Gernulf Olzheimer kommentiert (CVI): Wirtschaftswissenschaftler

27 05 2011
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Wenig Tröstlicheres gibt es als die Tatsache, dass alles einen Sinn hat, der sich uns nur nicht unbedingt sofort erschließen muss. Die Evolution bringt unaufhaltsam bizarres Getier hervor, die Seefledermaus schlurcht in vielerlei Art platt und ungestalt über den Meeresboden, während der Hornissen-Glasflügler, obzwar nur ein Papillon, sich mit Aussehen und Verhalten einer Faltenwespe die gefiederten Freunde vom Leib hält. Sogar die Tatsache, dass fünf Milliarden mal mehr Photonen als Materie den interstellaren Raum anfüllen – es gibt anscheinend zu viel Licht, dem unleugbar eine Menge Zeitgenossen ihren gewaltigen Schatten verdanken – kann man mit Gelassenheit begegnen. Alles, was ist, lässt sich in seinem Sein hinreichend vernünftig begründen. Vorausgesetzt, dass man von Wirtschaftswissenschaftlern absieht.

Wirtschaftswissenschaftler – mit dem Intellekt von Fischfutter gesegnete Dauerschwafler, die das Schnittbrot und die Erdkrümmung erfunden haben, mit ad hoc hervorgekotzten Theorien alles erklären, was sie nicht verstehen, und ihren Ideologien nach Belieben huldigen, sie bei plötzlichem Wechsel der Windrichtung austauschen und ansonsten nie an der Misere Schuld sind, die sie angerichtet haben. Man erkennt sie am nie versiegenden Quell unhaltbarer Ausflüchte, wenn sie ihr rudimentäres Halbwissen in die Gegend quaken, Mietmäuler, die je nach Straßenseite, Sonnenstand oder Kassenlage für und gegen Konjunkturprogramme, pro und contra Hype-Zyklus, mit oder ohne Klassenmodell jeden noch so unsinnigen Warmluftstau nachlallen, den man ihnen für bunte Scheinchen in die leere Rübe gerülpst hat. Dass es Berufsirre sind, ist bekannt und nicht das Problem; das Problem ist, dass man ihnen trotzdem und überhaupt Beachtung schenkt.

Wer den modernen Nachfahren der Wegelagerer mit der Glaskugel im Anschlag lauscht, begibt sich in die Überversorgung mit Verbalschmalz. Es geht, und das ist der Sinn der Wirtschaft, für die meisten handelnden Subjekte um die Wurst, allein davon fehlt den gescheiterten Esoterikern auch der geringste Überblick. Wie ein Forstwissenschaftler, der punktförmige Bäume im Vakuum fällt, um den Grenzwert für ideale Tische zu berechnen, so popelt der Ökonomops aus Markt- und Börsengeschrei seine Vorstellung, wie kostenlose Arbeitskräfte in elf Werktagen zu je dreißig Stunden in einer Woche das produzieren, was von denen nicht gekauft wird, die das Zeug herstellen lassen, so dass der Staat keine Einnahmen hat und zum Dank die Steuern senken kann. Wie weiland sich die Fürsten Sterndeuter hielten, um nicht der Wahrheit ins Auge zu blicken, wie sie sich Alchimisten an die Höfe lockten, die mit fantastischen Geheimlehren den Stein der Weisen zu erfinden versprachen und auf dem Weg zu immensem Reichtum die größten Vermögen der Bescheuerten teils sich selbst unter den Nagel rissen, teils in Rauch aufgehen ließen, so halten sich die modernen Entscheider, Banken und Großkonzerne, ähnlich wunderliche Fauna und dekorieren das flachste Geblök mit dem Nobelpreis.

Besonders angenehm scheint der Typus des profunden Kenners der Materie, wie er etwa als Journalist den Massen das Geschehen zu deuten versucht, wenn er nicht gleich in entsprechende Schlüsselressorts der Politik abwandert – ein Haufe lächerlicher Pausenclowns, bar jeder Sachkenntnis, wie es sich verrät in ihrer infantilen Deutung der funktionalen Zusammenhänge und der Tragweite ihres Zusammenspiels. Wenn gar nichts mehr fruchtet, schließen sich die geistig nicht gesegneten Günstlinge der Mehrheit ihrer Schäfchen an und blöken nach statt vor. Meist haben die Laienpäpste nicht einmal bemerkt, wie aus dem Finanzmarkt, einst noch Laufbursche der Realwirtschaft, ein Tummelplatz für zwielichtiges Gesindel wurde, das man mit der Flinte aus jedem anständigen Kasino prügeln würde, und war es zu spät, so klebten sie selbst schon auf der Gehaltsliste der parasitären Parvenüs. Seither reden sie uns die Konzentration großer Mischkonzerne ein, deren Synergien enorm Kosten sparen, treiben uns zu Outsourcing und Kleinstfirmengruppen, um Kosten zu sparen, und bekneten uns, bis wir die Splitterunternehmen zur Kostenersparnis zu globalen Superkompanien zusammenführen – spätestens bei der letzten Fusion rauscht ein Großteil der Betriebe in den Orkus, aber immerhin haben ein paar Kollateralmaden dabei ihren Schnitt gemacht.

Was Wissenschaft nämlich daran ausmacht, die Ordnung und Deutung des Wirklichen auf der Basis empirisch erworbener Erkenntnis, findet sich in der Ökonomie längst nicht mehr; jeder Wurstverkäufer gründet seine Teilkirche, pustet Glaubenssätze in die Welt und erklärt seine Rechenfehler für allein selig machend, während er die Flugversuche aller anderen für zum Scheitern verurteilt erklärt. Im Zweifel leiert der Schnösel das kleine Einmaleins im feierlichen Singsang spiritueller Erleuchtung herunter und behauptet, just die Weltformel zur Beglückung des Kapitals gefunden zu haben – sollte das Milchmädchen sich verhauen haben, lag halt die Wirtschaft daneben. Aber wer würde Physikern glauben, die noch Sekunden vor der Kernschmelze fröhlich in die Gegend posaunten, das sei erstens technisch unmöglich und zweitens nicht vorgesehen in einem Weltmodell, das statt der starken Wechselwirkung nur kleine Männerchen mit Hadronen in der Hosentasche kennen würde?

Wirtschaftswissenschaft ist die säkulare Antwort auf religiösen Fundamentalismus – bei näherem Hinsehen merkt man, dass man es mit geistig minderbemitteltem Personal zu tun hat, und kann diejenigen aus dem Freundeskreis entfernen, die den Sums unreflektiert nachsabbern. Besser, man gibt sich stattdessen gleich mit Esoterikern ab; da weiß man zwar auch, dass es Knalltüten sind, aber die meisten entpuppen sich als harmlose Trottel. Was ja heutzutage schon Lobes genug ist.