Blitzableiter

20 01 2020

„Das ist eine organisatorische Frage. Der Papst ist für die ganzen fundamentaltheologischen Sachen da und für die Priesteraufgaben und für die Besuche im Ausland, und der Ratzinger labert halt Scheiße. Also quasi den heiligen Stuhl.

Klar, der Vatikan polarisiert. Deshalb ist es in dieser Zeit gerade so gut, dass wir nicht nur einen äußerst kontroversen Papst haben, sondern auch noch diesen ausgedienten Bayern im Schuppen. Das wirkt erst mal sehr merkwürdig, weil das im ganzen Reformprozess, der sich seit langer Zeit, also quasi seit der Gründung angestaut hat, weil das jetzt eben so enorm kontraproduktiv wirkt. Das ist nicht ganz ungefährlich, vor allem in Situationen, wo man in der Öffentlichkeit zeigen muss, dass man sich mit den Forderungen seiner zahlenden Kunden auseinandersetzt. Oder sie überhaupt erst mal zur Kenntnis genommen und dann auch kapiert hat. Und gerade dann ist da dieser eine Typ, dieser Hemmschuh, der im Grunde alles verhindert, was nach Modernisierung und Nachhaltigkeit aussieht. Siemens ist doch immer noch Konzern von Weltruf, trotzdem beschäftigen die Joe Kaeser. Oder hier, die SPD – Olaf Scholz.

In der Hinsicht sind wir wie die Industrie, die sich gegen den Klimawandel wehrt. Erst wehren wir uns gegen die, die nachweisen, dass wir Mist gebaut haben und weiter Mist bauen, dann leugnen wir, dass wir überhaupt Mist bauen können, dann bezeichnen wir alle als Lügner, die behaupten, dass Mist überhaupt existiert, und dann geben wir den Opfern die Schuld. Das kann man beliebig lange so weitermachen, uns kommt nur unangenehmerweise dieses metaphysische Zeugs dazwischen, das die Leute glauben, weil es in der Bibel steht. Man muss da schon eine sehr straffe Unternehmensführung haben, sonst kann man sich die Rendite in die Haare schmieren. Wir können nicht ewig warten mit der Reform des Pflichtzölibats, die Frauen, die wir uns als Arbeitstiere halten, wachsen leider auch nicht so schnell nach, wir müssen uns überlegen, wie wir das langfristig geregelt kriegen. Deshalb leisten wir uns für die Kundenbindung der rechten Kräfte auch einen zusätzlichen Aufsichtsrat. Für die unangenehmen Zwischenfälle. Wenn Sie sich auf den Glauben verlassen, sind Sie verloren. Deshalb ist auf jeder Kirche ja auch ein Blitzableiter.

Wir haben das jetzt auch in unsere offizielle Kommunikationsstrategie aufgenommen, damit die beiden ihre Erklärungen abwechselnd an die Presse schicken. Gute Bulle, böse Bulle. Dass Ratzinger da jetzt plötzlich einen Fallrückzieher macht, das war so nicht geplant, aber letztlich ist es für das Profil ganz gut, wenn sich der Papst jetzt von dieser Seite angegriffen sieht. Das erspart uns, dass wir nach fünfhundert Jahren die nächste Spaltung riskieren, und das wäre nicht nur marketingtechnisch eine Katastrophe. Diversifikation ist zwar praktisch, um möglichst den kompletten Markt abzudecken, aber bei unserem Produkt wird das kompliziert. Es wäre schon eine Herausforderung, sich einen neuen Markennamen auszudenken. Altkatholiken gibt’s schon, und die sind auch noch viel progressiver als der Marktführer.

Im Normalfall macht man interne Kritiker ja schnell mundtot. Oder man schiebt sie irgendwo in eine eigene Sparte ab, wo sie nicht mehr viel zu melden haben. Als Großinquisitor hat der Alte einen ganz guten Job gemacht, das muss man ihm lassen. Immerhin hat das mittlere Management vor ihm immer noch Angst. Aber ich sehe es noch nicht, dass wir eine feindliche Übernahme zu befürchten haben. Dazu fehlen ihm dann doch die Mittel. Der Laden ist ihm über den Kopf gewachsen.

Möglicherweise ist der Ratzinger auch schon dementer, als es vorher den Anschein hatte. Die Vorgänger waren ja auch nicht mehr alle ganz dicht – was erwarten Sie auch bei einem Berufsbild, in dem man Anweisungen von einem unsichtbaren Mann bekommt, den man erst nach seinem Tod kennen lernt. Natürlich gibt es da auch einige, die den Ratzinger als ein ausgekochtes Schlitzohr sehen und meinen, dem sei es völlig egal, wer unter ihm Papst ist. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte. Gegenpäpste hat es ja schon immer gegeben, und wenn Franziskus ihn jetzt als Ketzer an die frische Luft setzt, dann denken Sie daran, dass auch schon genügend Päpste plötzlich Visite beim Chef hatten.

Für dieses Jahr werden wir noch einen bis zwei Durchgänge erwarten können, ich tippe man auf das Thema Frauenordination. Da wird der Ratzinger irgendeinen antifeministischen Scheißdreck vom Stapel lassen, dann gibt es einen Aufschrei, die Deutsche Bischofskonferenz wird sich von dem alten Sack distanzieren, und der Papst lenkt mit viel harmoniesüchtigem Gelaber vom Konflikt ab. Falls seiner Heiligkeit nicht plötzlich der Hals platzt, er hat ja gesagt, wer seine Mutter beleidigt, kriegt aufs Maul. Dann wird er halt lernen müssen, wie wir das mit den Führungsaufgaben schon seit unserer Gründung gelöst haben. Es kann nur einen geben.“





Ratzefatz

12 02 2013

„… es sich beim Rücktritt Benedikts XVI. nicht um ein Versehen gehandelt habe. Der Heilige Stuhl habe absichtlich nicht BILD als erstes in Kenntnis…“

„… für große Bestürzung gesorgt. Philipp Rösler, selbst gläubiger Katholik, sei untröstlich. Alles Hoffen, so der Parteichef der Liberalen, sei damit nun zunichte, Heulen und Zähneklappern überkomme die Herde, da die deutschen Medien sicherlich für mehrere Wochen nicht mehr berichten würden über den Versuch der FDP, die Fünf-Prozent-Hürde zu…“

„… habe sich Arbeitgeberpräsident Hundt sehr zufrieden geäußert. Durch den Rückzug aus dem Amt habe Ratzinger bewiesen, dass Großkonzerne nur durch Privatisierung eine erfolgreiche…“

„… wieder einmal bewiesen, dass die Einwohner der Kopftuchnation nicht zu den echten Deutschen gehörten. Sarrazin moniere, dass der Papst nicht einmal in der Lage gewesen sei, für ein Jahrzehnt einen Polenjob zu…“

„… nicht bestätigt. Der Heilige Vater habe zwar das erforderliche Mindestalter, werde aber als Nachfolger von Gauck nicht in die engere Wahl kommen, da er seinen Rücktritt bereits…“

„… auf gar keinen Fall als Staatsoberhaupt deutscher Herkunft anerkannt werde. Damit sei Ratzinger nicht berechtigt, einen Ehrensold von jährlich…“

„… habe Wölki klar widersprochen. Auch er sei den geistigen Anforderungen an ein Kirchenamt nicht gewachsen, wolle jedoch keinesfalls…“

„… mit Sanktionen beim Arbeitslosengeld zu rechnen. Der Papst habe eigenmächtig gekündigt, ohne ein neues Arbeitsverhältnis in Aussicht gehabt zu haben, außerdem bemühe er sich offensichtlich nicht um eine Anschlussverwendung als…“

„… habe Kerkeling dementiert, als Pontifex verkleidet den…“

„… besitze Ratzinger überhaupt nicht das Recht zum Rücktritt. Eine außerordentliche Kündigung sei nur im Falle des frühzeitigen…“

„… sei der Amtsverzicht nicht mit der innerkirchlichen Jugendoffensive in Verbindung zu bringen. Zwar könne man sich einen neuen Pontifex unter 70 vorstellen, wolle dies aber nicht gleich beim nächsten Papst…“

„… nicht bestätigt, Benedikt sei so weit am Ende seiner Karriere, dass er nun automatisch ins Dschungelcamp…“

„… bedeute der Rücktritt des Papstes nicht die Distanzierung von der römisch-katholischen Kirche, schon gar nicht den Eintritt in die von dem ultrarechten Bischof…“

„… empfinde Kardinal Meisner ein großes Selbstmitleid. Er allein könne nun nicht mehr die ultrakonservativen Ansichten des zwölften Jahrhunderts in die Moderne…“

„… keinen Zusammenhang damit, dass er die Christen als das meistverfolgte Volk bezeichnet habe. Ratzinger werde nach seiner Amtszeit kein politisches Asyl in der deutschen Botschaft…“

„… nicht bestätigt, Benedikt sei so weit am Ende seiner Karriere, dass er nun automatisch Aufsichtsratsvorsitzender der Berliner Flughafengesellschaft…“

„… den Rücktritt des Kirchenoberhauptes als pure Feigheit und Gottlosigkeit. Die Plattform kreuz.net werfe dem Nachfolger Petri vor, er habe Nichtkatholiken, Homosexuelle und Frauen nicht durchgängig wie Ungeziefer behandelt und damit eine falsche Rücksichtnahme auf…“

„… nicht daran gelegen haben könne, dass der Papst die Sparbeträge seine Riesterrente endlich vollständig…“

„… sei das Kardinalskollegium bestürzt, nicht rechtzeitig einen Exorzisten gesandt zu…“

„… die SPD dem Papst keine Hoffnung mehr machen könne. Alle Kandidaten für überflüssige Ämter in der kommenden Legislaturperiode seien bereits…“

„… für stark übertrieben, dass zum Rücktritt eine neue Kondomsorte nach dem Kirchenmann benannt…“

„… nicht bestätigt, Benedikt sei so weit am Ende seiner Karriere, dass er nun automatisch den Wahlkampf der Piraten…“

„… das Angebot abschlägig beschieden. Für das Amt des Heiligen Vaters müsse mehr als die Mitgliedschaft in der römisch-katholischen Kirche beigebracht werden. Die Kurie wünsche Markus Lanz jedoch für seinen beruflichen Lebensweg weiterhin alles…“

„… für Irritationen, dass sich der Pontifex für seinen Zapfenstreich neben Udo Jürgens und Somewhere over the Rainbow auch Smoke on the Water…“

„… könne keinen Zusammenhang sehen zwischen der Demissionierung und einer Werbekampagne für Doppelherz, die der Heilige Vater kurz vor dem…“

„… angesichts der offensichtlich nachlassenden Personalstärke im Bundeskabinett eine durchaus reizvolle Aufgabe, jedoch sei Ratzinger sich nicht sicher, ob Merkel nicht im ungünstigsten Falle ihm ihr volles Vertrauen…“

„… möglicherweise der Vertrag ausgelaufen sei. Daher müsse die mit der Bäckerinnung verabredete Losung Unser tägliches Brot gib uns heute noch für mindestens…“





Verratzt

22 09 2011

„… zunächst nur Erstaunen, teilweise Heiterkeit, dann jedoch blankes Entsetzen, das in lautes, ja tränenreiches Wehklagen mündete, als Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. in seiner lang erwarteten Rede vor dem Deutschen Bundestag die Konsequenzen zog, sein Amt niederlegte und zugleich die Auflösung der Römisch-katholischen Kirche…“

„… begrüßte Bundespräsident Wulff die Entscheidung seines Amtskollegen. Das Staatsoberhaupt des Vatikans genieße die in der deutschen Verfassung verankerte Religionsfreiheit, da er nun völlig frei von Religion sei, könne er…“

„… weigerte sich Joachim Kardinal Meisner, die Demission des Kirchenoberhauptes anzuerkennen, nd kündigte an, auf dem Wege der Zivilklage…“

„… zeigte sich die Börse fest, aber uneinheitlich in den Immobilienmärkten – angesichts der großen Bauten weltweit und der ungeheuren Grundwerte drohe nun ein Preisverfall, der sich auch auf den Euro auszuwirken…“

„… nannte Bundesinnenminister Friedrich die Aussagen des ehemaligen Papstes eine Mischung aus Hochmut und Kleingeist, aus Provinzialität und Überheblichkeit, die ihn als Katholiken…“

„… auch Rösler den Befreiungsschlag wagte: die FDP solle so schnell wie möglich liquidiert werden, um den Weg in eine vernünftige Kultur jenseits der geistig-politischen Wende zu…“

„… sei im Nachhinein nur als beschämend, ja schäbig anzusehen, dass sich das Staatsoberhaupt im ersten Teil seiner Rede noch wie ein religiöser Führer geäußert habe. Dieser Missbrauch der Würde des hohen Hauses sei für Gröhe nicht zu ertragen und nicht zu…“

„… überhaupt nicht zutraf. Kardinal Meisner zog die Androhung zurück, nachdem ihm versichert wurde, dass seine Bezüge auch nach Auflösung der Kirche weiter ausschließlich aus Steuermitteln…“

„… ob nicht die CSU nach Erledigung des Katholizismus automatisch aufgelöst werden müsse. Generalsekretär Dobrindt kündigte an, ein Rechtsgutachten beim Erzbischöflichen Ordinariat Freiburg zu…“

„… auch aus kirchenrechtlicher Sicht nicht ohne Schwierigkeiten zu bewerkstelligen. Zwar sei die Demission des Papstes nach wie vor als eine unfehlbare Entscheidung anzusehen, da er sie in Amt und Würden erfolgt sei, doch sei ihre Folge eine Beschädigung der Kirche, die nur durch einen unfehlbaren Papst wieder aufgehoben…“

„… forderte Uhl die Vorratsdatenspeicherung, allein schon deswegen, weil ohne Kirche…“

„… sofort auf Zustimmung in allen politischen Lagern. Sogar innerhalb der Freidemokraten fand die mutige Entscheidung des Vizekanzlers mehr und mehr Zuspruch. Die Marke FDP, so Vorstandsmitglied Kubicki, sei derart verratzt, dass man heute nur noch eine…“

„… müsse die Legitimation des Aufenthaltes von Ratzinger in Deutschland nochmals geprüft werden. Mit dem Rücktritt als Papst und der Auflösung des Vatikans als souveränem Staat sei er auch kein Staatsoberhaupt mehr. Es sei aus diesem Grund auch nicht mehr zu rechtfertigen, 10.000 Polizeibeamten…“

„… von gegenseitiger Abneigung geprägt. Während der EKD-Ratsvorsitzende Schneider eine Aufnahme Meisners strikt ablehnte, forderte der Ex-Kardinal ebenso vehement die Auflösung der Evangelischen Kirche, da sie der Auflösung des Katholizismus nicht zugestimmt habe und…“

„… dass natürlich nicht ausgeschlossen werden könne, ohne den Koalitionspartner zu regieren. Rösler kündigte an, die Abwicklung der FDP sei nur angekündigt worden, da es keine Denkverbote mehr gäbe, ansonsten würde er sich aber keinen Maulkorb von der Kanzlerin, mit der er nach wie vor vertrauensvoll und gut…“

„… ankündigte, den Vatikan in einen Freizeitpark für Erwachsene umzugestalten. Die Schenkungsurkunde sei Berlusconi beim Ordnen der Nachttischschublade zufällig in die Hände…“

„… ließ Kim Jong-il sein Interesse an dem Amt durchblicken. Auf Vermittlung von Roland Berger wurde zunächst beschlossen, die…“

„… nicht geklärt, ob Ratzinger die Vernichtung des Vatikan-Archivs persönlich abgeordnet hatte, oder ob das Feuer auf die zwanzig bei dem Brandanschlag getöteten Geistlichen…“

„… zunächst eine Vortragsreihe über Chancen des religiösen Fundamentalismus, bevor er sich mit seinen Frauen niederlasse. Mustafa bin Meisner, wie er sich nach seiner Konversion nannte, kündigt an, auch einen…“

„… dass Stützkäufe nicht zu vermeiden seien. Um den Dollar abzustützen, beschloss die US-Regierung, den Kölner Dom und Notre Dame zu kaufen und für mit Hilfe eines japanisch-saudischen Investorenkonsortiums zu…“

„… schlagendes Ergebnis: mit 98,2% aller Stimmen – nur 1,8% waren dagegen – votierten die Mitglieder für eine sofortige Auflösung der FDP. Rösler machte für die Niederlage vor allem außerparteiliche Kräfte verantwortlich, Arbeitslose und Griechen, und kündigte an, die Wahl zu ignorieren, statt sich…“

„… ein Missverständnis, da Kim Jong-il davon ausgegangen war, den Kirchenstaat zu annektieren, nicht aber, auf eine marode Splitterpartei…“





Pardon wird nicht gegeben

30 03 2009

Die Argumentation des rheinischen Klerikers war außergewöhnlich schlüssig. Die Bundeskanzlerin, so Joachim Kardinal Meisner, habe sich schleunigst beim Papst zu entschuldigen. Ihre Kritik an der Praxis, Holocaust-Leugner wieder in den Schoß des Katholizismus zu führen, sei völlig unangemessen gewesen. Schließlich sei Merkel Protestantin. Zudem solle sie sich als CDU-Vorsitzende nicht in theologische Fragestellungen einmischen; seine Organisation, so der Hardliner, schere sich ja auch nicht um politische Randbegriffe wie Christentum.

Eine ganze Nation stand sehr betroffen vor dem moralischen Spiegel. Nichts Gutes blickte heraus, als sie hereinblickte. Sünden und Laster, Missetat, Ruchlosigkeit und Frevel standen in solchem Maß zur Disposition, dass ein einzelner Bußtag gar nicht würde gutmachen können, was sie sich geleistet hatten. Sie krochen kollektiv zu Kreuze, ihre Verfehlungen öffentlich zu bekennen und Gnade zu erflehen im Bewusstsein ihrer Verantwortung.

Geständnisse auf Pressekonferenzen leiteten die Reise in den Sündenpfuhl ein. Hartmut Mehdorn und Klaus Zumwinkel erschütterten das Empfinden der Deutschen; sie hätten gelogen, getäuscht, beschissen und betrogen – noch beim Auspacken vor dem Volk kannten sie kein Maß.

In langen Schlangen kroch alle Welt zu Kai Pflaumes Beichstuhl Bitte verzeih mir, der hastig aus dem Boden gestampften Weinshow für moralresistente Wiederholungstäter. Während Karl Moik und Stefan Mross sich die Haare rauften und Barbara Salesch sich auf die Brust schlug, bettelten Sonja Zietlow, Dieter Bohlen und Margarethe Schreinemakers mit Angelika Kallwass und Oliver Geissen um die Wette und um Vergebung. Auch Eva Herman und Jürgen Fliege schlossen sich dem allgemeinen Mea culpa an; diese allerdings mit dem Hinweis, es sei ja nicht alles schlecht gewesen, jener mit dem ausdrücklichen Hinweis, er sei außerordentlich dankbar, dass er nicht so ein Sünder sei wie die anderen alle. Es war ein Riesenerfolg.

Das Feuer schien schon zu verglimmen, da legte der Kölner Erzbischof nach. Er bedauerte öffentlich, dass viele Katholiken deshalb aus der CDU ausgetreten waren – eine so nicht erwünschte Wendung der Sache. Dass etliche Mitglieder der CDU der Katholischen Kirche den Rücken gekehrt hatten, entzog sich allerdings seiner Kenntnis, wie man ja stets nur weiß, dass man nichts wisse.

Einem Erdrutsch kam die Botschaft gleich, Helmut Kohl sei zur öffentlichen Abbitte bereit. Es erwies sich als Ente; der Einheitsarchitekt ließ hernach verlautbaren, er habe offensichtlich einen Blackout gehabt.

Denn auch der deutsche Qualitätsjournalismus erwachte und bekannte Farbe. Man habe seinerzeit falsch gehandelt, ja, man sei möglicherweise zu leichtgläubig gewesen, durchaus, und es habe auch die eine oder andere vielleicht unverantwortliche Art der Berichterstattung gegeben, dochdoch. Sie suhlten sich in ihren eigenen Bekennerschreiben. Die Öffentlich-Rechtlichen veranstalteten schnell noch ein paar Sondersendungen – Quotenrenner unter ihnen wurde Brennpunkt Sünde: Müssen wir die Gesellschaft verbieten? – und n-tv twitterte die Selbstgeißelungen aus den deutschen Redaktionsstuben in alle Welt, was den SPIEGEL veranlasste, das aktuelle Heft mit dem Titel Killer-Journalisten zu schmücken. Es zeigte Kai Diekmann und Franz Josef Wagner, die einander die Stachelpeitschen um die Ohren knallten, was ihnen ein erhebendes Gefühl von Anstand verschaffte – eine gänzlich neue Erfahrung für die beiden.

Die BILD-Schlagzeilen waren ungünstigerweise schon besetzt, da Dieter Althaus in einer mehrteiligen Serie über den Begriff der Schuld meditierte. Exklusives Fotomaterial, das ihn in Gedanken versunken zeigte, durfte nicht fehlen.

Öffentliches Grübeln vollzogen auch Jan Ullrich und seine Mannen. Dabei blieb es auch. Insgesamt zeigte sich die Sportwelt wenig kooperativ. Die Inkompetenz-Damennationalmannschaft mit ihren Spielführerinnen Ulla Schmidt, Ursula von der Leyen und Brigitte Zypries schoss noch schnell ein paar Eigentore und verwies auf den kommenden Meisterschaftserfolg. Auf eine Stellungnahme des sattsam bekannten Zahlenspielers und Demagogen Christian Pfeiffer wartete die politische Nation vergebens. Er hatte die Irrtumswahrscheinlichkeit noch nicht in die richtige Richtung gebogen.

Lippenbekenntnisse aus dem Finanzwesen führten die Debatte jedoch schnell wieder ins Gesittete zurück. Zaghaft gestanden die Manager ein, es habe möglicherweise Pannen gegeben, die zu nicht vorhersehbaren Folgen geführt hätten. Man einigte sich im Qualm der Friedenspfeifen, die Sache auf die höhere Gewalt abzuschieben. Das Schicksal, so der allgemeine Tenor, müsse nun um Pardon bitten. Und so sitzen sie noch heute und schieben sich die Verantwortung zu.

Als der Kirchenvorsteher aus der Stadt der Jecken in einem seiner doch seltenen Momente als Staatsbürger bekannte, die Deutschen würden sich mit ihrer Papstmäkelei lächerlich machen, war der allgemeine Friede wieder hergestellt. Meisner hatte die Lächerlichkeit seiner Nation, die Staat und Kirche trennt, vor Gott und den Menschen geteilt und bekam Absolution.

Der Vatikan äußerte sich dazu allerdings nicht. Man blieb dort dem Vorsatz treu, sich nicht in politische Fragen einzumischen.





Weihwasserschaden

19 03 2009

Die Kommission stellte noch einmal fest, dass gut drei Milliarden Menschen nicht über sauberes Trinkwasser verfügten, sofern sie überhaupt Zugang zu Wasser hätten. Die Zahl war erwartbar. Sie wurde veröffentlicht, erhielt kaum Aufmerksamkeit und geriet knapp drei Tage später in Vergessenheit. Eine Menge von Menschen, einer europäischen Kleinstadt vergleichbar, hatte sich inzwischen an diversen Erregern infiziert, nicht wenige von ihnen waren ohne Kenntnisnahme der Weltöffentlichkeit erwartungsgemäß verstorben. Die internationale Wasserkonferenz in Mombasa stand vor der Tür. Man würde noch genug Zeit finden, während der Veranstaltung in flammenden Sonntagsreden genug Bedauern abzusondern, wenn es nur ausreichend natriumarmes Wasser ohne Kohlensäure zum Ausspülen der Espressotässchen geben würde.

Die Gastrede des Papstes wurde schon im Vorfeld als einer der Lückenbüßer eingeschätzt, die das dreitägige Programm nicht eben informativer zu gestalten geeignet wären. Umso konsternierter war das Auditorium, als der Heilige Vater die Durstigen der Dritten Welt unmissverständlich aufforderte, auf Wasser zu verzichten. Auf jegliches Wasser.

Manche glaubten, sich nur verhört zu haben, doch Benedikt XVI. stellte seine Position noch einmal deutlich dar. Er erklärte, das Trinken von Wasser löse das Trinkwasserproblem nicht, sondern verschlimmere es nur noch. Spirituelles Erwachen sei nun vonnöten, die Solidarität des Katholizismus mit den Verdurstenden einmal ganz abgerechnet.

Möglicherweise hätten es die Beobachter als einen von zahlreichen Lausbubenstreichen des Oberhirten abgetan – man erinnerte sich an die Abschaffung der Vorhölle und an die Rehabilitation des Antisemitismus in der Karfreitagsliturgie – wenn der nicht nachgelegt hätte. Auf Anfrage verlangte der Vatikan nochmals mit ausdrücklichen Worten Enthaltsamkeit. Es gebe weiterhin keinen Diskussionsbedarf.

Erste Kritik setzte ein, als Bundeskanzlerin Merkel sich postalisch mit dem Wunsch nach Klarstellung an den Stellvertreter wandte; die Kritik entzündete sich weniger an der Tatsache, sondern vielmehr an deren Wiederholung – Merkel habe doch wissen müssen, dass sie nicht berufen sei, theologische Fragen zu beurteilen. Offizielle Stellen des Gottesstaates bemühten sich sogleich um Schadensbegrenzung; Ratzinger habe vielmehr symbolisch die Brüder und Schwestern in ihrer gewissermaßen unschönen Lage in die Arme schließen wollen.

Ähnlich albern wirkten die Versuche des Vatikanorgans BILD, die Sicht der Öffentlichkeit zu korrigieren. Franz Josef Wagners dialektische Turnübung, das Wasser des Lebens und die real existierende Wasserversorgung zu synthetisieren, misslang gründlich. Es hätte indes auch nichts geholfen. Der Weihwasserschaden war längst eingetreten.

Der Widerstand formierte sich rasch. Die Aktion Wasserzeichen fand raschen Zustrom. Ihre Idee, die Entwicklungshilfe aus den Fängen der EU zu lösen und stattdessen Genossenschaften in den bedürftigen Ländern zu gründen, stieß auf Zuspruch. Es blieb nicht bei Lippenbekenntnissen. Zu Tausenden verpflichteten sich die Unterstützer, ihre Kirchensteuern, die sie nun nicht länger zu zahlen bereit waren, in die Hilfsorganisation fließen zu lassen. Erste Projekte nahmen konkrete Gestalt an, als sich der Vatikan den Organisatoren anbot, Beistand zu leisten. Zwar sei keinerlei finanzielle Hilfe zu erwarten, doch sei der Papst persönlich bereit, moralische Vorschläge zu unterbreiten.

Einer Analyse des Bundesinnenministeriums, nach der der Verzehr von Trinkwasser hygienisch mangelnder Qualität die Haupttodesursache vieler afrikanischer Landstriche sei, folgte sogleich die Rechtfertigung des päpstlichen Erlasses; der Wasserverzicht sei durchaus als präventive Maßnahme gegen die drohenden Gefahren für Leib und Leben zu verstehen. Dies wurde nicht hinterfragt. Man wusste, das Bundesministerium des Innern kannte sich mit präventiven Maßnahmen zur Abwehr drohender Gefahren bestens aus – vor allem mit Gefahren, die aus derartiger Prävention drohen.

Mit gewohnt vitaler Rhetorik ergriff Joachim Kardinal Meisner das Wort. Er sorgte für nicht unerheblichen Aufruhr, da er in einer Talkshow erklärte, der Verzicht auf Trinkwasser sei auch unter Umweltgesichtspunkten positiv zu sehen. So bleibe mehr Brauchwasser übrig. Während der Wasserkopf der vatikanischen Verwaltung noch über einen Verbleib Meisners im Amt köchelte, meldeten die Agenturen, dass die Wogen der Empörung bereits sieben Millionen Mitglieder aus der katholischen Kirche gespült hatten.

Um der Körperschaft beizutreten – der Vatikan äußerte in diesem Zusammenhang die Hoffnung, dies würde in Afrika geschehen – empfahl die Glaubenskongregation nun die Anwendung der Trockentaufe. Wie dies Verfahren zu handhaben sei, wurde nicht näher erläutert. Da gleichzeitig der konventionelle Ritus allein gültig blieb und die Priester angewiesen wurden, täglich mindestens drei neue Mitglieder für den Bund zu gewinnen, machten sich gewisse kognitive Dissonanzen bemerkbar.

Als bekannt wurde, dass die Vatikanbank einen größeren Teil ihrer Gelder in Aktien sizilianischer Wasserversorgungsgesellschaften angelegt hatte, brachen alle Dämme. Der Vatikan wurde unterspült. Die Sintflut war kaum noch aufzuhalten, als der Papst heftig zurückruderte. Wasser, erklärte Ratzinger, sei ein Menschenrecht.

Seine Anmerkung, die katholische Kirche sei für Menschenrechte selbstverständlich nicht zuständig, soff im allgemeinen Jubel der Erleichterung ab.





Blowin’ in the wind

21 02 2009

Ja, wen haben wir denn da? Wenn das mal nicht der Benedikt ist! Mit einer ganz großen Portion heißer Luft. Wie immer. Gut aufgestellt, die Kirche. Muss man ja sagen. Nur, was denkt der Mann sich eigentlich dabei? Haben Sie eine Ahnung?

 Na, denken Sie sich doch einfach mal was.

Na, denken Sie sich doch einfach mal was.

Bild: Uncylopedia

Anbei ein paar Vorschläge zur Auswahl. So zu sagen ein kleines vatikanisches Brain-Storming für den Sonntag – frischer Wind für Ihren Lieblingspapst:

  • Was bläst denn hier so? Sind die Ministranten schon da?
  • Linz, Rom, Marktl: Hauptsache, die Frisur sitzt. Mit Drei-Faltigkeits-Taft.
  • Williamson! Jetzt hören Sie mal auf, hier so rumzupupen!
  • Verdammt, gleich spielen sie bestimmt wieder Wind of change.
  • Liebe Brüder, aus Altötting habe ich Euch heuer ein bisschen Föhn mitgebracht.
  • Giovanni, ich wollte doch diesmal die ohne Flügelchen!
  • Fly me to the moon… dada, dadadaaa…
  • Abgehoben? Ich? Wer behauptet denn so was?
  • Nie wieder fahre ich in die Niederlande! Die ganzen Windmühlen hier sind echt nervig!
  • Ihr Deppen! Die Orgelpfeifen werden jetzt sofort wieder aufrecht hingestellt!
  • Die Merkel geht mir voll auf die Nüsse. Erst diese Briefe, und jetzt hat sie meinen Frisör gegen eine modernistische Schwuchtel ausgetauscht.
  • Also das Praktikum als Engel hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.
  • Scheiß Erbsensuppe, hoffentlich gibt’s morgen wieder Fisch!
  • Völlig losgelöst… dada, dadaaa…
  • Lehmann, jetzt lassen Sie doch mal diese blöden Spielchen mit dem Laubsauger!
  • Woah, wie geil! Diese Toten Hosen werden von Jahr zu Jahr besser!
  • Professor Richter, jetzt machense mal hinne! Ich sitz hier schon zwei Stunden Modell für Ihren neuen Flügel-Altar!
  • Dies indische Billig-Viagra nehme ich nie wieder!
  • Passt gut auf, Ihr Kinderlein, gleich macht Euch der liebe Onkel Ratzi Jogisches Fliegen vor!
  • Räum doch mal einer den Wagner da weg! Kann ich schon gar nicht mehr sehen, diese Luftnummer!
  • So, und auf Eins spielt jetzt die letzte Posaune das Tuba mirum.
  • Supi, dieser 3-D-Plasmabildschirm! Da macht Dumbo voll Laune! Nächste Woche lade ich den Meisner ein und wir gucken Vom Winde verweht.
  • Ah, meine Lieblings-Combo… die Egerländer Blasmusikanten…
  • Brrrmm, brrrmm… yeah, Himmelfahrt! Brrrmmm…
  • Ich nagel es ihm ans Knie. Diesmal nagel ich dem Drewermann sein Furzkissen ans Knie.
  • Schneller, Ngogo! Schneller fächeln! Sonst kaufe ich mir einen Ventilator!
  • Stell doch mal einer diese bescheuerte Fußbodenheizung ab! Ich bin doch nicht Marilyn Monroe!
  • Fasten your seatbelts? Wieso, Fasten-Zeit ist doch erst Mittwoch?
  • Durch den Monsun… lalala…
  • Step aside, Batman!
  • Nie wieder Cabrio-Rollstuhl – Harry, hol schon mal das Papamobil!
  • Sie sagen noch genau einmal „alter Windbeutel“ zu mir, Fellay, dann sind Sie wieder draußen!
  • Und wenn ich damit bei Pusteblume auftrete, was kriege ich dafür?
  • Wenn ich den erwische, der mir die Windkraftanlage vor den Palast gestellt hat…
  • Hürlimann, Sie wecken Ihre Garde ab morgen wieder mit dem Gong! Diese Alphörner sind ja schrecklich!
  • Guckense mal, Glemp, ein evangelikaler Panzer. Und da kommt wirklich nur Luft aus dem Rohr?
  • I am an anti-christ… I am an anarchist… schallala… don’t know what I want but I know how to get it… schubidua…
  • Kündigung? Fristlos? Jesus, tu mir das nicht an! Ich hab doch nichts Vernünftiges gelernt, und in meinem Alter nimmt mich doch keiner mehr!
  • Auf die Idee mit der Achterbahn hätte ich längst kommen sollen. Macht ja ’nen Heidenspaß!
  • Und jetzt alle zusammen: Im Frühtau zu Berge, sie stehn, falleraaa…

Und woran denken Sie dabei? Machen Sie Ihren Gedanken ruhig Luft!





Brüderlich mit Herz und Hand

20 02 2009

„Grüß Gott Ritschie, alte Pottsau! Ja, Du mich auch. Ja, hab ich gelesen. Herrgott, das war aber auch eine verdammte…

Na komm, wegen der Merkel brauchst Du Dir doch nicht in die Robe zu pinkeln. Wer nimmt die denn ernst? Christlich? Seit wann ist denn die CDU… Also bitte, das will ich jetzt mal überhört haben. Das stimmt doch ganz einfach nicht.

Meine Güte, dann eben die alte Floskel-Taktik. Ja, funktioniert immer. Ihr verbittet Euch erst mal jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten der römisch-katholischen Kirche, und dann… Wenn da wieder so’n paar Linksfatzkes ankommen und meinen, das sei nicht kirchlich, sondern politisch relevant, dann sagt denen halt, sie sollen doch mal gegen die israelische Außenpolitik protestieren, wenn sie… Und der Zentralrat wird dann… Genau, so geht das.

Eben, so geht das nämlich. Und wenn sie dann immer noch nicht Ruhe geben, haut Ihr denen die ganz große Moralkeule… Na, Beleidigung des Katholizismus eben. Ja sicher. Darf man nicht. Haben die doch sogar ins Grundgesetz… Artikel 4. Ja, Artikel 4. Hör mal, ich kenne doch meine Verfassung, was meinst Du, wie oft deshalb schon vor Gericht…

Und § 166 StGB immer schön mit reinwürgen. Immer rein. Kennen die doch gar nicht anders. Ja, das ist eben der Vorzug in diesem Land. Wenn man sich eine demokratiefeindliche Ideologie strafrechtlich schützten lassen kann…

Ach was. Differenzierte Diskussion? Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass die Deutschen das… Das kapieren die doch gar nicht. Die wissen doch gar nicht, was… Differenziert? Mann, die sind doch alle so verblödet, dass… Ja warum kriegen wir regelmäßig so viele Stimmen bei… Na eben! Ohne Parteienfinanzierung hätten wir doch längst den Arsch auf Grundeis.

Ja eben. Wie damals. Legal ans Ziel kommen. Nicht mehr putschen, sondern rutschen. Immer nach oben, immer nach oben. Da steht dann schon einer und hält seinen… Alles ganz legal. Genau.

Und Fakten schaffen. Genau. Nicht diskutieren, Fakten schaffen. Wenn die ersten Priester erst mal geweiht sind, kann man so ab und zu auch mal einen Bischof… Mach Dich doch nicht lächerlich! Ankündigen? Ihr habt doch ein Ei am Wandern! Fakten schaffen! Hinterher an die Presse, immer erst hinterher! Was soll er denn groß machen, wenn Ihr ihm zehn neue Bischöfe… Exkommunikation? Jungs, seid Ihr eigentlich noch ganz koscher? Das hätte vielleicht der Polacke gemacht, aber doch nicht der Ratzinger! Auf welchem Planeten lebt Ihr?

Dann lest doch die richtigen Bücher! Leuchter-Report, Rudolf, Protokolle der… Fragt halt mal den Mahler. Der hat da vielleicht von damals auch noch Kontakte zu den ganzen…

Verdammt, wir hätten gleich den Islam ins Visier nehmen sollen. Die paar Itaker, die waren uns doch scheißegal. Nein, nicht deshalb. Frauen unterdrücken ist doch nicht… Ich würde doch auch ausrasten, wenn meine Tochter hier mit so einem alternativen Soziologiestudenten ankäme. Da wäre aber Reichsparteitag, Genosse!

Ja und? Dann gackern die paar Hühner einmal, bevor sie wieder im Kochtopf untertauchen. Jetzt erzähl mir nicht, dass… Das ist doch Kinderkacke! Wer soll das denn machen? Nee, schon klar. Glaubst Du wirklich, dass sich auf einmal alle Katholikinnen im Kölner Dom zusammenrotten und einen Sitzstreik… Ritschie, bist Du jetzt komplett meschugge? Meine Güte, habt Ihr die nicht mehr im Griff? Die sollen die Fresse halten und die Beine breit machen, aber nicht…

Das hatten wir doch alles schon. Dass die Kümmeltürken hier mehr Kinder in die Welt setzen als in deutschen… Und dann auch noch die ganzen Schwuchteln. Eben. Soll ich etwa darauf warten, bis mein erster Gauleiter Ötzfötz heißt!?

Nein, gleich den Islam. Angst müssen die Leute haben. Die nackte Angst. Drohen, Einschüchtern, Lügen, Hetzen. Die ganze Palette.

Ach komm, das mit dem Ritualmord, das ist… Ja, aber das haben die Leute doch für Jahrhunderte geglaubt, und geh Du mal in irgendein katholisches Provinznest, da sagen Dir die Betschwestern doch heute noch, dass… Ach Quatsch, komm mir doch nicht mit Aufklärung! Angst wollen die Leute haben! Die wollen mit voller Hose zu Hause hocken und sich zuscheißen und darauf warten, dass der Führer wiederkommt und… Ja, eben. Und das hätte man mit dem Islam auch hingekriegt, wenn nicht der…

Wir hatten eben keinen. Hätte ich mich da in die Krüppelkarre setzen sollen, voll einen auf Mitleid machen und dann… Wir haben es eben verpasst. Die sind im Moment einfach besser als wir.

Und nach innen die Sündenbocknummer. Wir sind Märtyrer, also haben wir Recht. Und umgekehrt. Hat noch immer funktioniert. Die Leute sind doch alle so behindert, die glauben doch den letzten Scheiß. Genau. Vor allem den.

Menschenrechte? Lachhaft. Wer interessiert sich denn für Menschenrechte? Ja, auf dem Papier sieht das natürlich schön aus, wenn sie alle… Eben, und deswegen würde ich mir da auch keine Sorgen machen. Immer schön Fakten schaffen, einen Schritt nach dem anderen, und dann langsam die Schmerzgrenze bis zum… Wer soll das? Der Papst? Hähä, der war gut! Der Papst schert sich um die Menschenrechte! Hähähä! Ritschie, wieder mal am Messwein genuckelt, was?

Na, dann mach Dir mal keinen Kopf. Okay. Ja, so machen wir das. Dann noch einen gesegneten Abend, Ritschie! Heil und Amen!“





Dies irae

17 02 2009

Der Mann wartete gar nicht erst ab, bis er aufgerufen wurde. Er klopfte nicht an die Tür, er riss sie auf und stürmte ins Amtszimmer. Setzte sich auf den Besucherstuhl und schleuderte zornig die Vorladung auf den Schreibtisch. Der Andere, ein Jüngling mit sanften, ebenmäßigen Gesichtszügen, wies ihm den Stuhl zu, auf dem dieser bereits saß. „Behalten Sie Platz. Jetzt sind Sie nämlich dran, mein Sohn.“ Der Mann lief rot an wie der Umhang des Beamten. „Für Dich“, bellte er, „immer noch der Hochwürdige Herr Pfarrer, klar!?“ Mit einem langen, bohrenden Blick sah sein Gegenüber auf ihn und tippte das Schild auf dem Schreibtisch an. Hier richtet Sie Erzengel Michael. Der Priester fuhr zusammen.

„Da muss irgendwo in der Apologetik ein Fehler passiert sein. Oder das ist wieder so eins von den lutherischen…“ Der Erzengel lächelte. Ganz mild. „Apologetik, soso. Jede Wirkung hat eine Ursache. Sie haben es erfasst. Genau deshalb sitzen Sie hier, mein Sohn. Theologisch völlig korrekt. Wir machen die Vorschriften zwar nicht selbst, aber wenn sie vernünftig sind, halten wir uns an sie.“

„Sie sind gar nicht wahr! Sie sind bloß eine Wahnvorstellung! Sie existieren nicht!“ Der Engel schmunzelte. „Ich existiere nicht? Gut, dass Sie mir das verraten. Es hatte sich nämlich bis zu mir noch nicht herumgesprochen.“ Jetzt kicherte er. „Dann habe ich gar nicht mit Jakob gerungen? Übrigens, Ihre muslimischen Brüder haben verstanden, dass ich nur deshalb so schnell bin, weil ich aus Licht bestehe.“ Er gluckste. „Aber als alter Apologetiker werden Sie mir die Relativitätstheorie bestimmt noch viel besser erklären.“

„Wenn Sie wirklich Erzengel wären, würden Sie nicht gotteslästerlichen Spott treiben, sondern Gott verteidigen!“ Der Erzengel faltete die Hände über dem Bauch. „Ich verteidige ihn ja. Gegen Ihresgleichen. Abgesehen davon: zwei Fehler, mein Sohn. Erstens hat Gott der Herr in seiner Güte die Evolution so eingerichtet, dass ganz zum Schluss die Krone des Schöpfungsplans herauskäme – der Mensch. Ein Wesen, das alles besitzt, seinen Schöpfer zu preisen. Einen kritischen Verstand und die Sprache. Er hat Euch sogar Geschenke gemacht. Zum Beispiel die Musik. Den Humor.“ „Humor? Was soll am Humor göttlich sein?“ „Da alles von Gott kommt, wird wohl auch der Humor von Gott sein. Er ist ein göttlicher Funken, den der Heilige Geist aus Gnade bisweilen sogar Hunden, Affen und Katzen schenkt.“

Der Pater krallte sich mit beiden Händen in die Tischkante. „Teufelswerk“, schrie er, „Humor ist Teufelswerk!“ Der Erzengel wartete, bis sich das Männchen beruhigt hatte. „Umberto Eco, hm? Da also klaut man als angehender Weihbischof seine philosophische Halbbildung. Interessant.“ Und er nahm einen flammenden Dolch zur Hand, seinen Brieföffner. „Ich will Ihnen sagen, was Teufelswerk ist. Der kritische Verstand, den man dazu missbraucht, ganze Völker in die Steinzeit zu bomben, weil man’s für gottgefällig hält. Dazu, Hunger zu predigen, um im Brokatfummel auf Samtsesseln zu saufen. Dazu, Huren zu machen aus den Frauen, und dann sie zu bespucken, weil sie ja Huren sind. Um sich dabei des Lebens, dieses größten Gottesgeschenks, zu freuen, braucht man schon Humor. Stat rosa pristina nomine, nomina nuda tenemus.

Ernst fuhr er fort. „Und da wären wir auch schon beim zweiten Punkt. Warum, glauben Sie, sind Sie hier?“ Er senkte den Flammendolch auf einen violetten Aktendeckel. „Ich will es Ihnen sagen. Wegen Blasphemie. Sie haben Gott gelästert. Unaufhörlich. Sie haben alle Gebote gebrochen. Ständig. Besonders das zweite.“

„Das ist nicht wahr! Lüge! Verleumdung! Ich habe…“ „Ja, Lüge. Verleumdung. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit haben Sie den Namen Gottes unnütz im Munde geführt.“ Er schlug den Aktendeckel auf. „Ich darf mal zitieren. Den ‚lieben Gott’ gibt es ja nicht. Wir brauchen den Gott, der uns an Grenzen führt. Das haben Sie gesagt.“ Das Männchen begehrte auf. „Nein, ich habe…“ Harsch schnitt ihm der Engel das Wort ab. „Das war keine Frage. Das war eine Feststellung. Ich zitiere weiter. Vielleicht müssen wir erst wieder eine kleine Gruppe werden, um dann stärker hinaus zu wirken. Und dann werden die Wenigen mehr bewegen als die Vielen, die sich nicht bewegen.“ Und er schloss die Akte.

„Sie haben Gott gelästert, mehr noch: sich an seine Stelle gesetzt. Statt zu begreifen und zu verkünden, dass der liebende Gott Sie nach seinem Ebenbild erschaffen hat, haben Sie sich einen Götzen nach Ihrem Ebenbild gemacht. Einen von Selbsthass zerfressenen Sadisten, der nur befriedigt ist, wenn er Wehrlose treten kann. Sie haben sein Vertrauen missbraucht. Sie haben nicht nur die Schafe aus der Herde gejagt, die er in Ihre Obhut gegeben hat, Sie haben noch den Weg zu den Wölfen ausgeschildert. Sie haben gerichtet. Jetzt sind Sie gerichtet.“ Er zeichnete schwungvoll und ließ den Stempel auf den Aktendeckel krachen.

Da sank das Männchen auf dem Stuhl zusammen, heulte, klapperte mit den Zähnen. „Was wird denn jetzt aus mir? Muss ich in der Hölle schmoren? Kann ich nicht noch Abbitte leisten?“ Der Erzengel schüttelte unerbittlich den Kopf. „Nein, das hilft nun nichts mehr. Sie werden zur Höchststrafe verurteilt: Gottesferne. Sie werden in Ihrem Kämmerchen hocken und freie Sicht auf das Paradies haben. Bis in alle Ewigkeit werden Sie die Erlösten sehen. Freude wird unter ihnen sein, und haben sie Traurigkeit, so werden sie getröstet werden, wie einen seine Mutter tröstet. Einer trägt des anderen Last. Und Sie werden hinter Ihrem Gitter sitzen und nicht dabei sein.“

„Gottesferne.“ Mit leerem Blick schaute das Männlein. Es war nun ganz still. „Ja, Gottesferne. Sie müssen ein merkwürdiges Theologiestudium absolviert haben, wenn Sie sich nicht einmal mit den Grundzügen der Eschatologie auskennen. Und jetzt raus hier. Ich habe heute Vormittag noch jede Menge Betonschädel im Eingangskorb.“





Dogmatik für Fortgeschrittene oder Irrtum vorbehalten

14 02 2009

Was macht zum Beispiel so ein Papst,
wenn er an den Gedanken knappst
und feststellt: ich hab mich geirrt?
Schon ist die Logik weg. Verwirrt
stellt dieser Papst fest, dass er gar
nicht irren kann, und ist es wahr,
dass er doch mal im Irrtum war,
dann war er selbst im Irrtum da,
dass er verwirrt geirrt hat.
(Worauf er sich verirrt hat.)





Scheibenkleister

11 02 2009

Die Glaubenskongregation hatte sich zuletzt sowieso über nichts mehr gewundert. Die Vorhölle war abgeschafft worden. Man durfte den Holocaust nicht direkt leugnen, aber es machte auch nichts, wenn man sich nicht dafür entschuldigte. Und so nickten sie nur, als Benedikt XVI. an einem ganz normalen vatikanischen Morgen die neue Enzyklika Orbis etsi non zum Abtippen gab. Keiner dachte sich etwas dabei. Teils aus Gewohnheit, teils, weil sie alle nicht genug Latein verstanden, um zu sehen, dass der Pontifex einen unruhigen Schlaf gehabt hatte. Seit Tagen.

Mittags diskutierten Altphilologen noch über die Möglichkeit, einem Übersetzungsfehler aufgesessen zu sein. Die lateinische Sprache, so klar sie auch ist, kann doch manchen Unsinn ergeben, wenn man Kasus und Numerus nicht auf die Reihe kriegt oder gar seine Stammformen nicht gelernt hat. Schaurige Gymnasialerinnerungen tauchten in den Köpfen der Altsprachler auf. Doch so unmissverständlich war dieses Sendschreiben, dass sie sich dem Schicksal ergaben und die neue, ab sofort gültige Lehrmeinung einfach anerkannten. Der Papst hatte sich nicht geirrt, weil er sich – er ist nun mal Papst – gar nicht irren kann. Die Erde ist eine Scheibe. Punkt. Aus die Maus.

Gut, diese Idee war jetzt weder bahnbrechend noch schien sie besonders durchdacht. Schon im Mittelalter hatte man sich davon verabschiedet und modernistischem Allotria gewidmet. Aber dies gab doch Anlass zur Sorge. War das noch derselbe Papa Bene, der so gütig lächelte, während er zu Mord und Unterdrückung hetzte? Was war geschehen mit dem Heiligen Vater? Hatten Herrgott und Mutter Maria dem alten Mann, der sich sonst so rührend um Frauenordination, pädophile Priester und Geburtenkontrolle gekümmert hatte, jetzt endgültig ins Hirn gehauen? Wie sollten sie sich nur alle getäuscht haben!

Die Fundamentaltheologen bissen sich zuerst in die jeweiligen Hintern. Sie hatten es kapiert. Welch ein gerissener Schachzug! Ketzerei, Abfall, Sektierertum, alles auf einmal vom Tisch. Hier und jetzt wurde Metapher zur Wirklichkeit und vage Allegorie handfest. Kein Gottesmann konnte mehr in Opposition gehen. Ratzingers Scheibe umfasste alles, alles war in Ratzinger, keiner konnte der fundamentalen Umarmung entgehen. Die Bruderschaften tobten.

Während die Hegel-Gesellschaft noch zu klären versuchte, ob denn die möglichste aller besten Welten ein adäquater Ersatz für die beste aller möglichen sei, titelte BILD mit dem epochalen Transzendenz gewuppt! alle Bedenken beiseite, ja man könnte sagen: sie putzte jede Kritik von der Platte. Sie fiel von der Scheibe und ward fürderhin nicht mehr gesehen.

Kontroversen ergaben sich in Österreich, wo einige Weihbischöfe sich die Köpfe über das ewige Gerauche in den Priesterseminaren heiß redeten. Auch die ganze Schar der Trolle, Elfen und Gnome war den Patres suspekt – ein heidnisches Heer vermuteten sie hinter jedem Werwolf oder Golem. Selbst Engel mussten sich einer peniblen Sicherheitsprüfung unterziehen, bevor sie wie gewohnt weiter lobsingen durften.

Immerhin erübrigte sich die leidige Diskussion um den Gottesbeweis. Man müsse, so sprach die Kongregation, nur ganz fest daran glauben. Ob es erlaubt sei, auch an Buddha, Osiris und die Zahnfee zu glauben, wusste allerdings niemand. Das zuständige Referat kündigte an, erst noch Beweise sammeln zu wollen. Das könne dauern.

Zudem konnte der katholische Apparat nun mit vollem Ernst behaupten, dass sich die Demokratie durchgesetzt habe. Nach dem klassischen Prinzip One man, one vote regierte Ratzinger über seine Schafe. Er war der eine Mann, der die eine Stimme hatte. Und mehr wollte man dem Volk auch nicht zumuten.

Seine Heiligkeit gefiel sich nun darin, seine Heiligkeit öffentlich zu machen. Natürlich war es keine Kunst, über das Wasser zu laufen, denn der Fluss stand einige Meter höher als das Ufer. Und so wandelte Benedikt nun jeden Sonntag über den dreckigen Strom. Ob die Krankheitserreger unter seinen Füßen dadurch geheilt wurden, ist nicht verbürgt. Denkbar wäre es.

Die Zwerge an der Basis mussten sich kaum umgewöhnen. Schon zuvor waren die Zwerginnen wegen ihres Geschlechts diskriminiert und von den männlichen Zwergen aller Alters- und Rangstufen für einen universalen Patzer gehalten worden. Doch des Papstes Weltformel integrierte auch sie in die Schöpfung. Natürlich nicht, ohne sie weiterhin als Missgriff zu behandeln. Schwulen Zwergen erging es nicht besser, es sei denn, sie standen in Lohn und Brot der römisch-katholischen Kirche.

Überhaupt wurde die Theologie viel einfacher. Neben Feng Shui und Kapitalismus fand sich nun auch Wirres Denken als Lehrfach an der Vatikan-Universität. Das Postulat, dass der Geist je eine helle und eine dunkle Seite habe, galt ohne Ausnahme – die helle Seite war der Katholizismus. Der ganze Scheibenkleister mit der Scholastik hörte endlich auf. Alles war so komplex, wie es sein sollte, um es nicht verstehen zu müssen, und alles wurde plötzlich so einfach, dass man daran glauben konnte, wenn man nicht daran glauben wollte. Die Philosophie wurde nicht verboten. Sie wurde einfach verschluckt, wie das rote Pantoffeltierchen etwas verschluckt. Auf Nimmerwiedersehen.

So geschah es. Und siehe, es sah, dass es gut war. Und ein Irrtum war ausgeschlossen.