einer dieser merkwürdigen Zweibeiner seinen Starfighter aufs Feld schmaddern. Die intelligenten Arten leben im Einklang mit der Umwelt, nur die degenerierten Ausläufer der Hominiden klotzen mit Hilfe von Bausparverträgen und schlechtem Geschmack Hütten in die wehrlose Landschaft, Steinquader mit verglasten Löchern und trittfester Schlinge, die es zu füllen gilt, gründlich, hässlich und wie zum Beweis, dass das menschliche Dasein nicht zum Spaß geführt werden will. Sie quälen sich in die Zentren des zwanglosen Terrors, wo Frohsinn ein Fremdwort ist: Menschen im Einrichtungshaus.

Draußen auf dem Land, weitab der Zivilisation, buhlen betongraue Bunker mit Wellblechfassade und schriller Beschilderung um harmlose, aber selten zurechnungsfähige Schnitzelbieger, die sich von Werbeprospekten einlullen lassen, im Trend mitzupaddeln – sie ziehen alleine, meistens jedoch zu zweit in notdürftige Regenschutzlöcher, deren Wände mit geschmacksfreier Kunstdruckrepetition bekleistert jedem ästhetischen Feingefühl spottet, und wählen als Anlass für ihr vorläufiges Scheitern in der Lebensführung quadratmeterweise billiges Pressholz in Schockfarben, je nach Preiskategorie in Buche geflammt oder Krüppelkiefer abwaschbar. Fuderweise versägte Astlochrahmen, ab Werk verbogenes Gestänge aus drittklassigem Aluminium und sich selbsttätig ablösende Kunststoffschichten auf trittfestem Pressglas mit Anti-Flusen-Noppung komplettieren furios das Potpourri der Schmerzen, die den Bekloppten beim Betreten des Möbelbasars überfallen, als sei der Regionalverband der Roten Khmer zum Quartalsschlachtfest vorbeigekommen. Sich dagegen zu wehren ist ungefähr so sinnvoll wie der Versuch, in einer Autowaschstraße eine Kathedrale aus Paniermehl zu errichten.

Denn meist ist es das Beknacktenweibchen, das in einem Anfall von Nestbauparanoia das tragende Männchen ins Mobiliarmagazin schleppt. Seltsam gutturales Gegurgel ertönt bald nach dem Betreten, die Verhaltensgestörten lassen sich umgehend infizieren und lallen alsbald Knjalld oder Snørslbjårl nach, als hätte man sie schon vorab für derlei verschwiemelte Würgelaute konditioniert. Merkwürdig ist ihr Verhältnis zum Raum-Zeit-Kontinuum: während sie ihr Dasein in einer 30-Quadratmeter-Butze mit Dachschrägen fristen, die allenfalls den Erwerb eines einzelnen Klapphockers aushielte, marmeln sich die Synapsen beim Anblick einer Massivholzschrankwand in Schmalzbeige mit Hintergrundbeleuchtung und Messingbeschlägen ein Fußballfeld an Leerfläche zurecht – wahrscheinlich wäre es einfacher, die Wohnung in den Schrank zu stopfen als umgekehrt. Eitel Größenwahn packt den Beschränkten, wenn er Küchenutensilien und Badewannenbedarf, Hänge-, Schub- und Rollbehälter sieht, denn die Knallköpfe verlieren Maß und Mitte, so sie billig geschundertes Plastezeug in die Finger bekommen. Während in Kulturnationen von Rang brechgrün beschichtetes Blech für außenpolitische Konflikte mit dem produzierenden Staat sorgt, kaufen Mitteleuropide unbesehen den Garant für Netzhautablösung und posttraumatische Hörschäden. Und als sei das alles nicht genug, dräut der Möbelmacker mit der Massenvernichtungswaffe par excellence: Kruscht.

Nippes, Firlefanz, Killefit – zwei Personen sind mit unterschiedlicher Motivation beschäftigt, ihren Lebensabschnitt im Möbelhaus möglichst effektiv über die Bühne zu bringen, doch während es dem einen um das nackte Überleben geht, ist der andere auf Raubzug. Ohne Waschlappen im Doppelpack mit Entendruck, Teelichthalter in Zimt, Bordeaux oder Hellschwarz, Wandtattoo und Klemmlampen, ohne den Kissenbezug Snättibjur aus handgeflusten Kernbrennstäben verlässt das Paar nicht den Kleinteilbereich. Für den seltenen Fall, dass sich der vernünftige Hominide durchzusetzen droht, werden mit Harpunen ausgestattete Feldjäger ihn zur Strecke bringen und die Begleiterin mit der Naturkautschukbadematte Pladderfljär knebeln. Verlöbnisse, ja langjährige Ehen kriegt ein Sortiment aus funkelnden Glaskieseln (25 Stück, farbig sortiert, im transparenten Beutel) spielend kaputt, leichter, als das mutatis mutandis einem Schlagbohrhammer gelänge. Guantanamo ist nichts dagegen. Der wirkliche Horror ist hier.

Doch der Bekloppte braucht das Möbelhaus, es ist ihm lieb gewonnenes Samstagsritual, wo er im Paarlauf Stress aufbauen und Aggressionen züchten kann, als Hochleistungstraining für Schweißdrüsen und Misanthropie, als Schule des Lebens in einer Gesellschaft, die feucht vom Krieg träumt. Wer einmal die Runde im Einrichtungshaus überstanden hat, inbegriffen Teelichte und Fleischklopse unter Instantsauce, der weiß, was Not und Tod bedeuten. Das verbindet fürs Leben. In einem Haus, vollgestopft mit fragwürdigem Gerümpel aus dem Restearsenal, blöd und glücklich.





Røde Grøde

1 07 2010

Hildegard beäugte skeptisch die Regalböden. „Viel zu dünn. Einmal die großen Stücke einräumen, Suppenterrine und die Löwenkopftassen und die Pastateller und die große Fischplatte mit den Henkeln von Tante Elsbeth, dann brechen die Dir raus.“ In der Tat sahen diese Möbelstücke nicht besonders Vertrauen erweckend aus. „Buche furniert“, las ich auf dem kleinen Schildchen, das von der Hinterseite baumelte. „Dabei steht doch hier in dem Prospekt, dass sämtliche Schränke der Västernorrland-Serie entweder in Eiche natur oder in Weiß erhältlich sind?“

Insgesamt bot der skandinavische Möbelladen einen eher verwirrenden Anblick; zwar war die Fülle an Einrichtungsgegenständen nicht gerade eine Überraschung – wir befanden uns schließlich in einem Magazin voller Schränke und Stühle, Tische und Kommoden – aber die Aufstellung zeugte, wenn nicht von einem gewissen Humor, so doch von einer durchaus gelungenen Strategie, dem Besucher jegliche Orientierungsmöglichkeit zu nehmen. Zu unseren Häupten verkündete ein großes Hängeschild, dass wir uns in der Bettenabteilung befänden; einige der Geschirr- und Schuhschränke um uns herum reichten fast an die Unterkante des Wegweisers heran, während die Betten unterhalb der Tafel Bad und Sanitär noch gut zu sehen waren. „Vermutlich ist das ein interaktiver Irrgarten“, mutmaßte ich, „oder sie drehen den ganzen Fußboden alle drei Tage um 90 Grad, während die Deckenbeschilderung gleich bleibt.“ Hildegard schnaubte indigniert. „Blödsinn. Die sind hier alle nur vollkommen bekloppt.“

Ich erwischte den Verkäufer gerade noch am Arm, als er mit einem Stapel psychedelisch gemusterter Kissen auf die Gartengerätesektion zulief. „Ich suche eine…“ „Die Auskunft freut sich, Ihnen weiterzuhelfen“, strahlte er mich an, bevor er sich auf dem Absatz umdrehte. Ich hatte ihn immer noch am Arm und ließ nicht locker. „Und wo ist die Auskunft, wenn ich bitten darf?“ Ihn schien das gar nicht zu stören. „Da fragen Sie am besten bei der Auskunft“, tönte er mit freudigem Gesicht zurück, „die geben Ihnen immer sehr gerne Auskunft!“ „Hören Sie zu“, röhrte ich das Honigkuchenpferd an, „ich will jetzt sofort wissen, ob es diesen komischen Schrank da, Örmsbüld, auch in Weiß gibt.“ Wie aus der Pistole geschossen antwortete er. „Alle Schränke der Västernorrland-Serie sind in Eiche natur, Weiß oder mit Türen erhältlich. Sie erhalten die Serie in diesem Monat zu einem Vorzugspreis von nur…“ „Das weiß ich“, fiel ich ihm ins Wort, langsam doch um Gleichgewicht bemüht, denn er zerrte mich unermüdlich mit sich ins Gartensortiment, „aber ob es diesen Schrank da auch in Weiß gibt? Es steht nicht auf dem Schild!“ „Moment“, lächelte er verbindlich. „Darf ich Sie bitte bis zur Auskunft begleiten?“ Hildegard hielt mich fest, während er verängstigt das Weite suchte.

Auch mit dem nächsten Laden-Hüter war mir nur mäßiges Glück beschieden. „Ich möchte den Örmsbüld, aber es muss ihn doch in Weiß, und der da, der ist nicht, oder ist der in der Västernorrland-Serie, weil es die doch…“ „Selbstverständlich, das sagt ja auch unser monatlicher Prospekt“, dienerte der Möbelmann. „Aber es sollte Ihnen aufgefallen sein, dass dies nicht der Örmsbüld ist. Kann er auch gar nicht sein, weil er ist ja in Buche furniert. Da hätten Sie auch selbst drauf kommen können.“ Hildegard runzelte die Stirn; kein gutes Zeichen, missbilligt sie das Verhalten von Verkaufspersonal, so ist sie meist die letzte Kundin, die ein Verkäufer vor seiner fristlosen Kündigung sieht. „Das Modell Gulbrandsen gehört natürlich zu einer ganz anderen Serie“, fuhr er unbekümmert fort, „wie Sie ja selbst an den Schränken Eirik, Bringsvård und Jæly mit Rollverschluss sehen, sind alle diese Stücke nach Staatssekretären im norwegischen Postministerium benannt – Ihre Allgemeinbildung lässt nach.“

Während Hildegard seine Überreste in einer namenlosen Hängeschrank-Unterbau-Kombination für Eckküchen mit geringem Platzbedarf verstaute, die wohl nach einer grönländischen Bleistiftmarke benannt worden war, überlegte ich. „Das Beste wird es sein, wir schnappen uns irgendeinen Schrank und hauen so schnell wie möglich ab.“ Sie knirschte mit den Zähnen. „Das Beste wird es sein, Du fängst mir noch einen von diesen Volltrotteln. Ich werde sie nach und nach vernichten, bis uns keiner mehr in die Quere kommt mit pseudoskandinavischem Gefasel und bekloppten Schranknamen.“

In dem Augenblick hatte ich die rettende Idee. Der nächste Verkäufer sollte dran glauben. Es war ein langer, rothaariger Schlacks mit Schirmmütze, der hilfsbereit, aber ahnungslos in meine Fänge geriet. „Örmsbüld“, fragte ich, „Örmsbüld?“ Er zeigte auf die Regalreihen, da überfiel ich ihn mit einer heimtückischen Kanonade. „Örmsbüld hvar åmbror ikken snakkeblærd, hej? Er dekke øreflør inne knejdhulfsträlle, hvor hjælpsköldeninge nogen områder?“ Verstört blickte er mich an. „En äldsta av stadens tornets höjd är ett av världens lättmetall!“ Schweißtropfen sammelten sich auf seiner Stirn, während ich ihm langsam immer näher rückte. „Høyhastighetsbane kan ha større på målemetoder for mer informasjon, jahaa?“ Seine Oberlippe begann bereits ein bisschen zu zucken, doch ich kannte keine Gnade. „Den beskytte knællerbyten efter grænser dikke snørepladderne!“ Die ersten Tränen kullerten über sein jugendliches Gesicht. Offenbar war der Reiz skandinavischer Sprachen für ihn doch zu stark. „Örmsbüld är en och arterna“, sprach ich begütigend auf ihn ein, „ett är Örmsbüld, hej?“ Schluchzend wies er auf ein kniehohes Schränkchen in einer Seitengasse, weiß lackiert, die Türen mit formschönen Messingknäufen versehen. Das große Modell befand sich im Lager, war aber jederzeit und zum Vorzugspreis verfügbar.

Hildegard steckte zufrieden die Kreditkarte ins Portemonnaie zurück, während ich die Holzlatten in der Pappumhüllung schulterte. „Es ist doch schön, dass das heute möglich ist. Ich bin für Europa. Dieser Kontinent ist so ungemein vielfältig.“





Gernulf Olzheimer kommentiert (LXI): Möbel zum Selbstaufbau

11 06 2010
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Das Leben ist Sediment, Strandgut, Staubfänger – wo immer das Erbeutete mengenmäßig zunimmt, stellt sich rasch die Frage, wo man den Schmadder griffbereit verstaut respektive so sicher versteckt, dass auch einfallender Besuch das Zeugs nicht auf Anhieb entdeckt. Kisten und Kasten erfand der von Lehmhütte bis Plattenbau sozialisierte Hominide, in einem Anfall kosmischer Energieverdichtung pfiff ihm für Sitzmöbel, Couchtisch und Garderobe eine schier endlose Folge von Geistesblitzen um die Ohren. Ganze Gewerke gründete der organisierte Mensch, die kunstvoll geschnitzte Bauerntruhen schaffen und sorgfältig gedengelte Stahlrohrsofas mit eierschalenfarbenem Polsterbezug, auf dem ein Kalkhirn seinen Rotwein verkippt, bevor er das Zeitliche gewaltsam segnen darf.

Neues aber kostet, und bis eine zwölfköpfige Schlepperbande das containerförmige Mahagoni-mit-Drahtglas-Ensemble für Wohnen, Schlafen und anschließende Erdbestattung in den sechsten Stock eines denkmalgeschützten, ergo aufzugfreien Palais gewuchtet hat, könnte man von deren Fuhrlohn bereits eine Vollausstattung mit Empire-Mobiliar vornehmen. Gespart muss ja sein, und schließlich bricht sich die Mutter aller Katastrophen Bahn: was der Handwerker zum Broterwerb in jahrelanger Mühe lernt, Begabung vorausgesetzt und Übung in der Folge vorhanden, das versucht der Bekloppte mit falsch verstandener Leidenschaft, Gottvertrauen und zölligen Nägeln nachzuahmen. Das Verhängnis lauert im hartnäckig verfolgten Irrglauben, dass jeder drittklassige Grobmotoriker mit Sandpapier und Stichsäge zum Sperrholz-Michelangelo würde, während doch in der trüben Wirklichkeit derartige Splitter- und Splattermanöver meist bloß enden als untauglicher Versuch, aus Bananenkisten und Bastelkleber das Bernsteinzimmer im Maßstab 1:23 nachzuempfinden. Allein der Beschränkte ist nicht lernfähig; und flugs wittert eine ganze Industrie Morgenluft: Möbel zum Selbstaufbau für die kleine Apokalypse zwischendurch.

In den Hochglanzkatalogen warten Beistelltisch und Bücherregal, in Möbelhäusern hat man als Gipfel des Perfiden Vitrinenbett und Klappschrank gleich fertig in die Gegend gestellt, um dem Bescheuerten den Sprung in den Abgrund schmackhaft zu machen. Mit dem Erwerb eines einzigen Stücks ist sein Schicksal besiegelt. Bereits die Bauanleitung, ein dem Sammelsurium der Teile beigelegtes Blättchen, löst psychiatrisch relevante Auffälligkeiten aus; die aus dem Altportugiesischen nach Gehör ins Krimtatarische übersetzten Laute werden von Blinden in glagolitischer Schrift in schmelzenden Schnee gekratzt, mehrfach gedreht sowie unter Auslassung jedes dritten Buchstaben ins Japanische übertragen – zuvor sorgt ein Team international anerkannter Linguisten dafür, dass der verantwortliche Mitarbeiter Katakana nicht von Fliegendreck unterscheiden kann, und schaltet zur Sicherheit die Beleuchtung aus. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen.

Das Gebinde enthält mehrere Pressspanplatten, windschief versägten Müll in Buche geflammt, aus braungrauem Kunststoff gefertigte ominöse Objekte ohne Sinn und Bezeichnung, schließlich eine Tüte voller Schrauben, Nägel, Dübel, Haken und Ösen samt eines Tübchens Holzleim, das nur brachiale Gewalt wird öffnen können, so dass die verwertbare Menge an Kleber nicht ausreichen wird, um die Seitenteile A-14 und A-18 an der Bodenplatte F-3/b zu befestigen. Während die in der kryptischen, an verschwiemelte Felszeichnungen gemahnenden Bauanleitung aufgeführten beiden Hinterpartien offensichtlich in doppelter Stückzahl vorhanden sind, fehlen die Regalböden H-5 bis H-8, komplett oder wurden beim Packen von dressierten Hamstern mit den Beinen eines Barhockers verwechselt, die den Funktionsumfang des Möbels nicht wirklich aufwerten. Müßig zu betonen, dass das Streugut, das zum Verschrauben der Platthölzer dienen sollte, mit Hilfe der Zentrifuge eher zufällig in die Beutel katapultiert wird – wer die zum Innensechskant passenden Nirostastifte erwartet, wird mit einem hübschen Sortiment an Magnetdruckknöpfen und Steckstiften überrascht, mit denen der Mobiliarsch der geistig-moralischen Zerrüttung wieder ein Stückchen näher kommt.

Auch körperlich verlangt die Prozedur dem Aufbauopfer einiges ab. Hält der Bekloppte die linke Regalwand gerade, so neigt sich das rechte Pendant majestätisch zur Seite, kippt nach innen und eröffnet den Reigen der jeweils seitenverkehrt in den Wahnsinn treibenden Fallversuche. Die optimale Besetzung für diese gymnastische Übung wäre eine achtarmige Gottheit, die in ihrer Freizeit nichts Besseres zu tun hat, als versägte Bretter zusammenzukloppen. Kaum halten sich die Seiten, muss der Krempel umgedreht werden, um die Rückwand zu fixieren – der Verstand verlangt hier einen groben Verstoß gegen die Aufbauanleitung, die mit der Anzahl der verfügbaren Dimensionen nicht zu versöhnen ist – und besticht schon in dieser frühen Baustufe durch aparte Schräge orthogonal angedachter Konstruktionselemente. Wenig später hat der mit Kratzhieben abrutschenden Werkzeugs verzierte Außenkubus die Gestalt eines ordentlichen Gesellenstücks – wenn man sich das gerne in die Wohnung stellt, was einen Sargtischler im ersten Lehrjahr beschäftigt. Quellende Leimspuren zieren die Fuge zwischen den Einzelteilen G-4 und G-6, und spätestens hier sollte klar sein, dass G-5 ganz am Anfang, vor dem Annageln der Rückwand, vor dem Aufsetzen der umlaufenden Zierleiste, vor dem Annageln der Seitenwand K-33 hätte eingeschraubt werden müssen.

Rhythmisches Hacken lässt das Haus erbeben, bevor aus dem knisternden Feuer beißender Rauch quillt – der Bekloppte hüpft in konzentrischen Kreisen um das Autodafé und schaut dabei zu, wie seine sinnlosen Vorstellungen inmitten fleißig kokelnder Massivholzmöbel in Flammen aufgehen. Was muss auch jeder Depp Kisten und Kasten bauen wollen.





Gernulf Olzheimer kommentiert (LIII): Die Schrankwand

16 04 2010
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Kaum hatte der postdiluviale Schlurcher die Eigentumshöhle gegen eine Einraumlehmhütte getauscht, schon hing der Haussegen schief wegen unlösbarer innenarchitektonischer Probleme. Wohin mit dem Rest Spitzmaus an gegarter Hirse? Ist in der Nische genug Platz für Urgroßvaters Gerippe, das aus anbetungstechnischen Gründen nicht unter dem Bett verstaut werden kann? Kisten und Kasten waren noch nicht erfunden, ja nicht einmal der simple Holzeimer existierte im durchschnittlichen Haushalt – Ordnung herrschte selten, Wohnästhetik schon gleich gar nicht, wen wundert’s da, dass Homo sapiens sapiens einige Jahrtausende lang vorwiegend damit beschäftigt war, sich gegenseitig die Fresse einzudellen. Vor allem mangelte es am passenden Zubehör, um des Beknackten Drang nach gesteigerter Geschmacklosigkeit nachhaltig zu befriedigen. Auf Dauer führte kein Weg an der Erfindung der Schrankwand vorbei.

Das teutonische Gesamtkunstwerk aus Eiche dunkel gebeizt, stilistisch zwischen Wohnsarg und Völkerschlachtdenkmal im Maßstab 1:23, wartet mit dem Strömungswiderstandskoeffizienten einer Staumauer auf – ehernes Beharrungsvermögen aus einem Guss, rustikal in Plattenbau und Wohnloch geklotzt, verschandelt Versuchsfelder realsadistisch veranlagter Inneneinrichter, denen Cordgarnituren in Beige mit gekacheltem Couchtisch samt kurbelbetriebener Höhenverstellung noch Luft für die zweite Halbzeit ließen. Unwillkürlich assoziiert man bei der Konfrontation mit dem begehbaren Zementklotz Vorstellungen von Ewigkeit; das Ding ist auch durch Kernspaltung nicht abbaubar, eher gäbe die Sonne ihren thermonuklearen Vollzeitjob dran, als dass die in diesem Bausparertraum beigesetzten Kräuterlikörkanister neben der Karl-May-Gesamtausgabe in Schweinsleder noch einmal das blakende Licht der Wirklichkeit erblicken könnten. In diesem Schwarzen Loch ist mehr graue Materie verschwunden als in den schwarzen Kassen der CDU, mit der sie neben dem Stetigkeitsfaktor auch die generationsübergreifende Spießigkeit eint.

Schrankwand – was schon so nach Brutalbarock klingt wie der Titel eines Rammstein-Albums, das ist die kulturfreie Variante des Kulturschocks, was, vom Kulturbeutel abgesehen, so der Deutsche zum Glück nur einmal hingeschwiemelt bekam. Hier wurzelt die tiefe Verachtung fahrender Schönheit, hier bekennt sich der Bescheuerte zur optischen Sterbehilfe, die das bevorzugt, was weder Art noch déco ist. Beim Anblick eines derart monströsen Konglomerats antizivilisatorischer Wahnbilder beschleicht einen der klare Gedanke, Außerirdische hätten jene quaderförmige Qualzüchtung dem Behämmerten eigens in die Butze gebeamt, um dereinst schneller die Macht zu übernehmen, wenn sich herausstellen sollte, dass der mit dem Intellekt von Stroh ausgestattete Erdling bereits degeneriert genug ist, um jede Form von Netzhautpeitsche ohne nennenswerten Widerstand anzubeten.

Denn dass er dies tut, ist erwiesen; er hatte ausreichend Zeit, das Ritual einzuüben. Abend für Abend verbringt er die Weihestunden vor dem Altartrumm, der sein Retabel für die Sportschau aufklappt, den Sermon eines Gottschalks überträgt und aus dem Jenseits die Gestalt des verblichenen Johannes Heesters hinüberschwappen lässt, vom Bierkelch samt einer Patene mit Schnittchen begleitet: Abendmahl mit Gürkchen unter dem Styroporstuck muffiger Wohnsiloromantik, die man mit rezeptfreien Medikamenten nur schwierig zu simulieren vermag. Vielleicht war es auch nur der Versuch, eine komplette Doppelhaushälfte in die Längswand des Balkonzimmers einzuquetschen, damit man die Inhalte von Luftschutzkeller und Dachboden immer griffbereit hat. Dies ist typisch männliche Denke, die dem weiblichen Verhalten angesichts eines Hochregallagers voller Schuhe entspricht; beiden gemein ist die Idee, dass man, nachdem seit dem Urknall nichts weggeschmissen wurde, den kompletten Krempel auch kompakt auf Schubladen verteilt haben möchte, nicht unbedingt alphabetisch sortiert, aber wenigstens Raum sparend in genau ein einziges Objekt hinein verdichtet – was physikalisch etwa dem Versuch entspricht, Jupiter auf einer Reihenhausterrasse abzustellen, und viel von dem Spaß verrät, den Architekten mit Betondecken haben können. Eigentlich sollte der aus Spanplatte zusammengetackerte Krempelkatafalk bereits beim Aufstellen vor lauter Seinsschwere den Boden perforieren und mit hurtigem Donnergepolter die Immobilie in vertikaler Richtung entsorgen. Bei genauem Nachdenken offenbart sich denn auch der innere Zusammenhang: was das seit dem Big Bang angestaute Chaos birgt, wird kaum der tiefere Grund für nachwachsendes Leben auf diesem Planeten sein, wohl aber ein Argument für die weite Verbreitung des gemeinen Beknackten, und erst Recht der Anlass für den drohenden Weltuntergang, wenn das Universum am Jüngsten Tag durchs Parkett poltert. Denn das Dasein an sich hat nun mal eine beschissene Statik. Ganz im Gegensatz zur Schrankwand.





Solide Leichtbauweise

20 05 2009

Zuerst zeigte es sich etwas geneigt. Ich schenkte dem keine weitere Beachtung. Nachmittags jedoch gewann es gefährlich Schlagseite. Am Ende kippte das Bücherregal – ich kam gerade noch rechtzeitig, um die Sophienausgabe und Heines gesammelte Werke an den Kopf zu kriegen. Der Sachschaden hielt sich also in Grenzen, doch eine neue Stellage musste her, und das schnell. Hatte ich nicht mit dem Postwurf den allmonatlichen OKEY-Katalog erhalten? Ich fischte ihn aus dem Altpapier.

Das Bücherregal Wuschl in Buche furniert war von der Breite gerade passend. Auch der Preis sagte mir zu. Also griff ich zum Telefon und orderte das Ding. „Sie können es entweder ab morgen früh in einer Filiale Ihrer Wahl abholen“, teilte mir das Fräulein vom Mobiliaramt mit, „oder wir schicken es Ihnen zu.“ Ich wollte das Gestell sofort haben – schließlich herrscht mich Hildegard ohnehin schon an, wenn sich im Arbeitszimmer mehr als ein Festmeter Bücher auf dem Boden stapelt, sie hatte bereits in Erwägung gezogen, den Raum nur noch auf Stelzen zu betreten, was ich als hervorragende Idee würdigte, so dass es zu einer heftigen Auseinandersetzung kam, in deren Folge sie einmal mehr auszog, aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte – und so kündigte ich an, gleich anderntags der OKEY-Auslieferung einen Besuch abzustatten. Ein Wandgerüst ließe sich wohl ohne Schwierigkeiten transportieren.

Etwas unschlüssig stand ich, wo ein blau-gelbes Schild Information versprach. Durchaus freundliche Verkäuferinnen baten mich, noch einen kleinen Augenblick Geduld zu haben. Eine von ihnen hätte mich durch eine rapide Drehung mit der horizontal getragenen Gardinenstange Blörm fast geköpft, aber das wäre zumindest meine Teilschuld gewesen. Was musste ich meinen Kopf auch auf ihrer Schulterhöhe durch die Gegend schleppen. Da nahte schon der Lagerleiter. Ich nahm wenigstens an, dass es sich um diesen handeln müsse, denn er machte mir ganz den Eindruck eines solchen. Ob es Probleme geben würde? Ich war auf die Ausrede gespannt. Man kennt das ja.

„Guten Morgen! Kuwalke mein Name. Schön, dass Sie so zeitig kommen konnten. Ja, dann wollen wir gleich anfangen – Sie haben sicher noch viele Filialen auf dem Tagesplan, als Betriebsprüfer hat man ja gut zu tun, sagt man.“ Ich empfand es als unhöflich, ihn auf die Verwechslung hinzuweisen, und schon befanden wir uns im Bauch der Firma.

Kräftige Arbeiter zerrten Spanplatten aus einem Müllcontainer. Andere wiederum schoben das Zeug kreuz und quer in kreischende Kreissägen, dass die Späne flogen. Hier barst ein Holz unter dem Druck des Sägebandes; dort splitterte eine frisch gesägte Platte in tausend Stücke. Sie wurde an den Kanten notdürftig abgeschmirgelt und segelte krachend auf einem großen Stapel windschief verschnittenen Abfalls. „Der Fertigungsbereich“, brüllte Kuwalke mir ins Ohr, „wie Sie sehen, verbinden wir die Ansprüche unserer Kunden mit einem optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis.“ Schwitzend schaufelte ein Kuli aus einer Wanne ein wirres Gemisch von Schrauben und Nägeln, Dübeln, Haken und Ösen in ein Rost. Die Teile fielen durch und landeten in kleinen Tütchen. Jetzt wurde mir klar, warum die ominöse Winkelschraube 31F entweder siebenmal vorhanden war oder aber komplett fehlte, so man versuchte, die Garderobe Örblemmbl vorschriftsmäßig an der Wand zu befestigen. „Na, was sagen Sie jetzt? Solide Leichtbauweise! OKEY war schon immer ein innovatives Unternehmen.“

Die beiden Frauen tasteten sich durchs Büro. Während die eine aus Unachtsamkeit eine Tasse umstieß, suchte die andere den Bleistift. Ungelenke Krakel malte sie mit Hilfe eines Lineals aufs Papier. Doch wozu trugen sie die Augenbinden? „Sie haben bestimmt davon gehört, dass wir unsere Produkte behindertengerecht herstellen.“ Ich betrachtete das Chaos auf dem Blatt. „Außerdem haben die Kunden so die Möglichkeit, gleich von Anfang an eine ganz intensive Beziehung zum Möbelstück aufzubauen.“ Und ich hatte gedacht, dass die Aufbauanleitungen von zugekifften Affen entworfen würden. „Nein, das ist natürlich bloß ein Gerücht. Kommen Sie, ich zeige Ihnen, woher es stammt.“

Kuwalke öffnete eine Tür. In dem kleinen Raum befanden sich ein Tisch und ein Stuhl, eine Menge Bierflaschen, größtenteils leer, und ein Mann, größtenteils voll. „Das ist unser Sachse“, erläuterte der Betriebsleiter, „einer muss es ja machen. Er ist gut eingearbeitet und reagiert ziemlich schnell.“ Damit legte Kuwalke ihm einige Fotos vor. Der Sachse glotzte glasig auf die Bilder, die er mit ungelenken Händen auf der Tischplatte hin und her schob. „Schbupp… sch… schduddl“, lallte er, und wieder: „K-k-knlld. Knalld!“ „Wundervoll! Das ist ja großartig!“ Kuwalke klopfte dem Betrunkenen heftig auf die Schulter. „Und schon haben wir zwei neue Artikel im Sortiment. Dies Bettsofa nennen wir Studdl, und der Vitrinenschrank mit Schiebetüren heißt Knald. Hübsch, modern und durchaus einprägsam.“ Der Sachse war beim nächsten Bier angelangt und hielt sich am Bild einer Stapelgießkanne fest. So lange wollte ich allerdings nicht mehr warten.

Auf dem Flur fegte gerade ein dienstbarer Geist den Linoleumboden und leerte die Kehrichtschaufel in einen grasgrünen Eimer. „Ach ja, fast hätte ich es vergessen. Mögen Sie nicht noch auf einen Happen im OKEY-Restaurant vorbeischauen? Heute gibt’s Köttbullar!“ Hastig verabschiedete ich mich. Weiß der Teufel, woraus der Laden die Fleischklopse fabriziert. Ich will es gar nicht wissen.





Lineare Regression

27 03 2009

Natürlich hatte ich mich für Breschkes gefreut. Sechs Richtige im Lotto, das hat man ja nicht alle Tage. Mit einem kleinen Sektempfang für Nachbarn und Freunde wurde der glückliche Zufall begossen, dann verkündete Herr Breschke seine Pläne für die Zukunft: während einer längeren Erholungsreise in den Schwarzwald sollte der Bungalow der Eheleute einer Komplettrenovierung unterzogen werden. Das nötige Kleingeld sei ja nun vorhanden, und es solle für die verbleibenden Jahre seines Ruhestands – hier zwinkerte der pensionierte Finanzbeamte mir zu – etwas Ordentliches sein. Nicht dieser neumodische Quatsch, sondern durable Qualität. Es sollte schließlich noch ein paar Jahre halten und Freude machen.

Was zunächst hieß, dass ich mich mit Breschkes Tochter um Bismarck stritt. Der Hund musste ausgeführt werden. Eine gewisse Affinität hatte dieser außerordentlich blöde Dackel zu mir entwickelt. Dennoch kam die Angelegenheit zu einer einvernehmlichen Lösung. An geraden Tagen holte ich den Hund bei Breschkes Tochter ab, die dann genügend Zeit für ihre Besorgungen hatte, an ungeraden pausierte Breschkes Tochter, damit ich den Dackel ausführen konnte.

So kam ich eines Tages, Breschkes atmeten schon seit vier Wochen die würzige Luft der Fichtenwälder im deutschen Mittelgebirge, an dem Anwesen vorbei. Ein Möbelwagen parkte in der Einfahrt. Bismarck wickelte wieder einmal die Leine um meine Füße und ich nutzte die Pause, um auf den Gartenweg zu treten. Vor der Tür stand der alte Beußelmann, ein unwahrscheinlich dicker Mensch mit Spiegelglatze, der beständig schwitzt. Doch er versteht etwas von Mobiliar und hatte mir schon einige schöne Stücke verschafft. „Na, junger Freund“, begrüßte er mich, „wie geht’s, wie steht’s?“ Schon witterte er meine Frage. „Ich hätte da für Ihre Schleiflackanrichte just zwei hübsche Hocker. Stahlrohr, Marcel Breuer, Sitze natürlich frisch bezogen. Würde ich Ihnen für 1700 pro Stück, was sag’ ich denn: 2500 für alle beide, abgemacht?“ Wenn er mich auch etwas überschätzte in Betreff meiner finanziellen Mittel, Geschmack hatte er. „Na, gehen Sie mal rein. Aber wundern Sie sich über gar nichts, ja?“ Bismarck zog an der Leine. Ich betrat das Haus.

Die Blümchentapete im Flur ließen mich schon Schlimmeres erahnen. Neu sah sie nicht aus, allerdings war ich mir sicher, dass bis vor einigen Tagen da noch Raufaser in Altweiß geklebt hatte. Was war hier geschehen? Ich tastete mich durch muffige Dunkelheit bis zur Tür und blickte hinein. Das Blut in meinen Adern gefror schlagartig.

Die Kücheneinrichtung sah aus wie die surreale Interpretation eines Heimatfilms, der unter der Oberfläche des Silbersees gedreht worden war. Eine weiß lackierte Anrichte mit Aufsatz, Scheibentüren mit Gardinen, Brotfach und einem ausziehbarem Geschirrtischchen stand da, wo bisher noch die Einbauschränke gehangen hatten. Der Elektroherd mit Umluftofen und integrierter Mikrowelle war einem Kohlenherd gewichen – einem emaillierten Monstrum mit umlaufender Messingstange. Ich rang erst nach Luft und dann nach Worten. „Gelungene Überraschung?“ Beußelmann war unbemerkt hinter mich getreten. „Breschke wollte das originalgetreu. Alles aus den Fünfzigern. Sie ahnen nicht, was ich unternommen habe, um diesen prähistorischen Schrott aufzutreiben. Na, kommen Sie mal weiter.“ Und mit diesen Worten zog er mich am Arm aus der Küche ins benachbarte Bad.

Nun war Breschkes Nasszelle nie ein Hort der Entspannung für Körper, Geist und Seele gewesen. Die blauen, mit stilisierten Orchideen überkitschten Kacheln standen in aufreizendem Kontrast zur Badewanne, deren Braunton – Frau Breschke hatte mir beständig ihr Leid geklagt – zudem mit dem weinroten Handwaschbecken disharmonierte. Dies alles war Herrn Breschkes Geiz geschuldet, der die Einzelteile seinerzeit der Konkursmasse eines Baustoffhändlers kostengünstig entnommen hatte, ohne Rücksicht auf Verluste oder das Urteil der Nachwelt. Und doch, ich sehnte dieses seltsame Ensemble zurück, denn meinem Auge bot sich zwar reines Weiß, aber es war aus lackiertem Metall in Gestalt einer frei stehenden Badewanne sowie eines Badeofens, der schätzungsweise zur Zeit des Reichskanzlers Caprivi konstruiert worden war. Die Kacheln waren – ein einziger Bruch, und nicht nur ein historischer – von mattem Grüngrau mit einem Stich ins Ockerfarbene, was man hinter der neu eingesetzten Milchglasscheibe im Fensterrahmen jedoch kaum bemerkte. Ich musste mich am Türrahmen festhalten. Beußelmann warf mir einen fatalistischen Blick zu. „Wenn Sie meinen, das sei schon alles, dann machen Sie sich auf die Krönung gefasst. Ich hoffe, Sie haben gut gefrühstückt.“ Und wir betraten das Wohnzimmer.

Zunächst sah ich Häkeldeckchen in rauen Mengen, die Chaiselongue und das nierenförmige Rauchtischchen nebst einigen an Scheußlichkeit nicht zu überbietenden Cocktailsesseln in Rostrot und Erbsengrün. Die dreiflammige Tulpenlampe schien alle Bestialität hämisch zu überstrahlen. „Und jetzt drehen Sie sich ganz langsam um. Ganz langsam!“ Ich tat, wie mir geheißen – wer beschreibt den Stoß in meinen Magen, als ich ein Büfett aus poliertem Edelholz entdeckte, dessen Formen gewaltig aus der Kurve getragen wurden. Gelsenkirchener Barock in seiner reinsten Form. Gewissermaßen der natürliche Widerpart zur linearen Regression.

Meine Brillengläser beschlugen von innen. „Tja, da sehen Sie, womit ich die letzten Wochen zugebracht habe. Breschke wollte und wollte unbedingt Originalstücke haben. Wissen Sie, wo ich das gefunden habe? Bei einem Sammler in Ecuador.“ Ich starrte auf das Möbel wie auf ein bizarres Insekt. Ungerührt fuhr Beußelmann fort: „Und zu einem Preis, ich sag’s Ihnen! Dafür bekommen Sie glatt zwei neue Stutzflügel.“ Ich fragte ihn, was in Herrn Breschke gefahren sei, und er antwortete mir prompt: „Ich weiß es nicht. Wenn Sie mich fragen, der Alte pickt längst am Vollmeisenknödel.“ Und plötzlich sah er ganz elend aus. „Ich kann das nicht mehr! Das ist mein letzter Auftrag, ich halte das nervlich nicht mehr aus!“ Er packte mich in höchster Verzweiflung an den Armen, wie ein Ertrinkender Rettung sucht. Schon wollte ich ihn fragen, was in ihn gefahren war, doch da kam schon einer der Möbelpacker hinein. „Chef, wo stell’ ich das ab?“ Er rollte eine Beistelletagère hinein, dreistöckig, dreieckig. Im dritten Stockwerk stand ein Gartenzwerg. Steingut in Farbfassung, um 1951. Und ich verstand.





KB30 mit Eisfach

1 02 2009

Das Modell Trulleberg müsste ich Ihnen eigentlich zeigen können. Für den Fall, dass Sie heute irgendwelche stapelbaren Blumengießkannen oder einen balkontauglichen Ausziehtisch käuflich erwerben wollen und sich auf dem Weg zur Kasse das Sprachzentrum eindellen, kann ich Sie trösten. Kommen Sie gerne morgen vorbei. Ich backe einen Hefezopf und wir trinken eine Tasse Tee. Um fünf, Karl-Ernst-von-Halmackenreuter-Straße 3, zweiter Stock. Eine Tasse Tee und ein Hefezopf.

Nachdem inzwischen diverse Versuche, den Børgs Widerstand zu leisten, beim Ansetzen des Sechskantschlüssels gescheitert sind, geben Sie besser freiwillig Ihr Codewort raus. Sonst implodiert diese Galaxie und Sie wachen in einem Koordinatensystem auf, in dem Sie geduzt werden. Permanent.

Sfinnåestesji. Die können Sie auch haben in Eiche, Mahagoni und Birke geflammt.

Sfinnåestesji. Die können Sie auch haben in Eiche, Mahagoni und Birke geflammt.

Blogadilla macht’s möglich.

Selbstversuch: Sfinnåestesji. Ein Doppelbett. Schön. Und wieder was gelernt über skandinavische Möbel: der Vorteil der dänischen Kombiserie beruht auf ihren raumsparenden Abmessungen und ihrer durchdachten Innenausstattung. Dann zeige ich Ihnen jetzt doch mal den Trulleberg. Oder Slätthult, das selbstklebende Dekorationselement für Leute, denen nichts mehr wehtut. Gar nichts.