Im Namen des Gesetzes

31 10 2016

„Und wenn man es einfach legalisieren würde?“ „Das habe ich Ihnen doch schon lang und breit erklärt. Es geht nicht. Es ist schließlich gesetzlich verboten, das kann man nicht einfach legalisieren.“ „Man kann also eine gesetzliche Regelung nicht aufheben oder verändern, weil es ein Gesetz gibt?“

„Sie haben das nicht richtig verstanden.“ „Das fürchte ich auch. Erklären Sie es mir doch.“ „Eine gesetzliche Regelung ist eben eine Vorschrift.“ „Und die schreibt was vor?“ „Was richtig ist.“ „Verbietet das Gesetz nicht eher, was falsch ist?“ „Auch, aber das ist jetzt schon viel komplizierter.“ „Macht nichts. Erklären Sie es mir trotzdem.“ „Das führt Ihnen zu weit? oder verstehen Sie es einfach nicht?“ „Also bitte, ein Gesetz verbietet Sachen, die nicht in Ordnung sind.“ „Wie braune Socken zu blauen Schuhen.“ „Nein, das haben Sie jetzt nicht ganz richtig verstanden.“ „Wieso nicht? ist das etwa tolerierbar?“ „Nein, aber…“ „Und warum ist es dann nicht verboten?“ „Man kann über Geschmack streiten, aber man kann schlechten Geschmack nicht verbieten.“ „Warum nicht?“ „Schauen Sie, wir leben hier in einem Rechtsstaat.“ „Ich nehme das mal so hin.“ „Da kann man nicht alles verbieten, was dem einen oder anderen nicht passt, da braucht man dann eine…“ „Deshalb verbietet man zum Beispiel nur, was der liebe Gott nicht will.“ „Ich sagte, wir leben in einem Rechtsstaat. In einem säkularen dazu.“ „Ich nehme mal zur Kenntnis, dass Sie das möglicherweise ernst meinen könnten.“

„Natürlich ändert man Gesetze oder denkt sich neue aus.“ „Warum denn?“ „Der Gesetzgeber muss berücksichtigen, dass sich die Lebenswirklichkeit ändert, die Gesellschaft, die Technik, solche Sachen halt.“ „Wenn jemand plötzlich das Beamen erfindet, dann brauchen wir Beam-Gesetze?“ „Ja, und der Gesetzgeber muss dabei vieles berücksichtigen. Wer was wann wie wohin beamen darf. Und ob es fürs Beamen generelle Einschränkungen braucht.“ „Für den Luftverkehr gab es das auch?“ „Ja, für alle technischen Dinge, zivil und militärisch.“ „Also auch fürs Internet.“ „Was soll die Frage jetzt?“

„Warum wurde die Bestrafung der Kuppelei dann abgeschafft?“ „Was hat das mit dem Beamen zu tun?“ „Es war seit 1870 bei Strafe verboten, der Unzucht Vorschub zu leisten. Auch bei Handlungen, die nicht dem Eigennutz dienten, waren bis zu fünf Jahre Zuchthaus dafür vorgesehen.“ „Ja, das war natürlich in der Vergangenheit, die hatten total andere Vorstellungen von Moral und…“ „Das galt bis 1970.“ „Das kam noch aus dem Mittelalter, da haben die…“ „Wie gesagt, 1870 kam der Paragraf ins Strafgesetzbuch.“ „Das waren die Sitten damals. Wir sind natürlich viel weiter.“ „Man konnte ein Gesetz einfach so abschaffen, obwohl es eine gesetzliche Regelung gab?“ „Die Bewertung hatte sich eben geändert. Das kann auch mal sehr schnell passieren, wenn politische Umstände in einem anderen Licht betrachtet werden.“

„Die Kuppelei war also plötzlich nicht mehr verwerflich im Namen des Gesetzes?“ „Es geht hier nicht um den Namen des Gesetzes – das ist ja nur das Vehikel, um im Namen des Volkes Recht zu sprechen.“ „Im Namen des Volkes?“ „Das sagt uns, dass die Rechtsprechung in einem Rechtsstaat nicht in der Luft hängt, sondern durch die Verfassung im Namen des Souveräns agiert.“ „Das Volk ist also der Träger des Rechts und kann entscheiden, was richtig und was falsch ist?“ „Naja, nicht ganz. Es wird durch die Volksvertreter vertreten.“ „Deshalb heißen die ja auch so.“ „Und sie können auch nicht einfach so entscheiden. Sie müssen schon beachten, dass sie ein Rechtsgut schützen.“

„Und so ein Rechtsgut kann jeder Bürger haben?“ „Natürlich.“ „Also mein Fahrrad, richtig?“ „Im Prinzip ja. Wobei, das Rechtsgut ist dann die Tatsache, dass Sie dies Fahrrad besitzen.“ „Mein Fahrrad wird vom Gesetzgeber nicht geschützt?“ „Das Eigentum wird geschützt. Wenn es rostet, ist das Ihr Problem. Aber wenn es gestohlen wird, kümmert der Staat sich darum.“ „Theoretisch.“ „Im Grunde genommen auch praktisch, aber lassen wir das.“ „Und wenn sich mein Nachbar das Fahrrad nimmt, um einen Bankräuber zu schnappen?“ „Das hat notwendigerweise Rechtsfolgen.“ „Aber er darf das?“ „Ja, das Rechtsgut, das er dabei zu schützen hilft, ist höher zu bewerten als der Besitz an Ihrem Fahrrad.“ „Deshalb darf ich auch am Auto, das den Bankräubern als Fluchtwagen dienen soll, die Türschlösser verkleben?“ „Korrekt. Sie haben es wohl doch verstanden.“ „Und der Staat vertritt auch seine Rechtsgüter?“ „Freilich, die sind universal, also werden sie im Interesse der Öffentlichkeit geschützt.“ „Weil der Staat das Volk als seinen Souverän zu schützen hat in der Wahrnehmung des Rechtsfriedens.“ „Donnerwetter, Sie haben ja tatsächlich Ahnung von der Sache! großartig!“ „Und ein Abbau universaler Rechtsgüter, etwa der Eingriff in die öffentliche Sicherheit, ist nur in sehr eng begrenzten Ausnahmen möglich, wobei umgekehrt der Schutz der Sicherheit üblicherweise Vorrang hat, da er zugleich die Individuen vor rechtswidrigen Eingriffen bewahrt.“ „Sie haben doch nicht etwa heimlich juristische Methodenlehre gelernt?“ „Ach was. Ich wollte einfach nur mal verstehen, wie im Rechtsstaat Gesetze gemacht und in der Rechtspflege angewandt werden.“ „Toll, ich bin ganz begeistert von Ihnen!“ „Hm, danke.“ „Nein, wirklich! Ich könnte mich stundenlang mit Ihnen unterhalten, über Rechtsdogmatik zum Beispiel.“ „Gut, dann reden wir doch mal über den Bundesnachrichtendienst.“





Fettgeflüster

6 07 2015

„… über einen sehr komplizierten Code verfügen müsse, da sich Gabriel selten zu konkreten politischen Sachverhalten äußere. Die NSA habe dafür eigens eine Liste anlegen müssen, die eine hohe Geheimhaltungsstufe…“

„… sei dem Vizekanzler die Hose eingerissen. Dies spreche möglicherweise für einen Bruch der Koalition, andererseits sei jedoch auch eine militärische…“

„… habe Gabriel offenbar nur mehrere Stunden lang aus dem Parteivorstand berichtet, um den ihn betreuenden Agenten in eine tiefschlafähnliche…“

„… mehrmals am Vormittag nach Nahles verlangt habe. Keiner habe geahnt, dass es schon so schlimm um den SPD-Vorsitzenden stehe, wenn er sich zu solch verzweifelten…“

„… sowohl mittags als auch nachmittags Pizza liefern lasse, was unter Umständen für eine direkte Verbindung mit der italienischen Regierung, Mario Draghi, der Mafia oder aber allen…“

„… jedoch Entwarnung geben könne. Wirtschaftsminister Gabriel wisse zwar aktuell noch nicht, was genau bei TTIP verhandelt würde, sei aber ein entschiedener Befürworter von…“

„… keine Hinweise auf etwaige politische Instabilitäten. Gabriel lasse sich den Wechselkurs von deutschem und spanischem Euro offenbar nur aus privatem Interesse jeden Tag um halb…“

„… sich von Ziercke nur aus fachlichem Interesse über osteuropäische Einwanderer habe beraten lassen. Laut vorangegangener Analyse könne die Abteilung darauf schließen, dass die neuerliche Verschärfung der Asylgesetze schon vor dem kommenden Wahlkampf eine bedeutende…“

„… habe nichts zu verbergen. Dennoch wolle Gabriel sicherstellen, dass auch seine Frau von der geplanten Vorratsdatenspeicherung sowohl auf ihrem Mobiltelefon als auch im…“

„… nicht das Problem, dass Gabriel jeden Tag seinem Referenten erkläre, was er im Morgenmagazin sagen wolle. Vielmehr weise er ihn auch darauf hin, was in der Öffentlichkeit auf gar keinen Fall…“

„… dass Gabriel befürchte, andere Bundesministerien könnten von der NSA oder anderen Nachrichtendiensten abgehört werden, so dass er dort nicht mehr anrufe. Er sie sich jedoch sicher, selbst nicht unter Überwachung zu stehen, weshalb er die übrigen Ministerien angewiesen habe, bei telefonischen Anfragen gleich seine Nummer zu…“

„… könne der SPD-Chef nicht wissen, was er denke, solange er nicht gehört habe, was er gegenüber BILD und…“

„… lasse sich der Vizekanzler offenbar regelmäßig die Prognosen zur Bundestagswahl kommen, was allerdings auf eine tief greifende Störung der…“

„… die Beschlussvorlage des Paternoster-Gesetzes in einem Punkt zu verändern, wonach aus dem ‚und‘ in Satz drei möglicherweise ein ‚sowie‘ werden könne. Die benachbarten Geheimdienste seien sich nicht sicher, ob dies Gesetz wirklich gebe, ob es von der SPD eingebracht werde und ob diese Partei noch alle Tassen im…“

„… spätestens um halb drei die erste Kuchenlieferung im Wirtschaftsministerium eintreffe, die zu deutlichen Sprachschwierigkeiten führe, was in der zuständigen Abteilung schon als ‚Fettgeflüster‘ zum geflügelten…“

„… nur über die Verbindungsdaten verfüge, jedoch nicht über genau Gesprächsinhalte, zumindest nicht über eine genaue Aufschlüsselung, welcher Gesprächsteilnehmer wann was geäußert habe, abgesehen von den Mitschnitten der…“

„… an der Zurechnungsfähigkeit Gabriels gezweifelt werden dürfe. Die NSA habe sich täglich mehrmals anhören müssen, dass deutsche Geheimdienste die Berliner Regierung auf gar keinen Fall…“

„… zweimal an einem Vormittag komplett widersprüchliche Aussagen zu Bundeskanzlerin Angela Merkel getätigt habe. Die Arbeitsgruppe habe dies als Zeichen der politischen Normalität in der sozialdemokratischen…“

„… als sichere Kommunikation bezeichnet habe, da die Leitung zuvor persönlich vom BND geprüft worden sei. Der SPD-Chef wolle daher mit Edathy ausschließlich über das Festnetz…“

„… ob sich Gabriel bereits in ärztlicher Behandlung befinde. Er habe in mehreren Telefonaten Wirtschaftsspionage durch ausländische Geheimdienste für technisch nicht…“

„… inzwischen dem BND erzähle, was er im NSA-Untersuchungssausschuss gefragt werden wolle. Leider reiche die Zeit der Befragungen nicht, Gabriels Auftritte hinreichend ausführlich zu…“

„… hin und wieder über Wirtschaftspolitik spreche. Der Code habe noch nicht entschlüsselt werden können, sicher sei derzeit nur, dass es sich keineswegs um eine Klartextbotschaft oder ein…“

„… zu einem Griechenlandurlaub aufbreche. Dies könne nur als störende Intervention in die außenpolitische Kompetenz der Kanzlerin…“





Dichtung und Wahrheit

4 06 2015

„Merkel lügt eben nicht.“ „Aber sie hat nicht die Wahrheit gesagt.“ „Ich kann das nicht beurteilen, deshalb werde ich Ihnen auf keinen Fall widersprechen, nur: Merkel lügt nicht.“ „Sie äußert in einem fort Sachen, die nicht der Wirklichkeit entsprechen.“ „Wenn Sie das so sehen, dann ist der Papst ein Lügner, aber doch nicht Merkel.“ „Sie gibt Dinge von sich, die schlicht und ergreifend…“ „Das mag sein, aber sie lügt eben nicht.“

„Ich will jetzt gar nicht ins Detail gehen, aber Sie wissen doch selbst, dass das mit der NSA und dem No-Spy-Abkommen alles bloß Quatsch war.“ „Klar.“ „Sie geben das also zu?“ „Wieso sollte ich nicht? Kann ich mir etwas davon kaufen, dass ich das leugne?“ „Dann werden Sie auch zugeben müssen, dass…“ „Ich muss gar nichts.“ „Aber es ist doch…“ „Schließlich bin ich nicht Merkel.“ „Dann steht aber Ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit…“ „Eben, es ist nicht die Wirklichkeit, sondern nur die Wahrnehmung. Also Ihre.“ „Aber…“ „Noch genauer, es ist Ihre von meiner Wahrnehmung der Wirklichkeit, damit muss sich eine Bundeskanzlerin nun echt nicht mehr befassen.“ „Weil ich Sie als Kritiker im…“ „Ach was, Sie sind nur ein Bürger.“ „Hallo!? als Bürger bin ich hier ja wohl der Souverän und kann…“ „Welches Wort von Schnauze war jetzt noch mal zu kompliziert?“

„Wir fassen zusammen: Merkel hat gelogen.“ „Ihre Meinung.“ „Eben, und…“ „… und Sie werden schon sehen, was Sie davon haben. Bald gibt’s ja wieder eine ordentliche Datenspeicherung auf Vorrat, da kriegen wir jemanden wie Sie schon beseitigt.“ „Habe ich’s doch gewusst! Sie wollen damit die Bürgerrechte abschaffen!“ „Wir haben das nie bestritten. Wir sind ja nicht Merkel.“

„Merkel hat gelogen, und es gibt immer mehr Beweise dafür.“ „Jetzt machen Sie sich mal locker. Der Kanzleramtsminister hat da so Sachen erzählt.“ „Und dem glauben Sie natürlich.“ „Wie komme ich dazu? der ist schließlich auch in einer dieser Regierungsparteien.“ „Das heißt, Sie glauben der Regierung nicht?“ „Sollte ich? Die haben ja einen Grund, die Bevölkerung mit ihren Lügen einzuwickeln.“ „Und wie wollen Sie dann der Bundeskanzlerin glauben?“ „Weil sie nicht lügt. Das leuchtet doch ein.“ „Es gibt hier genug Anzeichen, dass auch die US-Regierung…“ „Und denen glauben Sie? Meine Güte, wachen Sie auf!“ „Warum sollte ich denen nicht…“ „Hallo!? die spionieren uns aus! Lesen Sie etwa keine Zeitung mehr?“ „Was zum…“ „Das ist doch das Gesprächsthema überhaupt – haben Sie sich etwa aus der öffentlichen Debatte vollkommen ausgeklinkt?“ „Sie wollen mir doch jetzt nicht erzählen, dass Sie die NSA-Schnüffelei bemerkt haben und trotzdem…“ „Aber nein, ich habe da ein absolut klare Urteil gefällt. Die US-Behörden befinden sich klar im Unrecht.“ „Dann bin ich ja beruhigt, Deutschland wird nie wieder Leid geschehen.“ „Die US-Behörden befinden sich ganz klar im Unrecht. Deshalb werden wir denen wegen ihrer Grundrechtsverstöße auch keinen Glauben mehr schenken und sie nicht mehr länger unterstützen.“ „Hä!?“ „Wenn die behaupten, Merkel habe angeblich nie eine Antwort auf ihren Wunsch nach einem No-Spy-Abkommen erhalten oder aber nur Schweigen, dann werden wird das einfach nicht glauben. Das würde sich doch ein wirtschaftlich und geopolitisch schwer in Unordnung geratenes Euro-Land nie…“ „Die USA haben immer noch den Dollar.“ „Was? na, ich bin meiner Zeit eben weit voraus. Dann haben die erst recht gelogen. Und daraus folgt natürlich glasklar, dass Merkel immer die Wahrheit gesagt haben muss.“

„Haben Sie sich schon mal gefragt, was die grüne Tinte auf den Akten bedeutet?“ „Auf den Akten, die die Kanzlerin zum Lesen bekommen hat? Aber selbstverständlich.“ „Merkel hat die Akten demnach gelesen und abgezeichnet.“ „Das lässt sich nicht bestreiten.“ „Und dennoch bestreitet der Pressefuzzi…“ „Regierungssprecher. Im Westen heißt das Mietmaul Regierungssprecher.“ „Da bin ich ja noch mal beruhigt. Dann bestreitet der Regierungssprecher eben, dass die Kanzlerin…“ „Auf die Gefahr hin, dass Sie mich nicht ernst nehmen: haben Sie schon einmal einen Gedanken daran verschwendet, dass der Mann lügen könnte?“ „Warum sollte er?“ „Ach, aus den verschiedensten Gründen. Manche wollen soziales Prestige, manche haben Angst vor sich selbst, bei manchen ist es einfach kreative Realitätsgestaltung.“ „Lassen Sie diese Späßchen! Warum sollte der Regierungssprecher die Öffentlichkeit belügen?“ „Sagen Sie’s mir. Vielleicht ist der Mann ja sozialversicherungspflichtig beschäftigt und das gehört seinen Aufgaben.“ „Aber das rechtfertigt noch lange nicht, dass die Kanzlerin die Unwahrheit erzählt.“ „Tut sie ja gar nicht. Sie hat dafür schließlich ihren Pressefuzzi.“

„Die USA wollten die sicherheitspolitischen Bedenken der Bundesregierung nicht einmal anhören, und dank der Kommunikationslinie der amerikanischen Regierung hat die Bundeskanzlerin uns in massiven Misskredit gebracht. Sie hat uns wie die letzten Knalldeppen dastehen lassen, die sich alles gefallen lassen.“ „Hm, ja. Kann man durchaus so gelten lassen. Aber wo hat Merkel da gelogen?“





Nachweislich falsch

27 05 2015

„Also hat sie gelogen?“ „Das würde ich so nicht sagen.“ „Wie denn dann? Sie hat die Unwahrheit gesagt.“ „Aber ganz sicher nicht bewusst.“ „Sie hat erfahren, dass sie von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist, und hat dennoch…“ „Aber sie hat sicher nicht mitgekriegt, dass sie gar nicht weiß, was sie da sagt. Deshalb wird sie auch nicht gelogen haben.“ „Sie hat in der Öffentlichkeit etwas gesagt, das nachweislich nicht der Wahrheit entsprach.“ „Welcher Wahrheit denn? Sehen Sie, jetzt wissen Sie auch nicht weiter. So schnell kriegen Sie die Kanzlerin nicht weg.“

„Halten wir fest, sie wusste, dass es kein Abkommen mit den USA gab.“ „Das müssen Sie beweisen.“ „Es lag ihr schriftlich vor.“ „Dann muss sie es doch noch lange nicht gelesen haben.“ „Ich erwarte von einer Bundeskanzlerin aber, dass sie es liest!“ „Sehen Sie, ich erwarte von ihr, dass sie ansatzweise etwas von dem kapiert, worüber sie spricht, und ansonsten ihre dumme Fresse hält. Und, nützt es etwa was?“ „Sie muss doch, wenn sie einen Aktenvermerk hinterlässt, dass sie es gelesen hat, auch…“ „Hat sie denn den Aktenvermerk selbst hinterlassen?“ „Nein, aber…“ „Dann hat sie möglicherweise auch nicht gelogen.“ „Ich will nicht wissen, ob es möglicherweise nicht war, ich will davon ausgehen können, dass diese verdammte Kanzlette nicht lügt!“ „Können Sie doch. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.“ „Sie meinen, die überlebt?“ „Ja, freilich. Und irgendwann, wenn Sie lange genug warten, dann kratzt sie natürlich auch ab.“

„Ich frage es noch mal: hat diese Kanzlerin gelogen?“ „Da dürfen Sie mich nicht fragen. Das ist eine Frage von so hoher politischer Moral, das wird in einer christlichen Partei nie so einfach zu beurteilen sein.“ „Aber gerade da sollte man dann doch…“ „In einer gottgläubigen politischen Vereinigung kann man auch davon ausgehen, dass sie alles getan hat, was die USA von ihr verlangt haben.“ „Also hat sie gelogen, weil man es von ihr verlangt hat.“ „Das können Sie nicht nachweisen. Sie können nicht nachweisen, dass irgendjemand von ihr zu lügen verlangt hätte.“ „Aber sie hat gelogen.“ „Das können Sie auch nicht nachweisen, es sei denn, sie können nachweisen, dass sie von den USA gezwungen worden wäre, aber da Sie das nicht nachweisen können, hat sie auch nicht gelogen.“ „Fakt ist doch aber, dass alle, die bisher gelogen haben…“ „Erschreckend, nicht wahr? in diesem Umfeld muss sie als Kanzlerin wirken!“ „… genau dasselbe gesagt haben wie sie, und daher muss sie gelogen haben.“ „Vielleicht hat sie es den anderen einfach nur geglaubt und aus reiner Nächstenliebe…“ „Das glauben Sie doch selbst nicht!“ „Immerhin ist das eine Frage von hoher politischer Moral, das wird in einer christlichen Partei nie so einfach zu beurteilen sein.“

„Aber Westerwelle hat doch auch gelogen.“ „Da haben Sie natürlich recht. Ganz infam, das. Ganz und gar niederträchtig.“ „Dann muss doch die Kanzlerin auch gelogen haben.“ „Haben Sie einen zwingenden Beweis für Ihre Schlussfolgerung?“ „Wenn der Außenminister ganz klar aussagt, dass der amerikanische Kollege überhaupt nicht daran denkt, Deutschland nicht auszuspionieren, dann muss sie das doch glauben.“ „Hand aufs Herz: wenn Westerwelle vor Ihnen steht und in einem seiner hysterischen Anfälle erzählt, dass er Gott erfunden hat, hören Sie ihm dann noch zu?“ „Nein, aber…“ „Und warum sollte sich die Kanzlerin anhören, was diese bildungsferne Lobbyistenpuppe von sich gibt?“ „Also hat Westerwelle gelogen?“ „Selbstverständlich. Das war doch von ihm zu erwarten.“ „Und Merkel wusste das?“ „Sie hat ihn schließlich als Auswärtskasperle angestellt.“ „Sie wusste das also?“ „Und sie wollte auch die FDP von der Backe kriegen.“ „Noch mal: sie wusste es also!?“ „Klar wusste sie, dass Westerwelle nur Müll von sich gibt. Aber dafür können Sie doch nicht die Kanzlerin verantwortlich machen, wenn die FDP nur einen drittklassigen Schaumschläger als Parteivorsitzenden ins Rennen schickt.“

„Sie hat gelogen.“ „Die Regierung der USA hatte offenbar nicht vor, das zu tun, was der Innenminister und der Kanzleramtsminister und…“ „Jetzt ist also auf einmal Pofalla schuld!?“ „Der hat das doch sowieso als erstes für beendet erklärt.“ „Aber das war doch auch gelogen!“ „Sehen Sie, man kann nicht vorsichtig genug sein.“ „Und die Kanzlerin hat das geglaubt!“ „Ich sage ja, in diesem Umfeld ist es schwierig.“ „Sie hat denen also alles geglaubt, und dann hat sie gesagt, was die gesagt haben, und das soll ich glauben?“ „Keiner zwingt Sie. Sie sind ja schließlich nicht die Kanzlerin.“ „Verdammt noch mal, die Kanzlerin plappert alles nach, was alle nachplappern, und alles ist Lüge, und sie lässt sich dabei erwischen!“ „Das klingt alles nicht sehr plausibel, aber das muss es ja auch nicht, weil Sie es nicht beweisen können.“ „Das war alles gelogen, und zwar mit Absicht!“ „Nein, das glaube ich nicht.“ „Das wird der Kanzlerin vom Geheimdienst diktiert!“ „Ich bitte Sie, das glauben Sie doch selbst nicht.“ „Und der kriegt seine Befehle aus den USA!“ „Meine Güte, jetzt regen Sie sich mal wieder ab.“ „Und wissen Sie, wer hinter dieser ganzen Verschwörung steckt?“ „Hm, nein. Da müsste ich lügen.“





Rückgrat

19 05 2015

„Auf gar keinen Fall! Absolut negativ: nein! Da werde ich als Vorsitzender der Sozialdemokraten wohl noch ein Wörtchen mitzureden haben. Wenn uns diese Dame dumm kommt, dann werde ich ihr aber mal zeigen, wer hier der Vizekanzler ist! Ohne uns kann sie sich ihre Koalition nämlich in die Haare schmieren, klar!?

Wir werden der Kanzlerin schon zeigen, wo hier der Hammer hängt. Die wird sich nicht mit ihren billigen Erklärungen aus der Affäre stehlen, diesmal nicht! Wenn sie die Selektorenliste nicht herausgibt, dann werden wir dagegen protestieren, bis sie es tut! und sogar noch viel länger!

Jetzt wird der Union nämlich dieser riesengroße Stimmenzugewinn bei der letzten Bundestagswahl auf die Füße fallen, verstehen Sie? So, wie die CDU jetzt unterwegs ist, so wird sie scheitern. Scheitern, jawohl! Das ist mein voller Ernst, und als Regierung hat sie dieser riesengroßen… also gut, es gibt noch eine Opposition, aber das ist auch eine sehr große! Die geht bis weit über die Grenzen des Bundestages hinweg, und wenn ich mich nicht täusche, ist da auch die Bevölkerung vertreten. Und die werden alle zusammen dafür sorgen, dass diese Kanzlerin sich entweder an Recht und Gesetz hält, oder die Opposition wird sie einfach aus dem Amt entfernen! Das ist doch wohl klar!?

Wir werden jetzt dieser Bundeskanzlerin nämlich mal Rückgrat zeigen! Gut, muss ja nicht gleich meins sein. Wir sind weder unmündig noch Befehlsempfänger. Also eher so eine Art subalterne Stempelbeamten, die genau dann tätig werden, wenn sie gelassen werden dürfen sind. Und das müssen wir nämlich unseren amerikanischen Freunden, zu denen wir weiterhin in einer historisch überdauernden Freundschaft stehen, auch mal ganz unmissverständlich zeigen. Aber die Kanzlerin wird das nicht tun, davon sind wir fest überzeugt. Ganz fest! Wenn ich sie wäre, ich hätte mir da jedenfalls schon mal das vollste Vertrauen –

Das werden wir so nicht lösen können, und es gibt ein kleines Problem. Wir könnten die Koalition jetzt auflösen, und das wäre ganz gut. Die SPD befindet sich auf einem Punkt deutlich oberhalb von fünf Prozent, und das heißt, ich muss nie mehr arbeiten. Pardon, ich pflege nicht für den Bodensatz zu sprechen, ich meinte: ich muss nie mehr arbeiten. Das Problem ist doch eher, dass die Partei danach einen Kandidaten finden muss, der nicht ich ist. Wer will schon so massiv aufs Maul kriegen und danach Oppositionsführer werden?

Das ist ja das Problem, verstehen Sie? Die Kanzlerin muss das, was sie da versprochen hat, auch durchziehen. Dass sie das nicht tut, ist doch außerhalb jeglicher Diskussion. Und Sie wissen so gut wie ich, dass dieses Ausgesitze keine Lösung bringt. Wir müssen uns da schon ein bisschen anstrengen, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen.

Natürlich spielen wir mit antiamerikanischen Ressentiments. Dieses antirussische Gefasel von der Kanzlerin hält doch auf die Dauer auch keiner im Kopf aus. Natürlich kennen wir die derzeitige terroristische Bedrohungslage, klar. Aber dass die von den Amerikanern ausgeht, war uns bisher auch neu. Oder wissen Sie da Genaueres?

Wir sind ja nun nicht besonders glücklich, dass das Bundesverfassungsgericht diese Liste einfordern könnte, aber was sollen wir machen? Die SPD ist eine sturmerprobte Partei, die wird zur Not auch das Grundgesetz anerkennen.

Die können jetzt gerne die Ermittlungen behindern, ich habe da überhaupt kein Problem. Dann müssen wir das nämlich nicht mehr tun.

Man könnte sich ja so einigen: die Kanzlerin gibt die Liste nach ihrer Amtszeit heraus – nach welcher, das muss man dann im Einzelfall abklären – und bis dahin sind wir auch für das Freihandelsabkommen, weil wir uns keine antiamerikanischen Ressentiments mehr nachsagen lassen wollen. Okay? Wir würden das natürlich ohne diese Liste machen, aber verstehen Sie mich nicht falsch, der Wähler muss es doch für auch für glaubwürdig halten. Der Bürger verlangt doch in erster Linie Geschlossenheit von so einer Koalition, oder? Ständig diskutieren, was man machen sollte, um diese ganzen schwierigen Probleme zu lösen, das können die Leute doch selbst. Die wollen, dass alle sich Gedanken gemacht haben. Dass einer mal nachdenkt, das geht doch nun wirklich nicht!

Vor allem keine Neuwahlen jetzt, das sollte in einem geordneten Prozess vonstatten gehen. Die fünf Prozent in allen Ehren, aber Sie wissen ja: man soll nichts beschreien. Wenn plötzlich alle Fakten auf dem Tisch liegen, also die, von denen wir gehofft hatten, dass sie nie auf dem Tisch liegen, und die, von denen wir meinten, es seien sowieso keine Fakten, dann müssten wir wirklich mal sehen, ob wir uns da nicht intern einigen könnten. Die Kanzlerin kommt weg, das kriegen wir schon hin, und dann sollten wir uns über eine längerfristige strategische Partnerschaft unterhalten. Sobald Sie Kanzlerin sind, Frau von der Leyen. Sie vergessen uns doch nicht?“





Kleinstkaliber

29 04 2015

„Machen Sie sich keine Sorgen, der Flug wird über die Ukraine gehen und planmäßig nördlich von Charkiw abstürzen. Keine Überlebenden. Das wird die billigste Methode, wenn Sie bedenken, dass Sie Steinmeier sonst irgendwann als Bundespräsidenten am Hals haben könnten, Frau Merkel.

Sie werden sich treu bleiben, das weiß ich genau. Lückenlose Aufklärung. Absolut lücken- und alternativlos, wie ich Sie kenne. Und am Ende steht wenigstens fest, Sie haben von nichts gewusst, Deutschland geht es so gut wie nie zuvor in der Geschichte, weil wir alle über unsere Verhältnisse gelebt haben, und deshalb müssen Sie unseren Gürtel enger schnallen, damit wir Ihre gemeinsame Lösung überleben.

Nein, Frau Merkel. Keine Schuldzuweisungen. Wenn Ihre ganzen Minister jetzt Stück für Stück zurücktreten und noch einmal in aller Deutlichkeit betonen, dass sie alle vollkommen unschuldig sind und zurückkommen werden, dann bleibt das wieder an Ihnen hängen. Das ist doch das bisschen Abhörerei auch wieder nicht wert, oder? Sehen Sie. Und jetzt bloß nicht wieder vollstes Vertrauen heucheln, ja? So viele Doktorarbeiten können Ihre Pappnasen gar nicht nachgemacht haben, wie das rechtfertigen würde!

Irgendwas Jauche. Pofalla stolpert versehentlich in eine Jauchegrube. Dann können Sie ihn einfach für beendet erklären. Das macht am wenigsten Ärger, vor allem müssen Sie Ihren Parteifreunden nicht erklären, wie er da hineingeraten ist. Sagen Sie einfach, er ist bei dem verstorben, was er am liebsten getan hat. Jeder glaubt Ihnen aufs Wort.

Das ist nämlich eine äußerst schwierige Sache, dass die Deutschen hier mit einer vollkommen neuen Eigenschaft konfrontiert werden müssten: mit einer differenzierenden Kanzlerin, Frau Merkel. Das geht nicht gut. Die würden merken, dass Sie auf einmal das eine sagen und das andere tun. Gut, Sie machen eh nichts anderes, aber nur mal rein theoretisch, das fiele jetzt jemandem auch noch auf. Unangenehm? Ja, ist nett ausgedrückt.

Alternativ könnten Sie einen von den neuen Dienstwagen ausprobieren. Diese ferngesteuerten von der NSA. Steinmeier nimmt ja häufiger mal die Autobahn. Oder Sie schenken ihm einen Fallschirmsprung zum Geburtstag. Obwohl ich die Variante für Westerwelle viel hübscher fände.

Auf die Gefahr, dass es Sie überrascht – Sie könnten ausnahmsweise mal die Richtlinien der Politik bestimmen, Frau Merkel. Offiziell können Sie ja behaupten, dass Sie Schaden vom deutschen Volk abwenden wollen. Da werden zwar einige Ihren Rücktritt erwarten, aber ein bissel Schwund ist halt immer. Machen Sie sich keine Sorgen, das wird. Auch wenn’s nicht so wird, wie Sie wollen.

Glauben Sie mir, Frau Merkel, einmal hart durchgreifen ist besser als dieses ständige Taktieren. Sie sehen das ja an Kohl: einmal nicht aufgepasst, dann fällt einem das ganze politische Programm der Regierungszeit auf die Füße und ruiniert das historische Nachleben. Und Sie wollen doch sicher nur für die Sachen in die Geschichte eingehen, für die Sie nichts konnten. Es ist wirklich besser so. Räumen Sie jetzt einmal auf, dann wird man vielleicht den Resten Ihrer Partei eine Art Kollektivschuld zugestehen, aber über Sie wird man sagen, Sie hätten keine Ahnung gehabt, was in Deutschland passiert. Für einen Altnazi wären das sechs Richtige mit Zusatzzahl.

Friedrich lassen Sie versehentlich Ihr Handy fressen. Der Mann schluckt ja alles, wenn man ihm erzählt, dass es von den Amerikanern kommt. Und fen BND räumen Sie am besten mit Salmonellen aus dem Weg. Die sind derart betriebsblind, die schlucken alles, was man ihnen vorsetzt. Alternativ können Sie ein paar von ihnen ertränken, falls Sie mal wieder einen Keller fluten lassen.

Und wenn Sie bei der Gelegenheit gleich die SPD mit entsorgen wollen, Frau Merkel – mir fällt keiner ein, der Ihnen im Weg stehen würde. Vielleicht gerade eben noch die SPD, aber da steht sie sonst ja auch.

Seien sie doch mal kreativ, Frau Merkel. Fällt Ihnen sonst gar nichts mehr ein? Altmaier? Herzinfarkt durch Maulsperre. Hat versucht, Gabriel in einem Stück zu fressen. Schindler? Wird vom Eurocopter geköpft. Oder kommt in die Quere, wenn von der Leyen ihre neue Knarre einschießt. Lassen Sie sich mal was einfallen. Die Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder.

Uhrlau können Sie gegen ein paar Palästinenser austauschen. In Einzelteilen.

Und vergessen Sie Ihr Hündchen nicht. De Maizière verdient schon eine besondere Behandlung. Lassen Sie ihn die Knarre auswählen, aus der sich beim Reinigen mehrere Schüsse lösen. Unter strengster parlamentarischer Kontrolle. Wir leben doch in einem Rechtsstaat, oder?“





Untergrundrauschen

27 04 2015

„Achtzig? das glaube ich einfach nicht!“ „Doch, wir haben es schriftlich. Und sie hat es bis heute durchgehalten. Trotz Koalitionsverhandlungen ohne Alkohol.“ „Ich kann mir das nicht vorstellen – achtzig Punkte? So viel frisst doch kein Mensch, und dann erst recht keiner, der abnehmen will.“ „Wenn Sie mir nicht glauben, drucken Sie sich die Mails von Andrea Nahles halt selber aus.“

„Ist das hier der Eingang von diesem Monat?“ „Nein, das sind die letzten zehn Minuten.“ „Aber das kann doch keiner lesen.“ „Naja, Sie vielleicht nicht, aber wir schon. Wir wissen nämlich, wo wir suchen müssen.“ „Und dann muss man trotzdem alle Bundesbürger…“ „Seien Sie doch nicht so naiv. Wenn Sie rausfinden wollen, mit wem Ihre Tochter heimlich telefoniert, schleichen Sie sich auch nicht heimlich in den Keller, wenn Sie einen Verdacht haben. Da besorgt man sich einen Einzelverbindungsnachweis, und fertig ist die Laube.“ „Und das ist legal?“ „Noch nicht, aber die SPD muss noch zwei bis drei Mal umfallen. Dann sieht es wenigstens legal aus.“

„Das ist jetzt also alles alphabetisch geordnet. Was bedeuten diese bunten Fähnchen?“ „Das sind markierte Personen.“ „Ach was.“ „Markierte Personen halt. Mehr darf ich Ihnen nicht verraten.“ „Terroristen?“ „Seit wann ist denn de Maizière… okay, das könnte sogar angehen. Aber das ist hier wirklich nur ein Zufall.“ „Also sind das Personen von größerem Interesse.“ „Kann man so sagen, ja.“ „Für die Bundesregierung?“ „Ja, so kann man das auch sagen.“ „Aber seit wann interessiert sich die Bundesregierung denn für einen Bundesminister?“ „Haben Sie schon mal gesehen, dass sich die Bundesregierung für etwas anderes interessiert als sich selbst?“ „Sie, keine rhetorischen Tricks! Ich will wissen, was hier gespielt wird!“ „Naja, wir haben diese Leute nun mal im Visier. Das sind die Personen von besonderem Interesse.“ „Ach, und da kriegt man dann beispielsweise raus, wer von denen Hochverrat plant oder Drogen nimmt?“ „Drogen sind die gelben Fähnchen.“ „Das heißt also, dass alle, die – was, der!?“ „Sonst wäre da ja kein gelbes Fähnchen. Wir haben den kompletten SMS-Verkehr mit seinem Dealer.“ „Meine Güte, der ist doch als Spitzenpolitiker komplett untragbar!“ „Meinen Sie, als Parteichef ginge das gerade noch so durch?“ „Ob er seine Partei an die Wand fährt, ist mit ehrlich gesagt egal, aber der sitzt im Bundestag und entscheidet über unsere Gesetze!“ „Sie gehen also davon aus, dass er seine Entscheidungen nur nach seinem Gewissen trifft?“ „Natürlich nicht, wozu haben wir Fraktionszwang.“ „Und Sie glauben, die Fraktion kann entscheiden, was sie will?“

„Das ist ja wirklich unglaublich. Diese vielen Fähnchen – da hat quasi jeder Dreck am Stecken.“ „Eben, und da nur der nichts zu befürchten hat, der mehr zu verbergen hätte als alle anderen, gleicht sich das auch wieder sehr schön aus.“ „Was ist das da für ein Fähnchen?“ „Können Sie sich wohl denken. Das sind die IP-Adressen von Edathy.“ „Und die beiden da haben auch…“ „Das kommt eben in allen Parteien vor.“

„Und was ist mit der Wirtschaft?“ „Sie haben sich sicherlich gefragt, warum jetzt Piëch gehen muss, obwohl er eigentlich Winterkorn weghaben wollte.“ „Ja sicher.“ „Sehen Sie, auch darauf gibt es eine ganz plausible Antwort.“ „Und die wäre?“ „Sagen Sie mal, sind Sie Industriespion? Der Mann war eben wegen gewisser Eigenheiten für einen großen Konzern nicht mehr tragbar.“ „Der säuft auch?“ „Glauben Sie mir, die schmeißen inzwischen eher einen raus, der nicht säuft.“

„Sagen Sie mal, Sie sind doch ein Geheimdienst, oder?“ „Lässt sich nicht leugnen.“ „Warum sind dann Sie für die deutschen Politiker zuständig und nicht der Verfassungsschutz?“ „Wir sind die Guten, verstehen Sie? Außerdem werden vom Inlandsgeheimdienst nur Parteien beschattet, die unser politisches System verändern wollen.“ „Also die NPD?“ „Das ist eine Unterorganisation des Verfassungsschutzes, da gibt’s nicht viel zu beschatten.“ „Die Linken also.“ „Richtig. Und da müssen auch alle Kräfte in Vollzeit arbeiten, um denen Verfassungsfeindlichkeit nachzuweisen.“ „Deshalb machen Sie das mit den anderen.“ „Richtig. Und als Auslandsgeheimdienst haben wir einen viel objektiveren Blick auf die Regierung.“

„Jetzt wüsste ich aber gerne noch, warum Sie damals die Kanzlerin informiert haben.“ „Wissen Sie doch, das war alles eine technische Panne. Unser Abteilungsleiter hatte die vielen kriminellen Regierungsmitglieder auf dem Schirm, und dann hat er Befehl gegeben, es dem BKA zu melden. Naja, Bundeskriminalamt, Bundeskanzleramt, so groß war der Unterschied nicht.“ „Und seitdem filtern Sie das alles aus und melden es ins Kanzleramt?“ „Ist doch viel praktischer, als wenn die es erst von den Amerikanern erfahren, oder?“ „Stimmt auch wieder. Aber eins habe ich noch nicht verstanden. Das ist doch Geheimnisverrat, oder?“ „Ja sicher.“ „Und wieso ist da die Kanzlerin noch nicht eingeschritten? Ich meine, hallo – Sie machen ihr doch die ganze Regierung kaputt!?“ „Jetzt machen Sie mal halblang. Ohne unseren Nachrichtendienst kriegt die Kanzlerin doch den Rest der Regierung gar nicht mehr vom Hals.“





Bundesgrenzschutz

20 10 2014

„Aber natürlich nicht, Herr Altmaier. Sie sind ein Staatsfeind. Und als solcher werden Sie nicht die Bundesrepublik Deutschland verlassen. Es sei denn, Sie möchten gerne spektakulär ableben. Kann man ja nicht wissen.

Aber wie gesagt, auch das nur diesseits unserer Grenzen. Sie müssen also nicht erst nach Syrien, um eine Kugel in den Kopf zu kriegen. Unsere Grenzen sind ab jetzt sicher, so sicher war nicht einmal die Rente. Und gleich als freundlichen Hinweis an Sie und Ihre Kollegen, das mit der Fußfessel können Sie knicken. Noch mal machen wir den Fehler nicht.

Behinderung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, Herr Altmaier. Nötigung. Sie sollten vielleicht ab und an mal die Urteile des Bundesverfassungsgerichts lesen. Im Gegensatz zu Ermittlungsbehörden besitzen Sie keine Narrenfreiheit. Noch nicht. Aber so ist das halt mit dem Terrorismus, Herr Altmaier. Einmal in der Staatsrechtsvorlesung nicht aufgepasst, und schwupps! ist man ein Feind der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Aber Sie haben Glück. Im Gegensatz zu anderen, die der Staat für Verfassungsfeinde hält, teilen wir es Ihnen wenigstens vorher mit.

Doch, Herr Altmaier, das ist wohl die richtige Reihenfolge. Erst denken wir uns eine Strafe aus, egal, ob sie verfassungskonform ist, und dann definieren wir uns irgendeinen Straftatbestand. Wehrkraftzersetzung, Rassenschande, wen kümmert das. Sie kennen die Reihenfolge doch zur Genüge. Seien Sie froh, wenn Sie niemand aus dem Amt kegeln will und Ihre Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung entdeckt.

Ich bitte Sie, Herr Altmaier. Was wollen Sie denn im Ausland? Wollen Sie bei der Regierung der Vereinigten Staaten nachfragen, ob einer Ihrer zahlreichen Innenminister etwas bei der NSA hat liegen lassen? Das ist doch gar nicht Ihr Zuständigkeitsbereich, Herr Altmaier. Ihrer zeichnet sich doch gerade dadurch aus, dass er gar nicht existiert. Natürlich bleibt es nicht bei Ihnen. Was glauben sie denn, wer sie sind? dass wir für jeden Idioten ein eigenes Gesetz machen? Der Rest der ganzen Blase bleibt jetzt eben auch hübsch zu Hause. Wird etwas unangenehm für den Kollegen Steinmeier, aber da muss er durch. Mitgefangen, mitgehangen.

Das ist doch das Schöne an der Prävention. Wir wissen nicht, was kommt, jeder darf irgendeine dümmliche Horrorvorstellung entwickeln, irgendein Minister sondert in der Presse Sachen ab, die gar nicht realisierbar sind – nehmen Sie das persönlich? gut, dann nehmen Sie das gerne persönlich – und dann werden für teuer Geld sinnlose symbolische Aktionen getätigt. Lebensmittelampel, Netzsperren, Glühlampenverbot, im Flugzeug darf man nur noch in Beton gegossene Zahnpasta mitführen, und dann stellen wir plötzlich fest, dass sich irgendwelche westafrikanischen Viren nicht ans Haustürwiderrufsgesetz halten. Aber daran sind dann ja die Arbeitslosen schuld oder Frauen in Führungspositionen.

Wir machen das rein präventiv, Herr Altmaier. Da wir nicht wissen, was Sie im Ausland alles so anstellen würden, und da wir andererseits auch eine ungefähre Vorstellung davon haben, wozu Sie in der Lage sind – meckern Sie nicht, Sie sind Teil der Bundesregierung und haben sich von dieser noch nicht ein einziges Mal distanziert, und was für muslimische Staatsbürger recht ist, wird doch für Sie auch nur billig sein, oder? – lassen wir Sie einfach nicht mehr ins Ausland. Wir haben das einfach so gemacht wie sie: irgendein Depp mit den Resten eines juristischen Staatsexamens zählt sich an den Knöpfen seiner Strickweste die Begründung ab, und dann beschließen wir etwas, was sich als Schlagzeile gut macht am Stammtisch. Lagerhaft für Flüchtlinge, Fußfessel für Muslime, Asylanten in Privathaushalten. Wir tun doch etwas gegen die Politikverdrossenheit, Herr Altmaier. Wenn wir damit die Bevölkerung erreichen, dann haben wir endlich wieder ein echtes Interesse an der Politik in diesem Land. Gut, nicht unbedingt für Ihre Partei. Aber das werden Sie als lupenreiner Demokrat sicher verschmerzen.

Es könnte natürlich passieren, dass Sie leichte Schwierigkeiten bekommen. Sagen wir mal so: den Alltagsrassismus, den die Bundesregierung, so entschieden bestreitet, den kriegen Sie jetzt ein bisschen stärker ab. Falls Sie mal ein Päckchen auf der Post abholen und nur Ihr Ersatzdokument zur Hand haben, kann es natürlich passieren, dass Sie von einem verfassungstreuen Mitbürger richtig eins aufs Maul kriegen.

Da wir grundrechtsbeschränkende Maßnahmen ab sofort auch im Verdachtsfall anwenden, werden Sie selbstverständlich schon jetzt Ihren Ausweis abgeben, Herr Altmaier. Das ist eben so in diesem Staat, daran sollten Sie sich doch längst gewöhnt haben – was der Richter nicht weiß, macht den Richter nicht heiß, nicht wahr? Das wird jetzt einfach mal so beschlossen, die Justiz hat genug zu tun, und was meinen Sie, wie sich so ein einfacher Polizist freut, wenn er mal Richter spielen darf. Der freut sich ein Asylbewerberheim in den Vorgarten, dass er mit so einer Machtfülle ausgestattet wird. Bei dem Gehalt. Wie gesagt, schon beim Verdacht ist Ihr Personalausweis weg. Wir lassen einfach nicht zu, dass deutscher Staatsterrorismus in andere Länder exportiert wird.

Repression und Prävention, so funktioniert eine vernünftige Doppelstrategie. Wir rechnen ganz fest damit, dass Sie einsichtsfähig sind. Oder haben Sie etwa irgendwas zu verbergen? Ach nichts, ich frage aus Routine. Aber wenn, dann wäre es doch ganz gut, wenn diese Informationen nicht die Grenze überschreiten würden.

Stellen Sie sich locker, Herr Altmaier. Sie bekommen so ein Papierding aus der Steinzeit, nicht mal maschinenlesbar. Und durchaus nicht fälschungssicher. Sie sollen doch bis zur Grenze immer merken: das ist Deutschland hier.“





Luftbrücke

6 10 2014

„Nee, hier sind Ihre Daten nicht. Müssen Sie mal unten gucken. Im Erdgeschoss wird gerade neu renoviert. Alles von der letzten Regierung weg, dann einmal durchputzten, und dann zieht hier die neue Regierung ein. Die neue neue, nicht die von Merkel. Schon Merkel, aber jetzt wieder mit Sozialdemokraten, die nicht in der CDU sitzen. Mann, machen Sie das doch jetzt nicht unnötig kompliziert, hier wird gearbeitet!

Weil Arbeit zieht Arbeit nach sich, weiß man doch. Deshalb haben wir die Klamotten von Steinmeier auch gleich hiergelassen. Wusste man doch, dass die noch zu brauchen sind. Es geht uns ja letztlich darum, dass wir hier erst Fakten schaffen und dann Klarheit – in dieser Reihenfolge, und dann haben wir auch alles unter Kontrolle. Doch, wir haben alles unter Kontrolle. Nicht die uns. Wir.

Weil das ja Hilfe zur Selbsthilfe ist. Wir sind selbst hier tätig und sorgen für die Einhaltung der Grundrechte, und dadurch wird dann letztlich auch der Datenschutz gestärkt. Wir erwarten für die kommenden zwei bis drei Monate ganz erhebliche Auseinandersetzungen, die dann irgendwann in eine Regierungserklärung münden, die die Sachlage unter Umständen sogar inhaltlich richtig darstellt. Glauben Sie mir, das ist im Bereich des Möglichen.

Wir wollen doch Rechtssicherheit für deutsche Bürger und deutsche Firmen! Da muss doch ein umfassender Datenschutz gewährleistet sein, und wir sind auch international als Vorbilder für einen sicheren Datenverkehr gefragt. Schauen Sie sich das mal an in China – die wissen doch alle, dass da der Staat alles mitliest, da veröffentlichen die Dissidenten doch keine sicherheitsrelevanten Informationen mehr im Internet. Wollen Sie das wirklich riskieren? Eben, deshalb haben wir uns für die andere Option entschieden. Kleines Celler Loch im Netzknoten, die NSA trägt alles raus, und jetzt haben wir die einmalige Gelegenheit, einen richtig guten Datenschutz zu installieren und gleichzeitig die Grundrechte wieder uneingeschränkt zu verteidigen. Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster hängen, aber vielleicht können wir bei der Gelegenheit ja sogar den Geheimdienst abschaffen?

Bestes Beispiel ist doch die Luftbrücke. Das setzt internationale Standards, da können Sie für Jahrzehnte und Jahrhunderte eine internationale Krisenbewältigungspolitik drauf aufbauen, das ist die Blaupause für internationale humanitäre Hilfe, damit positionieren Sie sich international als Garant für wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit. Wenn wir die Luftbrücke nicht gekriegt hätten, da wären wir aber so was von am Arsch gewesen, das kann ich Ihnen aber flüstern. So was. Und dass wir da als moderne, international aufstrebende Nation, nur wenige Jahre quasi vor dem internationalen Erfolg des Wirtschaftswunders, dass wir da so im Fokus der internationalen Beobachtung gestanden haben, da haben wir doch mit Hitler und dem Krieg gute Vorarbeit geleistet, oder?

Ist doch so, entscheidend ist, was hinten rauskommt. Und das hat nicht mal Pofalla beendet!

Wir sind bei einem Demokratisierungsschub, verstehen Sie? Diese neue Transparenz bei der Aufklärung rechtsradikaler Verbrechen, diese neue Kultur des Hinhörens, dies neue Bewusstsein, dass es sich bei Nichtdeutschen – und da habe ich von der Bundeskanzlerin eindeutige Signale gesehen – eventuell um so was wie Menschen handeln könnte, zweiter Klasse natürlich, aber immerhin: Menschen, meinen Sie, ohne den Nationalsozialistischen Untergrund hätten wir das alles gehabt? Ein internationales Interesse an der deutschen Justiz, eine wohlwollende Berichterstattung über unsere internationalen Bemühungen, im internationalen Kontext eine friedliche Koexistenz mit den Ausländern hinzukriegen, die wir nicht rauswerfen können? Wir können doch dem Verfassungsschutz wirklich dankbar sein, dass wir endlich wissen, der Feind ist in den vielen kleinen Provinzstädtchen im Osten, und wenn er sich nach langer Verfolgung endlich den Behörden stellt, bevor es zu einer Vertuschungspanne kommen könnte, dann haben wir als Deutsche endlich wieder das Gefühl, das gute Gefühl, auch international mit dem Finger auf jemanden zeigen zu dürfen, der nicht zu uns gehört.

Ausgewogene Arbeit gehört schon zu uns, klar. Irgendwer muss doch die ganzen Autos am 1. Mai anzünden, sonst könnten wir nie so erfolgreich alle politisch links motivierten Bombenanschläge verhindern. Oder haben Sie schon mal eins in der Bundesrepublik erlebt?

Denken Sie an die Luftbrücke, und dann bilden Sie sich Ihre Meinung noch mal. Wurden etwa von den Amerikanern verraten und verkauft? Sehen Sie, das ist doch der Punkt! Am Ziel dieser ganzen Auseinandersetzung werden Sie auch feststellen, dass zwischen uns und unseren amerikanischen Freunden keine Meinungsverschiedenheiten mehr existieren. Und das nur, weil wir die entscheidende Vorarbeit geleistet haben. Im Kanzleramt und in den Geheimdiensten, im Verfassungsschutz und durch Unterlassen auch in den Gremien. Alles total egal, und die Demokratie ist damit endgültig gesichert. Weil wir uns nachhaltig darum kümmern, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht.

Uns geht die Arbeit jedenfalls nicht aus. Da liegt noch jede Menge Kram im Keller, wissen Sie, das muss alles noch weg, damit wieder Platz ist. Da hinten die Ecke, die Kartons. Alles Geschichte der RAF. Raten Sie mal, was da rauskommt.“





Der dritte Mann

18 08 2014

„Ich weiß es nicht, Sir. Bis jetzt ist nur sicher, dass es sich nicht um Snowden handeln kann. Leider haben wir noch keine darüber hinausgehenden Erkenntnisse. Wir gehen noch immer davon aus, dass es sich um vertrauensvolle Zusammenarbeit mit befreundeten Staaten handelt. Und zwar so vertrauensvoll, wie wir das definieren, Sir.

Das Problem ist nicht, dass sich die miteinander befreundeten Staaten auskundschaften. Also wir natürlich unsere Verbündeten auch. Das Problem ist, dass sie auch bei uns spionieren. Wir hatten das nicht erwartet, Sir. Es gab vereinzelte Äußerungen von ausländischen, das heißt von verbündeten und, wir sind der Meinung, befreundeten Staaten, also von Staatschefs, die von uns abhängig sind, und die finden, dass Spionage unter Freunden gar nicht geht. Vermutlich, weil wir selbst ja auch immer der Meinung waren, dass wir zwar sehr dafür sind, wenn alle immer überall abgehört werden, dass es aber nicht uns betreffen darf, weil dadurch die Sicherheit vieler anderer Staaten betroffen wäre.

Möglicherweise wurde der Außenminister nicht versehentlich abgehört, sondern es handelte sich um eine Verwechslung. Die Geheimdienste haben noch nicht mitgekriegt, dass Clinton nicht mehr Außenministerin ist. Das würde dagegen sprechen, dass es sich um Snowden handelt, Sir. Wenn der Außenminister irgendwo bekannt sein dürfte, dann in Russland. So ein Fehler würde dort nie passieren.

Negativ, Sir. Er hält sich weder in Kuba noch in Russland auf. Wir wissen auch nicht, ob Snowden Kenntnisse über ihn hat oder er Kenntnisse hat über Snowden. Einen Teil unserer Nachrichten haben wir durch die üblichen Protokolle erfahren, was darauf schließen lässt, dass es sich auch nicht um den zweiten Verräter handeln kann, der uns bekannt geworden ist. Wir kennen seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort nicht und wissen auch nicht, ob er sich mit weiteren Quellen austauscht. Nach unseren bisherigen Erkenntnissen können wir nur sagen, dass es sich um einen hochrangigen Vertreter des Geheimdienstes handeln muss, der dort installiert wurde, um die Gegenseite zu täuschen.

Ob der Rechtsterrorismus in Deutschland eine Rolle gespielt hat, können wir noch nicht sagen. Ebenso ist denkbar, dass das Ausspähen türkischer Staatsbürger mit Wissen und Einverständnis der türkischen Regierung geschehen ist. Sie wollten sich vermutlich vor demokratischen Umtrieben schützen, hatten aber selbst nicht die nötigen technischen Mittel. Das Ausspähen deutscher Staatsbürger war so leider nicht möglich. Was die deutsche Regierung ja schon mehrfach bedauert hat.

Wie gesagt, wir wissen es nicht, Sir. Es ist definitiv nicht Snowden und nicht der andere. Der dritte Mann muss über außerordentlich gute Verbindungen in Regierungskreise verfügen, sonst wäre er längst aufgeflogen. Wir brauchen mehr Informationen. Möglicherweise steht er auch in Kontakt mit hochrangigen Diplomaten. Wir wissen es nicht.

Natürlich befinden wir uns jetzt in einer Zwangslage, Sir. Wir haben Bündnispartner, die unsere Bündnispartner ausspionieren, damit ihre innere Sicherheit nicht gefährdet ist. Es stellt sich für uns die Frage, ob unsere innere Sicherheit gefährdet ist, weil es die Spionage unserer Bündnispartner bei unseren Bündnispartnern erfordert – oder ob die Spionage unserer Bündnispartner bei unseren Bündnispartnern erst die innere Sicherheit gefährdet. Wir wissen es nicht, Sir. Bisher können wir lediglich sagen, dass durch diese Unsicherheit Gefahr für die innere Sicherheit besteht.

Was die deutschen Behörden angeht, können wir so gut wie ausschließen, dass es sich um den Verfassungsschutz handelt. Das ist der einzige deutsche Nachrichtendienst, bei dem wir zwingend davon ausgehen müssen, dass er in die Verbrechen verwickelt ist, die er aufzuklären vorgibt. Näheres können wir natürlich auch hier nicht sagen, Sir.

Unsere Erkenntnisse über die Türkei decken sich mit den bisherigen Konsultationen zu den außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Die Türkei ist ein Bündnispartner, deshalb dürfen wir sie nicht im Stich lassen bei innenpolitischen Konflikten mit der kurdischen Minderheit, es sei denn, es handelt sich dabei um innenpolitische Konflikte. Da müssen wir uns natürlich raushalten. Aber dazu müssen wir erst einmal gesicherte Erkenntnisse haben.

Sir, unsere Quellen geben widersprüchliche Informationen. Auf der einen Seite handelt es sich um Kurden, die die Stabilität unseres NATO-Verbündeten gefährden. Auf der anderen Seite sind es Kurden, die Widerstand leisten gegen die islamistischen Besatzer im Irak. Sie erinnern sich an die Anfrage nach militärischer Unterstützung, Sir. Wir wissen es nicht genau, können es derzeit aber auch nicht ausschließen, dass es sich bei beiden um dieselbe Personengruppe handelt.

Möglicherweise handelt es sich hier also um eine Regierungskrise, die als Auseinandersetzung zwischen beiden Regierungen, die sich gegenseitig mit koordinierten Geheimdiensten… – Sagen Sie mal, Sir, was genau hatte dieser deutsche Bundespräsident noch mal vorher gemacht?“