„Wir haben ihnen die Sicherung herausgedreht, Frau Bundeskanzlerin. Das ist alles weg. Bis morgen werden die ganz sicher nichts mehr tun können. Wir haben diese Zeitung voll im Griff.
Nein, wir haben keinen Fehler gemacht, Frau Bundeskanzlerin. Absolut nicht. Woher hätten wir denn wissen können, dass sich bei dieser Zeitung Journalisten befinden? also echte, richtige, die noch recherchieren und schreiben und publizieren, was nicht vom Kanzleramt freigegeben wird? Das klang von vorneherein unglaubwürdig. Wer hätte denn wissen können, dass es tatsächlich noch solche Leute gibt? Und vor allem, wer hätte je geglaubt, dass es uns trifft?
Dann hat er eben falsch reagiert. Meine Güte, das passiert uns doch allen mal. Auch als Bundespräsident. Aber das ist nicht entscheidend. Sie tanzen nicht nach unserer Pfeife, verstehen Sie? Wenn er Beweismaterial hinterlassen hat, dann sollte es ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit als Deutsche sein, es sofort bei uns abzuliefern, statt eine Story daraus zu machen. Zeitungen sind dazu da, den Willen der Regierung zu verbreiten, und zwar ohne diese lästigen Nachfragen. Wir können auch anders. Wir haben nichts falsch gemacht.
Es könnte sein, dass hier und da gewisse, wie soll ich sagen: das Gesetz hat sich nicht immer an unsere Zielvorstellungen gehalten. Die Sachlage hat hier und da ein bisschen mehr persönlichen Einsatz erfordert. Die entsprechenden Beamten haben natürlich gesagt, dass sie sich an Recht und Gesetz gehalten haben, soweit es ihnen klar gemacht worden sei. Aber letztlich ist gar nichts passiert.
Nein, das ist nicht möglich. Sie haben noch diese Anrufbeantworter, in die man eine Kassette reinsteckt. Die kann man natürlich auch rausnehmen. Nein, man kann die nicht löschen, wenn man nicht weiß, wo sie ist.
Wir müssen in Zukunft viel schneller reagieren, Frau Bundeskanzlerin. Dass uns der Köhler durch die Lappen gegangen ist, haben die Leute schon vergessen, aber den hier nehmen sie uns übel. Vielleicht noch engeren personellen Kontakt zu den Verlagen. Oder öfter mal einen zielführenden Meinungsaustausch mit den Redaktionen. Also jetzt nicht als Bedrohung, Frau Bundeskanzlerin. Nicht unbedingt. Aber man könnte doch auch mal offen darüber nachdenken, ob man nicht die Meldungen vorher einer, wie soll ich sagen: dass die Leser da draußen auch nicht immer alles erfahren müssen, was man rein theoretisch würde schreiben können.
Jetzt sollten wir uns um ein gutes Verhältnis zu diesen Medien bemühen, Frau Bundeskanzlerin. Klare Verhaltensregeln ausgeben. Deutlich machen, dass uns an einer konstruktiven Zusammenarbeit gelegen ist, bei der sie nicht zu schaden kommen und wo die Pressefreiheit auch nicht gleich im Kern angegriffen wird, wenn sie es nicht ständig provozieren. Wir sind durchaus kompromissbereit und wissen es zu schätzen, wenn sich die Gegenseite auf uns zubewegt.
Ich höre eben, wir haben eine Nachricht vom Geheimdienst bekommen. Das mit der Sicherung hat nichts genützt. Nein, weil bei uns immer die Computer abstürzen, wenn die Hauptsicherung rausfliegt. Ich dachte, wenn wir da den Strom abstellen, dann ist alles weg.
Natürlich ist das nicht illegal, Frau Bundeskanzlerin. Keinesfalls. Ich hatte extra gestern noch im Innenministerium angerufen. Das ist dieses Supergrundrecht, Frau Bundeskanzlerin. Das nehmen wir jetzt mal in Anspruch. Gerade in Bezug auf die Grundrechte ist das meistens recht kompliziert, und wir müssen uns schon überlegen, was wir machen. Was am wenigsten Dreck hinterlässt. Wir können ja schlecht die GSG 9 vorbeischicken, oder die halbe Redaktion springt freiwillig vom Dach. Stellen Sie sich mal die Bilder im Fernsehen vor. Das versaut uns die Wiederwahl.
Da könnte man schon etwas machen. Wenn wir den Bundespräsidenten zum Geheimnisträger erklären – der ist Mitglied im CDU-Präsidium? und weiß, wie Sie Bundeskanzlerin geworden sind, Frau Bundeskanzlerin? Eindeutig ein Geheimnisträger. Das bedeutet, wir können die Finanzierung des Bungalows zu einem Staatsgeheimnis machen, dessen Verrat strafrechtlich geschützt ist, und das Ganze verkaufen wir dann als Terrorabwehr. Genau, Terrorabwehr! Der Bundespräsident braucht ein Haus, damit die freiheitliche demokratische Grundordnung gewahr bleibt, und wenn die irgendwie in Gefahr sein sollte, dann ist das sofort ein terroristischer Akt. Wollen wir doch mal sehen, wer hier Druck macht, die oder wir.
Im Falle eines Falles müssten wir Bilder beschlagnahmen. Aber das ist kein Problem, wir nehmen die einfach wieder mit. Doch, das geht. Wenn wir uns vorher deutlich genug ausgedrückt haben, dass wir ausschließlich für den Schutz der Grundrechte gewisser Personen sorgen, dann wird das auch durchzusetzen sein. Selbstverständlich, Frau Bundeskanzlerin. Die werden uns keine Schwierigkeiten mehr machen. Ganz bestimmt nicht. Zur Not lassen wir es wie einen Unfall aussehen.“
Satzspiegel