Nicht zuständig

29 07 2013

„Die Frau Bundeskanzlerin ist nicht zu sprechen, tut mir leid. Sie ist auch gar nicht hier, und wenn sie hier wäre, wäre Sie in einem wichtigen Telefonat auf der roten Leitung, und dann – das ist die rote Leitung? Ich kann mal nachschauen, aber die Frau Bundeskanzlerin wird wegen Ihnen sicher nicht ihr Frühstück unterbrechen. Rufen Sie später noch mal an, Pofalla. Ihre Außerirdischen werden sich halt ein bisschen gedulden müssen.

Hören Sie mal, für Außerirdische ist die Frau Bundeskanzlerin sowieso nicht zuständig. Die sind von draußen gekommen, also wird das Westerwelle erledigen müssen. Ach so, den haben die schon erledigt? Dann hat das ja sogar noch seine guten Seiten. Ansonsten macht das halt der Innenminister, wie heißt der doch gleich, ist auch egal, der ist eh für nichts zu gebrauchen. Aber grundsätzlich ist in diesem Fall die Frau Bundeskanzlerin nicht zuständig. Und wenn sie zuständig wäre, dann –

Wie jetzt, den Reichstag zerstört? Den ganzen Reichstag? in Schutt und Asche? Ich sage doch, man sollte das ruhig auch mal positiv sehen. Dann müssen wir den nicht mehr… Das mag ja sein, Pofalla, aber was bitte ist die Versicherungssumme gegen den Aufwand, ständig das ganze Parlament auszuhebeln und kaltzustellen und anzulügen und zu hoffen, dass – lassen Sie mich ausreden, Pofalla, das steht Ihnen als Kanzleramtsminister nicht zu, die Frau Bundeskanzlerin zu unterbrechen, und solange die Frau Bundeskanzlerin nicht für Sie da ist, bin ich für Sie die Frau Bundeskanzlerin, und die ist hier sowieso nicht zuständig, also lassen Sie jetzt gefälligst diesen Quatsch. Dann fahren die Touristen eben nicht mehr nach Berlin, um den Reichstag zu besichtigen. Meine Güte, Pofalla! Organisieren Sie irgendeine Gedenkstätte für diese dusselige Ruine, das dürfte Ihren Fähigkeiten wohl am ehesten entsprechen.

Erstens ist das noch gar nicht raus, dass das der Wirtschaft schaden könnte, und zweitens ist dafür dann Rösler verantwortlich. Eine komplette Fabrik? Einfach so mit Laserstrahlen weggezoscht? Das klingt interessant, Pofalla. Fragen Sie gleich mal nach, ob wir uns das patentieren lassen können. Oder nein, warten Sie. Das ist bestimmt eine EU-Angelegenheit. Finden Sie heraus, wer da zuständig sein könnte. Was hat denn Rösler damit zu tun? Pofalla, jetzt denken Sie doch mal. Denken, wissen Sie, wie das geht? Wenn man etwas über Wirtschaft wissen will, wen fragt man da nicht? Na? Richtig, Pofalla. Sehr gut. Und jetzt machen Sie sich wegen einer Chemiefabrik nicht in die Hosen, es gibt ja noch mehr davon in Deutschland. Bei einer Investmentbank, da könnte man schon mal panisch werden, aber 50.000 Arbeitsplätze? Positiv denken!

Chefsache? Ist Ihnen zu heiß, Pofalla? Sonnenstich? Es gibt keine Chefsache. Die Frau Bundeskanzlerin ist hier nicht zuständig. Die einzige Chefsache ist momentan die Sommerpause.

Politische Konsequenzen? Pofalla, jetzt machen Sie doch mal halblang. Der Oppermann von der SPD macht halt Wahlkampf und die Nahles spuckt bei jedem Atemzug eine Rücktrittsforderung aus. Alles ganz normal, das sind Reflexe. Sagen Sie den Leuten, dass Sie erst einmal die Aufräumarbeiten abwarten sollten, bevor wir über Konsequenzen nachdenken können. Gemeinsam mit den Außerirdischen, vergessen Sie das nicht. Immer alles gemeinsam. Wie bei der Bankenkrise. Da haben sich die Banken ja auch beteiligt. An den Überlegungen.

Außerdem sagt die Frau Bundeskanzlerin noch einmal ganz klar – schreiben Sie sich das auf, Pofalla – dass hier deutsches Recht gilt und dass unsere außerirdischen Freunde und Verbündeten sich daran halten müssen. Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann werde sich die Bundesregierung in einem gezielten Dialog – Sie sollen sich das aufschreiben, Pofalla! Solche Formulierungen kriegen Sie alleine gar nicht hin, und außerdem sind die Menschen da draußen an diesen Mist gewöhnt, also torpedieren Sie uns nicht die Wiederwahl!

Gut, dann machen Sie mal einen Termin mit dem Anführer. Irgendeiner von denen wird doch zuständig sein. Ist doch überall so. Doch, das können Sie glauben. In einem ordentlichen Staat, oder was es bei den Außerirdischen halt so gibt, da ist auch immer einer zuständig. Also so eine Art Geschäftsführer. Fragen Sie mal nach dem. Der soll einen Termin vorschlagen, oder besser gleich drei, damit wir das nach der Sommerpause irgendwie in den Terminkalender reinkriegen, und dann machen wir da ein erstes Gipfeltreffen für die Presse, und dann können Sie schon mal herumerzählen, dass nach den Wahlen die Frau Bundeskanzlerin mit den Aliens eine gemeinsame Lösung finden wird. Wenn das nicht klappt, schicken Sie halt Friedrich hin. Wenn die den auch noch umnieten, ist es auch nur Sachschaden.

Den Kölner Dom, den können die meinetwegen haben. Jetzt sind wir da auch nicht mehr zuständig. Aber den Stuttgarter Bahnhof, hören Sie, der wird verteidigt! Wir lassen uns hier keine Investitionen kaputt machen, Pofalla, das muss ganz klar zum Ausdruck kommen. Und seien Sie sicher, die Frau Bundeskanzlerin steht vollkommen hinter Ihnen. Absolut. Ganz klare Sache. Warum? Ja glauben Sie denn, dass es ihr etwas nützen würde, jemanden wie Sie zu feuern, Pofalla? Das merkt doch keine Sau. Also halten Sie den Kopf hin, es sind ja nur noch ein paar Wochen. Danke, richte ich aus. Und viel Erfolg, Pofalla. Sie wissen, wenn’s schief geht, wer nicht zuständig war.“





Näher am Menschen

3 10 2011

„Ja, und jetzt noch einmal ganz entspannt: Fres-se! Fres-se! Sehr schön, Herr Pofalla, das könnte im Grundansatz noch eine klitzekleine Idee glaubhafter kommen, aber so ist es schon mal ganz hübsch. Und dann bitte alle gemeinsam: Fres-se! Schei-ße! Fres-se!

Die Unionsparteien müssen natürlich Ihren Beitrag leisten, dass die politische Kultur in diesem Land sich weiter auf einem erträglichen Niveau befindet – zu hoch darf es nicht sein, nicht wahr, und dafür, dass das so bleibt, bilden wir unser Führungspersonal hier weiter. Die Deppendichte in den anderen Parteien ist teilweise erschreckend hoch, gucken Sie sich bloß mal den letzten NPD-Wahlkampf an. Da müssen wir aber noch deutlich nacharbeiten! Ich meine, Politik wird doch an den Stammtischen gemacht, Populismus und Pöbeln, das hängt ja nicht nur sprachlich zusammen. Wir müssen diese christlich-bürgerliche Leitkultur eben auch mit ungewöhnlichen Mitteln unter die Leute bringen. Damit wir näher am Menschen sind.

Und jetzt alle mal im Chor: Gur-ken-trup-pe! Wild-sau! Gur-ken-trup-pe! Ja, Frau Schröder, das mit der deutschen Kartoffel, das machen wir dann auch noch, wenn Sie jetzt brav sind und nicht immer dazwischenreden. Gur-ken-trup-pe! Sehen Sie, es geht doch. Man muss nur wollen.

Na, schauen Sie sich das in der Vergangenheit doch mal an. Spätrömisch? Dekadenz? Hallo!? Das versteht doch keiner. Und genau deshalb war dieser ganze Versuch von Westerwelle auch zum Scheitern verurteilt. Da hat der Pfeil von der Hessen-FDP eben doch Recht, die weniger intelligenten Leute wählen eben etwas anderes. Hätte Herr Westerwelle seinerzeit gesagt: dies ganze arbeitsscheue Pack, die brauchen bloß mal eins aufs Maul – das hätte die ganze Koalition verstanden. Da hätten alle mitgezogen. Aber so?

Sehr schön, Herr Brüderle. Bisschen deutlicher noch, wenn’s geht: Sir-ta-ki-Si-gi. Nicht nuscheln! Und lassen Sie die Finger von der Flasche!

Der Wähler an sich ist ja, sagen wir mal, primitiv. Der will entsprechend bedient werden. Und wir setzen hier auf das Prinzip Volksnähe. Nein, nicht Bürgernähe, da verwechseln Sie etwas. Bürgernähe, das heißt, dass man den Besserwissern da draußen zuhört und sich weiterbildet, damit man ihre Argumente wenigstens nachvollziehen kann. Volksnähe, das ist anders. Nein, auch nicht, wenn die Kanzlerin sich im Fußballstadion sehen lässt. Das ist billiges Herangewanze. Volksnähe – da denkt man genau so wie der kleine Mann auf der Straße. Beziehungsweise man denkt eben nicht, und drückt es dann dementsprechend aus. Deutlich. Und vor allem laut. Die Menschen mögen das.

Gucken Sie sich mal unsere Erfolge an – den Herrn Pofalla hier, den haben wir von Anfang an bearbeitet. Sozialpädagoge, da haben wir nur ein Rückgrat-Implantat reingesetzt, knickbar natürlich, er war ja für die Kanzlerin bestimmt, und dann haben wir ihm die nötigen Kenntnisse vermittelt. Er hatte die besten Lehrer, er war grundsätzlich, wie sagt man? resozialisierbar, und dann haben wir ihn in die Tourette-Selbsthilfegruppe geschickt, aus der auch die Kauder-Brüder und der Kardinal Meisner kommen. Ganz hervorragendes Material. Absolut stammtischgeeignet. Gut, Pofalla würde ich jetzt nicht gleich in ein bayerisches Bierzelt schicken, zumindest nicht ohne Schützenverein.

Und bitte einmal nur die CDU-Reihe: Grund-ge-setz! Schei-ße! Grund-ge-setz! Sehr schön!

Ohne Pofalla? ohne mich! Ohne den geht’s doch gar nicht! Hören Sie, der Mann ist ein Mutti-… ’tschuldigung, Multitalent, wollte ich sagen. Der ist systemrelevant, verstehen Sie? Also nicht too big to fail, das haben schon ganz andere von sich geglaubt, aber absolut systemrelevant. Ohne Pofalla könnte es gar kein System Merkel geben. Der Mann hat den wichtigsten Job in der Regierung. Er vermittelt zwischen Kanzlerin und dem ganzen anderen Kram da, Regierung und Bundestag und Partei und so. Sie, wir haben den Mann jahrelang auf diesen Job vorbereitet! Der hat als schon als Generalsekretär hart daran gearbeitet, einer der besten Kriecher der Szene zu werden! Sogar die FDP wollte uns den abkaufen. Er ist ja ein echter Künstler. Oben buckeln, unten treten. Das ist ein Talent, das man nicht vergeuden darf. Ohne solche Scharfmacher könnte man eine Partei wie die CDU gar nicht volksnah führen. Zumindest nicht unter der Kanzlerin.

Und nun die Übung für Fortgeschrittene: Eu-ro-pa! Pu-rer So-zi-a-lis-mus! Schei-ße! Und bitte auch der Herr Rösler, Sie wollen doch Ihre populistische Reifeprüfung nicht in den Sand setzen? Wenn Sie bis 2013 noch Korruption als Staatsziel im Grundgesetz verankern möchten, müssen Sie sich ein bissel ranhalten! Schei-ße! Gur-ken-trup-pe! Und noch mal!

Kommunikation! Eins der wichtigsten Themen, von denen Merkel keine Ahnung hat. Da braucht man Spezialisten, und wir nehmen nur die Besten der Besten. Narzisstische Persönlichkeitsstörung, Selbstidealisierung, alles vom Feinsten. So einen finden Sie nicht auf dem Landesparteitag, das ist ein Ausnahmetalent. Ohne den würde die Koalition nicht funktionieren – wenigstens nicht so, wie sie im Moment funktioniert.

Bitte etwas zusammenreißen, meine Damen und Herren, das muss bis heute Abend sitzen. Wir wollen doch der Frau Merkel keine Schande machen bei der Einheitsparteifeier, oder? Und noch mal: Grund-ge-setz! Lass mich mit so ei-ner Schei-ße in Ru-he!“