Kleine Fabel oder Hindernisse der Schönheit

25 08 2019

„Natürlich“, singt der Pfau, „sind meine Federn
ganz ungewöhnlich schön. Seht nur den Glanz,
den keiner sah bei andren Pfauenrädern!
Fürwahr, ich habe doch den schönsten Schwanz!“

„Mag sein“, so krächzt die Dohle. „Ganz vorzüglich.
Nun bitte, wem die Äußerlichkeit liegt –
ich sehe außerdem, und zwar untrüglich,
dass man mit diesem Putz recht übel fliegt.“





Gernulf Olzheimer kommentiert (CVII): Medialer Narzissmus

3 06 2011
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Der Tag, an dem Ngrr sich auf der Mammutjagd versehentlich die Axt an die Rübe hieb, war der Beginn eines langwierigen Erkenntnisprozesses. Da der Hominide der kranialen Materialkaltverformung zum Opfer fiel, musste einer seiner Begleiter, der die Sache mit-, vor allem aber überlebt hatte, sie weiterführen: Aufsehen erregende Handlungen sind geeignet, den sozialen Status nachhaltig zu verändern. Konnte man selbst keine Flugsaurier mit bloßen Händen erdrosseln, da die Biester peu à peu aus dem Genpool ausschieden, so musste immerhin das Verfügbare entsprechend aufbereitet unter die Leute gebracht werden. Laut, deutlich, und wo immer die Wahrheit sich als zäh erwies, wurde sie einem leichten Tuning unterzogen. So erfand der Bekloppte die Hilfsmittel einer gut arbeitenden Propaganda, Keilschrift, Flüstertüte, Buchdruck und Kintopp, und er begriff schnell, dass seine wahnhafte Egozentrik, die den ganzen Krempel zu verantworten hatte, seinerseits den Sprung in der Schüssel nicht zuwachsen ließ. Im Gegenteil. Medien und Narzissmus, sie haben einander so lieb.

Was nicht wahrgenommen wird, ist nicht, und was ist, soll daher wahrgenommen werden. So oder ähnlich formuliert der subjektivistische Schreihals sein Credo in eine wehrlose Mitwelt, die dem intellektuell niederschwelligen Geschwurbel nur schwer entrinnt. Jedes neue Medium, jede Form sich entgrenzender Verbalbulimie gebiert auch neue Wellen einer öffentlichen Belästigung. Zeitung und Moritat, Wochenschau und Newsletter rufen sie auf den Plan, die Verdeppten, de ohne ihr Sprachrohr armselig in der Hütte hockten. Schon Herostratos hatte sich die Sache gut ausgerechnet: einmal die antiken Abendnachrichten als erste Meldung anführen, schon würde sein Name auf ewig in die Geschichte eingehen. Dummerweise hatten die Ionier Besseres zu tun, schwiegen den Kokelgnom tot, und heute weiß keine Sau mehr, wer der Ziegenhüter aus Ephesos war. Das Medium ist die Message, und wo es fehlt, schweigt oder nicht nach Wunsch vergrößert und vergröbert, da orgelt keine Pfeife. Während das Medium, Massenmedien vor allem und die Glotze an erster Stelle, die Bedürfnisse einer indifferenten Menge definiert und weckt, verstärkt und befriedigt, macht es für den Rest gleichgültig, damit die abgestumpfte Schnauze des Dauerguckers sich anderen Dingen als der Volkszudröhnung gar nicht erst zuwendet. Als geschmackskonditionierter Sondermüllschlucker frisst er das Gepladder in sich hinein, das seine Dompteure unter sich lassen, klaglos und doof.

Natürlich wäre es einfacher, den Dumpfbratzen einfach nur so mit Verbalglutamat die Birne auszuspülen, ohne den Apparat aus Schunkelbedarf und Sülzwarenproduktion – wenngleich mediales Hirnab- und Gleichschalten immerhin den Vorteil birgt, orts- und zeitunabhängig die Beknackten in die Mangel nehmen zu können und ohne Vorlauf die maximale Anzahl neuer Opfer ins System einzuspeisen. Und man bietet mit Hilfe der Medien den Brezelbiegern ein billiges Forum, die sich kein eigenes Podest im Stadtpark leisten können. Das Medium macht die Botschaft – populistische Politiker kotzen sich ihre Hirnschäden erst aus dem Leib, wenn sie eine Kamera erblicken. Eine ganze Talkshowindustrie lebt davon, den Auswurf solcher Popelpriester zu verwerten.

Was noch nicht das Ende der Fahnenstange ist. C-, D- und ähnliche Prominenzen verdanken ihre pure Existenz überhaupt nur dem Umstand, dass jeder Flusenlutscher ungestraft in die Linse lallen darf, was die Synapsen sich zusammenkübeln. Längst solidarisieren sich die Geistesschäden, nicht nur die Macher, auch die Konsumenten und die potenziellen Selbst-Darsteller von Kleiderständer- und Heulbojen-Castingzwangsveranstaltungen krabbeln mit akutem Stockholmsyndrom in die Kapsel, die auf Nullniveau implodiert. Der Zuschauer ist so weit Teil des Ganzen, dass er nicht mehr will als eine Geiselhaft mit menschlichem Antlitz – und vielleicht eines Tages selbst die Chance, wenn schon nicht als Berühmtheit, so doch als Instant-Sternchen einmal über die Mattscheibe zu hüpfen, bis die Rutsche zur Deponie kommt.

Endgültig pervers wird es, wo jugendlicher Mehlsacknachwuchs, bei dem selbst Kant zu der Überzeugung käme, solcherlei Genomexperimente entstünden spontan aus Klärschlamm, sich bei allerlei Gekasper, Geplärr und Geprügel mit Mobiltelefonen aufnehmen, das eigene Bewegtbild wie eine Trophäe herumzeigen und alsbald ins Netz schwiemeln, um als Könige der Behämmerten zu punkten. Der sozialen Sättigungsbeilage ist es wohl schon derart wumpe, ob und vor welcher Kamera sie jodeln, strippen oder Körperverletzung mit Todesfolge begehen, dass die von rechtsdrehenden Law-and-Order-Honks montierten Überwachungs- und Datenanhäufungsautomaten ihnen gerade gut zupasskommen, wenn sie im Suff der Gewalttat frönen. So kehrt sich alles um, der Dummbatz konsumiert sich selbst, indem er sein bisschen Sein der Verwertungsmaschinerie zum Fraß vorwirft, und wundert sich wahrscheinlich noch, wenn die Resonanz seiner Tat ihm nicht als Applaus schmeichelt, sondern ihn von der Bildfläche wischt. Auch der mediale Suizid aus Angst vor sozialem Exitus ist für die neokonservativen Blähboys eine Ebene höher wieder nur Treibstoff, Profilblech zu reden, während sich die Gesellschaft zwischen Schulmassakern, Bandenkriegen und Totalitarismus häuslich einrichtet. Ob wir uns amüsieren, sei mal dahingestellt, aber zu Tode kommen werden wir. Das hätten wir auf der Mammutjagd jedenfalls wesentlich eleganter hingekriegt.





Gernulf Olzheimer kommentiert (XXXIII): Elternprojektionen

13 11 2009
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Früher war nichts komplizierter als die Logik, die dem Leben innewohnt: Väter sterben, Söhne erben, der Betrieb bleibt in der Familie. Das Nötige, das es für den Seifensieder, Schmierbrenner oder Leichenwäscher zu wissen gilt, wird von einer Generation zur nächsten vererbt. Selbst der unterste Rand, der höchstens ab und an als US-Präsident in den Arbeitsmarkt reingereicht wird, überfordert sich nicht mit der billigen Faustregel: wenn Du bei einer Sache zusehen kannst, ohne Dich ernsthaft zu verletzen, dann behaupte, Du habest es sowieso schon gekonnt. Ein Großteil der Nieten im System wird über diesen Selektionsprozess installiert.

Vereinzelt bedroht etwas das Gequirle in der Existenzbrühe; Elektrizität, Relativitätstheorie und Nanotechnologie versuchen mit Innovation die abgestandenen Verhältnisse zum Tanzen zu bringen, doch gelingt ihnen selten mehr, als eine neue Gewerkschaft zu gründen. Fundamentale Sprünge lehnt der Behämmerte kategorisch ab, er lässt sich nicht vom Baum noch aus der Höhle prügeln. Seine Begeisterung für steigende Lebensqualität durch minimale Veränderungen ist eher eingebildet als vorhanden, denn er lehnt Veränderungen, so minimal sie auch sein mögen, ab. Etwaigen Wellen begegnet der geistige Nichtschwimmer mit radikaler Verleugnung, der Inszenierung eines Weltkriegs oder vorzeitigem Gesprächsabbruch.

Doch der Bekloppte wäre nicht bekloppt, besäße er nicht schließlich und endlich die Fähigkeit, vollkommen gegen legitime Ziele wie Arterhaltung, Lebenszeitverlängerung und Wohlstand zu arbeiten und sein Recht auf Frustration, Krieg und seelische Verrohung mit der Kraft der Hohlbirne zu verteidigen. Er entwickelt Ehrgeiz; allerdings wirft er den Nachbrenner erst dann an, wenn er mit der Stirn vor dem benzingetränkten Bretterzaun klebt. Sein Motiv: der Generationskonflikt, aber so, wie er ihn versteht.

Der grauenhafte Prototyp dieses einseitigen Ausstiegs aus der Zivilisation ist die Eislaufmutti; das Gesichtsübungsfeld auf welkfleischigen Rumpfresten lümmelt sich an der Bande zum Kunsteis, riecht penetrant nach billigem Parfüm, kann einen Salchow nicht von einem Wadenkrampf unterscheiden und verleiht dem Begriff der Peinlichkeit eine ungeahnt kategoriale Tiefe, ohne es doch selbst zu begreifen. Mittlerweile hobelt es in runderneuerter Form als Tennisvater über die Kanten des Erträglichen oder schleppt als Stage Mum die überwiegend weibliche Brut in Beauty-, Ballett- und Blödblunzenbewerbungen, obwohl sie selbst bei der Aufnahmeprüfung in den Zoo als Plumplori-Ersatz durchgefallen war.

Fehlgeleitete Gutmenschen, die dreimal im Jahr unbezahlten Urlaub nehmen, um suizidgefährdete Investmentbanker wieder ins Meer zurück zu schleppen, interpretieren diese narzisstische Spielart des Machtanspruchs als reinen Sadismus; statt die Abkömmlinge im Machwahn zu Geigenspiel, Eisschnelllauf, ja Wirtschaftschinesisch zu drängen, könnte man ihnen in einem Anfall von Ehrlichkeit gleich eins in die Fresse zimmern. Dem Hass auf die Jugend wäre Genüge getan, das Kind müsste nicht länger als Stellvertreter der volljährigen Flachbratze seinem Missbrauch als Placebo beiwohnen und leistete durch seine Abwesenheit in der Kompensation klebrigen Selbstmitleids einen erheblichen Beitrag zur seelischen Gesundheit – seiner eigenen, auf die es hier eher ankommt als auf den Synapsenkasper eines Abflussschnorchlers, der einmal zu oft gegen die Kacheln gepaddelt ist. Selbstbetrug atmet die ganze Konstruktion, denn welches Blag würde nach mühevollem Aufstieg am Sportler- und Intellektuellenhimmel konstant mit dem Finger auf den Verursacher zeigen? Damit der Betrieb in der Familie bliebt, wenn Söhne erben, muss Pappi ja erst mal unter die Grasnarbe.

Schmerzhafter noch ist der Alltag, wo die Vollbrezel sich einbildet, die Frucht seiner Lenden gehöre zu den an jeder Straßenecke auftretenden, da weltexklusiven Hochbegabten. In verschwiemelter Rückwärtslogik tritt die Vermutung, der Erzeuger des Stammhalters verfüge über eine Anzahl von Hirnzellen im hohen, fast schon zweistelligen Bereich, schwerpunktmäßig unter egozentrischen Dumpfblähern auf, die den bisherigen Gasaustausch vorwiegend dazu genutzt haben, sich zum Prädikatsdeppen zu machen. Sie gieren nach Anbetung, weil sie selbst eine nicht nennenswert verlaufende Kindheit überlebt haben – und rächen sich für ihre intellektuellen Rasenlöcher an dem Jahrgang, der ihretwegen gar nicht erst ein eigenes Selbstwertgefühl entwickelt. Einen Zeugungsakt später geht die Grütze wieder von vorne los.

Es besteht keine Hoffnung, dass sich etwas ändert; in viehischen Phantasmagorien sieht man, wie der Große Depp durch Traumwälder torkelt, er ist der ontologischste aller Transzendentalbeweise, denn etwas derart Bescheuertes kann sich kein Mensch ausdenken. Er nagt noch einmal am geräucherten Vater, stößt sich gewaltig die Birne und lallt also: „Wenn ich in Rente gehe und Euer Erbe versaufe, dann wird das alles hier einmal Euch gehören!“