Energiewendehals

29 05 2012

„Nein, wir sind uns da ganz sicher. Wir ziehen das durch. Diesmal ziehen wir das aber auch ganz bestimmt durch! Weil die Merkel das nämlich so will. Oder weil sie es nicht will. Dann ziehen wir das nämlich erst recht durch. Wir sind jetzt gerade – also wir sind so gut wie zu allem, oder wenigstens zu den meisten Sachen sind wir doch ein Stück weit ganz entschlossen sind wir. So in etwa. Deshalb wollen wir auch die Energiewende.

Weil wir zur Kontinuität der CDU stehen. Die war schon immer so. So kontinuierlich. Zwar nicht immer durchgängig, auch nicht immer abwärts so wie jetzt, aber es ging immer irgendwie in die eine oder andere Richtung. Und wir haben unseren Partnern in der Wirtschaft immer eins versprochen: Kontinuität. Darum wäre es zu diesem Zeitpunkt in dieser Lage auch völlig verkehrt zu sagen: ja, wir wollen die Energiewende auf jeden Fall.

Das kostet nämlich auch alles. Haben Sie sich schon einmal ausgerechnet, was das alles kostet? Wir auch nicht. Das heißt, wir haben die Wirtschaft gefragt. Also wir haben nicht die Wirtschaft gefragt, aber die hat es uns gesagt. Dass das alles kostet. Und was das alles kostet. Das muss dann nämlich alles die Wirtschaft bezahlen, diese Energiewende. Im Gegensatz zu vorher – da war alles umgekehrt. Da gab’s keine Energiewende, und deshalb hätte das der Bürger bezahlt. Verstehen Sie das? Ich auch nicht. Und deshalb wollen wir die Energiewende.

Wir haben nicht rechtzeitig daran gedacht, die Stromnetze auszubauen. Die ganze Regierung hat geschlafen, das ist das Problem. Wir hatten halt gedacht, die Merkel hätte eine genügend lange Leitung. Sie hat jetzt ja beschlossen, dass die CDU das nicht beschließt, was sie mal zu beschließen beschlossen hatte. Und zum Ausgleich haben wir auch nicht beschlossen, dass wir noch irgendwas beschließen müssen wollen werden. Hätten wir das nämlich nicht jetzt beschlossen, dann hätten wir das mit den Stromnetzen nicht beschließen müssen, beziehungsweise man hätte jetzt beschlossen, es irgendwann mal zu beschließen. Das ist ganz und gar nicht beschlussfähig, und wir wollen darum eigentlich die Energiewende auch gar nicht.

Und schwebt da ein zweistufiges Modell vor – nein, das hat nichts mit Brückentechnologie zu tun. Auch nicht mit mehr Kohlekraftwerken. Stufe 1 wäre, dass wir herausfinden, worum es eigentlich geht. Das ist schon kompliziert genug. Der Röttgen hat es bis zum Schluss nicht herausgefunden, sein Nachfolger sucht noch nach einer Entschuldigung. Stufe 2 wäre dann der Grund, warum es, worum es geht, jetzt noch nicht oder doch nicht geht. Das ist die neue Flexibilität. Also diese neue Flexiquote, da entscheidet die Kanzlerin entweder, dass wir’s nicht machen, weil sie es kapiert hat, oder sie hat’s nicht verstanden, aber dann macht es die CDU. Dann ist sie nicht schuld. Oder die Merkel hat überhaupt keinen Plan, dann machen wir es natürlich alle zusammen. Wie zum Beispiel die Energiewende.

Ist natürlich auch nicht so ganz einfach. Die Merkel an sich, und dann auch noch die Probleme. Die, die wir ohne die Merkel nicht hätten. Und wegen der Energiewende. Und ohne sie. Weil jetzt nämlich immer mehr Solarstrom kommt, auch wenn wir den gar nicht wollten. Der Rösler hatte versprochen, ganz viele Arbeitsplätze aufzubauen – hat er ja dann auch gehalten, allerdings in China. Und die Merkel kriegt jetzt so einen – wegen der Energiewende nämlich. Energiewendehals. Nein, ist sie nicht! kriegt sie! Da kündigt man einmal etwas an und sagt, dass wir das auch ganz bestimmt, und möglicherweise nicht in dieser Legislaturperiode, und wahrscheinlich hält sie sogar ihr Versprechen – das ist doch unlauterer Wettbewerb! Das geht doch nicht! Ich meine, was soll da denn auf Dauer noch alles passieren? Wir müssen da sofort einschreiten, am wenigsten brauchen wir jetzt die Energiewende!

Weil wir nämlich eine konservative Partei sind. Wussten Sie wahrscheinlich. Deshalb haben wir uns auch entschlossen, Werte zu erhalten. Zum Beispiel die Zahlungen an die Energiekonzerne zum Erhalt der Stromnetze. Das geht schon seit 70 Jahren so, das kann nicht verkehrt sein, und es kostet ja auch nichts. Gut, es kostet den Verbraucher etwas, aber nicht uns. Und was nichts kostet, das ist ja auch nichts wert, und deshalb will die Merkel das auch erhalten. Verstehen Sie, das ist wie mit der GEMA. Sie zahlen Gebühren auf Festplatten, weil man da Sachen speichern könnte, und dann werden Sie verklagt, wenn Sie tatsächlich Sachen speichern, und das Geld, um Sie zu verklagen, das bezahlen Sie, indem Sie auf die Festplatten eine Gebühr – Sie haben das Prinzip verstanden? Ja, ist ja auch total logisch. Das gibt Rechtssicherheit, auch für die Zukunft. Darum brauchen wir ja auch unbedingt die Energiewende.

Wir haben nämlich die Zeichen der Zeit verstanden. Doch, haben wir. Ob die Merkel – nein, weiß ich gerade nicht. Aber wir haben das. Wegen der Arbeitsplätze und so. Wir setzen dabei ganz auf Bürgerbeteiligung. Und Transparenz. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich an einer gemeinsamen Lösung auch beteiligen können wollen. Wie bei den Autofabriken. Da haben wir auch keine Arbeitsplätze gerettet, weil die Bürger in den Vorstandsetagen das ja auch selbst hätten machen können. Wir beteiligen die Bürger. Die können jetzt auch mal schön selbst zur Tankstelle fahren, da halten wir uns raus. Also aus den Kosten. Das ist nicht unser Problem. Weil, wir sind ja nicht verantwortlich für die Bürger. Deshalb ist ja diese Energiewende auch vollkommen überflüssig.

Ach ja, bevor ich’s vergesse: nächste Woche kommen die Eurobonds dran.“





Brummschädel

17 05 2012

„Orrr, diese Schmerzen!“ „Ich hatte es Ihnen schon mal gesagt, man säuft sich nicht den Schädel voll vor dem Feiertag.“ „Aber am Wochenende haben wir doch auch…“ „Und dann kam das böse Erwachen. Pech.“ „Pech!? Das nennen Sie… orrr!“ „Beschweren Sie sich halt bei Merkel. Die ist komplett überraschungsfrei, bei der weiß man immer, wieso man rausfliegt.“

„Das waren die beiden Kästen Pschorr, und dann haben wir…“ „Hätten Sie sich denken können, dass Seehofer die Regie übernimmt.“ „Wieso Seehofer? das war doch als kleine Spende der nordrhein-westfälischen Parteifreunde… Jetzt geht mir ein Licht auf!“ „Prima, damit dürften Sie ihre geistige Zurechnungsfähigkeit ja wiedererlangt haben.“ „Hat denn die CSU inzwischen die Regie übernommen?“ „Haben Sie heute ein Dementi gegen das Betreuungsgeld gehört?“ „Nicht, dass ich wüsste.“ „Jubelarien über den Rettungsschirm?“ „Das wäre mir aber aufgefallen.“ „Dann fragen Sie sich mal in einer stillen Stunde, warum Seehofer heute so entspannt in die Gegend schaut.“ „Sie meinen – nicht möglich!“ „Willkommen in der Wirklichkeit.“

„Warum gerade Röttgen?“ „Weil er seinem Nachruf nach alles richtig gemacht hat.“ „Aber er hat doch…“ „Die Energiewende angestoßen. Wie man gegen den Putzeimer trampelt. Als Physikerin dürfte Merkel die Folgen ausrechnen können.“ „Aber er war doch…“ „Merkels Klügster. Womit klar sein dürfte, was wir vom Rest dieses Kabinetts zu halten haben.“ „Aber der hatte doch…“ „Als Umweltminister die Verantwortung für den Dreck, den Merkel hinterlässt, wenn sie selbst sich auf niedermolekularer Ebene von diesem Planeten verabschiedet haben wird. Richtig. Da braucht mal halt Figuren, die nicht beim ersten Windhauch umkippen.“ „Aber die FDP hat doch gar nicht…“ „Unterbrechen Sie mich nicht. Da braucht mal Standfestigkeit! Durchhaltevermögen! Echte Männer!“ „Ah, verstehe. Warum hat sie nicht Guttenberg genommen?“

„Vor allem räumen Sie gefälligst mal diese ganzen leeren Flaschen da weg!“ „Orrr, nicht so laut! Mein Kopf!“ „Dann saufen Sie halt nicht so viel.“ „Wir hatten halt damit gerechnet, dass der nächste einer von der FDP ist.“ „Unmöglich.“ „Wieso unmöglich? Können die denn etwas?“ „Das nicht.“ „Und was die Justizministerin angeht, kann Friedrich etwas?“ „Wie gesagt, das ist nicht die Frage.“ „Sondern?“ „Ruhe.“ „Ruhe?“ „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.“ „Also Ruhe, bevor diese Koalition innerhalb der nächsten Wochen auch noch platzt?“ „Nein. Ruhe, bevor die Liberalen auch noch komplett durchdrehen.“ „Aber dafür kann doch Merkel nichts?“ „Eben.“

„Ich verstehe trotzdem nicht, wieso Merkel ausgerechnet Röttgen als erstes über die Wupper geschickt hat.“ „Das liegt am christdemokratischen Selbstverständnis.“ „Das mit dem Leben nach dem Tod? Ja, das hatte ich mir auch schon gedacht.“ „Unsinn, das ist das Anzeichen der CDU.“ „Sie meinen, das sei dialektisch gemeint? die bessere Idee wird durch eine noch bessere ersetzt?“ „Das ist ein Anzeichen der Partei von Merkel. Wer im falschen Augenblick Ideen hat, wird gefeuert.“ „Ich dachte, wer im falschen Augenblick keine Ideen hat?“ „Was soll das denn?“ „Ist es das Privileg der Kanzlerin, keine Ideen zu haben?“ „Röttgen hat es halt richtig gemacht.“ „Warum wird er dann so einfach gefeuert?“ „Muss das denn unbedingt als Strafe verstanden werden?“

„Gut, anders. Warum feuert die Kanzlerin den Mann, wo doch die Umweltpolitik so wichtig ist?“ „Weil die Umweltpolitik so wichtig ist.“ „Also weil die Grünen das nicht besser hinbekommen sollen?“ „Weil die Kanzlerin das selbst besser kann als die Grünen.“ „Deshalb ist die Klimapolitik so eine wichtige Sache?“ „Deshalb ist die Energiewende so eine enorm wichtige Sache und ureigenstes Gebiet der Kanzlerin.“ „Aber die kriegen doch in Bezug auf die Klimawende nichts gebacken.“ „Eben.“ „Und verlogen ist das obendrein.“ „Richtig.“ „Das stimmt doch hinten und vorne nicht – diese ganze Energiewende ist ein einziger lobbyistenverseuchter Sumpf, in dem sich ein Politiker nach dem anderen als komplett inkompetenter Idiot herausstellt.“ „Sie haben es verstanden. Klima ist Chefsache. Das erfordert eine Planung und eine Personalpolitik mit viel Fingerspitzengefühl.“

„Weiß denn Merkel überhaupt noch, was sie da tut?“ „Warum sollte sie sonst ihr Kabinett mit den besten parlamentarischen Mitarbeitern bestücken?“ „Ich meine, warum hat sie denn Röttgen vor die Tür gesetzt? Wenn ihr die Energiewende schon als wichtig erschien…“ „Korrekt. Und nun räumen Sie mal lieber die Luftschlangen hier ab. Sieht ja aus wie im Karneval.“ „Ist denn die Umweltpolitik ihr wichtig?“ „Sie sollen hier aufräumen! Das sieht aus wie im Schweinestall“ „Oder ist das Amt ganz einfach falsch besetzt?“ „Lenken Sie gefälligst nicht immer ab!“ „Und wenn das ein inhaltlicher Totalausfall war oder aber nicht wichtig für die Regierung, warum ist dann die Schröder noch im Amt?“ „Sie sollen diese verdammten Luftballons hier abhängen!“ „Oder von der Leyen?“ „Machen Sie gefälligst nicht so einen Lärm hier, in der CDU herrscht Zucht und Ordnung!“ „Oder Schavan?“ „Sie haben sich sicherlich um die Ziele der Christdemokratie verdient gemacht, Sie haben auch wichtige Dienste geleistet, um die geistig-politische Wende einzuleiten. Und jetzt raus hier!“





Bedauerlicherweise

14 05 2012

„Ja, tut uns echt Leid. Da fühlen wir ganz mit Ihnen. Richte ich gerne aus. Grüße an die Frau Kanzlerin vielleicht noch, oder eine… Gut, keine. Bitte sehr um Verzeihung.

Christdemokratische Seelsorge, was kann ich für Sie tun? Sie haben Röttgen gewählt? Ach, das ist ja traurig. Also ich meine, das ist ja traurig, dass Sie ihn… Nein, ich hatte mich da nur falsch aus-… Das war doch jetzt gar nicht ironisch gemeint, ich wollte Sie bloß…

Das können Sie als Trauerbewältigungsarbeit verstehen. Wir sind für den Bürger da, der muss nun aufgefangen werden, weil die Leute den Wechsel in Nordrhein-Westfalen wollten, und dann hat’s eben nicht geklappt. Bedauerlicherweise. Da können wir jetzt sehen, wie wir damit fertig werden. Diese Demokratie, das ist ja einfach nichts. Und dann auch noch Sozialdemokratie, da kann man ja nur noch depressiv werden!

Christdemokratische Seelsorge, was kann ich für Sie tun? Leider nein, das geht nicht automatisch. Als Bundesminister muss man extra zurücktreten, und ich wüsste auch nicht, wo wir so schnell die Doktorarbeit von Röttgen herbekommen sollten. Das müssen Sie schon im Präsidium zur Sprache bringen, Herr Pofalla. Ja, Sie mich auch. Auf Wiederhören.

Es ist schon eine Krux, dass nicht einmal die Partei selbst damit umgehen kann. Ich meine, wir haben doch alles getan, was wir nur konnten – beziehungsweise in dem Fall eben nicht, obwohl wir getan gehabt gekonnt gehaben hatten sollen können müssen! Da ist seit Wochen nichts mehr passiert, das Bundesamt für Naturschutz ist quasi schon im Weihnachtsurlaub, das Bundesamt für Strahlenschutz können Sie unter einer Staubschicht suchen, im Bundesamt geht gar nichts mehr. Hat sich die Frau Kanzlerin gesagt: machen wir kurz vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen keine Politik mehr, hat ja letztes Mal auch schon so toll geklappt. Guter Plan, da kann man dann wenigstens die Sozialdemokraten nach dem Wahlsieg dafür verantwortlich machen, dass hier jede Menge unerledigte Arbeit herumliegt. Sehr guter Plan.

Christdemokratische Seelsorge, was kann ich für… Schreien Sie doch nicht so! Ja, wir sind natürlich auch ganz bestürzt. Furchtbar. So ein unglaublicher Dreck, eine Gemeinheit, solche Gerüchte über unseren geliebten Landespolitiker Röttgen, nein: Röttgers, halt: Rüttgers hieß der, Rüttgers. Ach so, Sie meinen das von uns? Nein, wir haben das gar nicht in die Welt gesetzt. Unglücklicherweise stimmte das ja auch gar nicht. Schlimm, oder? Ich bin untröstlich.

Also die Arbeit. Da war ja gar nichts mehr. Aber wir dürfen das auch nicht überbewerten, auf die Art hatte dann Rot-Grün auch viele Möglichkeiten, große Fehler zu machen. So theoretisch. Ich meine, diese Piraten hätten das damals nur kaputt gemacht. In den sechs Wochen hätten die ihre Mitglieder befragt und dann einfach irgendetwas gemacht. Die hätten da etwas entschieden! Politik! Ich meine, man geht doch nicht in die Politik, um einfach so mal etwas zu…

Christdemokratische Seelsorge, was kann ich für Sie tun? Ja, es ist ein Jammer. Ich kann Ihren Schmerz nachfühlen. Das ist wirklich eine herbe Enttäuschung. Da hatten Sie sich in Berlin schon so sehr gefreut, und jetzt kommt der Röttgen einfach zurück. Tragisch, tragisch.

Ungünstigerweise kriegt er ja auch nie wieder eine Chance, noch irgendetwas zu machen. Der ist wie Atommüll: ob Sie den hierhin packen oder dorthin, egal, der bleibt da. Bis zum bitteren Ende. Das kriegen Sie nie wieder weg. Nicht mal als Kanzler. Erst recht nicht als Kanzler.

Christdemokratische Seelsorge, was kann ich für Sie tun? Mein Beileid! Das wollten wir wirklich nicht! Ach Gott, wie konnte das denn bloß – Ihre Frau Mutter hat gar nicht gewusst, dass Röttgen der Kandidat von uns ist? Die wusste gar nicht, wen sie diesmal wählen soll? Nervenzusammenbruch!? Und dann hat sie was gewählt? Tierschutzpartei? Na, ist ja wenigstens nicht im Gulli. Wie bei der FDP.

Aber eins müssen Sie Röttgen doch lassen, er hat wirklich ein Händchen für die richtigen Signale. Diese Landtagswahl zu stilisieren als ultimative Abstimmung über Merkels Krisenpolitik, das ist ja echt ein Coup. Wirklich schade, dass er letztlich auch noch Recht hatte.

Christdemokratische Seelsorge, was kann ich für Sie tun? Ja, das mit den 40 Prozent ist nichts geworden. So traurig. Ach, Sie meinten die SPD?

Das Problem war ja, dass die Bürger in Nordrhein-Westfalen sich das Gesicht von Röttgen gar nicht merken konnten. Als Landeschef war er so gut wie nie da, bei den Plakaten musste man automatisch weggucken – aber schade auch, dass er erst recht weg vom Fenster ist. Scheint einer von seinen Sparvorschlägen gewesen zu sein.

Christdemokratische Seelsorge, was… Frau Kanzlerin? Nein, keine Ahnung. Gestern war er noch hier. Also wir haben jetzt nicht noch einmal überall durchgesehen, aber hier ist er nicht. Denke ich. In Berlin ist er nicht angekommen? Haben Sie mal bei Koch geguckt? bei Wulff angerufen? bei von Beust oder Merz? Nicht? Schade eigentlich.“





Streberparty

10 04 2012

„Ob Sie etwas für die große Torte haben. So ein Knalleffekt, verstehen Sie, etwas Pfiffiges. Mit Pep. Sie wollen eine Dame da drinnen verstecken? Und die ist nur halb bekleidet? Das kann ich mir nicht vorstellen. Echt nicht. Wir hatten da eher an etwas gedacht wie bunte Zuckerschrift. Zweifarbig, das würde Herr Röttgen möglicherweise mitmachen.

Der kann ja auch nicht alles selbst machen, der Herr Röttgen. Er ist ja einer der ganz modernen Leute bei uns, müssen Sie wissen. Der arbeitet jetzt Teilzeit. Die eine Hälfte hat er keine Zeit für sein Ministerium, die andere Hälfte erledigt er NRW. Ganz moderner Mann. Deshalb wollen wir hier auch ein absolut fortschrittliches Fest für ihn organisieren. Also eins, das voll auf der Höhe der Zeit ist. Mit dem sich jeder hier im Land infiziert, nein, falsch: identifiziert. Bis auf die Gäste.

Getränke gehen natürlich extra. Nüchtern ist das ja auch gar nicht zu ertragen. Haben Sie da etwas im Angebot? So halbwegs modern? Vielleicht irgendeine Art Szenegetränk? Was man auch mit Geschmack nicht stehen lässt? Nein, bloß nicht schon wieder Rüttgers Club! Das muss doch zum Kandidaten passen! Also Überraschung ja, aber bitte nichts Überraschendes! Eher so etwas ganz ungewöhnlich Normales. Ja, gut. Alt ist okay. So sieht Herr Röttgen auch schon aus.

Das ist hier nämlich so eine ganz moderne Wahlparty, die Herr Röttgen macht. Alles regional organisiert. Der Saal, die Getränke, Luftschlangen, alles. Nur die Gäste bringt er selbst mit. Das ist, weil Herr Röttgen so modern ist. Und wir hier im Landesverband nicht.

Und bitte dieses Jahr mal keinen Lachs auf die Schnittchen, das würde sonst doch zu sehr nach FDP aussehen. Erbsensuppe mit Lachs. Und dieser billige Sekt aus dem Discounter. Eingeschlafene Füße mit Blubber. Lassen Sie das dem Lindner, der hat’s doch auch nicht leicht. Ist nicht sonst etwas Bodenständiges im Repertoire? Ah so. Beleidigte Leberwurst.

Er stellt halt gerne mal ein paar Leute in den Schatten. Nein, anders: sein Kabinett hat einen – wieder falsch, also ich meine: er stellt sich vor sein Schattenkabinett. Er stellt sich vor, er habe ein Schattenkabinett. Jedenfalls haben die auch schon alle zugesagt. Soweit sie bis jetzt wissen, dass sie da drin sind. Die meisten erfahren das ja eher so durch Zufall. Das nennen wir jetzt Transparenz. Weil das alles ziemlich durchsichtig ist, was Herr Röttgen da veranstaltet.
Haben Sie eigentlich die Adresse? Nicht, dass Sie da noch falsch liefern. Das macht doch schon die FDP. Haben Sie die Adresse? Gut, wir nämlich nicht. Haben Sie das? Ja. Nein, nicht Labour Party. Streberparty.

Die Einladungen dann auf Karton. Strapazierfähig. Den Karton meine ich. Goldrand, wenn’s geht. Und mit Aufdruck, selbstverständlich. Verantwortung statt Verschuldung. Das müssen wir schon so kommunizieren, damit der Eintrittspreis nicht ganz so hoch aussieht. Wenn wir jetzt etwas von Stargästen und kaltem Büfett auf die Karte schreiben, dann denken die sich am Ende, für die Kohle hätte man ja auch gleich eine vernünftige Party schmeißen können, aber wenn gar nichts draufsteht, gibt es auch keine Erwartungen. Clever, nicht? Ja, Herr Röttgen kann was. Glaube ich.

Bisschen Unterhaltungsmusik wäre auch nett. Haben Sie vielleicht einen Kinderchor, der das Steigerlied kann? Gut, hätte ja sein können. Herr Röttgen will sparen, da können wir uns kein großes Programm leisten. Die Windkraftwerke werden jetzt doch nicht plattgemacht, obwohl das Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor versprechen könnte – wir müssen zur Entlastung des Landes viel Geld ausgeben. Und dann die Pendlerpauschale. Brauchen wir unbedingt. Vor allem zwischen Berlin und Düsseldorf. Wäre einfacher gewesen, wir hätten ihm die Rückfahrkarte von Künast in die Hand gedrückt, aber bei einem von der CDU im Rheinland weiß man nie. Was Sie dem in die Hand drücken, das ist erstmal weg.

Tolle Sache, haben Sie gelesen? Eröffnungsrede von Friedrich Merz, der Parteibezirk Mittelrhein tanzt Polonaise, und Axel E. Fischer fordert Gewässerschutz für Flussdiagramme – alles weg. Frisch gestrichen. Fällt aus wegen ist nicht. Ist doch großartig, wenigstens in dem Punkt kann Herr Röttgen dann mal zeigen, dass wir die Kostenseite ernst nehmen. Man muss am richtigen Ende sparen.

Haben Sie die Luftballons vielleicht in extra robuster Qualität? Dass da irgendwann die Luft raus ist, damit muss man rechnen, aber dass das alles vorzeitig platzt – diese Dünnhäutigkeit, verstehen Sie, das macht uns ein bisschen Sorgen. Können Sie die Materialproben nicht gleich in die Parteizentrale schicken? Zur Vorsicht. Kann ja sein, dass die da noch viel dringender gebraucht werden.

Ja, gut. Bestuhlung extra, Putzfrauen macht die Arbeitsagentur, Cocktailschirmchen haben wir noch von 2010, und die Gästeliste ist ein parteiinterner Vorgang, der außerhalb der Partei nicht kommentiert werden muss. Es reicht, dass der Saal voll ist, wer sich da aufhält, kann man hinterher immer noch aus dem Polizeibericht erfahren. Man muss sich an Regeln halten. Aber nicht unbedingt an die eigenen.

Abgemacht, wir lassen hier eine Party mit Gegenwartsbezug steigen. Die CDU kriegt eins auf die Mütze. Total auf der Höhe der Zeit.“





Stressfest

18 05 2011

„… dass von unübersehbaren Preisanstiegen überhaupt nicht die Rede sein könne, vielmehr sei ein heftiger Preisanstieg durchaus absehbar…“

„… begrüßte Röttgen die rational-fachliche Grundlage, nach der man jetzt entscheiden könne, dass möglicherweise sechs Atommeiler…“

„… zwar rechtswidrig, da man die Verfügungen zur Stilllegung nicht einfach während eines Pressetermins verkünden könne, die Bundesregierung sehe aber darin keinen Grund, das Verfahren zu ändern. Merkel betonte, dass sie auch weiterhin am Parlament vorbei…“

„… nach menschlichem Ermessen nicht durch die übermannshohen Schutzzäune, man müsse also schon die Kernreaktoren überfliegen, aber diese Vorstellung sei abstrus und nicht in der…“

„… die Reaktoren nie die Stufe 3, nirgends die Stufe 2 und nicht durchgängig die Sicherheitsstufe 1 erreichen – Röttgen wertete das vollständige Scheitern der deutschen Kernkraftanlagen als einen großen Erfolg, da nun erstmals ein wissenschaftlich und technisch einwandfreies Ergebnis vorliegen, das man komplett ignorieren könne, um die…“

„… aus Sicherheitsgründen den Preisanstieg in einer einzigen Stufe zu vollziehen und bereits jetzt 20 Euro pro Kilowattstunde vom Endkunden zu verlangen, um die Zukunft zu sichern, zumindest die der Vorstände der Energieunternehmen und ihrer…“

„… eine Verstaatlichung der Atomkraftwerke glatt ablehnte. Verluste sowie externe Kosten sozialisieren zu wollen sei der typische Ausweg der Ökostalinisten, die vor nichts zurückschrecken – Schäuble befand, man könne ausschließlich bei Banken, die gegen das Gesetz verstoßen hätten, eine Ausnahme…“

„… begrüßte Röttgen die rational-fachliche Grundlage, nach der man jetzt entscheiden könne, dass möglicherweise fünf Atommeiler…“

„… sind die Erkenntnisse des Stresstests zwar nicht neu und wenig überraschend, man könne jedoch bereits jetzt nach dieser Stresstest-Methode verfahren, um den Stuttgarter Bahnhofsneubau doch noch in eine erfolgreiche…“

„… erwogen, eine Nettokreditaufnahme von 56 Trillionen Euro zuzulassen, um eine Haftpflicht für die Atomkraftwerke nicht zu Lasten des Steuerzahlers…“

„… gab der Bundesverband der deutschen Atomkraftwerksbetreiber zu bedenken, dass es sich beim Ausgangsmaterial für Brennstäbe um natürlich produziertes Uran aus der Erde handelte (ohne Konservierungsstoffe), bei den Flügeln von Windrädern jedoch um Stahl, der mit extrem hohem Energieaufwand…“

„… nannte Bundesinnenminister Friedrich die Fragen der Reporterin unverschämt, sich nach dem Absturz von Sportflugzeugen auf Atomkraftwerke zu erkundigen. Man wisse aus absolut sicherer Quelle, dass Terroristen noch nie zuvor mit Sportflugzeugen in die…“

„… die Entschädigung von 700.000 Euro pro Tag gerechterweise auch nach dem Atomausstieg an die Kraftwerksbetreiber zu zahlen, da diese dann ja keine Chance mehr hätten, weiterhin ein leistungsloses Einkommen zu…“

„… könne ein Überflugverbot islamistischer Meteoriten noch als keine…“

„… dass ein Stresstest das komplette und systematische Versagen eines nur aus Ideologie, Heißluft und entfesselter Geldgier nachweise, die Ergebnisse der Untersuchung allerdings komplett ignoriert würden, so dass die Atomkonzerne mit ihrer Tätigkeit vollkommen ungehindert fortfahren könnten. Rösler zeigte sich sehr interessiert daran, auch die FDP einer solchen Beurteilung zu…“

„… verteidigte Röttgen die Untersuchung, da sie die umfassenden Mängel sehr differenziert aufzeigten. So würde jetzt eine riesige Menge an Chancen sichtbar, beispielsweise die Chance, dass ein wegen seiner antiquierten Notstromversorgung durchbratender Altreaktor wie Biblis A nie durch einen Tsunami beschädigt…“

„… versicherte Ramsauer, über die sichersten Atomkraftwerke der Welt flögen ausschließlich die sichersten Flugzeuge der Welt, so dass von einer Gefahrenlage zu keiner Zeit…“

„… die Kühlsysteme in Fukushima nicht erst nach dem Tsunami ausgefallen seien, was die Kanzlerin als ein sehr wichtiges Moment werte. Da es in Deutschland gar keine Tsunamis geben könne, weil der Pazifik ja viel zu weit entfernt sei, wäre ein Ausfall der Kühlung auch ausgeschlossen und…“

„… begrüßte Röttgen die rational-fachliche Grundlage, nach der man jetzt entscheiden könne, dass möglicherweise vier Atommeiler…“

„… gab Ex-Minister Brüderle zu, dass angesichts der nächsten Bundestagswahlen Druck auf der Politik laste und die Entscheidungen daher nicht immer rational…“

„… die Bewertungskriterien bei der zur Verfügung stehenden Zeit nicht auf Basis wissenschaftlicher Grenzbetrachtung generiert, sondern im Wesentlichen nur postuliert werden konnten, ändere die Bundesregierung ihren Zugang zum Glücksspielstaatsvertrag grundlegend, da sie nun selbst die Lottozahlen vorhersagen…“

„… sei ein Zeichen von christlicher Barmherzigkeit und mitfühlendem Liberalismus, dass man die Reaktoren nicht nach objektiven Maßstäben beurteile. Technischen Vollschrott, der sich nicht einmal mehr nachrüsten ließe, ohne Auflagen durch die Prüfung zu lassen, sei vielmehr ein Akt von sozialer Gesinnung, die man nur…“

„… den Privatversicherern, die Summe für den Haftpflichtschutz aus öffentlichen Geldern aufzubringen; die Nachversicherung übersteige den Bundeshaushalt zwar um ein Mehrfaches, sei aber mit einem Schattenhaushalt noch…“

„… noch keine Aussagen über den Stresstest zu machen oder generell über die Gefahren von Atomreaktoren. Man wolle lieber erst das Ende der Kernschmelze in den Reaktoren 2 und 3 abwarten, um die Ergebnisse zu…“

„… sich Rösler, dass ein atomarer Super-GAU in Deutschland gigantisches Wirtschaftswachstum nach sich zöge, da der Wiederaufbau mehrere Jahrhunderte lang die leistungsbereiten…“

„… immerhin noch viel sicherer als Windkraft, sagte der Vorstandssprecher. Noch nie sei ein fliegendes Atomkraftwerk mit einem Vogelschwarm bei einer Kollision…“

„… auf entschiedenen Widerstand bei Friedrich, da Terroristen in Deutschland Weihnachtsmärkte und Flughäfen, niemals aber so gefährliche Objekte wie Kernkraftwerke angreifen würden. Dies sei viel zu gefährlich bei einem Selbstmordattentat, befand der CSU-Minister, ein Aufprall mit dem Flugzug auf ein AKW berge erhebliche Risiken für die durchführenden Personen und sei auch aus versicherungstechnischer Sicht nicht mehr…“

„… kündigte an, die Studie zur Gefährlichkeit des Rauchens nicht mehr von Zigarettenherstellern finanzieren zu lassen. Aus Gründen der Objektivität sei es vielmehr notwendig, diese die Untersuchung gleich selbst durchführen zu…“

„… dass sich nicht der Sachverhalt geändert habe, sondern nur seine Sicht auf den Sachverhalt; Röttgen gab an, ihm sei die Sicherheit deutscher Atommeiler nicht mehr so egal wie vor wenigen Monaten, sie sei ihm inzwischen derart scheißegal, dass es schon…“

„… da eine sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle technisch nicht machbar sei, und schlug vor, die Stromproduktion aus Atomkraft daher ohne Frist wieder zu erlauben, da nur dann…“





Im Land der untergehenden Sonne

14 03 2011

„Schrecklich, wenn man das alles gewusst hätte!“ „Wollen Sie mir ernsthaft verkaufen, Sie seien sich nicht im Klaren darüber, was hier alles droht?“ „Aber das konnte doch keiner vorhersehen – der Mensch ist nun mal in seiner Einsichtsfähigkeit viel zu beschränkt, das zu begreifen.“ „Ja, das wollen sie einem dann immer verkaufen, wenn sie nicht mehr weiterkommen mit ihrem Gewäsch. Alles bloß billige Sonntagsrhetorik, aber das hilft uns auch nicht mehr weiter. Jetzt muss man handeln. Wenn das überhaupt noch geht.“ „Was wollen Sie denn machen? Fukushima ist doch kein Spielplatz, das ist eine gigantische Katastrophe!“ „Wer redet von Japan? Ich rede von Deutschland!“

„Sie meinen doch wohl nicht etwa, man könne die japanischen Verhältnisse auf Deutschland übertragen?“ „Warum nicht? Glauben Sie, nur die japanischen Energiekonzerne arbeiten schlampig? Dank unserer Kanzlerinnendarstellerin wissen wir doch jetzt auch, dass unsere asiatischen Freunde zwar ein hoch technisiertes Land sind wie wir, aber dass in hoch technisierten Ländern die Reaktoren in die Luft fliegen, dass gibt’s natürlich nur in Japan.“ „Sie können ein Erdbebengebiet wie den Pazifik nicht mit Europa vergleichen.“ „Weshalb hat dann die Kanzlerin noch einen weiteren Sicherheitscheck angeordnet, dessen Ergebnisse im Ministerium längst vorliegen? Alles ist sicher, aber man weiß nie, ob sicher ist sicher auch sicher ist – also wird alles noch einmal überprüft, ob es auch so sicher ist, dass man es gar nicht hätte überprüfen müssen.“ „Doppelt hält eben besser.“ „Das wussten sicher auch die Kernkraftwerksbetreiber, die sich ihre angeblichen Nachrüstungen zwar vom Steuerzahler erstatten lassen, aber aus technischen Gründen noch mit den Sicherheitsmaßnahmen warten.“

„Vertrauen Sie doch erst einmal darauf, dass die Politik die richtigen Schlüsse zieht. Die wissen schon, was da zu tun ist.“ „Deshalb hat man die Vergrößerung von Flutbehältern oder die redundanten Sicherheitssysteme auf die lange Bank geschoben.“ „Warum hat man das denn so lange verzögert?“ „Weil die Reaktoren im wahrsten Sinne des Wortes Auslaufmodelle sind, die Sie heute nie mehr durch den TÜV bekämen. Sie lassen auch nicht Ihr Auto frisch lackieren und fahren es danach gleich in die Schrottpresse.“ „Und wozu braucht man größere Flutbehälter?“ „Um das zu verhindern, was in Fukushima als technisch unmöglich beschrieben wurde.“ „Sicher wäre es das ohne Erdbeben sogar gewesen.“ „Alles, was technisch unmöglich ist, wird als technisch unmöglich bezeichnet, weil es höchstens einmal in einer Million Jahre zu passieren hat. Wann war noch mal Tschernobyl?“

„Aber Tschernobyl war doch auch etwas völlig anderes. Die Sowjets hatten kaum geeignete Mittel, um sichere Reaktoren zu bauen, und sie konnten auch die Katastrophe nicht in den Griff kriegen.“ „Wenn das ein Argument für die sicheren Reaktoren in Japan sein sollte, dann habe ich es nicht verstanden.“ „Wir haben doch hier in Deutschland eine total andere Gefahrenlage.“ „Das stimmt, seit Schäuble kräht jeder Innenminister nach der Vorratsdatenspeicherung, um Flugzeugabstürze auf Atomkraftwerke zu verhindern.“ „Ich dachte, die seien sowieso verboten?“ „Warum lässt Röttgen die weitere Vorsorge gegen derartige Risiken, der sich längst im Atomgesetz befand, eigens streichen? Weil Schutz vor Nuklearkatastrophen Geld kostet, das man den Betreibern lieber schenkt.“ „Sie meinen, er habe das Volk heimlich hinters Licht geführt?“ „Heimlich? Nein.“ „Wie soll denn die deutsche Politik reagieren? Wir können ja schlecht innerhalb einer Stunde die Kernkraftwerke herunterfahren. Dazu besteht meines Wissens auch kein Anlass, oder erwarten Sie einen Tsunami in der Mosel?“ „Mit etwas Überblick wüssten Sie, dass die Kernschmelze nicht durch ein Beben ausgelöst wurde, sondern durch den Ausfall mehrerer Kühlsysteme. Und jetzt überlegen Sie sich, warum Röttgen es den Energiekonzernen leichterdings erlaubt hat, gesetzliche Sicherheitsvorkehrungen einfach zu umgehen, wenn sie zu viel kosten.“

„Es spricht also alles dafür, dass die Regierung die Atomkraft in Deutschland nicht im Griff hat.“ „Es spricht einiges dafür, dass diese Regierung nichts mehr im Griff hat. Diese Krückentechnologie ist nur ein Anlass, die eigene Unfähigkeit zu zeigen. Hauptsache, sie klammern sich an die Macht.“ „Halten Sie es für Realitätsverlust?“ „Nein, für planmäßige Vernebelungstaktik, mit etwas Schadensbegrenzungsrhetorik politische Handlungsfähigkeit vorzutäuschen, weil ein paar Landtagswahlen ins Haus stehen.“ „Warum müssen Sie auch gleich eine Grundsatzdebatte vom Zaun brechen!“ „Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nichts passiert, ist Atomkraft sicher und sauber und preiswert, eine Diskussion findet nicht statt. Wenn aber tatsächlich ein Zwischenfall kommt, plärrt die Atomlobby unisono: ‚Die haben ja bloß darauf gewartet!‘ Ich möchte es einmal erleben, dass bei Sozial- oder Einwanderungspolitik diese Blase nicht bei jeder Boulevard-Schlagzeile sofort eine Generalabrechnung mit dem Grundgesetz fordert. Im Übrigen halte ich es schon nicht für blanken Zynismus, wenn diese Partei jegliche Kritik am Verfassungsbruch als plumpes Wahlkampfmanöver bezeichnet. Das ist neokonservativer Konsens, dass man die Interessen der Wirtschaft auch da verteidigt, wo man selbst dafür büßt.“

„Vielleicht sollten Sie sich erst einmal abregen und nicht bei jeder Politikeräußerung in die Luft gehen.“ „Auf welche soll ich warten? Auf das offene Eingeständnis, dass diese korrupte Truppe sich von einer Umfrage zur nächsten eine Laufzeitverlängerung erschwindelt, während Deutschland für ihre Ideologie zum Land der untergehenden Sonne wird? Wollen wir aus Sicherheitsgründen darauf warten, bis sie die Verfassung in der Asse beerdigen?“ „Röttgen hat doch…“ „Röttgen reicht der Kanzlerin längst nicht mehr aus, sie muss unbedingt noch ihren eigenen Super-GAU produzieren. Nach menschlichem Ermessen, sagt sie, liegen wir also in Gottes Hand? Im Iran würde man einen Kernphysiker nach derlei für unzurechnungsfähig erklären.“ „Wenn Sie eine Debatte über Reaktorsicherheit führen wollen, dann ist es jedenfalls nicht legitim, dafür auf dem Rücken der Opfer…“ „Haben Sie Anstand und Moral auf Lager? Das hat bei Guttenbergs vorgeschobenen Soldaten auch bestens funktioniert. Warum sollten Westerwelle und Röttgen weniger Opportunismus an den Tag legen? Einen Haufen, der aus Angst vor den Lobbyisten panisch seine Sprechblasensammlung neu sortiert, statt überhaupt den Regierungsgeschäften nachzugehen.“ „Sie haben es doch selbst gesagt, Merkel will jetzt die Kernkraftwerke noch einmal prüfen lassen.“ „Sie glauben wohl auch an den Weihnachtsmann, wenn man’s Ihnen nur dreimal sagt. Merkel tut gar nichts und lässt auch nichts tun. Sie lässt höchstens in den nächsten drei Tagen prüfen, ob sie sich einen atomaren Gutti erlauben kann – allerdings hat sie den auch zu lange laufen lassen vor der finalen Abschaltung.“ „Und das reicht Ihnen für eine Wahlkampfinszenierung? Sie unterschätzen die baden-württembergischen Wähler.“ „Eine Regierung mag beunruhigt sein, wenn sich die Bürger selbstständig zu informieren wissen, aber sie bekommt panische Angst, wenn sich die Menschen untereinander austauschen – und sie reagiert mit Brutalität, sobald sie den ersten Verein gründen. Das vor allem haben die Bürger in Baden-Württemberg gelernt, und sie wissen eine Kanzlerin richtig einzuschätzen, die nur aus Opportunismus in die Politik gegangen, weil sie es aus ihrer bis heute bevorzugten Staatsform nicht anders kannte: wenn man an der Macht ist, kommt man an Bananen.“





Gipfel-Sturm

9 03 2011

„Köstlich! Ich könnte mich in die Ecke werfen, das ist einfach göttlich!“ „Merkel?“ „Viel besser!“ „Karneval ist doch vorbei?“ „Ach was, Karneval – diese Nummer mit dem Biosprit. Großartig!“ „Was ist daran bitte großartig?“ „Das ist Hollywood. Was für eine wunderbare Inszenierung – endlich einmal zusehen, wie diese Regierung in Zeitlupe vor die Wand fährt.“

„Haben Sie überhaupt ein Auto?“ „Ist das denn wichtig? Schließlich muss ich ja auch keinen Atomstrom verbrauchen, um dies Geschacher mitzufinanzieren.“ „Immerhin nimmt sich die Bundesregierung der Sache an – das ist doch ein Beweis für das Interesse der Politik:“ „Sie meinen wohl: für ihre Interessen? Ein Benzingipfel, das ist doch wahrhaft lächerlich.“ „Aber Röttgen tut doch wenigstens etwas.“ „Wenn Sie darunter Dackelblick und sinnloses Gefasel verstehen, dann könnten Sie Recht haben.“ „Macht er denn nichts?“ „Die Frage ist, warum er jetzt mit dem Brimborium anfängt. Seit Jahren zanken sich die Spritproduzenten und die Autokonzerne um E10, und was passiert?“ „Sogar Brüderle hat sich eingeschaltet.“ „Stellen Sie einen Kanister Ethanol auf den Mars und Brüderle meldet sich für die bemannte Raumfahrt. Röttgen macht das, was er immer macht, wenn er was macht, wo er sagt, dass er was macht. Nämlich erst mal gar nichts.“ „Immer?“ „Wenigstens hat er die Laufzeitverlängerung für die Atombranche auch schon durch plötzliche Abwesenheit ermöglicht.“

„Sind Sie denn der Meinung, dass dieser Gipfel etwas nützte?“ „Abgesehen vom Stromausfall, weil sie die Generatoren mit E10 betanken, hatten wir köstliche Unterhaltung. wie sie dastehen und sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben.“ „Hätten nicht die Sprithersteller bessere Werbung machen können?“ „Für einen Sprit, der ihnen von der Politik aufgedrängt wurde, sollen sie sich auch noch vorschreiben lassen, wie Werbung auszusehen hat? Bekommen wir demnächst auch noch eine Verpackungsdesignvorschrift für Energiesparlampen?“ „Immerhin hat diese ganze Branche inklusive der Landwirte doch enorme Subventionen eingestrichen, sollten sie sich nicht ein bisschen kooperativer zeigen?“ „Wenn es auf Kooperationsbereitschaft ankäme, wüsste ich gerne, warum die Kernkraftwerksbetreiber trotz der Milliardengeschenke die minimalen Steuern auf den Verbraucher abwälzen.“ „Das haben die Mineralölkonzerne mit den Strafzahlungen doch auch vor.“ „Ich kann mich trotzdem nicht erinnern, Röttgen deshalb in tiefen Sorgenfalten gesehen zu haben.“ „Vielleicht schiebt er es auf die EU-Richtlinie?“ „In der stand sicherlich, dass man den Verbraucher nicht besser informieren darf als bei anderen Steuerverschwendungsplänen?“ „Die Politik hat eben manchmal den besseren Überblick als die Wirtschaft.“ „Warum empfehlen ihnen die Experten von Guidos Werbepartei nicht Boni, Einführungsrabatte und Gewinnspiele? Weiß die Wirtschaft etwa besser, wie zielgruppenorientiertes Marketing funktioniert? Oder sind der FDP 6,25% auch schon wieder zu hoch?“ „Andererseits, es gibt nun mal diese gesetzliche Vorgabe, und da kann der Röttgen doch durchaus mit Recht…“ „… erzählen, was die Neoliberallalas in solchen Situationen immer erzählen: damit der Markt ohne störende Einflüsse der Politik alles selbst regeln kann, muss die Politik unbedingt in den Markt eingreifen. Die Spritbranche hätte sich Banken kaufen sollen.“ „Nach marktwirtschaftlichen Gesetzen stimmt es doch aber; wenn nicht genug E10 gekauft wird, dann verteuert es sich.“ „Und unter sozialer Marktwirtschaft verstehen Sie, dass die Regierung den schwer gebeutelten Autoherstellern noch mal Zucker in den Arsch bläst, damit sie nicht aus lauter Not ihr Geld mit Arbeit an alternativen Antrieben verdienen muss?“

„Irgendjemand muss jetzt klären, wie dieses Dilemma zu beheben ist.“ „Ach ja? Und dazu setzen wir uns mit dem Bauernverband an einen Tisch? Warum nicht gleich mit den Anonymen Alkoholikern, schließlich vergasen wir doch gerade ihren Schnaps?“ „Werden Sie nicht albern, das sollte man schließlich von den richtigen Experten klären lassen.“ „Wenn es Experten gäbe, die die entsprechenden Fragen beantworten könnten – beispielsweise die vollständige Kohlendioxidbilanz einschließlich Herstellung oder den Anteil von Bioethanol-Produktionsflächen an den bisherigen Nahrungsmitteläckern – dann gäbe es diese Antworten wohl längst. Eine Expertenkommission, die sich gegenseitig ihre Inkompetenz attestiert, wo hatten wir das zuletzt gesehen?“ „Stuttgart?“ „Dann war Röttgens Gipfel das S21 des Straßenverkehrs.“

„Was hat der fesche Norbert denn dem Mob entgegenzusetzen?“ „Das bewährte CDU-Motto: Augen zu, weiter so. Irgendeinem wird man die Schuld schon in die Schuhe schieben können.“ „Und wenn man alles rückgängig macht?“ „Dann müsste Merkels Strahlemännchen wohl oder übel kurz vor den nächsten Landtagswahlen gestehen, dass er sich mit dem Hammer kämmt. Das wird den Grünen helfen.“ „Was haben die mit Biosprit zu tun?“ „Die warnen vor Ressourcenverschwendung, Umweltschäden und Hunger. Wir importieren demnächst Gemüse aus Chile, weil wir nur noch Kraftstoffrüben anbauen.“ „Dass da die Klimamutti einfach so mitmacht?“ „Unter dem Deckmäntelchen des Klimaschutzes werden eben jede Menge sinnloser Geschäfte eingefädelt. Hat beim Dosenpfand prima geklappt.“ „Erwarten Sie Konsequenzen?“ „Nicht doch! Jeder kann mal einen Fehler machen, oder? Außerdem waren wir mit ihm bisher ganz zufrieden. Und er wurde nicht als Mineralölexperte engagiert, sondern als Bundesumweltminister. Wahrscheinlich ist das alles eine Hetzkampagne der kommunistischen Autoverweigerer. Er hat eben ein bisschen Gipfel-Sturm abgekriegt.“

„Sollten Sie Recht haben, dann regiert diese Kanzlerin mal wieder exakt am Problem vorbei.“ „Aber sie verteilt die Probleme wenigstens sehr gut auf die einzelnen Ressorts, das müssen Sie ihr doch lassen.“ „Dann sollte man auf ihren Kronprinzen nichts mehr geben?“ „Oh doch, für den bekommen Sie noch eine Menge.“ „Politisches Kapital?“ „Das nicht. Eher Flaschen-Pfand.“





Strahlende Sieger

7 09 2010

„Pardon, aber habe ich da etwas nicht mitgekriegt? Wovon sprechen die eigentlich? Riesenerfolg? Wo ist da der Riesenerfolg?“ „Wer hat das gesagt?“ „Klaus Breil, dieser energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.“ „Wenn man derart mit Lobbyismus kontaminiert ist, hält man die Erfolge seiner Geldgeber eben schon für die eigenen. So ist das eben mit dem Atomkompromiss.“ „Und wieso eigentlich Kompromiss? Kompromiss ist, wenn beide Seiten etwas davon haben.“ „Stimmt ja. Die Atomindustrie sackt Milliarden ein und die FDP freut sich demnächst auf Wahlkampfspenden.“

„Großer Wurf für Deutschland – pah!“ „Leider an der Tonne vorbei.“ „Das stinkt doch gewaltig! Da hocken sich diese Nulpen mit dem Merkel an einen Tisch und knobeln aus, wie sie der Industrie noch mehr Kohle in den Hintern schieben können…“ „Nein, falsch. Sie haben vergessen, dass die Atomkraftwerksbetreiber mit am Tisch saßen.“ „Das ist doch grotesk – die dürfen sich jetzt also ihre Gesetze selbst machen?“ „War das bei den Banken anders? Nein, Sie verstehen das falsch. Das ist Merkels Form von Basisdemokratie: das Volk darf sich an der Entscheidungsfindung beteiligen und im Gegenzug vertrauen, dass die Kanzlerin alles tut, um den Willen des Volkes durchzusetzen. Wie in der DDR.“

„Wozu brauchen wir denn diesen Quark? Das soll ein Förderprogramm für erneuerbare Energien sein?“ „Klar. Schauen Sie sich doch das marode Gezumpel an, das die Stromkonzerne da am Netz haben. Da ist so eine Abwrackprämie doch echt angesagt, oder?“ „Beschiss ist das! Reiner Beschiss, wenn Sie mich fragen!“ „Es fragt Sie aber keiner. Die Regierung tut das doch alles nur, um Sie vor Ihrer eigenen kurzsichtigen Meinung zu schützen. Deutschland braucht Atomenergie.“ „Das haben wir ja gesehen. Sechs Atomkraftwerke vom Netz, aber die Lichter gehen nicht aus. Wir exportieren immer noch fleißig Strom. Und die regionalen Versorger werden verschaukelt, weil man ihnen die Zuschüsse für erneuerbare Energien erst verspricht und dann, wenn sie benötigt werden, einfach verweigert. Das nenne ich Beschiss!“ „Ich bitte Sie, diese Regierung hat doch alles getan, was sie im Koalitionsvertrag angekündigt hat. Und sogar noch mehr.“ „Was, noch mehr?“ „Das Bakschisch für die Hotelpagen hatten Sie schon vergessen?“

„Das ist doch alles ein Wahnsinn, was das alles den Steuerzahler kosten wird.“ „Seien Sie froh, dass Sie es nicht mehr erleben. Die Milliarden, die Sie für die Endlagerung brauchen, werden vielleicht Ihre Urenkel zahlen. Und da kommen sie noch gut weg – was meinen Sie, was das bis jetzt schon für ein Schweinegeld gekostet hat.“ „Was war denn daran so teuer?“ „Na, rechnen Sie doch mal nach: die PR-Kampagne mit Oliver Bierhoff, gekaufte Gutachten, Schmiergelder für die Politiker, die Ausfälle, die nach der Brennelementesteuer kommen werden, weil die Verbraucher die Zeche werden zahlen müssen – und dann sollten Sie auch mitrechnen, was das ganze Verfahren an Prozessen und anderen Auseinandersetzungen hinterher kosten wird. So schnell ist das nicht vom Tisch.“ „Wenn man unseren strahlenden Siegern Glauben schenken darf…“ „Wann kann man das schon.“ „… dann ist das eine kinderleichte Sache. Wird einfach so durch den Bundestag gewunken, wenn mal nichts Großes auf der Tagesordnung steht.“ „Blödsinn. Das Gesetz wurde 2002 mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen, deshalb wird der Mist auch jetzt durch die Länderkammer und dann direkt in den Vermittlungsausschuss gehen.“ „Das muss Merkel doch aber wissen.“ „Reden Sie im Zusammenhang mit der nicht von Wissen, die ist Physikerin. Die weiß bloß, wie man eine Regierung im Kern spaltet. Und hinterher das Volk.“

„Jetzt mal ehrlich: wissen die denn da oben überhaupt, was die machen? Warum redet dieser Brüderle die ganze Zeit von einem substanziellen Beitrag zum Ausbau von Ökoenergie? Und woher sollen denn bitte seine 30 Milliarden Euro kommen, wenn die Steuer nach allen Abschreibungen mit Ach und Krach mal zehn Prozent davon bringen wird?“ „Dann werden sie am Ende den Ausstieg eben nochmals verschieben, um die erforderliche Summe zusammenzukratzen.“ „Und dann wollen die jetzt Geld in die Sicherheit der Atomkraftwerke investieren. In die Sicherheit! Jetzt! Verdammt, worüber haben wir die letzten 40 Jahre geredet?“

„Sie müssten doch bereits seit 2005 einige Dinge über Merkel gelernt haben: sie ist für die Scheiße, die sie macht, nie selbst verantwortlich. Und immer, wenn irgendjemand auf ihre Weisung diesen Dreck breittritt, kann sie ihn als Abkanzlerin in der Versenkung verschwinden lassen. Die Berater haben ihr auseinandergesetzt, längere Laufzeiten sind Bockmist, Umweltbundesamt, Energieagentur, Umwelt-Sachverständigenrat, alle haben es kapiert. Auch die wissenschaftlichen Gutachter haben das gesagt, mit einem kleinen Schönheitsfehler: diese Gurkentruppe will gar nicht wissen, wie man mit Brüderles Zahlengegaukel die Klimaziele erreicht oder sogar den Aufschwung am Arbeitsmarkt damit hinbekäme. Sie halten sich lieber die Augen zu, dann ist der böse Mann weg.“ „Die Klimakanzlerin macht also aus Gründen neoliberaler Klientelpolitik ihr komplettes Image als Umweltretterin kaputt und verkauft sich für ein paar Milliarden, die sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals kassiert?“ „Ja. So würde ich das formulieren.“ „Und warum bitte? Warum?“ „Merkel will eben zeigen, dass Westerwelle nicht der einzige Versager in dieser Regierung ist.“





Fliegen

23 08 2010

„Und dann einmal Atomausstiegsausstieg, kommt noch was dazu? Kartöffelchen?“ „Was ist denn in Sie gefahren? Das kenne ich ja gar nicht!“ „So ähnlich wird das wohl geklungen haben, nicht wahr?“ „Das mit dem offenen Brief? Was haben die sich dabei bloß gedacht? Ich meine, das macht man doch nicht. So öffentlich.“ „Wäre es Ihnen lieber, wenn die Atommafia der Kanzlerin ein paar Herren im schwarzen Anzug vorbeischickte?“

„Fest steht jedenfalls, dass hier eine ganze Menge an Wirtschaftselite versammelt ist.“ „Sie meinen, die Lobbyisten fordern öffentlich die Regierung auf, über die Klinge zu springen.“ „Es sind immerhin die, die die deutsche Wirtschaft lenken.“ „Wie Oliver Bierhoff, meinen Sie?“ „Sie müssen wissen, dass sein Vater Vorstandsmitglied bei RWE war.“ „Na, das erklärt ja schon mal seine Kompetenz für Energiekosten und Volkswirtschaft. Sonst noch jemand, den Sie empfehlen können?“ „Auf der Karte wäre da noch Otto Schily.“ „Der ja mit Wirtschaft auch nicht viel am Hut hat, mit der Regierung erst recht nicht.“ „Rüdiger Grube.“ „Der demonstriert in Stuttgart gerade, wie man in die Zukunft investiert: einfach ein Loch in die Erde, die Kohle verbuddeln und formschöne Gucklöcher auf die Sache setzen, damit man immer nachgucken kann, wo das Geld abgeblieben ist.“ „Josef Ackermann.“ „Wie geschaffen, wenn man ein Role model für korrupte Arschlöcher sucht, darf er natürlich nicht fehlen. Hat ja seinerzeit Steinbrück auch schon sehr eifrig in die Feder diktiert, was die Finanzindustrie gerne an Weihnachten auf dem Gabentisch vorzufinden gedachte.“ „Und Hartmut Ostrowski.“ „Bertelsmann – das ist ja sozusagen schon das vorgelagerte Kanzleramt, da sind wieder alle in der Familie.“

„Ich verstehe ja nicht, warum man sich dabei gleich so aufregt. Es ist ja schließlich nur ein Brief. Und sie werben doch auch nur für ihre Position.“ „Mit etwas gesundem Menschenverstand wissen Sie, dass Werbebriefe von Gaunern geschrieben werden und auf den Müll gehören.“ „Aber ich frage Sie: das sind doch auch Wähler? haben nicht auch die Industriellen Rechte, wie sie jeder andere Bundesbürger auch formulieren könnte?“ „Wie jeder andere Bundesbürger auch, der beschließt, seine Einkommensteuer nicht zu zahlen, weil er sonst nicht genug Geld fürs Auto hat?“ „Der Staat soll doch aber vernünftige Rahmenbedingungen schaffen für eine stabile Wirtschaft, oder nicht?“ „Wir könnten es ja umgekehrt machen und diese ganze Bande verstaatlichen. Bahlsen, Metro, Bilfinger-Berger, BASF, ThyssenKrupp, Grillo, Deutsche Bahn, Hochtief, MaschmeyerRürup, HeidelbergCement, Salzgitter und dazu die ganzen Energiefritzen. Wer ständig nach dem Staat jammert, weil er im postindustriellen Zeitalter die Weiterentwicklung der Pferdekutschen verhindern will, der soll sich nicht wundern, wenn der ihm sein unfinanzierbares Wirtschaftsmodell irgendwann um die Ohren haut.“ „Fassen Sie das doch mal als Unterstützung für das Sparpaket auf. Schließlich ist Kernkraft eine der preiswertesten Energieformen.“ „Für die Erzeuger. Sie als Verbraucher zahlen wohl immer noch den Preis der Strombörse. Und da ist es egal, wo Ihre Elektrizität herkommt.“

„Was kritisieren Sie denn immer die Konzerne, die sorgen doch immerhin noch für Arbeitsplätze.“ „Das glauben Sie noch? Es sind Schmeißfliegen.“ „Fliegen?“ „Das Ungeziefer macht sich auf dem Dreck breit, den die Atomkonzerne mit ihrem lächerlichen Erpressungsversuch hinterlassen haben.“ „Weil sie im Interesse ihrer eigenen Profite handeln?“ „Weil sie das erstens als Streben nach Allgemeinwohl verkaufen und zweitens damit eine gesetzliche Regelung kippen wollen, die ihnen nicht in den Kram passt.“ „Das hört sich fast an, als hielten Sie diese Bundesregierung für erpressbar?“ „Würden sie es sonst versuchen? Es ist dasselbe Spiel wie mit der Bankenkrise: an einigen Stellen wird gepfuscht, der Schaden reißt Löcher, ehe man sich versieht, ist die Bescherung passiert – und während Sie und ich die Risiken tragen dürfen, streichen sich die Gewinne einige wenige Konzerne ein, die sich als Leistungsträger aufspielen. Es geht um kurzfristige Gewinne in den nächsten zehn Jahren. Mehr ist das nicht.“

„Ich frage mich nur, warum Merkel dieses Misstrauensvotum nicht stört.“ „Sollte es das?“ „Wenn sie sich damit abfindet, dass man sie an der Nase durch den Ring führt?“ „Ach was. Sie lässt sich erpressen, weil sie ja weiß, was sie dafür bekommt. Sie war informiert und hat den Kopf hingehalten. Dafür hat sie jetzt ein Problem weniger, dass sie ihren Arbeitslosen-Druckmacher nicht herunterfahren muss für die 300.000 Jobs, die außerplanmäßig für alternative Energieformen entstanden wären, und sie ist ihren Röttgen los. Quertreiber braucht sie schließlich nicht.“ „Wenn die Atomlobby jetzt doch aber mit der Kanzlerin zusammenarbeiten will, dann frage ich mich: tun sie es nicht doch für die Allgemeinheit?“ „Aha, deshalb auch die zahlreichen Appelle für eine Endlagerung in sicheren Salzstöcken, richtig?“

„Ach, wo wir gerade von den Schmeißfliegen reden – mir haben da einige gefehlt.“ „Nämlich?“ „Metzger. Und Henkel. Und Raffelhüschen. Und natürlich Sinn. Sind die noch weniger kompetent als Oliver Bierhoff?“ „Das auch. Aber merken Sie sich das, die Maden kommen immer erst später. Wenn die Fliegen satt sind.“