
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Wenn konservative Politiker gleich welcher Couleur oder intellektuellen Fallhöhe nachts wach liegen und sich fürchten, dass diese verdammte Wirklichkeit ihnen alles versaut, denken sie an den von allen Innen- und Rechtsschreihälsen ausgiebig zitierten Kanzler, der da einst im Vollbesitz seiner philosophischen Verstandesleistung ausführte, der Rechtsstaat habe nicht zu siegen, er habe auch nicht zu verlieren, sondern er habe zu existieren. Meist weinen sie sich dann in den Schlaf, denn sie wissen: Helmut Schmidt hatte recht. So unangenehm diese Erkenntnis war, so selten folgt aus ihr ein Gewinn an Einsicht oder gar Vernunft, vom Handeln einmal ganz abgesehen. Noch immer suppt Gerede aus der politischen, vornehmlich der herrschenden Klasse, die diesen Rechtsstaat als schimmernde Wehr gegen alles Übel dieser Welt in Stellung bringen, gerne gegen die schrecklichsten Verbrechen, etwa dann, wenn sich böse Menschen vorsätzlich da aufhalten, wo sie nicht geboren wurden. Unerbittlich ist er, dieser ominöse Rechtsstaat.
Und fort geifert es aus der leichten Krawallerie, die ihr populistisches Getöse, wann immer es von der Kanzel keift oder im Wahlkampf den Bodensatz einsammelt, mit der Kultivierung der Demokratie in der Tragweite ihrer Legitimation verwechseln – das verzweifelte Geschrei nach immer härteren Strafen, nach drakonischen Maßnahmen seitens einer nicht zur Rechenschaft gezogenen Polizei, die ja niemals Straftaten begehen würde, die schließlich verboten seien, kurz: das ganze Umbasteln pathologischer Rachsucht gegen Kriminelle ist nicht mehr als das Law-and-Order-Geschwiemel, das Angst, Zweifel und Verunsicherung der Bevölkerung braucht, um ein bisschen politisches Profil hinzudengeln. Stets erklärt die rechte Rotte allem den Krieg, obwohl es empirisch erwiesen ist, dass schärfere Strafen kein Verbrechen verhindern, prominent in Staaten, die mit legalen Schusswaffen zahllose Massenmorde dulden, trotz Todesstrafe.
Wie im Krieg gegen Drogen, der an sich nur ein Krieg gegen Suchtkranke ist, hämmern sich die Deppen beharrlich den Schädel an die Wand, lallen von ‚Auge um Auge‘ und meinen nur das falsch verstandene Prinzip des Rechtsausgleichs, der zum christlich wütenden Vergeltungsprinzip wurde, das die Gewalt immer schön am Köcheln hält. Es ist ein Auge um ein Auge, so bereits im Codex Hammurapi, im Exodus und im Zwölftafelgesetz. Wer Auge um Auge um Auge zu rächen sucht, blendet zielgerichtet schließlich die ganze Menschheit, wer für ein erschlagenes Vieh dem Täter eins tötet, gleicht den Rechtszustand aus, nur nicht den Schaden.
Nur ist dieser ominöse Rechtsstaat, der als Monstranz die Härte vor sich herträgt, erstens gekennzeichnet durch konstitutionelle Bindung an Recht und Gesetz, an Law and Order, und zweitens der Schutz eben der Bürger vor einem Staat, der willkürlich oder ohne das Gebot des Maßhaltens bei allem staatlichen Handeln Gerechtigkeit garantiert und die in der Verfassung festgeschriebenen Bürgerrechte – allesamt Abwehrrechte gegen den übergriffigen Staat, der da meint, er müsse das Recht in seine Hände nehmen, weil der Bürger es sonst ausnutzt und dem Staat auf der Nase herumtanzt. Ein seltsamer Zirkelschluss, wenn man bedenkt, dass der Staat eben aus diesen Bürgern besteht. Absurder wird es, wenn dies Konglomerat aus Subjekt-Objekt-Verkehrung und Opferrolle die geistig-moralischen Wände hochzugehen droht: der soi-disant Staat fuchtelt mit dem Säbel und will mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen, was er vor einer gerichtlichen Prüfung als falsch erkannt hat. Ohne die Verhältnismäßigkeit zu prüfen wählt er die Kanone, um Spatzen zu eliminieren. Für dies Konstrukt gibt es keinen Handlungsspielraum, kein Strafrahmen ist vorhanden, die Gerechtigkeit als das Maß der Differenzierung von Schuld und Strafe verduftet, wo der preußische Polizeistaat durchs Gebälk spukt. Wir sind so kurz vor dem Naturrecht, das die Dominanz des Stärkeren rechtfertigt, der ja nicht siegen müsste, wäre er nicht stärker. Dünnsinn von und für Idioten? Ach was, diese Regierung hat auch schon Rechtssicherheit geschaffen mit der Formel, Cannabis sei verboten, weil es illegal ist. Das ist der Sekundenschlaf der Vernunft, wenn ein Minister vom Grundrechtsmissbrauch spricht – man sollte lustbetont alttestamentarisch überlieferte Körperstrafen an denen ausprobieren, die derartigen Sums in ihr ungewaschenes Maul nehmen.
Summum ius summa iniuria. Mit dem Recht wird oft die höchste Böswilligkeit kodifiziert, hier aber durch die Verkehrung der Perspektive. Ist der Rechtsstaat durch die Regierung in Geiselhaft genommen, bleibt ja nur noch der Sozialstaat, der folgerichtig von den Bürgern geschreddert wird, die in Eigenverantwortung handeln. Den Klimaschutz verschlampen die Wähler, sagen die neoliberalen Arschgeigen. Es muss demokratisch aussehen, aber sie müssen alles in der Hand haben.
Il y’avait des juges à Berlin.
Satzspiegel