Kanonen statt Butter

26 03 2019

„… gegen mehrere Politiker der AfD-Führung ermittle. Die dabei im Raum stehenden Vorwürfe der illegalen Parteienfinanzierung nehme man bei der Staatsanwalt sehr…“

„… die einzige Möglichkeit, die finanziellen Mittel der Partei in standesgemäßer Höhe zu halten. Gauland habe einen Angriffskrieg zu diesem Zweck bisher immer ausgeschlossen, könne sich nach den jüngsten Angriffen der Justiz allerdings auch eine Änderung seiner…“

„… erst die Spender ausfindig machen müsse, bevor man von einem Gesetzesverstoß ausgehen könne. Maier kenne sich als Jurist gut aus mit der Strafprozessordnung und werde sich daher auch nicht an sie…“

„… damit entschuldigt habe, dass die meisten Parteimitglieder vornehmlich zur Sicherstellung der eigenen Bezüge in die Politik gegangen seien. Die Stückelung der Spendensummen sei für die Parteiführung ein notwendiges Übel gewesen, da die Schatzmeister größere Geldbeträge sonst reflexartig auf ihre privaten…“

„… habe die Partei keine Spendengelder bekommen, diese aber nach einer Wartezeit von wenigen Wochen sofort zurückgegeben und…“

„… es sich gar nicht um illegale Parteienfinanzierung handeln könne, da die AfD legal in den Reichstag gelangt sei. Meuthen kritisierte im Gegenzug die Altparteien, die nicht den Willen des deutschen Volkes, sondern nur im Auftrag von Migranten, Negern, Homosexuellen und anderen rassisch…“

„… lege die AfD großen Wert darauf, dass sie die anonymen Spenden viel schneller zurückgezahlt hätte, wenn diese tatsächlich nicht anonym, sondern von denen gespendet worden seien, die man wegen ihrer namentlichen Nennung als Spender als die tatsächlichen Spender der anonym gezahlten…“

„… reiche es der AfD vollkommen aus, als Partei Rechtsstaatlichkeit und Gesetzestreue zu fordern, solange sie selbst diese nicht auch noch in eine…“

„… sich eine Drittrolex habe kaufen müssen. Für Weidel sei dies ein Akt der Notwehr gewesen, da inzwischen jede Ausländerin aus einem minderwertigen Kulturkreis mit einer teuren…“

„… müsse man die Geldbeträge immer in Relation zu anderen sehen. Höcke betrachte die an die AfD gespendeten Summen als viel zu gering, als dass man damit den dringend notwendigen Staatsstreich unternehmen könne und wolle damit alle Verfahren wegen Geringfügigkeit sofort im…“

„… viele anonyme Personen behauptet hätten, die Alternative für Deutschland zu unterstützen. Storch sehe dies als Beweis, dass die Partei eine Stimme der schweigenden Mehrheit sei, die sich gegen das politische System der BRD GmbH in seiner von Gendergaga und linksfaschistischer Umvolkungsagenda mit allen Mitteln…“

„… es keine Beweise für eine Strafbarkeit von Spenden gebe, da diese auch aus Mildtätigkeit heraus gegeben worden sein könnten. Gauland sehe darin eine Verankerung der AfD im christlichen Abendland, die sich durch steuerliche Vorteile…“

„… die deutschen Tugenden bedroht seien. Höcke fordere im Falle eines Verbots von finanzieller Unterstützung die Rüstungsindustrie auf, nach dem Motto Kanonen statt Butter das Vaterland direkt durch Sachspenden vor dem drohenden Volkstod zu…“

„… die Steuerhinterziehungen von Gauland nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Spendenaffäre stehe. Es sei jedoch denkbar, dass er seine einbehaltenen Beträge anonym an die…“

„… immerhin keine eigenen Scheinfirmen für die Umlenkung von Spendengeldern gegründet habe, wie dies von Storch stets unternehme, wenn sie ihre privaten Geldflüsse verschleiern wolle. Weidel betrachte dies als Beweis, dass keinerlei Fahrlässigkeit im Umgang mit den…“

„… es keine Rückschlüsse auf natürliche Personen gebe. Aus dem nationalsozialistischen Flügel gebe es daher die Gewissheit, dass es sich nicht um Mitglieder der Identitären…“

„… habe die AfD die Spenden ursprünglich nur zum Aufbau von Rücklagen angenommen. Juristen hätten vorab gewarnt, dass die Annahme der Gelder Grund zu hohen Strafzahlungen sein könnten, was die Partei ja erst auf den Gedanken gebracht habe, Rücklagen in Höhe von mindestens einer…“

„… dass es aber keinen Grund gebe, an der Verfassungstreue der AfD zu zweifeln. Da die Verfahren der Parteienfinanzierung jedoch nicht durch das Grundgesetz bestimmt seien, könne Maaßen hier keinen Konflikt mit der…“

„… keinen politischen Schaden für die AfD befürchte. Gauland wisse, dass die Partei nicht wegen ihrer gesetzestreuen Handlungen wegen gewählt würde, sondern wegen einer Schicht geistig stark zurückgebliebener Asozialer, die sich von…“

„… sich für Maaßen nicht die Frage stelle, ob die AfD mit einzelnen kriminellen Strukturen als Ganzes gegen die Verfassung verstoße. Ziel der politischen Auseinandersetzung müsse es für ihn im Gegenteil sein, dass zuerst das Grundgesetz abgeschafft werde und dann erst die…“





Kümmelblättchen

28 01 2010

„Was, was, was – Sie haben es doch selbst gesehen, wir haben alles unter Kontrolle! Aber sicher, da kann gar nichts schief gehen, kann’s gar nicht! Todsicher! Sie bekommen Ihr Geld schon!

Das weiß ich doch nicht. Kann ich hellsehen? Also die paar Monate bis zur Steuerschätzung werden Sie doch wohl abwarten können, oder? Wenn es sie tröstet, wir müssen bis dahin auch ganz tatenlos mit ansehen, wie die Wahl in Nordrhein-Westfalen uns eine komfortable Mehrheit… Was sagen Sie? Hinhaltetaktik? Das ist infam! wirklich infam ist das – meinen Sie auch? Ja, dann sind wir uns ja einig. Schön, dass Sie das auch so sehen.

Also mit diesem Mövenpick-Geplapper können Sie uns nicht kommen. Das ist doch alles nur miese Propaganda von den… lassen Sie mich doch mal ausreden! Die sind doch alle bloß neidisch auf unseren Erfolg. Ja natürlich, die FDP ist doch im Aufwind. Gehen Sie mal an einen Zeitungskiosk, da werden Sie’s sehen: ohne FDP geht gar nichts.

Die Kürzungen? Das ist alles noch gar nicht entschieden. Das werden wir mal in aller Ruhe berechnen, wenn wir absehen können, wie viel unsere Steuersenkungsmaßnahmen kosten. Aber ja, das muss sein! Das werden wir auch ganz genau ausrechnen, auf Heller und… Der Name? Wieso der Name schon? Wachstumsbeschleunigungsgesetz, ja meine Güte, irgendeinen Namen muss doch das Ding haben. Da können Sie doch nicht mich verantwortlich machen, wenn die CDU… Nur, weil das Ding so heißt, muss es doch nicht auch gleich das Wachstum beschleunigen. Das muss doch gar nichts heißen. Im Zugangserschwerungsgesetz ging es ja auch nicht um Zugangserschwerung.

Wieso finanzmathematisch – ja natürlich! Wenn das Wachstum an einer Stelle beschleunigt wird, dann muss es doch an anderer Stelle wieder… Richtig, dafür muss man kürzen. Und so kraftvoll, wie das Wachstum unserer Ansicht nach… aha, ich sehe schon, Sie haben verstanden. Die CSU? Das weiß ich auch nicht, das müssen Sie sie schon selbst fragen. Wenn Herr Seehofer meint, es seien keine Sparmaßnahmen nötig, dann wird er dafür schon seine Gründe haben. Andere Zahlen? Welche anderen Zahlen? Haben Sie andere Zahlen? Haben Sie überhaupt welche? Dann wissen Sie wohl mehr als ich. Warum wir die Geschenke an die Hoteliers da mit einrechnen? Warum sollten wir nicht, sie erscheinen doch alle auf der Ausgabenseite?

Das mag ja alles sein, gut und schön, aber wie wollen Sie Ihren Sozialstaat denn finanzieren? Bevor Sie der Unterschicht ihren Tabakkonsum bezahlen können, müssen Sie erst einmal die Barmittel beschaffen! Ein bisschen mehr Respekt vor den Leistungsträgern der Volkswirtschaft! Das wird den Konsum nicht steigern? Das interessiert uns doch nicht! Die Hauptsache ist doch, dass es wächst. Schließlich ist unsere Wirtschaft auf permanentes Wachstum angelegt, wir garantieren mit unserer… Was? Woher soll ich das denn wissen? Irgendwas wird schon wachsen, und wenn es die Abschreibungen sind. Haben wir dann etwa die Unwahrheit gesagt?

Sie müssen das gesamtgesellschaftlich sehen. Ein mitfühlender Liberalismus kann auch nur gesamtgesellschaftlich eine Perspektive entwickeln. Wenn wir unsere Kinderfreibeträge ausschließlich für die Besserverdienenden vorgesehen haben, dann liegt das daran, dass wir eben nicht das Prekariat animieren wollen, auch noch Nachwuchs in die Welt zu… Aber selbstverständlich ist das mit unseren Grundsätzen zu vereinbaren. Grundsätze lassen sich auswechseln. Der Zinssatz nicht.

Eine Finanztransaktionssteuer? Das ist doch blanker Wahnsinn – die Leistungsträger unserer Finanzordnung ausbluten lassen? Nicht mit uns! Wir würden auf einen Schlag damit… die OECD fordert das? Es ist Deutschland hier, merken Sie sich das! Ihre zersetzende Kritik können Sie woanders üben! Ach so, 30 Milliarden Euro – sagen Sie das doch gleich! Wer bekommt die denn? Meinen Sie, wir könnten dafür eine private Stiftung aufmachen, eine eigene Krankenkasse und einen… ja, aber das muss man ja nicht gleich an die große Glocke… 30 Milliarden für den Bundeshaushalt? und keine Chance, etwas als Spende abzuzweigen? Dann vergessen Sie’s. Dafür verprellen wir es uns doch nicht mit den Erben und Grundbesitzern. Ach was, Kaufkraft – das reale Geld ist doch völlig uninteressant. Wer arbeitet denn noch für seine Einkünfte – arbeiten Sie noch für Ihre Einkünfte? Gut, ist ja Ihre Entscheidung. Sagen Sie das aber bitte nicht Frau Merkel. Der Herr Seehofer darf’s ruhig hören, der ist mit der BayernLB rechtzeitig auf die Schnauze geflogen.

Eben deswegen senken wir ja auch die Unternehmens- und Gewinnsteuern. Irgendwann muss es doch mal klappen mit den Investitionen. Sie glauben nicht daran? Die anderen auch nicht. Eigentlich keiner. Wissen Sie, mir ist es ja völlig egal – aber wenn es das Bruttoinlandsprodukt nun wirklich erhöhen sollte, dann sind wir die einzigen, die an uns selbst geglaubt haben. Und dann werden wir uns sehr genau überlegen, wen wir noch an unserer Regierung des Aufschwungs teilnehmen lassen werden. Entscheiden Sie sich rechtzeitig!

Kommen Sie, geben Sie sich einen Ruck! Jetzt lassen Sie uns das doch zu dritt machen. Schauen Sie, die Frau Merkel, der Herr Seehofer, ich – das sind doch gute Karten für Sie. Meinen Sie nicht, dass Sie diesen Einsatz wagen sollten? Schließlich steht diese ganze Regierung geschlossen hinter Ihnen!“





Arbeit macht frei

27 01 2010

Behutsam zupfte Leutnant Saltzmann die Armbinde zurecht. Das Rote Kreuz über meinem Ellenbogen gestattete mir den ungehinderten Zutritt zum Lager Bad Hersfeld II. „Halten Sie sich aber bitte etwas zurück“, schärfte mir mein Begleiter ein, „der Kommandant mag es nicht, wenn man sich in seine Arbeit einmischt.“ Ich protestierte. „Er ist doch nur ein Landesbeamter.“ Saltzmann lächelte. „Eben.“

Wir passierten die Eingangskontrolle. Am anderen Ende des Hofes sahen wir die Baracke des Leiters. Hängeleben trat vor die Tür und reichte uns die Hand zum Gruß. „Haben Sie Schokolade dabei? Zigaretten? Kondensmilch?“ „Warum“, fragte ich entgeistert zurück, „braucht man das denn hier?“ „Sie nicht“, wehrte Hängeleben eilfertig ab. „Sie ganz sicher nicht. Aber wir wollen nur ungern, dass Sie aus Mitleid den Insassen etwas zustecken. Das mag zwar als mitfühlende Geste durchaus sehr nett sein, aber es torpediert doch unsere pädagogischen Bestrebungen. Wir haben die Absicht, die Insassen hier so schnell wie möglich wieder in die normale Gesellschaft zu entlassen. Und das geht eben nicht, wenn es zu solchen Rückschlägen kommt. Na, Sie werden’s ja gleich selbst sehen können.“

Just als wir die Baracke verließen, schrillte es zum Hofgang. Wachsoldaten in Breitcordhosen und Ärmelschonern bezogen Stellung. „Wir haben ein paar Kräfte aus dem Bauamt abgezogen“, erklärte Hängeleben. „Da es sich um Verwaltungstätigkeiten handelt, können sie in gewohnter Dienstkleidung erscheinen.“ Die Häftlinge trotteten müde auf den Hof. Sie sahen ausgezehrt und entkräftet aus, sie schlurften gebeugt und starrten apathisch zu Boden. „Was haben Sie denn mit diesen Leuten bloß gemacht“, fragte ich bedrückt. „Ach, gar nichts.“ Hängeleben überschaute die Sträflinge und widmete sich dann einer Strichliste. So leicht ließ ich mich nicht abspeisen. „Sie müssen doch irgendetwas getan haben, um ihren Willen zu brechen. Schauen Sie sich die Leute doch an, sie sind doch völlig abgestumpft.“ Der Kommandant sah mich kalt an. „Das, mein Freund, waren sie vorher auch schon. Wir machen hier gar nichts mit ihnen, wir lassen sie nur nicht mehr raus. Bis sie kapiert haben, dass sich ihr Verhalten grundlegend ändern muss, wenn sie wieder in die menschliche Gesellschaft integriert werden wollen. Falls das überhaupt noch geht.“

„Das ist doch…“ Ich wollte meinen Augen nicht trauen. „Das ist doch Guido Westerwelle! Wie kommen Sie dazu, den Bundesaußenminister in diesem Lager einzusperren?“ „Er sitzt hier nicht als Minister“, belehrte mich Hängeleben, „obwohl es dazu auch den einen oder anderen Grund gäbe – er wurde in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der FDP inhaftiert. Das neue Koch-Gesetz macht keine Ausnahmen.“ „Das Gesetz fordert bloß, dass jeder Bundesbürger einer Beschäftigung nachgeht, auch einer niederwertigen, im Zweifel einer öffentlichen Arbeit.“ „Richtig, in Kurzform: wer nicht arbeiten will, soll auch nichts essen. Damit führen wir die Arbeitsmarktreformen auf das zurück, als was sie eigentlich gedacht waren – als Strafvollzug ohne Anfangsverdacht.“ Ich war erschrocken.

Mit matter Stimme plapperte der Chefliberale ein paar seiner Lieblingsphrasen. Das mit der Freiheitsstatue. „Nichts da“, schnarrte der Leiter. „Er weigert sich beharrlich, seine Schuhe selbst zu putzen.“ „Was erwartet er?“ Hängeleben grinste bitter. „Er schickt nach einem Diener.“ „Hier?“ Das wollte ich nicht glauben. „Hier. Genau hier.“

Hängeleben klopfte eine Zigarette auf seinem Handrücken fest. „Der erzieherische Effekt wird Ihnen auffallen, sobald Sie sich ein bisschen mehr mit diesen Herrschaften hier befassen. Sie lehnen jegliche Tätigkeit ab.“ „Aber sie sind doch keine Kostgänger“, widersprach ich, „sie bestreiten ihren Lebensunterhalt selbstverantwortlich.“ Er lachte schallend. „Das glauben Sie aber auch nur! Schauen Sie, die Suche nach Profit, Eigennutz, wenn Sie es so sehen: Gier, das ist doch produktiv. Ein Maurer, der schneller die Steine schleppt, weil er auf eine Prämie schielt – ein Plus für die Volkswirtschaft. Aber das hier?“ Im hohen Bogen spie er die Kippe in den Hof. „Sie lassen sich aushalten. Nach dem Ersten Weltkrieg nannte man das Rentnermentalität. Sie basteln sich Pöstchen und Ämter und Stellen und Positionen, damit sie die Macht haben, sich gegenseitig die Kohle fürs Nichtstun zuzuschieben. Das Pack drückt sich vor der Arbeit wie der Teufel vor dem Weihwasser.“ „Ich begreife“, gab ich zur Antwort. „Es ist gemeinschaftsschädlich, und es ist asozial. Aber wie wollen Sie das Problem lösen?“ Er steckte sich eine neue Zigarette an. „Leistung soll sich wieder lohnen – wer kann und nicht will, wird eben verhungern. Das ist natürlich brutal, aber so war das im Neoliberalismus vorgesehen.“

Spielten mir meine Augen einen Streich? Das Gesicht kannte ich doch – ich fragte Hängeleben. „Aber ja, das ist sie. Wir haben nämlich ein Auslieferungsabkommen mit den anderen EU-Staaten, deshalb konnten wir Silvana Koch-Mehrin bei ihrer Einreise gleich hier einliefern. Schwerer Fall, sage ich Ihnen.“ Sie machte einen furchtbar ausgemergelten Eindruck. „Ist sie so unbelehrbar wie die anderen?“ Hängeleben seufzte. „Wenn es das nur wäre. Sie betrachtet sich als politische Gefangene und wiegelt die anderen Insassen auf.“ „Womit das denn?“ „Sie fordert ein Recht auf Faulheit. Aber das wird ihr nicht viel nützen. Sie wird hier bleiben. Und dann wird sie irgendwann begreifen, dass das, was sie jahrelang gepredigt hat, gegen sie verwendet werden kann.“ Hängeleben schwieg. „Sie werden es irgendwann begreifen: Arbeit macht frei.“





Sieben Prozent

20 01 2010

Die Wogen schlugen hoch. Das Thomas-Dehler-Haus schien in seinen Grundfesten zu vibrieren – ernsthafte Erschütterung gestanden die Liberalen sich noch nicht zu. Die würde, wenn überhaupt, erst nach einer Krisensitzung des Bundesvorstandes in Erscheinung treten, wenn nicht der Vorstand auf der Krisensitzung beschließen würde, dass es auch fürderhin keine Krise gäbe.

Anlässlich einer Hoteleröffnung war es zu einer folgenschweren Panne gekommen; gerade eben noch hatte die Parteispitze die Runderneuerung der Fiskalpolitik gefordert, da verplapperte sich der Generalsekretär. Christian Lindner konnte gerade noch mitteilen, die Spende des Baron von Finck sei keinesfalls verschleiert worden, da erlitt er auch schon eine argumentative Materialermüdung. Die Karawane tagte weiter. Der Finanzkreis der im Deutschen Bundestag vertretenen Geldanlagepartei beschloss, weiterhin das Übel der öffentlich-privaten Partnerschaften aus der geistig-politischen Umgebung auszumerzen; nicht privates Kapital zum alleinigen Wohle unseres geliebten Staates zu mobilisieren sei Ziel der Freiheitlichen, sondern der umgekehrte Weg.

Hinter vorgehaltener Hand erzählte man bei der Zusammenkunft mit der Gesandtschaft Polnischer Geflügelzüchter, Guido Westerwelle habe einen Tobsuchtsanfall bekommen. „1,1 Millionen“, so solle der Spaßmobilist gebrüllt und auf den Tisch gehämmert haben, „das ist doch keine Summe! Das ist doch Dumping! Verfluchte Scheiße noch mal, wir sind hier doch nicht im Prekariat!“ Weiteres war nicht in Erfahrung zu bringen. Die Stellvertreter schoben die entsprechenden Beteuerungen nach, der Partei fehle nichts. Die Freidemokraten seien nach wie vor in bestechender Form.

Der folgenden Sonntagsfrage gelang etwas Außergewöhnliches: sie verwirrte selbst die Demoskopen. Es gab plötzlich keinen einzigen FDP-Wähler mehr. Eine Expertenkommission befand, der letzte Nazi sei am 8. Mai 1945 spätabends durch eine Verwechslung ums Leben gekommen, seither gehe in Deutschland alles mit rechten Dingen zu. Trotzdem verteidigte man die Stärkung von Freiheit und Verantwortung des Einzelnen. Noch immer sei es vorrangiges Ziel der Wirtschaftspolitik, durch Steuersenkungen die Kaufkraft zu erhöhen, beispielsweise die Kaufkraft der Hotelbranche um sieben Prozent.

Es verwunderte, dass polnische Hafermastgänse so früh vor der Weihnachtssaison komplett von der Mehrwertsteuer ausgenommen werden sollten. Die Liberalen mussten dafür harsche Kritik einstecken, aber im Einstecken waren sie schon immer groß. Beweise für den Zusammenhang zwischen Parteispenden und politischen Entscheidungen gab es indes nicht.

Das Kanzleramt dementierte scharf, Norbert Röttgen habe bereits den Atomkraftwerksbetreibern seine Aufwartung gemacht.

Am Rande einer Kneipentour mit dem Interessenverband deutscher Getränkehersteller zur Deregulierung des Alkopopsteuergesetzes – namentlich die Geschmacksrichtung Erdbeere hatte es Westerwelle sehr angetan – zeigten sich gut informierte Kreise sehr skeptisch, dass im Falle einer personellen Erosion Hermann Otto Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich in höhere Staatsämter aufrücken würde. Man habe den Schatzmeister vorsorglich aus der Schusslinie gehalten.

Alles lief wie geschmiert. Während einer weiteren, gut gelaunt verlaufenden Krisensitzung gab der Vorsitzende bekannt, dass die FDP weiter hoch im Kurs stehe. Alle, so Westerwelle, seien käuflich; der Unterschied bestehe eben darin, dass manche niemand haben wolle. Zur Sanierung der nationalen Wirtschaft regte der Club der besser Verdienenden an, zu sieben Prozent Mehrwertsteuer Island zu kaufen und die deutschen Staatsschulden outzusourcen; zusammen mit der neuen nicht bürgerlich, aber rechten Regierungskoalition könne man einen konzertierten Neustart wagen.

Allenfalls in Hinblick auf die sieben Prozent, die der große Lobbyist nun unter den Schuhsohlen trug, kam Panik auf. Vor der nächsten Wahl müsse man ihm die Treter ausziehen, raunte das Präsidium, notfalls mit Gewalt.

Beim Neujahrsempfang in Düsseldorf machte sich der Chef der Freidenker überraschend für die Elite der Bonibezieher stark. Man könne nicht immer nur an diejenigen denken, die Leistungen des Staates erhielten, so Guido Westerwelle, man müsse endlich auch an diejenigen denken, die den Karren zögen. Ergriffenes Schluchzen dankte ihm den emotionalen Ausbruch. In einem der ganz seltenen Momente gelebten Deutschtums entrang sich der Brust des Außenministers ein flammender Appell an seine Landsleute: „Deutsche, hinterzieht deutsche Steuern!“ Der Saal lag sich in den Armen.

Für Ernüchterung sorgte die blassgelbe Plörre, die tags darauf in die Läden gelangte. Von Erdbeeraroma konnte keine Rede sein, ein flaues Gesöff dümpelte da in den Flaschen, nicht süß und nicht sauer, faulig und verdorben, eine dünne Plempe, die der Eitelkeit spottete und in seltsamem Kontrast stand zum dicktuerischen Design am Flaschenbauch – F.D.Pop prangte prahlend auf dem Etikett. Man kündigte an, die volle Härte des Rechts anzuwenden gegen die verleumderische Brause, die geeignet schien, das Ansehen der Freien Demokraten zu schädigen, da es ein widerliches Gesöff und dem menschlichen Genuss nicht zumutbar sei. Dies, befand das Gericht, sei durchaus richtig beobachtet, und ließ die Spülwasser zu. Es läge, am Inhalt ersichtlich, kein Etikettenschwindel vor: sieben Prozent.





Camera obscura

7 11 2009

Wer im Licht steht, wird geblendet.
Die im Dunkel sehen zu.
Alles, was im Finstren endet,
lässt der lieben Seele Ruh.
Unrat ekelt den Betrachter,
besser hält er und bedachter,
wenn man hielte Dreck und Ratten
    tief im Schatten.

Doch da bleibt’s nicht. Das Gelichter
zieht in alle Sphären auf.
Schert sich daran auch kein Richter,
lässt dem Ding er seinen Lauf.
Dieb bleibt Dieb. Auch diese Sorte
lügt und trügt sich Ehrenworte
und vernebelt die Debatten
    aus dem Schatten.

Kassen, Konten, feiste Beute
scheffelte so mancher Lump.
Einen ganzen Haushalt heute
schwindelt dieses Pack auf Pump.
Tritt sich fest in seinem Amte,
zeigen doch, woher es stammte –
haben, was sie immer hatten:
    einen Schatten.