Zigeunergulasch

14 09 2015

„Naa, das kriegen wir schon hin, Herr Kollege. Da kooperieren wir einfach gegen diese internationalen linken Gutmenschenregierungen, einschließlich der Merkel da in Berlin, und dann einigen wir uns auf eine gemeinsame Lösung. Erstmal schickt Ihr uns diese ganzen Juden her, mit denen haben wir jede Menge Erfahrung.

Beim letzten Mal hat’s ja auch geklappt, und wir sind mit den Juden hier sehr gut fertig geworden. Naa, nach der Wiedervereinigung. Als Ihr da alle plötzlich demokratisch werden musstet, da haben wir auch geholfen, und seitdem hat die Welt wieder ein positives Bild von Deutschland. Die haben sich gut integriert, wir konnten uns mit diesem jüdisch-christlichen Abendlandgefasel ein neues Allzweckalibi anschaffen, und die meisten von unseren Nazis haben auch gar nicht mehr gegen die. Das liegt vielleicht auch daran, dass unsere ein bissel dümmer sind als der Durchschnitt, aber in unserem Freistaat kann man damit auch in höhere Parteiämter aufsteigen.

Denn das müssen Sie uns dann doch zugeben, Herr Kollege: Deutschland ist einfach besser. Wir haben einen untadeligen Ruf in Europa. Und zwar als führende Nation. Hier herrscht Ordnung, und wenn es die gerade mal nicht gibt, dann herrscht wenigsten irgendwas, klar? Und das muss man auch können. Wir unterstützen Sie gerne dabei, aber damit eins mal gleich klar ist, wir sind Deutschland. Dann kommt ganz lange gar nicht, und dann irgendwann kommt Ihr.

Man braucht nämlich eine Ruhe, und eine Ordnung braucht man. Das sind die Grundfesten eines Staatsgebildes, verstehen Sie? Lichtenhagen war ein Beweis, dass wir eine ordentliche Polizeitruppe haben. Kein deutscher Volksgenosse wurde damals verletzt. Gut, die ungarische Polizei greift auch gerne so durch, wie unsere nur dann durchgreift, wie wenn gerade keiner hinguckt, aber ist nicht der Punkt. Wir sollten zusammenarbeiten. Als gute Europäer.

Schauen Sie, Herr Kollege – wir brauchen ja Autobahnen. Naa, wir haben in Deutschland schon noch andere Sachen zum Tun, aber diesmal müssen wir eben die Autobahnen neu ausbauen, fünfspurig, weil sich das mit der sakrischen Maut sonst nicht rechnen wird. Und viel kosten soll es halt auch nicht. Sonst gibt’s nämlich in der nächsten Legislaturperiode, wenn ich dann festgestellt habe, dass ich auf das Amt des Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden gar nicht verzichten kann, schon aus Gefahrenabwehr für den Freistaat Bayern, dann gibt es nämlich an den Stammtischen eine mittlere Revolution, wenn die alle feststellen, dass wir für die nächste Bankenrettung gar kein Geld mehr haben, weil wir alles für die Brücken und Schulen und Kindergärten hinausgeschmissen haben. Das wird doch keiner wollen, oder? Sehen’s, und das haben wir uns jetzt so gedacht: wir arbeiten mit Personal, das nicht unbedingt fragt, wann und wie und wo, wie beispielsweise bei unserer guten bayerischen Wurst – ich rede hier vom Personal, verstanden? die Produkte kommen freilich immer noch auch Bayern, man lässt da doch nicht zu, dass sich so ein Saupreiß auch noch daran bereichert – und dann kommen wir mit dem Kostendruck viel besser zurecht. Schicken’s uns halt einmal ein paar von Ihren Herren, denen es wirtschaftlich besser gehen könnte, dann arrangiert man sich schon.

Sie sagen doch, Flüchtlinge hätten gar kein Recht auf ein besseres Leben. Deshalb sollen die ja Autobahnen durch Bayern bauen. Und Brücken. Und diese Radarkästen und so. Schicken’s uns ein paar von Ihren Gulaschzigeunern, die können wir schon zwei Jahren beschäftigen.

Natürlich muss das diskret ablaufen, Herr Kollege. Naa, nicht mit einem internationalen Communiqué, dass wir jetzt ein paar Tausend Fremdarbeiter von Ihnen beschäftigen. Das wollen Sie doch sicher auch nicht. Ich würde das viel lieber unter der Hand regeln – die werden ausgewiesen, und dann tauchen sie hier auf, Quartiere werden sie sich suchen müssen, aber da zähle ich auf die Flexibilität Ihres Menschenmaterials. Wenn man etwas wirklich will, dann kriegt man es doch meist auch.

Wir würden dann auch höchstens mal in enger Zusammenarbeit mit unseren größeren Medien ab und zu auf Schwarzarbeiter stoßen, die von Subunternehmern von Subunternehmern von Subunternehmern angestellt worden sind und gar nicht wissen, dass sie sich in Deutschland befinden. Das ist dann sehr unangenehm, aber nicht für mich. Und dann bauchen wir das ein paar Tage lang auf, weil wir endlich den Beweis haben, dass uns diese illegalen Einwanderer die Arbeit wegnehmen, und dann ist auch gut. Eben, Sie haben es verstanden. Genau deshalb bilden wir ja auch keine Langzeitarbeitslosen weiter, weil wir die als Druckmittel brauchen. Und Ihre Schmarotzer brauchen wir dann eben als Druckmittel, damit uns die Langzeitarbeitslosen nicht frech werden.

Also wir können uns da einigen, dass die ungarische Regierung mit uns an einem Strang zieht? Sehr gut. Wir nehmen ab dem nächsten Frühjahr die ersten Arbeiter. Zeitlich befristet natürlich. Und wenn wir sie nicht loswerden, Herr Kollege, haben wir ja immer noch die Terrorkarte.“





Copy & Paste

11 01 2011

„Was erwarten Sie denn von einem verlogenen Drecksack? Von einem versoffenen Hampelmann, der alles flachlegt, was nicht bei drei auf dem Baum hockt, der mit seinen Naziparolen mühsam darüber hinwegtäuschen will, was für ein elender Versager er ist? Von einem abgehalfterten, korrupten Deppen, ohne Wirtschaftskompetenz, ohne die geringste Ahnung von Fiskalpolitik, ohne Grundwissen von Europa?“ „Hören Sie mal, wie reden Sie denn über Seehofer!“ „Interessant. Ich meinte Orbán.“

„Meinen Sie nicht, dass Sie etwas übertreiben?“ „Keinesfalls. Wir sind wieder so weit, die Ungarn spielen den Minensuchhund. Sie sondieren das Gelände, der Rest wird nachziehen.“ „Ich glaube, Sie dramatisieren das. Wenn Sie die Pressefreiheit meinen, die wird doch in der EU sowieso nicht mehr ernst genommen.“ „Und? Ist das ein Grund, diese beiden Zwerge in Frankreich und Italien machen zu lassen, was ihnen in den Kram passt? Die Grundrechte werden mit Füßen getreten und Sie denken, es sei nicht so schlimm, wenn es nur alle tun?“ „Das habe ich nicht gesagt. Die plötzliche Empörung ist übertrieben. Viktor Orbán ist nicht das personifizierte Böse, er macht genau dasselbe, was man jahrelang in Frankreich und Italien, in Großbritannien und in Deutschland auch hätte anprangern können.“ „Aber er tut es nicht umsonst. Und er weiß es.“ „Woraus schließen Sie das?“ „Wenn ein Regierungspolitiker…“ „Gut, nominell zählt Seehofer zur Regierung. Inhaltlich weniger.“ „… die Wirtschaftspolitik in Ungarn lobt, dann handelt es sich entweder um ein Versehen…“ „Was in Anbetracht von Seehofers Kompetenz auch nicht verwunderlich wäre.“ „… oder um den Versuch, der Politik Sand in die Augen zu streuen.“ „Weil die EU Ungarn schon mal vor einem Staatsbankrott gerettet hat.“ „Weil Ungarn nach der Rettung sofort wieder angefangen hat zu zocken und die Profiteure der Krise noch reicher zu machen.“

„Und Sie denken, Ungarn sei letztlich noch ein Entwicklungsland?“ „Allerdings. Und zwar eines, in dem ein Politikmodell für Europa entwickelt wird. Bis zur Serienreife.“ „Dann wundert es mich, dass Sie bei den Einschränkungen des Presserechts nicht vorher reagiert haben. Wie gesagt: Italien und Frankreich.“ „Aber hier können Sie es systematisch studieren. Die Wirtschaft, die soziale Ordnung, die Bürgerrechte, als Krönung der Rassenwahn. Orbán ordnet die Faktoren an wie in einem Feldversuch. Sein Biotop dient der Züchtung einer politischen Ordnung.“ „Warum fängt er dann unmittelbar vor der Übernahme der Ratspräsidentschaft mit einem Verstoß gegen die Wertvorstellungen der EU an?“ „Um den anderen vorwerfen zu können, dass sie bisher die Regeln auch nicht besonders ernst genommen haben.“ „Sie meinen, die Überprüfung der geplanten Zensurinfrastruktur sei nicht nur eine Rechtfertigung gewesen, um seine eigene Agenda zu verharmlosen?“ „Er weiß, dass er sich nicht den Wertvorstellungen der EU unterwerfen wird, also macht er sich selbst zum Maßstab – mit dem Einverständnis der Gemeinschaft.“ „Ich verstehe, Ungarn ist also die Ausnahme von der Regel.“ „Und wenn man einmal eine Ausnahme macht, dann ist die Regel hinterher hinfällig, auch für die, die sich ihr bisher beugen mussten. Eine Heuchelei für die Öffentlichkeit auf der Galerie.“

„Welche Konsequenzen werden wir von der Euro-Politik zu erwarten haben?“ „In erster Linie gibt es uns Freiheit, den Sparkurs weiterzuführen. Wir werden den Sozialstaat alternativlos schleifen, weil wir sehen, dass wir mit einer gerüsteten Miliz im Innern jegliche Widerstände ersticken können, wenn wir klare Feindbilder haben.“ „Deshalb die terroristische Bedrohung auf dem Weihnachtsmarkt und ein Päckchen ins Kanzleramt?“ „Unsinn, wir werden heimlich, still und leise den Rassismus aus der Versenkung holen.“ „Das glauben Sie doch selbst nicht. Deutschland und Rassismus?“ „Ungarn geht voran. Sie übernehmen das Geblütsrecht der Nationalsozialisten und erklären alle zu ungarischen Staatsbürgern, die eine Blutsabstammung geltend machen können.“ „Das haben die Nazis in Polen und Böhmen schon erfolgreich praktiziert.“ „Eine elegantere Methode der Expansion hätte sich nur Sarrazin als Gröfatzke mit genetischer Blutsuppe ausdenken können.“ „Das wird Deutschland nicht dulden.“ „Fidesz kann sich der Freundschaft der Unionsparteien nicht erwehren, und es wäre schon erstaunlich, wenn eine CDU, die völkerrechtwidrig Roma ausweist, plötzlich anfinge, die völkischen Vorstellungen der Ziehkinder zu kritisieren.“

„Haben Sie eine Vorstellung, was das ergeben wird? Für ein Terrorregime werden sie ja wohl nicht werben.“ „‚Arbeit, Heim, Familie, Gesundheit und Ordnung werden die Tragsäulen unserer gemeinsamen Zukunft bilden‘ – das klingt doch gut?“ „Sogar für eine CDU-Kampagne reichlich verkalkt, aber wenn sie ihren Absteig mit Pofalla als Kanzler planen?“ „Das ist die Programmatik der ungarischen Opposition.“ „Opposition?“ „Aber ja, den neoliberal-antisozialen Präventivstaat haben die jetzigen Machthaber mit der Union abgestimmt, als Fidesz noch nicht an der Macht war. Sie haben abgewartet, was sich entwickelt. Jetzt kopieren sie, was sich entwickelt. Copy and Paste. Nützliche Idioten haben die Drecksarbeit gemacht, sie dürfen gegen Homosexuelle, Roma und Juden hetzen, gegen Ausländer, Arbeitslose und Behinderte. Sie dürfen ausprobieren, bis wohin sie zu weit gehen dürfen. Ihre Ziehväter werden es ihnen danken; Merkel wird ein wenig augenzwinkernd auf den Nebenkriegsschauplatz mit dem Presserecht zeigen, der Rest der Union wird mitgrölen im Chor der Rechtsrücker und eine Verfassungsänderung nach der anderen durchdrücken wollen, um christliche Leitkultur gegen die Migranten zu setzen.“ „Was für eine geisteskranke Idee – wenn sie Angst vor drohender Überfremdung heraufbeschwören, wie können sie dann daran glauben, dass ihre eigene Kultur stark und durchsetzungsfähig wäre?“ „Na, jetzt stehen Sie Orbán aber auch schon ganz schön kritisch gegenüber.“ „Wer spricht von Orbán? Ich rede von Horst Seehofer!“