Kohlesubventionen

1 07 2014

„… das Gesetz, dem zufolge die Bezüge der Bundestagsabgeordneten in zwei Schritten um knapp zehn Prozent steigen sollten, nicht zu…“

„… dass allein Aufwand und Arbeitszeiten die Anpassung der Abgeordnetenbezüge an die Besoldung der Bundesrichter rechtfertigen würden. Eine Fehlannahme sei es, dass damit automatisch Schichtdienstberufe wie Krankenschwester, Feuerwehrmann oder…“

„… müssten die Bezüge der Abgeordneten unbedingt angepasst werden, damit ihre ständig steigenden Nebeneinkünfte prozentual nicht mehr so…“

„… dass es sich bei der Erhöhung um weniger als einen ALG-II-Satz handele. Sollte die Anpassung der Diäten scheitern, müsse man öffentlich diskutieren, ob der Bundespräsident den Parlamentariern nicht einmal ein Existenzminimum gönne, was als Beweis demokratiefeindlicher…“

„… habe die Regierung angemerkt, dass sie nicht gegen ein verfassungsfeindliches Gesetz klagen werde. Weder sie noch der Bundestag seien zuständig für verfassungskonforme…“

„… als demokratisches Instrument ansehen müsse. Da sich die Bundesrepublik weigere, die UN-Konvention zur Korruptionsbekämpfung zu ratifizieren, bedürfe es einer üppigen Besoldung, um die Parlamentarier den Bestechungsversuchen gegenüber vollkommen immun zu…“

„… die Diätenerhöhung als eine versöhnliche Geste gegenüber Geringverdiener, insbesondere auch gegenüber Erwerbslosen ansehe. Es sei ein Fehler gewesen, den man tief bereue, indem man jetzt demonstrativ von der neoliberalen Ideologie abrücke, dass nur Leistung sich lohne, was in vielen Wahlkämpfen für überspitzt polemische…“

„… die Mindestlohnentwicklung an die Diäten zu koppeln. Der Bundestag sei bereit, den deutschen Arbeitnehmern im Schnitt 85 Cent mehr pro Monat ab 2017…“

„… als ein gutes Zeichen werte. Üblicherweise entbrenne eine Neiddebatte nur bei Manager- und Vorstandsgehältern, die Diskussion sei für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ein Beweis, dass sich Politik und Wirtschaft wieder in einem harmonischen…“

„… schließlich immer längere Biografien von Berufspolitikern, die nichts anderes täten, als im Bundestag zu sitzen. Diese hätten im richtigen Leben mit hoher Wahrscheinlichkeit ständig Gehaltserhöhungen bekommen und müssten entschädigt werden für die Chancen, die ihnen durch ihre unglückliche Berufswahl…“

„… an die Bruttolohnentwicklung angepasst werden müsse. Viele Berufsgruppen, die aus blanker Verarmungsangst bereits in erheblichem Maße Steuern hinterzögen, hätten in den vergangenen Jahren kräftige Umsatzsteigerungen erlebt, so dass der Bundestag diese Stichprobe als repräsentativ für die Stabilität der deutschen Wirtschaft…“

„… werde die Bundesrepublik damit ihrer verfassungsmäßig verankerten Sozialstaatlichkeit gerecht. Selbst nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag seien die meisten Abgeordneten auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht einsetzbare Kräfte, die unter multiplen Vermittlungshemmnissen wie psychischen Störungen, Arbeitsscheu oder fortgesetztem Substanzmissbrauch litten. Eine Eingliederung sei ausgeschlossen, weshalb man eine Stilllegungsprämie hier für sozial durchaus verträglich…“

„… bei zu niedrigen Bezügen riskiere, dass nur vermögende Mitglieder der Eliten sich eine parlamentarische Tätigkeit leisten könnten. Bei gut 9000 Euro plus Zulagen erreiche man bewusst auch das Prekariat, das aus reiner Geldgier in den…“

„… daran erinnert, dass Bankvorstände trotz massiver, teils illegaler Fehlleistungen millionenschwere Boni bekämen, obwohl ihre Kundenanzahl deutlich unter der Menge der von den Abgeordneten vertretenen Bundesbürger…“

„… möglicherweise durch einen Formfehler gestoppt würde. SPD-Vize Gabriel habe das Gesetz aus inhaltlichen Gründen versehentlich in der Vorlage Kohlesubventionen mit den anderen…“

„… wolle sich die Bundestagsverwaltung im Zuge eines Appeasements gerne daran halten, die Mitglieder des Deutschen Bundestages mit ihren Nebeneinkünften als Ausnahmen vom allgemeinen Mindestlohn von 8,50 Euro…“

„… habe sich die Bundesregierung für Lohnzurückhaltung ausgesprochen, um eine planmäßig Erhöhung der Diäten nicht durch zu hohe Staatseinnahmen zu…“

„… bedürfe jede Diätenerhöhung eines gesonderten parlamentarischen Beschlusses. Der Bundestag habe wahrscheinlich nicht nur aus alter Gewohnheit eine Gelegenheit genutzt, das Grundgesetz zu umgehen, sondern diese ganz…“

„… und müsse nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf das Niveau von ALG II abgesenkt werden, da die Abgeordneten sich nicht als berufstätig betrachteten. Etwaige Nebeneinkünfte würden nur zu zehn Prozent angerechnet, weiterhin ginge die Bundestagsverwaltung generell von einem Betrugsverdacht der Abgeordneten aus und fordere innerhalb von drei Werktagen sämtliche Kontoführungsbelege, Einladungen zu Vorträgen, Sitzungsprotokolle, Spesenquittungen sowie…“





Trullala

13 01 2014

„Dann sagen wir jetzt noch etwas für die Maut.“ „Wir dann auch.“ „Nee, wir haben ja schon.“ „Aber dann können wir doch trotzdem…“ „Wollt Ihr denn überhaupt? Ich meine, Ihr müsst ja nicht.“ „Also wollen würden wir schon, aber wir sollen ja nicht so unbedingt.“ „Ist schon schwierig.“ „Stimmt, diese Koalition ist anstrengend. Man weiß nie, wer wofür ist.“

„Nächster Tagesordnungspunkt könnte dann die Energiewende sein.“ „Also jetzt unsere?“ „Ja sicher, wir sind jetzt schließlich eine Regierung.“ „Nein, unsere. Wir. Nicht Ihr.“ „Ach so. Hm. Ist denn da noch ein Unterschied?“ „Ich dachte, weil bis vor der Wahl Opposition und Regierung noch nicht derselben Meinung waren.“ „Und jetzt?“ „Auch nicht, aber jetzt ist die Regierung ja die frühere Opposition.“ „Mann, das ist echt total anstrengend. Man weiß gar nicht mehr, was man noch denken soll.“ „Oder ob überhaupt.“ „Seit wir eine Koalition sind, müssten wir ja eigentlich gar nicht mehr.“ „Stimmt, jetzt ist es irgendwie auch egal.“

„Aber wir sollten uns besser abstimmen.“ „Findet Ihr?“ „Neulich haben zwei von uns geredet, und dann habt Ihr hinterher dasselbe gesagt.“ „Echt?“ „Haargenau dasselbe.“ „Das könnte vermutlich daran liegen, dass wir jetzt eine Koalition sind und gemeinsam in der Regierung.“ „Aber haargenau dasselbe!“ „Sollen wir uns jetzt immer abstimmen, wer da was sagt?“ „Müssten wir wohl.“ „Aber warum eigentlich? Wir sind doch beide Regierung, da kann’s doch nicht schaden, wenn man auch mal geschlossen auftritt.“ „Aber Ihr müsst doch nicht immer haargenau dasselbe sagen wie wir. Sagt doch einfach mal, was Ihr denkt.“ „Tun wir doch. Wir denken eben dasselbe, seitdem wir mit Euch eine Koalition sind.“

„Was mich noch stört, da hört überhaupt keiner mehr zu.“ „Findet Ihr?“ „Klar, von Euch ist doch so gut wie keiner mehr da.“ „Wir könnt Ihr das überhaupt beurteilen, wenn von Euch auch keiner mehr da ist?“ „Müssen wir doch auch gar nicht. Wir wissen doch sowieso, dass Ihr wieder nur dasselbe sagt wie wir.“ „Eben, und weil wir das wissen, müssen wir ja auch nicht mehr ständig da sein.“ „Wieso redet Ihr denn dann überhaupt noch?“ „Ist doch klar, für die Opposition.“ „Die gibt’s doch gar nicht mehr.“ „Wieso?“ „Weil wir jetzt beide in der…“ „Habt Ihr vergessen, dass da noch die beiden anderen sind?“ „Wer? Ach, die. Stimmt.“ „Das ist die Opposition.“ „Richtig, hatte ich total vergessen. Aber muss man für die reden?“ „Finde ich schon. Weil die nämlich nicht so denken wie wir.“ „Wieso nicht?“ „Weil sie ja sonst nicht Opposition wären, oder?“ „Und deshalb müssen wir reden?“ „Weil die zuhören. Einer muss das ja machen, wenn von Euch schon keiner mehr da ist.“

„Was steht denn für nächste Woche auf dem Programm?“ „Haben wir schon Zuwanderung?“ „Muss ich mal nachfragen. Wer sagt denn da was?“ „Wollt Ihr das vorher abklären? Nicht, dass wir da nicht einer Meinung sind.“ „Wieso, vorhin hat’s Euch doch noch gestört?“ „Aber wir müssen bei den wichtigen Themen auch Geschlossenheit zeigen und das machen, was im Koalitionsvertrag steht.“ „Da steht doch aber gar nichts.“ „Dann kann man da eben auch nichts machen.“ „Aber wir haben da klare Positionen in den Parteien.“ „Richtig, aber es geht hier nun mal nicht um Parteipolitik. Wir sind in einer Koalition und…“ „Man muss sich doch auch mal streiten können.“ „… sollten aus der Kontroverse handlungsfähig herauskommen.“ „Und dann als Regierung eine gemeinsame Linie finden?“ „Bloß nicht, sonst kommt gleich wieder das Bundesverfassungsgericht und wir können wieder ganz von vorne anfangen.“

„Und was machen wir, wenn die Themen wirklich kontrovers werden?“ „Was schwebt Euch vor?“ „Naja, Vorratsdatenspeicherung, Drohnen, Bundestrojaner, so Sachen halt.“ „Dann diskutieren wir halt kontrovers.“ „Wir sind doch beide dafür?“ „Das muss doch aber keiner wissen, oder? Zumindest nicht vor der Abstimmung.“ „Also dann überzeugt einer der anderen?“ „So war das gedacht. Kann man ja mal probieren.“ „Aber wenn doch keiner im Bundestag sitzt?“ „Mist, das hatte ich jetzt vollkommen vergessen.“ „Dann machen das doch für die Opposition.“ „Was machen wir für die Opposition?“ „Reden halt. Irgendwas müssen wir da doch machen. Kann sich doch keiner hinstellen und Tri-Tra-Trullalla sagen.“ „Wieso denn nicht?“ „Das kommt international nicht so gut an.“ „Meint Ihr?“ „Und wenn das mal einer entdeckt, wenn wir in die Wirtschaft wechseln wollen, dann haben wir auch ein Problem.“ „Au weia!“

„Also dann nächste Woche irgendwas über Europa und die Maut, und dann Rente mit 63.“ „Macht mal lieber nichts Schwieriges, sonst muss sich unsere Fraktion wieder in alles einlesen.“ „Gut, dann erst noch mal eine Regierungserklärung, und Ihr könnt ja irgendwas zur Lage der Nation erzählen.“ „Und was?“ „Keine Ahnung.“ „Worüber sollen wir denn überhaupt reden? Was passiert denn momentan politisch in Deutschland?“ „Hm, dann macht es doch wie wir. Wir erfahren das jeden Morgen aus der Zeitung.“





Marktkonforme Demokratie

23 05 2012

„… mehrfach deutliche Kritik an bestehenden Verhältnissen in Bezug auf die demokratischen Verhältnisse geübt worden. Man müsse, so Merkel und Rösler, den Parlamentarismus wieder von den Kräften bestimmen lassen, die ein Interesse an Wohlstand, Rechtssicherheit und Freiheit…“

„… habe der Koalitionspartner bemängelt, dass die neue Zusammensetzung der Listenplätze nicht wie verabredet von der Höhe der Parteispenden abhängig sei. Im Falle einer Verminderung der Bundestagsmandate befürchtete der FDP-Chef, seine Partei könne eine Rückzahlung der Spenden nicht aus eigenen Mitteln…“

„… kündigte der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie an, im Falle eines erneuten Dissenses mit der Bundeszahnärztekammer die Zuwendungen an die Parlamentarier zu streichen. Eine sachorientierte Politik dürfe nicht an den Interessen der Verbraucher…“

„… lehne Bundestagspräsident Lammert die Abschaffung von Wahlen bislang ab. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank Börsig habe sich indes zuversichtlich gezeigt, mit einer genügend großen Summe die…“

„… doch sehr dafür. Eine Verhinderung der Solarenergie als erfolgreiche Branche könne, so Wirtschaftsminister Rösler, nur in einer geistig-politischen Kontinuität erwachsen, die durch die Investitionssicherheit der Kernkraftkonzerne in ihrem Fundament gesichert sei. Wirtschaftsnahe Politik dürfe nicht durch die Partikularinteressen einzelner Bevölkerungsschichten…“

„… versprach Seehofer, die Finanzierung der Parteien möglichst transparent zu gestalten. Es dürfe nicht zu Interessenkonflikten kommen, nachdem schon mehrfach konkurrierende Pharmakonzerne sich um die CSU…“

„…würde auch eine Listenstruktur die bisherige Finanzierungsoffenlegung ersetzen können. Sollten Konzerne, Spendergruppierungen und Verbände sich nicht auf die Unterstützung bestimmter Wahlkreise einigen können, so habe der Bundesverband der Deutschen Industrie bereits eine Schiedsstelle eingerichtet, um eventuelle Konflikte auf basisdemokratische…“

„… könnten Mehrheitsverhältnisse und die daraus entstehenden Koalitionen auch durch die Koppelung an die Börsennotierungen eliminiert werden. Westerwelle schlug eine Sperrminorität vor, um Elemente auszumerzen, die sich der gesunden Volksbereicherung widersetzten. Insbesondere den Paritätischen Wohlfahrtsverband gelte es aus der nationalen…“

„… noch rechtzeitig eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die vor einer feindlichen Übernahme schützen solle. Der SPD-Vorsitzende Gabriel zeigte sich zuversichtlich, vorerst vor Merkel in…“

„… lobte Steinrück das neue System. Es gebe keinerlei Interpretationsmöglichkeiten mehr, die im Widerspruch zur Demokratie stünden, da es gar keine Berührungspunkte mehr mit der…“

„… sich auch Merkel für den Erhalt der deutschen Souveränität in den Grenzen von 2012 ausspreche. Anlässlich einer Gala der Deutschen Bank, die weitere 1,2 Billionen Euro für Boni in Anspruch nehmen wolle, lobte die als Kanzlerin angestellte Aufsichtsratsvorsitzende die rasche und alternativlose Umsetzung der marktkonformen Demokratie in…“

„… dass NATO-Einsätze nun auch pauschal vom Bundestag beschlossen würden. Der Fraktionsvorsitzende der Heckler&Koch-Gruppe habe sich für eine Entbürokratisierung des…“

„… eine Energiewende zu teuer sei. E.ON-Sprecher Rösler habe bereits hingewiesen, dass…“

„… sich eine Gesundheitsreform nur lohne, wenn die Kassenbeiträge verdreifacht würden. GlaxoSmithKline ließ durch ihren Staatssekretär Bahr mitteilen, dass alle weiteren Verhandlungen ohne eine…“

„… sich für feste Parteienblöcke ausspreche, um etwaige Koalitionen nicht durch Sacharbeit zu erschweren. Um die traditionellen Verhältnisse zu wahren, schlug Merkel eine Aufteilung in Agrarsektor (Grüne), produzierendes Gewerbe (SPD), Handel (CDU), Brauereiwirtschaft (CSU) und Investmentbanking (FDP) vor. Um den Wettbewerb nicht mehr als unnötig zu verzerren, solle die IT-Branche per Gesetz ausgeschlossen…“

„… müsse man Kosten sparen. Eine weitere Alimentierung mit Transferleistungen sei der Wirtschaft nicht mehr zuzumuten, deshalb habe man sich entschlossen, nach der Regierung auch das Parlament nur noch mit eigenen Fachkräften…“

„… könne Bundesstrukturvertriebsminister Maschmeyer das Spardiktat nur unterstützen. Solange noch Mittel zur Finanzoptimierung der Besserverdienenden vorhanden seien, gebe es keinen Grund, den Spitzensteuersatz nicht zu…“

„… auch die Zusammensetzung des Parlaments nicht dem Zufall zu überlassen. Die Sitze seien in Zukunft nur von DAX-Unternehmen zu…“

„… stehe dem nicht entgegen. Sollte ein Austausch der Parlamentarier am gleichen Tag auf Grund veränderter Aktienmehrheiten stattfinden, so könne dies nur als gelungener Versuch gewertet werden, das Rotationsprinzip in die deutsche…“

„… bei leicht anziehenden Werten. Die Konservative Gruppe habe 0,23 Prozent auf 10672,81 Punkte verloren, die Liberale sei um 0,01 Prozent auf 4,68 Punkte gesunken. Eine weitere Talfahrt sei erwartungsgemäß nach dem Parteitag der Adam Opel AG in Bochum…“





Gute Verrichtung

3 07 2011

für Kurt Tucholsky

Die meisten wissen’s wohl noch aus der Schule:
es gibt ein Parlament dort in Berlin.
Das ist ein Märchen, das die Harfenjule
erzählt, wenn sie die Fahnen dort aufziehn.
Geredet? ach, Du Gott. Nicht, dass ich wüsste.
Man ist jetzt abgekommen von dem Ding.
Da sind zu viel Fassaden und Gerüste,
was der Regierung schon zum Hals raus hing.
Man macht die Sache heute lieber schneller.
Gesetze? Lieferanteneingang. Keller.
Im Erdgeschoss wird höchstens noch gepredigt –
    erledigt.

Man hat den Reichstag lächelnd ausgeschaltet,
es merkt ja keiner und will ihn zurück.
Die Trümmer rauchen nicht. Sie sind erkaltet.
Das hat ja funktioniert. Na, so ein Glück!
Der Apparat tut so, als ob er schliefe.
In Wahrheit stirbt daran Demokratie
und zieht den Anstand mit sich in die Tiefe.
Das Kabinett zieht Fäden als Regie.
Jetzt kann man Deutschland endlich durchregieren.
Wem’s nicht gefällt, den wird man abservieren.
Das Grundgesetz? gefleddert und beschädigt.
    Erledigt!

Jetzt wird gefeiert, durch die Bank – nur feste!
wiewohl man uns verkauft unter der Hand.
Zwei Jahre noch. Es wäre jetzt das Beste,
man schliche heimlich sich aus diesem Land.
Kein Haushalt und kein Wahlrecht. Ein Theater,
bei dem die Reden tönen im Parkett.
Hauptsache, man liegt flach vorm Heilgen Vater!
Der Alte spricht! Wie ist das furchtbar nett!
Wohlan zum Kreuzzug! Rosenkranz! Zum Beten!
Dann treibt man uns mit Weihrauch und Trompeten
den Rest noch aus, wie es barmherzt und gnädigt –
    erledigt.





Verantwortungs-Los

18 02 2010

„Und das würde Ihrer Ansicht nach wirklich funktionieren? Also ich wäre da ja skeptisch.“ „Alle ungewöhnlichen Ideen sind am Anfang als nicht realistisch belächelt und teilweise deshalb bekämpft worden; insofern ist das gar nichts Neues.“ „Aber Sie müssen doch zugeben, dass das nicht nur etwas völlig Neuartiges ist, sondern eine Umwälzung, die unser Verständnis von Politik mit ihrer…“ „Nein, das sehen Sie falsch. Nicht von Politik. Sondern unser Verständnis von Staat.“ „Meinetwegen, aber ist das nicht dasselbe?“ „Sehen Sie, und genau da liegt der Hund begraben. Das ist der Punkt.“

„Warum meinen Sie denn, dass dies Verfahren den Staat ändern würde?“ „Weil es eine völlig andere Form von Macht etablieren würde.“ „Aber das ist doch verboten! Wir leben hier in einer Demokratie, man kann doch nicht einfach die Demokratie abschaffen!“ „Wer hat denn etwas von Abschaffen behauptet? Wir verändern sie nur. Wir führen eine neue Form der Demokratie ein. Eine Basisdemokratie.“ „Und Sie meinen, dass das auch in der Praxis funktioniert? Wie stellen Sie sich das denn vor – einfach so den Bundestag gegen den kleinen Mann von der Straße ersetzen?“ „Genau. Mit einem Losverfahren. Wir segnen nicht mehr irgendwelche Listen ab, den uns die Parteien vor die Nase hängen, wir wählen aus unserer Mitte die Vertreter des Volkes.“ „Per Losentscheid?“ „Die einzige Form von Wahl, die den Namen verdient.“

„Wie stellen Sie sich das vor? also praktisch, wie sollen wir denn überhaupt so viele Kandidaten für dieses Parlament bekommen?“ „Indem Sie als deutscher Staatsbürger registriert sind.“ „Das ist doch aber wirklich nicht verfassungskonform.“ „Was meinen Sie, wie man zum Wahlhelfer ernannt wird?“ „Hm. Da kann man sich wenigstens wehren, wenn wichtige Gründe dagegen sprechen.“

„Was halten Sie eigentlich von Politikern?“ „Politiker? Gehen Sie mir bloß ab – dieses dumme Pack, den Hals kriegen sie alle nicht voll, keiner von denen hat etwas Ordentliches gelernt, die haben doch die Arbeit auch nicht erfunden, und dann kriegen sie alle hinten und vorne noch das Geld reingesteckt und wollen es nicht offen legen und kriegen die dicken Pensionen und Dienstwagen und fliegen umsonst und bescheißen mit Bonusmeilen und lassen sich schmieren und – faul, korrupt und machtbesessen, was wollen Sie denn noch hören? Denen ist es doch völlig egal, was wir hier machen, haben Sie es je erlebt, dass sich ein Politiker schon einmal für das Leben außerhalb des Elfenbeinturms gekümmert hätte?“ „Und warum haben Sie Zweifel, dass man die Zustände verbessern könnte?“

„Aber Sie müssen dann auch berücksichtigen, dass es nicht mehr genug Kompetenz gibt, um die parlamentarische Arbeit zu machen.“ „Kompetenz? Was fehlt denn Ihrer Ansicht nach? Was haben denn Politiker gelernt?“ „Ja, Politik natürlich. Ist das denn kein Studienfach?“ „Was glauben Sie, lernt man in Kunstgeschichte Malen?“ „Nicht? Was sind denn die Politiker?“ „Das Drittel der überflüssigen Juristen, die es nicht zu einer sauber laufenden Anwaltskanzlei bringt. Arbeitslose in einem Job als Vollzeitschmarotzer.“ „Echt? Hm. Aber wenn man alle Politiker gegen Volksvertreter auswechseln würde, was würde das bringen?“ „Zum Beispiel mehr Aufrichtigkeit.“ „Aufrichtigkeit?“ „Sicher, stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Bundestag, hören eine Rede zu einer der vielen Gesundheitsreformen, und da schwatzt der Redner von Kostendeckelung, Arbeitsplatzsicherung, demografischer Schieflage, was würden Sie da denken?“ „Hm.“ „Und was würden Sie sagen, wenn Sie wüssten, das ist eine bezahlte Tröte der Pharmafirmen, die Ihnen erklärt, dass die Großaktionäre 400% Rendite erwarten?“

„Aber Sie müssen sich doch auch einmal klar machen, welche Tragweite so eine Entscheidung hätte.“ „Wir wollen doch hoffen, dass sie es hat.“ „Ich meine, Sie müssen sich doch mal überlegen: Sie werden aus dem Adressverzeichnis ausgewählt, und dann sollen Sie solche Fragen beantworten? Ist das denn realistisch?“ „Und was meinen Sie, wie in den Vereinigten Staaten die Geschworenen in Mordprozessen gewählt werden, um über die Anwendung der Todesstrafe zu richten?“ „Da kann man sich das ja denken, das ist ja nicht so richtig eine demokratische Staatsform.“ „Demokratie ist keine Staats-, Demokratie ist eine Machtform.“ „Und was ändert das?“ „Dass wir dasselbe Verfahren auch benutzen. Schließlich wird auch unser Staatsoberhaupt auf diese Weise gewählt – und Sie wollen doch wohl nicht behaupten, das sei ein undemokratischer Prozess?“

„Also werden die Abgeordneten im Bundestag demnächst zufällig ausgewählt?“ „Gut möglich. Man sollte vielleicht die Größenverhältnisse der Bundesländer noch berücksichtigen, aber das geht bestimmt analog der Wahlkreise.“ „Und dann kann man die Besetzung dem Bevölkerungsdurchschnitt entsprechend bestimmen?“ „Natürlich. Was meinen Sie, was man aus dem Datenspeicherwahn der Bundesregierung alles machen könnte, was die Bundesregierung so alles gar nicht haben wollte.“ „Und das wollen die Leute?“ „45% der US-Bürger meinen, man sollte Kongressabgeordnete per Zufall aus dem Telefonbuch nehmen. Sie haben die Nieten und die Lobbyisten gründlich satt.“

„Ob ich – also ich meine, wenn man sich jetzt rechtzeitig – das wäre zu überlegen… meinen Sie, wenn man sich jetzt…“ „Was wollen Sie? sich bewerben?“ „Naja… dann wäre doch wenigstens die Altersvorsorge geklärt.“