Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCLXIX): Empörungsmarketing

14 04 2017
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Tidekind der Beknackte war sich sicher: vom Drachen volle Möhre ausgemöllert, das musste für ordentlich Gesprächsstoff sorgen. Schließlich war Ludeger der Ersetzbare kurz zuvor mit einer ähnlich dünnen Story in die Liga der A-Promis aufgestiegen und hatte kurzfristig dasselbe Ansehen beim Erzbischof wie Tschülperich von Dingenskirchen. Doch der Held half kräftig nach. Achsbruch durch marodierende Ostsachsen im Gelände, der von der Vollkaskoversicherung natürlich nicht übernommen wurde, die fristlose Kündigung der Schildmaid nur wegen dreier ausstehender Monatsgehälter plus Sterbegeld und Rentenversicherungsbeiträgen, zu allem Überfluss auch noch ein Zauberspruch, der in der Garantiezeit seine Wirkung einbüßte – wer würde da nicht erzürnt die Fäuste in den Äther schmeißen und Gott sowie Welt anklagen? Nur mit Empörungsmarketing, wusste unser Teilzeitheld, würde sich das Blatt wenden. Wenn überhaupt.

Gibt es überhaupt Gründe für die grassierende Aufmerksamkeitsökonomie, so ist das jäh flutende Aufkommen an Skandalisierungstatbeständen ein wesentlicher unter ihnen. Was Werbung an offenen Flanken nicht lassen konnte, was Wahlkampf und andere schöpferische Zerstörung nicht in die Hirne nageln kann, wird mit der Steigerung als einzigem Kriegsmittel erledigt. Ethische Motive sind dabei verhältnismäßig wumpe, sie finden statt, werden abgehakt, gelocht und eingedost. Was sich nicht am Leben erhalten lässt, während die Tiefe der Debatte mählich zu populistischer Grütze gerinnt, hat auch kein Recht auf Leben. Was bisher geschah: nichts. Aber das ist besser als gar nichts.

Die Kunst, den Deppen kommunikativen Brüllmüll in den Neocortex zu schwiemeln, besteht großflächig darin, ihr Interesse auf komplett irrelevanten Quark zu lenken. In Brasilien wird Kaffee ins Meer gekippt, in Hessen leiden die Schweine – freilich vor der Tötung aus humanem Interesse, denn wie sonst ließe sich das Kulturgut Rollbraten realisieren, wenn nicht durch Sau-KZ – und die Öffentlichkeit wird durch den regen Bau von Brunnen und Mädchenschulen der Armee unter Flächenbombardement darauf aufmerksam, wo sich sichere Herkunftsländer befinden. Sind Erwerbslose jährlich für den Leistungsmissbrauch zuständig, den Steuerhinterzieher auch bei Wohlverhalten schon an einem Tag wuppen, die BILD-gebenden Verfahren der sozialen Exklusion drehen ungehindert frei und wünschen den Wehrlosen Warzen und Pest. Keiner denkt an die Kinder, während die Mainstreampresse Hunderte von Kartellen offenlegt, die sich wegen der lächerlich geringen Bußgelder für jeden professionellen Schweinepriester lohnen. Es muss, wenn die Öffentlichkeit ins Spiel kommt, auch noch witzig sein. Aber lassen wir das.

Dekontextualisierung, Rekontextualisierung, die schlichte Deklaration von Fakten als Meinung – jedenfalls nicht besser als andersherum – die Werkzeuge der vulgären Demagogie sind aus steinzeitgerechtem Gussstahl, wenn überhaupt. Aber sie wirken, wenngleich rein zerstörerisch. Seit jeher kristallisiert sich aus dem weißen Rauschen der Kopfarbeitskräfte, dass halbwegs demokratisch verfasste Herden nur dann auch halbwegs demokratisch funktionieren, wenn an der Basis das Bewusstsein herrscht, einem luxuriös ausgestatteten Schmierentheater beizuwohnen, teils als Nebendarsteller, eingesprungener Antiheld oder tragisch geschminkter Chor. Keiner von ihnen käme je in die Verlegenheit des Denkens, sie leben von der suggestiven Regie, schlimmstenfalls durch die plärrenden Bettnässer vom Schnauzbartverleih, sonst von wohlmeinenden Diktatoren. Sie hegen die Bekloppten ein mit Flüstertüte und Schlagzeilen, das nächste Gezeter immer im Anschlag, damit die Hohlhupen nie das Gefühl bekommen, untätig und schweigend zu sein – sie sagen wenig, mehr ist es ein akustisches Wiederkäuen, aber nie gefährdet die herrschende Ordnung, was da von innen an die Wände schallgeschützter Echokammern suppt. Die Stabilität ist gewahrt, wo die Krücken noch fest an der Wand kleben, sich für Stützen der Gesellschaft halten und die Scherkräfte verteidigen, die ihnen gerade den Boden unter den Füßen wegzerren. Sie ließen es sich eher als mangelnde Flexibilität ankreiden, als nicht überraschend die Meinung über Bord zu hieven.

Wo immer ein Zusammenhang existiert: raus mit der Machete. Wichtig an der Empörung ist die Betroffenheit, vor allem da, wo der Betroffene sie sich einbildet. Im Zweifel fühlt er sich als nicht mehr dem eigenen Vaterland zugehörig und wie eine fremde Kolonialmacht gründlich ausgebombt, was bürgerkriegsähnliche Reflexe aus dem Brägen nudelt. Aber auch das lässt sich durch Schweigen steuern, durch mediale Kontrapunkte, zur Not mit mühsam in Szene gedroschenen Schandtaten, die den Brackwasserdemokraten überfordern. Krieg ist immer anderswo, deshalb demonstriert er auch nicht vor seinem eigenen Gartenzaun. Was will man als haftungsbeschränkter Rechtsstaat mehr.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCLVIII): Die Suggestivfrage

6 01 2017
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Fassungslosigkeit in Bad Gnirbtzschen! In einem Akt roher Brutalität, vermutlich enthemmt von der Erderwärmung, hat ein Schneesturm das Vordach der Bushaltestelle zum Einsturz gebracht! Die Anwohner sind, man müsste schon sehr weit ausholen, um dies nicht zu sehen, natürlich total aus dem Häuschen, nicht zu sagen: es herrscht in diesem bisher so unschuldigen Städtchen, das eigentlich eher ein Örtchen ist, ein hübsches kleines Fleckchen voller Schönheit zwischen den vereisten Seealpen und dem Kaukasus, es herrscht hier das reinste Chaos! Keiner weiß noch, was er denken soll, und da ist es gut, dass Enrico Bühse, der vom Dunkeldeutschen Rundfunk ausgesandte Reporter, dem zitternden Bürgermeister – es ist immerhin gut zwei Handbreit unterhalb des Gefrierpunktes – das monströs bepuschelte Mikro in den Rüssel drückt und atemlos die goldene Frage stellt: wie entsetzt sind die Gnirbtzschener?

Die insinuierende Formulierung, und genau das soll sie, ist die Mutter der neuen Berichterstattung, die vieles tut, nur eben nicht Bericht erstatten. Ein friedlich ruhendes Dörflein, wo der Bautrupp im Halbtran die Scheibe auswechselt und ein wenig Schnee fegt, versetzt den Zuschauer in seiner kaum zu überblickenden Masse nicht in enthemmte Wut über die finsteren Mächte. „Wie überrascht waren Sie“, sülzt Bühse die Anwohnerin Mandy Ö. (24) an, „als der Schnee neben Ihnen aufs Pflaster fiel?“ Mandy versteht viel, nur eben nicht den medialen Zusammenhang, gibt sich, einmal im Fernsehen, größte Mühe und lässt verlautbaren, sie sei „ja doch ziemlich“ überrascht gewesen. Nicht so sehr wie eine Stunde später, als die Milch überkochte, aber danach hat ja wieder keiner gefragt, und schon gar nicht so suggestiv.

Wie empört war der durchschnittliche Gnirbtzschener, als das neue Vordach, gerade erst im Sommer ins Wartehäuschen integriert, auf Kosten der Allgemeinheit ersetzt werden musste? Er wird das vielgestaltig und in breiter Lethargie in den Spuckschutz nuscheln, weil ihm der Vergleich fehlt. Mehr empört als beim Ausfall der städtischen Beleuchtung oder weniger? wilder als bei der großen Bierknappheit im vergangenen Sommer oder nicht? Die sorgsam in vertraute Muster geschwiemelte Frage ist nicht investigativ, denn sie wünscht nichts zu finden, was der Medienhonk nicht zuvor sichtbar in die Landschaft gestellt hätte. Das vorgekaute Werturteil des Dompteurs ist nur besser für die funktionierende Dramaturgie des Fragespiels. Mit der einfachen Feststellung, die Einheimischen hätten den Sachschaden erwartet, ist jede aufkeimende Hysterie sofort erstickt, und nichts ist es mit dem drohenden Weltuntergang am entglasten Unterstand.

Auf der nächsten Stufe, der Bericht ist schon in der Abendschau angekommen und wird durch die Mühlen der Moderation geprügelt, legt ein sprechender Polyesteranzug seinerseits dem gut trainierten, aber verbal hilflosen Außendienstler das Verzweiflung heischende Gerümpel vor. Wie sehr sorgt dieser unvorhersehbare Vorfall unter Bürgern für Empörung? Wenn die Gemeinde wegen eines neuen Vordachs jetzt für Wochen im Niederschlag stehen muss, wie sauer sind die Gnirbtzschener auf das Montageunternehmen? Und da überall schon die Steuerzahler die Dummen sind, deren Geld man aus reiner Bosheit verschwendet, wie stark würde sich der Unmut der Bevölkerung gegen den mit der Sache offensichtlich überforderten Bürgermeister richten, wenn dieser die überfällige Reparatur der Straßenbeleuchtung wegen des beschädigten Dachs verschöbe? Alles nicht denkbar, alles nicht entfernt im Einklang mit der Wirklichkeit, aber es gibt eine vortreffliche Krawallinszenierung her, vollgepumpt mit Emotionen, dank derer der Fuzzi am anderen Ende der journalistischen Nahrungskette sein dünnes Süppchen mit ordentlich Schmalz auffetten kann – die mit dem Holzhammer zur breiten Öffentlichkeit geklopfte Glotzerschicht weiß jetzt, welchen Standpunkt sie zu vertreten hat, da sie den Ansprüchen genügt, die sie via Mattscheibe an sich selbst zu stellen hat, um halbwegs normal zu gelten.

Auch so funktioniert der Ausnahmezustand, in dem die Meinungssucher abweichend von ihrer eigentlichen Aufgabe so tun, als interessierten sie sich für Fakten – sie suggerieren jedoch dem Subjekt und Objekt ihrer Berichterstattung nur, dass es sich an ein quasi-normatives Konzept irrationaler Verarbeitung von Dingen zu halten hat, um nicht in der Berichterstattung negativ aufzufallen. Wie gespannt warten die Gnirbtzschener auf die Entscheidung des Herstellers, das Glasdach auf Kulanz auszutauschen? Ist nicht trotz allem im Dorf noch eine gewisse Bitterkeit zu spüren, dass das fast vier Tage gedauert hat, während derer es nicht zu Schneien aufhörte? Wird sich die Unruhe hier in absehbarer Zeit weiter aufschaukeln?

Sollte in Bad Gnirbtzschen je ein Erdbeben stattfinden, die Einwohner täten gut daran, sich nur schriftlich zu äußern. Denn steht erst der Dunkeldeutschen Rundfunk vor den Toren, dürfte das kleinste Problem immer noch das Erdbeben sein.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCXXXIV): Clickbaiting

24 06 2016
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Für Rrt sah die Sache auch nicht besser aus. Die Hauptfrau hat ihn aus der Höhle geworfen, nachdem er einen Eimer Palmschnaps aufs frisch gereinigte Schlaffell gehustet hatte. Bei Nggr war gerade die bucklige Verwandtschaft zu Besuch, die Gattin von Uga hatte soeben irgendein Kind zur Welt gebracht – so genau zählte man damals nicht – und er wusste nicht, wo er übernachten sollte. Ein Kleckerchen Getreidebrei trug er noch bei sich für die Nacht, aber das verbesserte seine Gefühlslage nicht nennenswert. Da stand eine fesche Braut an der Blätterhütte neben dem Fischtümpel. Rrt drückte der Drallen drei Eberzähne ins Händchen, nestelte erwartungsfroh seinen Pelz auf und spürte das Blut in seinen Arterien gefriertrocknen. Auf der Moosunterlage rekelte sich etwas, das nur einen Schluss zuließ. Die am Eingang musste ihre Enkelin gewesen sein. Schade eigentlich.

Das funktioniert bis heute, und das funktioniert im Internet erst recht. Weil das Klickibunti mit den gefühlten 99 Prozent Luft nach unten jede noch so redundante Information zur Not hinter sich selbst versteckt, um den Nutzer im Augenblick festzuschwiemeln, braucht es Angelhaken, spitze Dornen zum Kobern für den schnellen Leserausch, damit die hirnreduzierte Masse im Dunkel des unsortierten Wortdurchfalls nicht weiterdümpelt und nach dem nächsten Wurm schnappt. Das bisschen intelligente Leben in diesem stehenden, halb umgekippten Gewässer, es hat sich schon fast abgewendet von der Hoffnung, in der medialen Unratsuppe zu überleben. Die Nebenprodukte der Zivilisation haben die Herrschaft übernommen, kurzlebige Arten mit der Aufmerksamkeitsspanne von Mikroben, instinktgesteuert, wenngleich mit wenig davon ausgestattet. Zehnmal wollen sie unbedingt sofort und jetzt gleich alles, statt etwas zu verpassen, von dem sie nicht einmal wissen, was es ist. Sie wissen nicht, dass sie eigentlich Köder sind, weniger Konsumenten als das Produkt selbst, das in evolutionär signifikanten Mengen verbraucht und gleich darauf entsorgt wird.

In der eher vernachlässigbaren Existenz der Querkämmer passiert nachweislich nichts – wie auch, wenn Permanentberieselung mit medialem Sondermüll zum seit Generationen in die Gene eingelaserten Programm gehört, das die mähliche Abstumpfung bis in valiumgeschwängerte Gefilde hievt, wo nur noch grobe Schmerzreize für wenige Sekunden aus dem Halbkoma holen, bevor die Dumpfklumpen wieder im Sopor ersaufen. Jetzt aber, jetzt! Unglaublich, was der Mann da mit dem Eierkarton macht! Faszinierend! Wir werden alle gar nicht darauf kommen, was dann geschieht! Der nackte Wahnsinn! Wahrscheinlich klatscht er ihn platt und tritt das Ding in die Tonne.

Aber selbst da, rabulierende Rhetorik im letzten Gewindegang für zu viel Scheiße unter der Sahnehaube, rechnet sich der knapp kalkulierende Businesskasper aus, wie viel Adrenalin er braucht, um den Aggregatzustand der sedierten Herde zu ändern. Er arbeitet gegen seine eigene Verrichtung an, proximate Ursachen des Verhalten zeitweilig wieder zu unterdrücken. Der instinktiv Beknackte wird intellektuell ausgeknipst, bevor er in einer Art Kurzschlusshandlung aufflackern darf, damit der Konsumismus nicht die Grätsche macht. Latscht in die Werbung, sagt der Schmadder, um mehr geht es doch gar nicht. Wenn wir sie verkaufen, dann doch wenigstens für dumm.

Damit der dünn angerührte Schlumpf sein Äußerstes gibt, wird er am Plärrzentrum gepackt. Ein Zehnjähriges ist seit Wochen um, jetzt lesen wir den erschütternden Brief an die Eltern. (Reklame für Appetitzügler, mit einem einfachen Trick zehn Kilo in weniger als einer Million Jahren verlieren.) Die Tragödie eines Schülers, der als Großvater wieder nach Hause fand. (Weil er mit einem Kredit die Hütte abreißen konnte.) Die dreiundneunzig Dinge, die man nicht verpasst haben darf, wenn man vor siebenunddreißig Jahren höchstens elf war. (Billiger Spot für gefärbte Zuckerplempe, die es damals noch nicht gab, aber der Creative Director macht den Mist auch nur für die Kohle, außerdem ist er noch nicht alt genug.) Kurz bevor es haarig wird, rutschen Kinder und Katzen auf den Rührungsdrüsen herum. Irgendwie kriegt man die Sache immer verkauft.

Der Guckreiz drückt von innen gegen die Rinde. Der auf Passivität gedrillte Kurzstreckendenker muss selbst die Tür eintreten, die ihm ein Komplize von innen vernagelt, er ist nicht verführt worden. Und der Komplize weiß um die Denkart der Schnitzelkinder: was alle wollen, das muss gut sein. Teilt der Bescheuerte seinen Müll, den er nicht einmal begriffen haben wird, auch noch in den asozialen Medien, so wird er endgültig seinem Ruf als Marionette gerecht: die Beute, die Lockspeise wird. Das Schrecklichste, was man sich vorstellen kann. Achtunddreißig Gründe, warum es einem trotzdem wumpe ist. Bei Nummer dreizehn wäre der Redakteur fast eingeschlafen. Und jetzt die Klickstrecke. Bleib dran, Du Opfer.





Dänen zeigen wir’s

17 03 2016

„… auch in Zukunft immer die Herkunft eines mutmaßlichen Straftäters genannt werden müsse, ungeachtet der Tatsache, ob es sich um ein an der Hautfarbe erkennbares negroid-multikriminelles Zersetzungselement oder einen reinblütig deutschen Herrenmenschen von…“

„… mehrere Übergriffe auf Touristinnen zu verzeichnen habe. Die Situation sei noch nicht so alarmierend wie in den spanischen Reisezielen, doch habe man sich entschlossen, die Strafverfolgung genauestens im Auge zu…“

„… die bis auf wenige Ausnahmen fehlerhafte Recherche der Springer-Medien verteidigt habe. Es sei nicht wichtig, nach einer Bluttat einen Albaner, Marokkaner oder Tibetaner zu beschuldigen, da es sich in allen Fällen um fremdrassige…“

„… ausschließlich dem Informationsbedürfnis des deutschen Volkes entsprächen, ob es sich bei potenziellen Straftätern um religiöse Sondergruppen außerhalb der christlichen Kirche handele. Meuthen sei kein Rassist, er wolle lediglich unerwünschten Elementen vor einer Abschiebung gewaltfrei…“

„… eine zweite Welle von Autodiebstählen beklage. Die Polizei wolle nun mit gezielten Fallen auf die Diebesbanden…“

„… die Wohnorte im Hamburger Portugiesenviertel bestätigt habe. Ungeachtet der Ermittlungen könne das Landeskriminalamt von den Namen Bohnstedt und Hansen nicht auf eine muslimische…“

„… dass die Nennung der ethnischen Herkunft Vorurteile schüren könnten. Meuthen habe dem Deutschen Presserat versichert, genau dies könne keiner verhindern, deshalb entspreche es genau dem Wunsch des…“

„… sich Höcke dafür ausgesprochen habe, in der Berichterstattung vom NSU-Prozess nicht länger die deutsche Herkunft der bisher noch nicht verurteilten Angeklagten zu verunglimpfen, die in heftigster Liebe zum Reich die ostischen…“

„… widerspreche BILD-Chefredakteurin Koch entschieden der Zensur des Gremiums. Ethische Richtlinien seien nicht zu rechtfertigen, solange der Umsatz des…“

„… die Landeskriminalämter anweisen wolle, direkt nach der Regierungsübernahme auch die Hautfarbe mutmaßlicher Straftäter zu registrieren. Der afrikanische Serientätertypus sei auch als formal staatsbürgerlicher Teil der Einwohner nie als Volk zu betrachten, weshalb das gesunde …“

„… bei seiner Festnahme mit einem verbotenen Springmesser um sich gestochen habe. Als Täter sei der Düsseldorfer Kevin Z. (27) identifiziert worden, der in Posen als Untersuchungshäftling…“

„… als erste Einspruch erhoben habe. Koch wolle deutsche Printmedien zu einer einheitlich ablehnenden Haltung gegenüber rassistischen…“

„… einen begründbaren Sachbezug zur Straftat erfordere, beispielsweise Hakenkreuzschmierereien und Brandstiftung an Synagogen bei…“

„… die Mittäter auch Reizgas und illegale Schusswaffen mitgeführt hätten. Offenbar habe sich eine Bande sächsischer Schulabbrecher über die polnische Grenze…“

„… zwar objektive Beweise, dass die Einbrüche auf osteuropäische Diebesbanden zurückzuführen seien, Gauland erwarte jedoch eine staatlicherseits durchgeführte Korrektur, nach der die Täter in der Systempresse nur noch als afrikanische Räuber…“

„… drohe Koch mit der Nominierung von Erika Steinbach als Beauftragte für Fremdvölker und…“

„… die Kriminalhauptkommissarin belästigt habe. Die Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigten eindeutig, dass der Beschuldigte den Lockvogel im Hallenbad angesprochen und unsittlich berührt und danach seine Badehose…“

„… sich mehrere Tageszeitungen mit Titeln wie Die deutsches Monster kommen immer wenn nacht als Instrument einer inneren Sicherheit für die nationalen…“

„… Franz Josef Wagner wegen eines falsch abgerechneten Pfandbons fristlos entlassen worden sei. Die Hinterbliebenen wollten dagegen…“

„… eine erste Rüge des Deutschen Presserates erhalten habe, da Steinbachs BILD-Kolumne unter dem Titel Ab fünf Uhr fünfundvierzig wird zurückgeschossen…“

„… anhand der Fotos eindeutig als der deutsche Tourist Fritz H. (68) identifiziert worden sei. Die Bilderserie sei für Politiken .…“

„… die Springer-Medien in einer konzertierten Aktion unter eine Textstrategie zu bringen. Der BILD-Titel Dänen zeigen wir’s sei vorerst nicht als legitime…“

„… nicht alle Belästigungen auf deutsche Badegäste zurückzuführen seien, in der Mehrzahl sei das Interesse der Leser jedoch eindeutig…“

„… nach der Machtergreifung als moralischen Ausgleich eine Generalamnesie für deutsche Straftäter einführen wolle, wenn diese eine Jahreseinkommen von mindestens…“

„… es sich bei dem deutschen Rentner Ralf M. (71) nur um einen Nachahmungstäter handeln könne, was jede negative Berichterstattung von vornherein…“

„…stehe außer Frage, dass die zwölf Jahre leichter Verspätung im Nahverkehr des Deutschen Reiches nicht ganz vergessen werden müssten, doch dürfe dies nicht dazu führen, die heldenhaften…“

„… M. minderjährige dänische Schülerinnen belästigt haben solle. Die Schlagzeile der…“

„… betreffs den Brandanschlag auf die BILD erst ermitteln müsse. Es stehe, so Koch, bereits fest, dass kein echter Deutscher…“





20xx

5 01 2015

„Es muss nicht auf den Tag genau sein, aber Anfang März wäre schon okay. Oder Ende Februar. Also 28. Februar, ja? Das ist auch ganz gut so, sonst können wir den Beginn der Blattsalatkatastrophe nicht ordentlich eintakten bei den Printmedien. Sie wollen schließlich auch leben, oder?

Das ist alles längst abgesprochen, wir ziehen es dieses Jahr vor, damit wir keine Verdienstausfälle in der deutschen Wirtschaft zu befürchten brauchen. Die erste Lebensmittelmeldung kommt immer erst im Juni, aber wir haben sie auf die Karnevalszeit vorgezogen, oder wenigstens auf die Frühjahrszeit. Dann kriegen die Hollandtypen eins auf den Sack, und wir können ab Juni unsere Gurken wieder unter die Meute jubeln. Ist doch dufte, oder?

Jetzt meckern Sie nicht, Planung ist das halbe Leben. Wir können uns keinen Umweltskandal leisten in den Frühjahrsmonaten. Da sind die Leute nicht eingestimmt, das kostet Unternehmensvorteile und Kundenbonus und Umsätze und, am schlimmsten, die Börsenkurse lassen nach. Da muss man natürlich auch ein offenes Ohr haben für unsere Partner aus der Wirtschaft, und wir sind ja keine Unmenschen, nicht wahr?

Juli bis August sind die Autokonzerne dran. Die haben sich das ebenso ausgesucht, ja? So sehen Sie aus – haben Sie eigentlich eine Ahnung, was die uns dafür zahlen? So eine Rückrufaktion, weil die Airbags klemmen, wissen Sie eigentlich, was das für eine Auswirkung auf den Shareholder Value hat? Das können Sie nicht einfach so machen, wie Sie lustig sind. Wenn die Bremsen klemmen und Mutti versehentlich vor der Grundschule ein paar Scheißbälger wegsemmelt – wollen Sie das in den Abendnachrichten hören? Ja, Sie vielleicht. Aber als Hauptaktionär? Meinetwegen als Verbraucher, der sich gerade eine Premiumklasse von dem Zeugs gekauft hat? Na also. Dann müssen wir das auch so bringen, dass es sich versendet. Oder verliest. Und dann fällt es den Verbrauchern auch nicht mehr so auf, es ist so gut wie weg, und dann fragt auch keiner mehr danach.

Das mit dem Dioxin im Futter hatten wir jetzt schon zweimal, können wir das dies Jahr vielleicht ein bisschen variieren? Also Futter schon, aber eine andere Formel für den Schadstoff? oder sonst noch einen Schadstoff anführen, der vorher auch schon drin war, möglicherweise nicht im Schweinefutter, oder im Klärschlamm für das Schweinefutter, und dann könnten wir die Schlagzeile ein bisschen modifizieren? Sehen Sie, es geht doch. Sie wissen, dass Sie damit dem deutschen Verbraucher einen großen Gefallen tun. Sein Kurzzeitgedächtnis ist ja auch nicht mehr so berühmt, da müssen wir ihm mit unseren kleinen Handreichungen einfach ein wenig behilflich sein, oder?

Aber Sie müssen mit der Nachricht über den ADAC bis spätestens Anfang Juli – Mitte Juli reicht, aber spätestens dann muss das auf dem Tisch liegen. Nee, wir kriegen das mit der Coverstory über die Bahn schon noch hin, aber wir brauchen ausreichend Material. Ohne Skandalmeldung über den ADAC können wir einfach nicht riskieren, dass Merkel in den Sommerurlaub geht und die CDU alleine lässt.

Wir können das nicht alleine entscheiden. Die Bahn hat uns zwar entsprechende Hoffnungen gemacht – von einer voll funktionsfähigen Heizung gehen wir spätestens im übernächsten Sommer aus – aber wenn der August auch wieder verregnet wird und eher heizungslastig, dann müssen wir halt auf die Maut umschalten. Aber das ist ja wie Fische aus einem Holzeimer angeln.

Sie koordinieren dann den zeitlichen Ablauf zwischen der Umweltkatastrophe und dem neuen Abhörskandal. So bald wird keine Atomexplosion die Schlagzeilen bestimmen, und Sie werden bestimmt ordentliches Material bekommen. Wir erwarten Hintergrundberichte, klar? Nicht gerade solche, die die Schuldigen in den Ministerien zu deutlich herausstellen, dafür haben wir schließlich Boulevardmedien, aber wir brauchen möglichst schnell eine Übersicht, wer wann für unsere Arbeit zur Verfügung steht. Im September wird unser Vertrauter seinen Rücktritt aus Gesundheitsgründen einreichen – das ist innerhalb der Bewährungsfrist, vergessen Sie das nicht – und dann werden Sie im Oktober Sachen erfinden, die den Fortbestand der Bundesrepublik Deutschland empfindlich zu stören geeignet sind.

Aber natürlich nicht. Sie können das ganz frei entscheiden, wir legen Ihnen da keine Steine in den Weg, und wenn Sie damit nicht zurechtkommen, dann ist das ganz ausschließlich Ihr persönliches Problem. Okay?

Also Januar ist klar, Mai könnten wir möglicherweise Regierungskrise machen, immer vorausgesetzt, dass wir da schon oder noch den Bundespräsidenten unserer Wahl sitzen haben, und dann Ölkrise und spätestens im Juli kommen die Banken, wir bräuchten einen neuen Wettskandal – lassen Sie gefälligst die Börse aus dem Spiel, die hat damit nur ganz am Rande etwas zu tun – und dann genmanipulierter Aufschnitt aus deutschem Fleisch. Plus Keimbedrohung durch Migranten und Infrastrukturproblem.

Sie müssen sich um nichts kümmern. Wir sagen Ihnen jeweils noch einmal Bescheid. Und Pofalla erklärt Ihnen dann rechtzeitig, wann die einzelnen Aufgaben erledigt sind, ja?“





Social Freezing

30 10 2014

„Suuuper Idee! ganz tolle Sache, das ist mindestens an die, ach was: noch mehr ist das wert – suuuper, das versetzt den Vorstand in Ekstase, und dann das Controlling erst! Die sind ja für Abbau immer zu haben. Sonst würden sie nicht immer diese Hirnschlagopfer bei uns entsorgen.

Das ist natürlich eine geniale Sache, so eine Zeitschrift so ganz ohne verwertbare Inhalte. Das ist echt voll total Kultur und so: nichts reinstecken, aber alles rausholen. Finde ich echt suuuper, das. Und wenn wir das jetzt noch durch alle Bereiche durchdeklinieren, dann kann man das echt zum Modellfall machen. Ist doch das, das liegt ja wohl voll total auf der Hand: keine Redakteure mehr, dann hat man keine Personalkosten mehr, und dann hat man auch nie wieder Personalprobleme! Das ist so voll suuuper, das wird viel besser als erwartet!

Ach so. Gut, wir hatten das schon bedacht. Der eine da, dieser Typ aus dem, nee, nicht aus dem Controlling, der hatte einen Schulabschluss. War wohl ein Praktikant. Der meinte dann so, wenn wir alle Redakteure rauswerfen, haben wir auch keine Redaktion mehr. Haben wir natürlich als linke Hetzpropaganda von Gewerkschaftstypen abgetan. Aber irgendwie müssen wir das transparent machen. Falls die Aktionäre kritische Fragen stellen, muss man doch vorbereitet sein.

Wir haben die Lösung, aber sie ist viel einfacher als erwartet – sage ich jetzt nur, weil das der Vorstand bei solchen Sachen auch immer sagt: wir kaufen die Texte einfach. Ist doch suuuper, was? Finde ich jedenfalls. Finden wir alle. Und das wird voll der Gewinn, weil: wenn man die Texte kauft, dann bestimmt der Markt den Preis! Das doch so suuuper, das ist schon echt voll total suuuper, oder? Oder!?

Das wagen die nicht. Das würden die echt nicht wagen, auf einmal alle arbeitslos zu sein. Ich meine, soziale Verantwortung, das ist keine Einbahnstraße. Nur weil wir diese Arschlöcher alle auf die Straße setzen, werden die doch nicht plötzlich arbeitslos. Das wagen die doch nicht! Ich meine, es gibt doch für alles einen Markt – aber doch nicht für Arbeiter, oder? Die können doch nicht alle arbeitslos sein und dann plötzlich ins Callcenter gehen oder zu Schlecker. Geld ist doch nicht alles im Leben, das müssen die doch wissen!

Wir haben ja schon mal geguckt, aber wo dieser Internet-Oettinger die wieder heißmacht mit dem Urheberrecht, wir werden uns die Texte echt irgendwie besorgen müssen. Schülerpraktika? Kann man machen. Da müssten wir die Rechtsabteilung fragen. Die wird nicht gekündigt, keine Angst. Ohne die wären wir echt aufgeschmissen!

Klar, wir wollen die Vielfalt und Kreativität des modernen Lifestyles irgendwie auch widerspiegeln, und das möglichst auch in medialen Inhalten. Aber das sagt ja noch nichts über die Produktion, da sind wir im Prinzip ja erstmal ohne Vorgaben, oder? Gut, die erwartete Umsatzsteigerung sollten wir nicht unbedingt um fünfzig Prozent unterschreiten, aber das kriegen wir schon hin. Mehr als vierzig, oder sagen wir mal: fünfundvierzig werden es nicht. Vorerst.

Aber suuuper, das machen wir doch sofort! Das mit den Leserreportern ist natürlich eine suuuper Idee, das greifen wir bei uns doch sofort auf! Was die reportieren sollen? Mir doch wumpe, Hauptsache ist doch: kostenlos! Es kostet nichts, das ist der Punkt!

Vielleicht mal eine Kooperation mit so einem Rezeptblog. Beauty. Was die moderne, emanzipierte Frau heute so interessiert. Schminken, Kochen, Schuhe, Kinder. Was man ohne große Aufbereitung halt so hinkriegt, damit es schon jetzt so aussieht wie der Qualitätsjournalismus von morgen.

Aber dafür wird ja die Führungsebene unseres Magazins aufgestockt! Ist das nicht eine Nachricht? Suuuper! Wir schaffen Topjobs im Mediensektor, und damit das klar ist: es liegt nicht am Geld, denn was diese paar Tussen da in der Redaktion nicht mehr reingesteckt kriegen, das reicht doch noch lange nicht, um die Spitzenmanager zu bezahlen, die ab sofort unser Magazin ganz nach vorn in den Auflagenzahlen der – Quote? Sind Sie noch ganz frisch in der Birne!? Wir holen uns doch keine Frauen in die Chefetage, was sollen wir denn mit denen anfangen? Social Freezing? so viele Eier kann man ja gar nicht einfrieren, und am Ende kommt noch eine von den Muttis auf die Idee und adoptiert am Arbeitsvertrag vorbei so ein afrikanisches Baby! Da kriege ich doch die Krätze!

Das ist unerlässlich – wir sind schließlich eine deutsche Zeitschrift. Auf einen Schreiber kommen dann zahlenmäßig zweieinhalb Vorstände. Damit wir eine gute Work-Life-Balance haben. Falls sich einer von denen um die Schreiber kümmern will. Wir sind ja jetzt bei Bertelsmann so sozial, wir stellen das so lange frei, bis wir aus Versehen eine Stiftung dafür gegründet haben. Die kümmert sich dann darum, dass die Honorare der Schreiber kontinuierlich minimiert werden, damit mehr von den Schreibern von ihrem steigenden Einkommen leben können. Suuuper Sache, aber das wollte ich Ihnen eigentlich noch gar nicht… –

Ich!? Aber ich bin doch seit fast zwanzig Jahren bei Ihnen… Sie können mich nicht einfach… Das glaube ich jetzt nicht! Nur, weil ich damals freiwillig die Leitung für das Online-Ressort übernommen habe, wollen Sie mich…“





Funkstunde

26 03 2014

„Skandalös!“ „Finde ich aber auch.“ „Aber man weiß ja, aus welcher Ecke es kommt.“ „Das ist hier mal unerheblich, wir müssen uns neu aufstellen.“ „Ich möchte mal wissen, was das Bundesverfassungsgericht hier überhaupt zu melden hat. Sehen die denn fern?“ „Ja, aber sicher nicht ZDF.“

„Wie sollen wir denn politisch unabhängig werden, wenn wir unsere Führung nicht aus den politischen Ämtern rekrutieren?“ „Das habe ich jetzt nicht kapiert.“ „Dass wir unabhängig sind?“ „Das habe ich auch bis heute nicht verstanden.“ „Witzbold, das ist ja auch nur programmatisch.“ „Also nicht für die Programmkommission?“ „Leute!“ „Nein, dass wir ein Staatssender sind, der aber keine Interessen des Staates vertreten darf.“ „Wir sind ein Staatssender?“ „Guten Morgen, Kollege! Angenehm geruht?“ „Er ist erst seit zehn Jahren hier, das dürfen Sie ihm nicht übel nehmen.“

„Wir müssten so eine Art interner Kontrolle installieren.“ „Finde ich aber auch.“ „Das geht doch nicht gut, am Ende moniert wieder jemand, dass…“ „Natürlich muss das in der Satzung festgeschrieben werden.“ „Dann wird es eben da beanstandet.“ „Es geht doch nicht darum, dass zu viele Funktionäre der Union angehören.“ „Sondern?“ „Sie wollen doch nicht behaupten, wir hätten einen zu großen SPD-Einfluss?“ „Das Problem ist, dass wir überhaupt so einen parteipolitischen Einfluss haben.“ „Das verstehe ich nicht.“ „Weil zu viele Funktionsträger politische Ämter bekleiden und aus den Parteien kommen.“ „Ist dann deren Arbeit automatisch schlechter?“ „Sie ist parteipolitisch geprägt.“ „Also schlechter.“ „Das habe ich nicht behauptet.“ „Sie können doch die Wirklichkeit nicht leugnen.“

„Also sollten wir die Funktionäre jeweils rotieren lassen?“ „Wer hat das denn vorgeschlagen?“ „Wäre doch mal einen Versuch wert.“ „Bloß nicht, dann haben wir lauter Grüne bei uns.“ „Ist doch auch nicht schlimm.“ „Finden Sie?“ „Für das ZDF bestimmt.“ „Wir können ja die Gremien jeweils aus den Kabinetten der…“ „Können wir nicht. Es geht ja nicht um die parteipolitische Zusammensetzung, es geht ja darum, dass wir überhaupt keiner Partei mehr angehören dürfen.“ „Das ist doch völlig weltfremd!“ „Hat Sie das beim ZDF jemals gestört?“ „Das ist nicht die Frage, es geht nur darum, wer unseren nicht parteipolitischen Kurs wie bestimmt.“ „Also parteipolitisch?“

„Und wenn wir jeweils die Posten aus der Opposition besetzen würden?“ „Unsinn, das ist doch immer noch…“ „Haben Sie sich mal überlegt, was wir dann in einer großen Koalition machen?“ „Also doch alles mit den Grünen.“ „Nee, das geht ja gar nicht.“ „Und wenn wir das mit der Rotation jetzt parteipolitisch organisieren?“ „Wir stellen Sie sich das denn vor?“ „Er meint, wir sollten Leute nehmen, die je nach Anlass die Partei wechseln.“ „Das dürfte nicht das Problem sein. Wer heute nicht wie die CDU denkt, fliegt eh gleich aus der SPD.“ „Die Funktionäre dürfen überhaupt nicht mehr parteipolitisch in die Ämter gehievt werden! Kapieren Sie das doch endlich mal!“ „Wie jetzt, wir dürfen die politischen Entscheidungsträger nicht mehr aus den Parteien holen?“ „Ich sag’s ja, es endet bei den Grünen.“ „Finde ich aber auch.“ „Meine Güte – keine Parteipolitiker! Keine!“ „Jetzt regen Sie sich doch nicht so auf.“ „Eben. Schauen Sie sich doch mal an, was die Bundeskanzlerin macht. Glauben Sie, das entspricht noch dem politischen Willen der Union?“

„Und wenn wir die Politiker für die Zeit Ihrer Mitwirkung von der parteipolitischen Verpflichtung entbinden?“ „Das klingt gut.“ „Finde ich aber auch.“ „Wieso das denn?“ „Wir könnten so gefahrloser ein politisches Gremium bilden, das offiziell nicht parteipolitisch organisiert ist.“ „Was ist das denn wieder für ein Sockenschuss?“ „Die Funktionäre lassen einfach für die Zeit ihrer Mitgliedschaft ihre politische Überzeugung ruhen.“ „Interessanter Ansatz.“ „Ja, nicht wahr?“ „Insbesondere würde mich interessieren, wie man das bei einem bayerischen Ministerpräsidenten hinkriegt.“ „Spielt denn bei dem die parteipolitische Zuordnung so eine große Rolle?“ „Lassen Sie es mich so sagen: in dem Zusammenhang ist es nicht erheblich, wer gerade bayerischer Ministerpräsident ist.“

„Wie war denn jetzt das mit dem Proporz der Parteien gemeint?“ „So hatte ich das gar nicht verstanden.“ „Es ging ja auch eher darum, dass die kleinen Parteien mehr Berücksichtigung finden sollten.“ „Dann könnten wir den bayerischen Ministerpräsidenten zu den Grünen schicken.“ „Oder die große Koalition in die Hölle.“ „Finde ich aber auch.“ „Jetzt hören Sie doch mal auf mit Ihren…“ „Was denn jetzt!? Wir sollen ein staatstragendes Medium von einem Stab aus staatstragenden Funktionären verwalten lassen, die aber keinen staatstragenden Parteien angehören?“ „Also doch alles…“ „Vorsicht, Kollege!“ „… der FDP übertragen?“ „Da haben Sie ja gerade noch mal Glück gehabt.“ „Alle wechseln jetzt zur Autofahrerpartei?“ „Und die Violetten beschweren sich?“ „Wir können das ja gleich an die Grauen outsourcen.“ „Oder noch besser: wir gründen eine eigene Partei dafür.“ „Großartig!“ „Finde ich aber auch.“ „Meine Herren, wir sollten das Problem verfassungsrechtlich gelöst haben.“ „Sehr gut!“ „Jetzt bleibt natürlich noch die Frage, was sich dadurch ändert.“ „Warum sollte sich dadurch etwas ändern? Wir sind schließlich das ZDF.“





Und verstehe die Freiheit

29 01 2014

„Meine Güte, jetzt kann ich es bald nicht mehr hören!“ „Wem sagen Sie das. Ewig diese Bilder von den Demonstrationen.“ „Und die Polizei, und die Barrikaden und die Straßenschlachten, das ist doch nicht mehr zu ertragen!“ „Und dann diese – ach, was rege ich mich auf.“ „Also mich regt das aber gewaltig auf, das können Sie mir glauben.“

„Mal ehrlich, ich frage mich nämlich langsam mal eins: was ist denn da eine Verfassung noch wert?“ „Sicher nicht das Papier, auf dem sie geschrieben wird.“ „Genau, und dann wird sie auch noch frei Schnauze, ich sage mal: ausgelegt.“ „Wozu diese Zimperlichkeiten, Herr Nachbar? Verbogen wird sie. Zurechtgestutzt.“ „Sie sagen es.“ „Gebeugt, bis sie bricht.“ „Eben, das ist der Punkt – es sind doch nichts anderes als Verfassungsfeinde, das sieht man sofort!“ „Und wehe, man sagt ein Wort dagegen.“ „Jawoll, sofort die Keule. Wir sollen uns nicht einmischen, wir haben da gar nichts zu melden, das sind innere Angelegenheiten.“ „Ich kann’s schon nicht mehr hören.“ „Ich auch nicht, das können Sie mir glauben.“

„Aber ich frage Sie, da ist doch etwas verrutscht in der öffentlichen Wahrnehmung.“ „Sie meinen die mediale Berichterstattung?“ „Nicht nur. Teilweise. Es geht um das, wie soll ich sagen: das öffentliche Bild von öffentlicher Gewalt.“ „Also die Diskussion über das dialektische Verhältnis über die Grenzen des…“ „Nein, das ginge mir schon einen Schritt zu weit. Ich würde niedriger ansetzen.“ „Bei der Sinnfrage oder bei der Frage, wie diese Gewalt entsteht und wohin sie führt?“ „Na, Sie haben ja einen ganz hübschen Überblick.“ „Man macht sich eben so seine Gedanken. Gesamtgesellschaftlich gesehen.“ „Wirklich, Respekt.“ „Ach was, wir haben damals in der Schule etwas darüber gelesen. Man hat ja seine Erfahrungen mit Volksaufständen, wissen Sie.“ „Ja, und es ist eben immer derselbe Grund.“ „Diese… darf ich mal sarkastisch werden, Herr Nachbar?“ „Selbstredend.“ „Dass es immer und immer wieder kleine, ideologisch vernagelte Grüppchen gibt, die sich einbilden, ihre Interpretation von Demokratie sei maßgeblich.“ „Das nenne ich Sarkasmus!“ „Ach, ist doch wahr.“ „Allerdings, allerdings.“

„Dann muss man auch über die Konsequenzen reden.“ „Oder vielmehr erstmal welche ziehen wollen.“ „Ja, natürlich. Wobei auch klar ist, dass beide Seiten das völlig gegenteilig bewerten.“ „Aber es dürfte jetzt doch feststehen, dass keiner so einfach wieder auf den Status quo zurückfallen kann, ohne sich lächerlich zu machen.“ „In der nationalen Politik?“ „Vor der Weltgemeinschaft.“ „Ja, das ist selbstverständlich zu bedenken. Wenn man sieht, dass es immer internationale Resonanz hervorrufen könnte, dann muss man schon auf die Verantwortlichen einwirken, dass sie nach einem kategorischen Imperativ handeln.“ „Man sieht da, wer wirklich Verantwortung übernehmen will.“ „Auch vor der Geschichte.“ „Und wem es im Grunde nur um seine eigenen Ziele geht.“

„Kennen Sie noch dieses Gedicht von Hölderlin?“ „Ach, das mit den Birnen?“ „Nein, dies mit dem Prüfen, und den Himmlischen danken, und verstehe die Freiheit.“ „Ja, das ist heutzutage so ein individualistisches Problem. Es gibt zu viele falsche Deutungen davon.“ „Sie würden also sagen, dass die Freiheit zuerst dem Staat dienen sollte?“ „Nein, der Staat sollte zuerst der Freiheit dienen. Sonst verraten wir ja unsere Ideale.“ „Hm, da ist was dran. Jedenfalls muss man auch immer die staatsrechtliche Sicht der Dinge berücksichtigen, das ist nun mal unerlässlich.“ „Aber man darf auch nicht die Perspektive der Generationen außer Acht lassen.“ „Richtig. Wir haben ja eine junge Generation, die zusehen muss, wie ihre Chancen durch die Alten langsam immer mehr zerstört werden.“ „Für ein bisschen trügerische Sicherheit.“ „Mammon.“ „Und die Illusion, dass ein in sich längst unbeweglich gewordener Staat noch die Aufgaben übernehmen könnte, für die man in installiert hat.“ „Das ist ja sowieso ein Wunschtraum, wer würde das heut noch behaupten. Man ist doch aus der Geschichte klug geworden.“

„Was mir jedoch besonders sauer aufstößt: diese ungebändigten Kräfte laufen ins Leere.“ „Das ist, ich kann es nicht anders sagen, auch geradezu kriminell.“ „Diese Planlosigkeit, ja. Man verteidigt sich doch nicht mit diesem kopflosen Geschrei, das wirft nun wahrhaft kein gutes Licht auf die Ziele.“ „Und auf die Durchsetzung der Ziele.“ „Also schlicht auf die Ideologie, die sich dahinter verbirgt.“ „Natürlich eine Frage der Macht.“ „Und der Ohnmacht.“ „Also wieder ein dialektisches Verhältnis.“ „Und wir sind ja nicht unschuldig an der Misere.“ „Weil wir einfach zuschauen, anstatt endlich klar Partei zu beziehen und zu sagen: halt, bis hierhin und nicht weiter, hier werden Menschenrechte massiv beschnitten, das kann sich keine öffentliche Ordnung gefallen lassen.“ „Aber Sie kennen die Menschen, sie sind bis zum Schluss vollkommen unbelehrbar.“ „Übrigens eine recht interessante Symbolik, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.“ „Stimmt, diese Umdeutung des Alltäglichen.“ „Die Klobürsten, also fabelhaft.“ „Wieso Klobürsten? Wo waren denn da Klobürsten? Wovon reden Sie eigentlich die ganze Zeit?“ „Vom Hamburger Gefahrengebiet, und Sie?“ „Na, von Kiew natürlich.“





Demokratieabgabe

31 10 2013

„Muss man das sehen?“ „Keine Ahnung, aber vielleicht sollten wir das trotzdem mal senden.“ „Finde ich auch.“ „Das ist doch viel zu pauschal.“ „Finde ich nicht.“ „Also jetzt mal direkt gefragt: müssen wir jedes Ereignis zu einer Sondersendung machen?“

„Die Kanzlerin wurde abgehört, da kann man doch auch mal…“ „Aber wir leben schließlich in einer Demokratie.“ „Also müssen wir…“ „Und es war auch nur eine.“ „… auch dafür sorgen, dass die demokratischen Rechte gewahrt bleiben.“ „Es war eine Politikerin.“ „Und dazu die Bundeskanzlerin, richtig?“ „Leute, das war diese Schnepfe im Hosenanzug. Die ist eine von 80 Millionen, also was soll der Scheiß?“ „Wer einen von uns…“ „Könnten Sie sich Ihren religiösen Fanatismus bitte mal in eine Körperöffnung nach Wahl stecken?“ „Und was ist mit dem Grundgesetz?“ „Soll ich Ihnen einen Festvortrag über Minderheitenschutz halten? Eine von 80 Millionen, die Alte soll sich gefälligst am Riemen reißen!“ „Aber in einer Demokratie muss man…“ „Genau, Demokratie!“ „In unserer Demokratie entscheidet der Bündnispartner, was demokratisch ist. Haben Sie etwa ein Problem damit?“

„Ich finde…“ „So, finden Sie?“ „… dass diese Abhörsache durchaus mehr…“ „Das will doch der interessierte Zuschauer gar nicht mehr sehen.“ „wer ist denn der interessierte Zuschauer?“ „Interessiert sich denn der Zuschauer nicht mehr für…“ „Das sind natürlich die Werbekunden, verstehen Sie, und die interessieren sich nicht mehr für Staatskrisen.“ „Ich finde das ja…“ „Es sei Ihnen unbenommen, aber eine Staatskrise ist halt nicht sexy, deshalb machen wir auch keine Sondersendungen darüber.“ „Dann ist die Flut im Sommer sexy gewesen?“ „Sie wären wohl gerne arbeitslos?“

„Wozu bekommen wir eigentlich diese Gebühren?“ „Das ist wie Kirchensteuer: wird vom Staat eingetrieben, und die Trottel da draußen dürfen sich fragen, wofür wir ihre Kohle verbraten.“ „Also…“ „Das ist doch nicht besonders demokratisch.“ „Dafür heißt der Zwang ja auch Demokratieabgabe.“

„Sie müssen das auch mal unter medialen Gesichtspunkten betrachten.“ „Da bin ich aber mal gespannt.“ „Medien nach medialen Gesichtspunkten beurteilen, das ist ja ganz neu!“ „Finde ich auch.“ „Das ist doch viel zu pauschal.“ „Finde ich nicht.“ „Ich wollte ja nur sagen, wir müssen die Interessenlage der Zuschauer im Auge behalten.“ „Weil das die Zuschauer interessiert?“ „Oder nur die interessierten Zuschauer?“ „Kann ja sein, dass die Werbeeinnahmen davon abhängen.“ „Kann ich mir nicht vorstellen.“ „Wieso nicht?“ „Fußball hat doch immer noch die beste Quote.“ „Und welchen Nachrichtenwert hat das? Na? Welchen Nachrichtenwert hat so ein blödes Länderspiel? Schon mal darüber nachgedacht?“ „Sie meinen, weil man das Spiel hinterher sowieso noch einmal sieht in den Nachrichten?“ „Sagen Sie mal, hören Sie mir überhaupt zu!?“

„Wir sollten die Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien sowieso einmal gründlich überdenken.“ „Geht’s Ihnen zu gut?“ „Ich würde das so nicht sagen, aber irgendwo haben Sie auch ein Stück weit recht.“ „Finde ich auch.“ „Das ist doch viel zu pauschal.“ „Finde ich nicht.“ „Es ist ja auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, ob wir uns als Staatsfernsehen…“ „Wir sind kein Staatsfernsehen, wenn Sie das meinen, dann können Sie gerne nach Nordkorea auswandern!“ „… begreifen oder als unabhängige mediale Kraft, die genug Rückhalt hat, um sich auch investigativen Journalismus zu leisten.“ „Natürlich haben wir genug Rückhalt. Wir sind schließlich die größte mediale Macht im Land. Und das verpflichtet auch.“ „Sie meinen, dass wir gegenüber den Privaten eine Vorbildfunktion haben?“ „Eher eine Platzhirschfunktion.“ „Dafür kriegen die alle guten Werbedeals.“ „Auf jeden Fall sollten Sie das nicht überbewerten. Es geht doch nicht um Machtansprüche, wir sollten nur nicht die gewohnte Größe vermissen lassen.“ „Also den Sendeplatz mit der Spielshow statt der Sondersendung um die Abhöraffäre?“ „Das ist doch alles an den Haaren…“ „Sind wir als Staatssender nicht verpflichtet, Aufklärung zu…“ „Aber man darf ja nicht sagen, dass die Regierung eventuell die Sache nicht mehr im Griff…“ „War das denn jeder Fall?“ „Dass sie die Sache im Griff…“ „Nee, dass wir Aufklärung in die…“ „Dann sind wir ja echt der Staatssender, oder? Oder!?“

„So, jetzt mal Klartext.“ „Klartext?“ „Das hat sicher etwas mit Spionage zu tun.“ „Finde ich auch.“ „Wir sind als gebührenfinanzierter Sender doch privilegiert, eine Sondersendung zu machen, und wenn wir für jeden Scheißdreck…“ „Ich möchte die Politik unserer Bundesregierung nicht in diesem Tonfall beurteilt wissen!“ „… wie Schnee im Januar eine hysterische Aufregerviertelstunde im Fernsehprogramm bringen, dann frage ich mich, wozu wir eigentlich existieren.“ „Sie spielen mit Ihrer…“ „Das ist mir ziemlich egal, weil wir uns das leisten können.“ „Ich werde dem Programmdirektor…“ „Sie sind der Programmdirektor, und ich habe die Schnauze gestrichen voll.“ „Aber die Quote!“ „Wäre die nicht bei einer investigativen Enthüllung von dieser Tragweite wesentlich höher als bei einer von diesen bekloppten Spielshows?“ „Und wenn man jetzt den Abhörskandal als Talkshow…“ „Wir haben doch schon zehntausend!“ „Dann als Diskussion mit…“ „Stecken Sie sich das sonst wo rein, ja?“ „Show?“ „Auch egal.“ „Okay, nennen wir’s Die unglaubliche Show der deutschen Superspionageopfer“. „Mit Kai Pflaume?“





Druckgewerbe

21 08 2013

„Wir haben ihnen die Sicherung herausgedreht, Frau Bundeskanzlerin. Das ist alles weg. Bis morgen werden die ganz sicher nichts mehr tun können. Wir haben diese Zeitung voll im Griff.

Nein, wir haben keinen Fehler gemacht, Frau Bundeskanzlerin. Absolut nicht. Woher hätten wir denn wissen können, dass sich bei dieser Zeitung Journalisten befinden? also echte, richtige, die noch recherchieren und schreiben und publizieren, was nicht vom Kanzleramt freigegeben wird? Das klang von vorneherein unglaubwürdig. Wer hätte denn wissen können, dass es tatsächlich noch solche Leute gibt? Und vor allem, wer hätte je geglaubt, dass es uns trifft?

Dann hat er eben falsch reagiert. Meine Güte, das passiert uns doch allen mal. Auch als Bundespräsident. Aber das ist nicht entscheidend. Sie tanzen nicht nach unserer Pfeife, verstehen Sie? Wenn er Beweismaterial hinterlassen hat, dann sollte es ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit als Deutsche sein, es sofort bei uns abzuliefern, statt eine Story daraus zu machen. Zeitungen sind dazu da, den Willen der Regierung zu verbreiten, und zwar ohne diese lästigen Nachfragen. Wir können auch anders. Wir haben nichts falsch gemacht.

Es könnte sein, dass hier und da gewisse, wie soll ich sagen: das Gesetz hat sich nicht immer an unsere Zielvorstellungen gehalten. Die Sachlage hat hier und da ein bisschen mehr persönlichen Einsatz erfordert. Die entsprechenden Beamten haben natürlich gesagt, dass sie sich an Recht und Gesetz gehalten haben, soweit es ihnen klar gemacht worden sei. Aber letztlich ist gar nichts passiert.

Nein, das ist nicht möglich. Sie haben noch diese Anrufbeantworter, in die man eine Kassette reinsteckt. Die kann man natürlich auch rausnehmen. Nein, man kann die nicht löschen, wenn man nicht weiß, wo sie ist.

Wir müssen in Zukunft viel schneller reagieren, Frau Bundeskanzlerin. Dass uns der Köhler durch die Lappen gegangen ist, haben die Leute schon vergessen, aber den hier nehmen sie uns übel. Vielleicht noch engeren personellen Kontakt zu den Verlagen. Oder öfter mal einen zielführenden Meinungsaustausch mit den Redaktionen. Also jetzt nicht als Bedrohung, Frau Bundeskanzlerin. Nicht unbedingt. Aber man könnte doch auch mal offen darüber nachdenken, ob man nicht die Meldungen vorher einer, wie soll ich sagen: dass die Leser da draußen auch nicht immer alles erfahren müssen, was man rein theoretisch würde schreiben können.

Jetzt sollten wir uns um ein gutes Verhältnis zu diesen Medien bemühen, Frau Bundeskanzlerin. Klare Verhaltensregeln ausgeben. Deutlich machen, dass uns an einer konstruktiven Zusammenarbeit gelegen ist, bei der sie nicht zu schaden kommen und wo die Pressefreiheit auch nicht gleich im Kern angegriffen wird, wenn sie es nicht ständig provozieren. Wir sind durchaus kompromissbereit und wissen es zu schätzen, wenn sich die Gegenseite auf uns zubewegt.

Ich höre eben, wir haben eine Nachricht vom Geheimdienst bekommen. Das mit der Sicherung hat nichts genützt. Nein, weil bei uns immer die Computer abstürzen, wenn die Hauptsicherung rausfliegt. Ich dachte, wenn wir da den Strom abstellen, dann ist alles weg.

Natürlich ist das nicht illegal, Frau Bundeskanzlerin. Keinesfalls. Ich hatte extra gestern noch im Innenministerium angerufen. Das ist dieses Supergrundrecht, Frau Bundeskanzlerin. Das nehmen wir jetzt mal in Anspruch. Gerade in Bezug auf die Grundrechte ist das meistens recht kompliziert, und wir müssen uns schon überlegen, was wir machen. Was am wenigsten Dreck hinterlässt. Wir können ja schlecht die GSG 9 vorbeischicken, oder die halbe Redaktion springt freiwillig vom Dach. Stellen Sie sich mal die Bilder im Fernsehen vor. Das versaut uns die Wiederwahl.

Da könnte man schon etwas machen. Wenn wir den Bundespräsidenten zum Geheimnisträger erklären – der ist Mitglied im CDU-Präsidium? und weiß, wie Sie Bundeskanzlerin geworden sind, Frau Bundeskanzlerin? Eindeutig ein Geheimnisträger. Das bedeutet, wir können die Finanzierung des Bungalows zu einem Staatsgeheimnis machen, dessen Verrat strafrechtlich geschützt ist, und das Ganze verkaufen wir dann als Terrorabwehr. Genau, Terrorabwehr! Der Bundespräsident braucht ein Haus, damit die freiheitliche demokratische Grundordnung gewahr bleibt, und wenn die irgendwie in Gefahr sein sollte, dann ist das sofort ein terroristischer Akt. Wollen wir doch mal sehen, wer hier Druck macht, die oder wir.

Im Falle eines Falles müssten wir Bilder beschlagnahmen. Aber das ist kein Problem, wir nehmen die einfach wieder mit. Doch, das geht. Wenn wir uns vorher deutlich genug ausgedrückt haben, dass wir ausschließlich für den Schutz der Grundrechte gewisser Personen sorgen, dann wird das auch durchzusetzen sein. Selbstverständlich, Frau Bundeskanzlerin. Die werden uns keine Schwierigkeiten mehr machen. Ganz bestimmt nicht. Zur Not lassen wir es wie einen Unfall aussehen.“