Morbus Sarrazin

29 01 2020

„Und Sie sind sich absolut sicher?“ „Fundamental orientierte Muslime.“ „Verstehe ich nicht.“ „Das ist jetzt nicht die Frage, Herr Kollege. Ich wüsste viel lieber, wie wir dieses Arschloch diagnostisch einordnen.“ „Haben Sie doch eben getan.“ „Wie jetzt?“ „Naja, als Arschloch.“

„Was sind denn bitte fundamental orientierte Muslime?“ „Die orientieren sich fundamental.“ „Gut, aber woran jetzt genau?“ „Er meint sicher, dass Islam für die nur fundamentalistisch denkbar ist.“ „Also als Wahnidee.“ „Dann müsste er für die doch Verständnis haben?“ „Fundamentales sogar.“ „Aber wenn sich Muslime fundamental an etwas orientieren, sind sie dann nicht Fundamentalisten?“ „Ja, kann man so sehen.“ „Das heißt, dass ein rechtsradikal orientierter Wirrkopf die fundamental orientierten Extremisten in der Partei entdeckt…“ „Dann frage ich mich, warum er nicht in der Partei bleibt.“ „Will er ja. Er hat nur Angst, dass sie ihn endlich rausschmeißen.“ „Und dann?“ „Müsste er in diese Partei gehen, die seiner politischen Gesinnung eher entspricht.“ „Das wird schwierig.“ „Stimmt, da sind ja nur fundamental orientierte Extremisten.“

„Ob man das als Angststörung erklären kann?“ „Also Sie meinen eine Störung, bei der man nur überlebt, wenn man anderen ständig Angst machen kann?“ „Möglich, es hat damals bei Erwerbslosen angefangen.“ „Und dann kamen irgendwann diese genetisch minderwertigen Kopftuchmädchen.“ „Ich würde eher auf eine schizoide Störung schließen.“ „Weil er sich die Angst nur einbildet?“ „Er braucht sie zumindest, weil sonst sein Weltbild nicht mehr funktioniert.“ „Das klingt auch logisch.“ „Es ist nur bemerkenswert, weil er offensichtlich selbst an das glaubt, was er da verkündet.“ „Manche brauchen eben keine Welt, um sie zu erklären.“ „Wenn er ein geschlossenes Weltbild aus Wahnvorstellungen verfolgt…“ „… könnte es sich auch um paranoide Schizophrenie handeln, meinen Sie?“ „Ich wollte zwar eher auf Fundamentalismus hinaus, aber die Übergänge sind ja fließend, Herr Kollege.“

„Mir fehlt hier allerdings die Konsistenz.“ „Sie meinen, es passt nicht zusammen?“ „Islamische Einflüsse sieht er wahrscheinlich, weil sich die SPD im Gegensatz zur Union befindet und noch nicht von islamophober Hetzpropaganda infiziert ist.“ „Das ist jetzt interessant. Die CDU verkörpert für ihn doch den bürgerlichen Rassismus, den er auch für die SPD haben will.“ „Aber insofern logisch, dass er noch in der SPD bleiben will, weil er sich damit gegen die bürgerliche Mehrheitsgesellschaft stellen kann.“ „Das rechtfertigt dann natürlich auch wieder so eine Opferfantasie.“ „Ich frage mich nur, wie das zu seinen Vorstellungen passt, dass das internationale Judentum Deutschland vernichten will.“ „Naja, wenn er verfolgt wird, dann sicher von allen zusammen, sonst lohnt es sich nicht.“ „Die übernehmen dann zusammen die Weltherrschaft, oder wie soll man sich das vorstellen?“ „Eher nicht. Sonst hätten sie sicher nicht eine Partei im Sinkflug ausgewählt, die solche verwirrten Deppen an Bord hat.“ „Er hat doch dementiert, dass die Partei ihn rausschmeißt?“ „Dement, Herr Kollege, das Wort ist: dement.“

„Wir haben es letztlich mit einem monokausalen Welterklärungsmuster zu tun.“ „Weil er für alles und jeden den Islam heran- und über ihn herzieht?“ „Das ist seine fixe Idee.“ „Ich sehe es eher als eine Zwangsstörung.“ „Aber dann höchstens eine, mit der er uns immer wieder zwanghaft stört.“ „Oder eine, bei der er uns seine Störung aufzwingt.“ „Jedenfalls neigt dieser Patient zu irrationalen Handlungen, obwohl er rational die Unsinnigkeit seiner Denkinhalte erkennt.“ „Erkennen müsste.“ „Müsste?“ „Ab einem gewissen Stadium können wir nicht mehr voraussetzen, dass er seine Störung noch als solche anerkennt.“ „Dann haben wir hier wohl eher mit einer überwertigen Idee zu tun, meinen Sie nicht auch?“ „Indem er gleichzeitig den anderen Minderwertigkeit unterstellt, zum Beispiel in Form eines geringeren IQ.“ „Mich würde daran nur interessieren, wie man auf so eine Idee kommt.“ „Durch einen geringeren IQ vielleicht?“ „Und diese überwertige Idee stellt er dann über seine Partei und sucht sich nicht eine, deren Programm komplett mit seinen Wahnvorstellungen korreliert.“ „Sie haben es erfasst.“

„Meinen Sie, das ist ansteckend?“ „Ich würde es nicht ausschließen. Die Annahme, die SPD sei von Linksextremisten gesteuert, hat er ja nicht zuerst in die Welt gesetzt.“ „Also jetzt wird’s kompliziert: eine linksextremistische jüdische Weltregierung installiert fundamentalistische Islamisten in der SPD, damit sie ihn rauswerfen können.“ „Und er selbst meint, er habe ja nur erkannt, dass die Partei von jüdisch gesteuerten Muslimen gesteuert wird.“ „Irgendwo dazwischen hat er vermutlich seine Richtung verloren.“ „Wenn er seine Medikamente regelmäßig genommen hätte, würde ich annehmen, er hat sie eben nicht regelmäßig genommen.“ „An dieser Stelle bitte keine Spekulation, Herr Kollege. Das würde eindeutig zu weit führen.“ „Oder in die ganz falsche Richtung.“ „Allerdings.“ „Das sehe ich in dieser Symptomatik auch.“ „Richtig, er ist dann doch eher falsch abgebogen.“ „Also nach rechts?“ „Fundamental desorientiert.“ „Folglich ein dummes Arschloch.“ „Herr Kollege, das klingt nach einer Diagnose.“





Starker Tobak

15 07 2019

„Aber weswegen denn jetzt genau?“ „Das lässt sich so genau gar nicht sagen. Er passt halt nicht mehr.“ „Sehe ich auch so.“ „Das geht doch nicht – mit der Begründung können Sie sich scheiden lassen, aber doch nicht Sarrazin aus der Partei werfen!“

„Der Mann hat ein geschlossen rechtes Weltbild.“ „Obwohl er nicht ganz dicht ist?“ „Ich würde sagen, immerhin hat er eins, in der Partei ist das ja inzwischen auch eher eine Seltenheit.“ „Jetzt kommen Sie mir nicht mit billigen Witzen, der Mann glaubt das, was er sagt.“ „Klar, sonst wäre er ja nicht in der SPD.“ „Lassen Sie mich das präzisieren: dieser Mann glaubt selbst an den ganzen gottverdammten Scheiß, den er da von sich gibt!“ „Lassen Sie mich das präzisieren: sonst wäre er ja nicht in der SPD.“ „Sehe ich auch so.“

„Aber diese Ausländerfeindlichkeit, das ist doch nicht mit unseren Grundsätzen zu vereinen.“ „Wenn es danach ginge, müsste die Partei eigentlich die Hälfte ihrer Mitglieder rauswerfen.“ „Sie meinen die obere Hälfte?“ „Die Führungsspitze würde mir schon genügen.“ „Sehe ich auch so.“ „Wir können es uns als Partei der sozialen Bewegung doch nicht erlauben, dass wir so einen Rassisten bei uns als Mitglied beherbergen!“ „Sogar Helmut Schmidt wollte nicht mehr Ausländer in Deutschland.“ „Aber der will ja gar keine mehr!“ „Das sehen Sie falsch, er möchte nur halt keine Kopftuchmädchen produzierenden Gemüsetürken.“ „Die sind aber wenigstens nicht arbeitslos, schaffen sogar noch sozialversicherungspflichtige Jobs…“ „Aber nur für Türken.“ „Und die laufen alle diesem türkischen Hassprediger hinterher.“ „… und waren früher mal treue SPD-Wähler.“ „Schlimm genug.“ „Und sie sind das Rückgrat des Einzelhandels.“ „Das kann doch wohl kein Argument sein!“ „Sind Ihnen denn Rumänen lieber, die ganze Hochhaussiedlungen verdrecken?“ „Das sind wenigstens Europäer.“ „Stimmt, die gehören zum christlichen Abendland.“ „Im weitesten Sinne, ja.“ „Und gegen die Chinesen hatte ja Helmut Schmidt im Prinzip auch nichts.“ „Wieso nicht? weil die so schön demokratisch regiert werden und ihre Dissidenten hier viele nette Restaurants aufmachen?“ „Naja, das muss man halt auch akzeptieren.“ „Ist halt eine ganz andere Kultur und so.“ „Andere Länder, andere Sitten.“ „Ist doch schön, so als Kontrast – immer nur Sauerkaut und Lederhose ist doch auch viel zu eintönig.“

„Das mit den 4,25 Euro haben Sie bestimmt auch schon vergessen.“ „Da hat er allerdings mal etwas richtig gemacht.“ „Sehe ich auch so.“ „Wie bitte!?“ „Man musste den Leuten doch irgendwie beibringen, dass wir Hartz IV überwinden wollten.“ „Dazu brauchten wir ein glaubwürdiges Gesicht.“ „Ich höre wohl nicht richtig?“ „Das war natürlich strategisch etwas kompliziert eingefädelt, aber irgendwie mussten wir das angehen.“ „Sie glauben bestimmt auch, dass wir seit Jahren vor den Wahlen so viel Müll erzählen, damit wir nicht zu viele Stimmen bekommen.“ „Genau.“ „Wenn man es von uns am wenigsten erwartet, dann wird die SPD zum großen Schlag ausholen, und dann werden wir dies Land gewaltig umkrempeln.“ „Sonst geht es Ihnen aber gut?“ „Natürlich ist das erst mal starker Tobak, dass man sich als Arbeitsloser von 4,25 Euro am Tag ernähren soll.“ „Aber das ist ja auch nur als vorübergehende Lösung gedacht.“ „Und wenn man dann nach ein paar Jahren Mangelernährung und totaler sozialer Isolation wieder ins Arbeitsleben einsteigt, ist man halt schon so geschädigt, dass man nicht lange durchhält.“ „Dafür hat man sich dann aber schon an die Mangelernährung gewöhnt.“ „Das ist also das Menschenbild der SPD.“ „Wer nicht arbeitet, soll halt auch nicht essen.“ „Hat schon Müntefering gesagt.“ „Also in der Hinsicht kann ich echt nicht sagen, dass wir das kritisieren müssten.“

„Das mit den Wohnungen…“ „Das hätte einem Senator von der FDP natürlich auch passieren können, dass er Landeseigentum verscherbelt, damit die Kasse wieder stimmt.“ „Fragt sich dann bloß, wessen Kasse.“ „Stimmt auch wieder.“ „Aber grundsätzlich ist er doch im Wirtschaftsmodell der SPD angekommen, und das ist nun mal neoliberal.“ „Das geht Ihnen so einfach über die Lippen?“ „Wir müssen uns doch alle Optionen offen halten für eine Koalition.“ „Dann wäre ich mal sehr gespannt, mit dem Sie noch koalieren wollen, wenn Sie Sarrazin als Türöffner in der Partei behalten.“ „Wenn er in die AfD eintritt, hat er doch für seine Bücher auch kein Alleinstellungsmerkmal mehr.“

„Ich verstehe jetzt nur nicht, warum wollen Sie ihn überhaupt loswerden?“ „Sie haben immer einen, der die Partei in den Schlagzeilen hält.“ „Und Sie müssen nie Sorge haben, dass er tatsächlich bei den Nazis Mitglied wird.“ „Also offizielles Mitglied, bis jetzt ist er ja noch…“ „Ja, ich habe verstanden! Sie müssen es nicht erklären, ich habe verstanden, weil ich den ganzen Mist schon mehrmals gehört habe, als die SPD ihn vor die Tür setzen wollte!“ „Und warum hat sie es nicht längst getan?“ „Weil sich die Partei an die Entscheidungen ihrer eigenen Mitglieder hält.“ „So wie bei der Große Koalition, oder verwechsle ich das wieder?“ „Da ging es aber eher um die Gremien.“ „Geht es hier auch.“ „Dann war das Urteil ja beide Male okay.“ „Aber jetzt ist mal Schluss mit diesem rassistischen Gelaber!“ „Meine Güte, jetzt lassen Sie den alten Mann doch – er hat doch selbst gesagt, der Niedergang der SPD wird nicht zu verhindern sein, und da…“ „Er hat was gesagt!?“ „Wir, die älteste Partei Deutschlands, sollen diesen Nestbeschmutzer in unseren Reihen dulden?“ „Dieser sabbernde Saftsack hat in der SPD nichts zu suchen!“ „Aber…“ „Sehe ich auch so.“ „Fegt das weg!“ „Das muss sich die Partei ja nun nicht bieten lassen.“ „Niederlagen, gut und schön, aber Defätismus? nur über unsere Leichen!“





Blech

28 07 2011

„Die PS-Zahl? Die ist richtig. Mehr schafft er nicht. Dreiunddreißig hätten wir gerne, aber das gibt er einfach nicht her. Er ist sonst ja einigermaßen gut, aber dreiunddreißig – das ist keine Frage der Einstellung. Das ist eine Frage der Leistung. Und da ist er nun mal, naja, einigermaßen schlecht konstruiert. Obwohl er ja auch seine guten Seiten hat, der Thilo Sport.

Ja, er ist ein wenig schwach auf der Brust. Keine 850 Kubikzentimeter, deshalb wird der Thilo ja auch gerne von Leuten gefahren, die nichts von Autos verstehen und eigentlich gar keins bräuchten. Er ist halt mehr so ein, wie sagt man, pragmatisch angeschaffter Gebrauchsgegenstand von Leuten, die auch mal mitreden wollen. Es ist halt nicht das klassische Herrenfahrerklientel, die stellen sich so ein Gelump nicht vors Haus, es sind die zu kurz Gekommenen. Die sagen sich dann: Hauptsache, Du hast ein Auto in der Garage, ob’s fährt, da schauen wir mal. Für einmal um den Block zum Zigarettenautomaten, da langt’s, aber andererseits frage ich Sie, braucht man da ein Auto?

Spurweite vorne ist 1.206 Millimeter, hinten sind’s 1.164. Konstruktionsbedingt, Sie sehen es ja. Vorne großspurig, und dann kneift er ihn hinten zusammen, der Thilo. Das macht angeblich etwas stromlinienförmiger, etwas beweglicher. Laut Unterlagen kommt er besser durch damit. Weil vorne der Motor sitzt und hinten der Kofferraum. Ist ja auch logisch, vorne reißen Sie die Klappe bis zum Anschlag auf – läuft öfter mal heiß, da die Maschine nicht besonders viel drauf hat, Sie kennen das ja – und hinten stellen Sie dann fest, dass da nicht viel Inhalt rein passt. Also falls Sie sich mit dem Ding mal so richtig in der Scheiße festfahren, immer erst wenden, vorne Klappe auf, warten, bis er überkocht, und den restlichen Schmadder abwischen. Wobei Sie mit dem Thilo Sport aus jeder Scheiße heil rauskommen. Das Ding hat ja kaum Tiefgang.

Aber vorsichtig, Radaufhängung vorne ist ein Querschläger. Noch so ein Konstruktionsfehler. Die anderen Modelle haben ab und zu mal einen mehr oder weniger deutlichen Rechtsdrall – zieht einfach so rüber, da müssen Sie gegensteuern, immer gut gegensteuern, sonst geht’s ab in den Graben. Mit etwas Übung kann man damit umgehen, und dann ist das natürlich auch nicht die einzige Modellreihe. Aber der Thilo ist absolut tückisch, der reißt einfach nach rechts aus. Eben noch in der Spur, kurz vom Gas runter, kuppeln, zack! haut die Kiste voll nach rechts ab. Das kostet Sie Kopf und Kragen, ehrlich!

600 Kilogramm, mehr ist nicht. Leichtgewicht. Dafür wendig. Spurtschnell, idealer Fluchtwagen, wenn Sie mal Probleme mit der Realität – kann mal vorkommen, die ganze Serie ist schon so komisch verbaut. Na, er ist eben ein Winzling. Immer in jede Lücke, hinten schräg, vorne haben wir an der Knautschzone auch schon gespart – Sie, das ist aber ungerecht! Der Thilo hat eine schiefe Schnauze, das stimmt, aber jetzt stellen Sie sich mal vor, Ihnen semmelt einer so richtig vorne rein. Sehen Sie? Das sagen alle, dass es nicht schade wäre darum.

Auf das Getriebe lassen wir nichts kommen. Beste Technik, vier Gänge. Ab dem zweiten alles synchronisiert, verstehen Sie – lahme Ente kann er von alleine, der Rest ist nachgemacht. Bodenprofil vom Goebbels Cabrio, der Thilo ist ja oben auch ohne, und die Schaltung mit Knüppel. Obwohl er ihn sonst den anderen überlässt. Scheibenwischer gibt’s nicht, den können Sie nur ohne Durchblick fahren. Bis zur Wand reicht’s ja meistens.

Ach so, die Federung wollte ich Ihnen noch zeigen. Sieht aus wie Eisen – deutsche Ware, alles vom Besten, so sieht das aus? Sieht das so aus? Das sieht so aus. Ist übrigens Gummi, falls Sie fragen. Vorne und hinten. Falls Sie mal einen Stoßdämpfer brauchen, da landen Sie überall weich. Bundesbahn, Bundesbank, egal. Führerisches, fahrerisches meine ich, fahrerisches Können nicht mehr notwendig!

Und die Karosserie, sehen Sie mal: Blech. Nur Blech, etwas anderes ist vom Thilo Modell S nicht zu erwarten. Reinstes Blech. Modell SS kriegen Sie gegen Aufpreis, der hat dann sogar Profilbleche. Aber ich wollte ja über die Karosserie reden, aus der Godesberger Serie noch. Selbsttragend. Da muss Eigenleistung nicht mehr erbracht werden. Dank des Hilfsrahmens – der lässt einen auch nach dem dritten Mal nicht mehr hängen. Und natürlich in richtigem Rot, nur echt in diesem rassischen, rassigen, wollte ich sagen, Rennrot. Sieht nur bei schlechter Beleuchtung braun aus, das täuscht. Da ist noch Rot dran.

Und dann: der Motor. Wenn Sie hohe Drehzahl wollen, und in dieser Baureihe brauchen Sie das unbedingt, dann bleibt Ihnen nur der Zweitakter. Vor, zurück, vor, zurück. Die anderen SPD-Modelle wankeln ja. Immer exzentrisch unterwegs, und am rechten Rand nicht ganz dicht. Na, dann lieber so ein Kleinzeugs, nicht wahr? Sage ich auch immer. Den Thilo Sport, wenn Sie so gar keine Ansprüche an Qualität und Inhalt haben, sondern einfach nur ein Trittbrett, um unter die Räder zu kommen, dann kann man den empfehlen. Wirklich! Und stellen Sie sich vor, wenn Sie den mit Benzin betanken aus Öl, das in islamischen Ländern gefördert wurde – der fängt sofort an zu stottern. Na, was sagen Sie jetzt?“





Irgendwie auffällig

26 07 2011

„Ob sich Ihr Sohn auf der Liste befindet? Liste? Welche Liste? Eine Liste für – hören Sie, gnädige Frau, diese Liste gibt’s ja gar nicht, die kann es nicht geben, weil es sie nicht geben darf, verstehen Sie, und außerdem habe ich wegen Datenschutz gar keine Sicherheitsfreigabe, um in die Liste zu…

Ganz recht, gnädige Frau, Datenschutz. Nur für die Presse machen wir ab und zu eine Ausnahme. Weil die Daten von denen, die gemeingefährlich oder irgendwann mal gemeingefährlich, das ist ja noch nicht raus, ob da wirklich eine Gefahr von denen ausgehen könnte, deshalb brauchen wir ja diese Liste jetzt schon. Damit man dann später sagen kann, dass man den Täter schon hätte kennen können. Wegen irgendwas. Das macht dann viele Dinge auch einfacher. Schuldzuweisungen an die Datenschützer beispielsweise. Oder die, die da jetzt der Ansicht sind, nur weil man da nichts wusste, hätte man nicht bei anderen irgendwas entdecken können. Darum auch diese Liste jetzt für Personen, die irgendwie auffällig sind.

Ja, irgendwie halt. Fragen Sie mich nicht, was jetzt ‚irgendwie‘ heißt. Oder ‚auffällig‘. Ihr Sohn ist zwei Meter groß? Das hat nichts zu sagen, gnädige Frau. Unsere Abteilung für Vererbungsforschung hält sich da raus. Der Datenaustausch funktioniert nämlich nicht immer. Wichtig wird es, wenn man feststellt, dass da mehrere einzeln nicht auffälligen Auffälligkeiten auffällig oft auffallen. Körpergröße zwei Meter, deutscher Staatsbürger, männlich – Ihr Sohn ist doch männlich? weiß man das heutzutage? – das ist ja einzeln so noch nicht schlimm. Aber wissen Sie, ob nicht in der Kombination irgendeine Gefahr lauern könnte, und sei es aus reinem Zufall? Ich meine, es ist rein theoretisch ja nicht auszuschließen, dass ein zwei Meter großer Mann irgendwie auffällig wird. Sogar als Deutscher!

Student, das heißt noch gar nichts. Gnädige Frau, dass Ihr Sohn studiert, ist zwar noch kein belastendes Indiz, aber man muss das natürlich in der gesamten Beweiskette berücksichtigen. Das ist jetzt vielleicht schon strafverschärfend, genau weiß ich das natürlich nicht, ob das für männliche Straftäter über zwei Meter schon automatisch gilt, wenn sie deutsch sind. Das ist doch die Schwierigkeit – als Deutscher war man nach der vorletzten Dienstanweisung automatisch auffällig, weil man als Deutscher in Deutschland ja irgendwie völlig unauffällig sei, und das sei ja auch irgendwie schon wieder irgendwie auffällig. Oder so.

Im Vertrauen, es geht ja auch manches bei uns ganz schön schief. Allein diese Nachforschung nach kruden Gedanken – der Abteilungsleiter im BKA wusste gar nicht, was ‚krude‘ ist. Er meinte, er sei ein weltoffener und toleranter Mensch, und was man denen im Dritten Reich angetan hätte, das sei auch wirklich nicht mehr schön gewesen, aber wenn seine Tochter mit so einem ankäme, dem würde er, und zwar mit der Dienstwaffe.

Im Tischtennisverein? Studentengemeinde? Das könnte natürlich auch schwierig werden, Verstehen Sie mich nicht falsch, gnädige Frau, aber ich habe so den Eindruck, Ihr Sohn sucht Anschluss? Früher war er im Fanfarenzug? Das könnte jetzt irgendwie schon auffällig sein, dass er sich einfach so in die Gesellschaft begibt, wo da doch die Gefahren lauern. Stellen Sie sich mal vor, Sie lernen da Menschen kennen, die Sie noch gar nicht kennen – das ist doch irgendwie auffällig, oder?

Ganz falsch, ganz falsch. Wenn er jetzt den Kontakt zu den Vereinskameraden abbricht und sich auf sein Studium konzentriert, wird es früher oder später auch irgendwie auffällig sein. Einzeltäter, Sie wissen schon. Wenn man alles alleine tut, wird man nämlich zum Einzeltäter. Und das wollen wir doch nicht, gnädige Frau. Zumal der Ermittlungsansatz auch nicht so gut zu handhaben ist. Als Einzeltäter werden Sie zwar irgendwie auffällig oft in die Liste aufgenommen, aber es bringt ja gar nichts. Wir untersuchen nämlich vor allem die Kommunikation, und wenn Ihr Sohn mit niemandem kommuniziert, weil er ja eben ein auffälliger Einzeltäter ist, dann ist er für uns als Täter quasi irgendwie nicht gut brauchbar. Obwohl ihn das irgendwie auch schon irgendwie auffällig macht. Weshalb er dann ja auch in der Liste stehen würde, wenn er auf der Liste ist.

Wobei, etwas schwierig ist das mit der Studentengemeinde schon. Der von der Polizeigewerkschaft meinte, man müsse gleich jeden aus dem Verkehr ziehen, der eine Weltanschauung habe. Gesunde Menschen haben keine Weltanschauung, hat er gemeint, die sind geimpft und fertig! Und wenn jemand schon eine Ideologie hätte und ein Weltbild, das die anderen Weltanschauungen definitionsgemäß als falsch bezeichne, dann soll man dem so richtig eins in die – fand das erzbischöfliche Ordinariat auch nicht gut, und hätten Sie gewusst, wie schnell man exkommuniziert werden kann?

Ich kann Ihnen jetzt wirklich nicht sagen, ob Ihr Sohn da schon drinsteht, gnädige Frau. Das ist ja auch deshalb, weil wir diese Liste im Augenblick noch gar nicht brauchen können. Die wird erst aktiviert, verstehen Sie? Für später, nicht wahr, wie eine Videokamera: die kann zwar auch nichts verhindern, Straftaten sowieso nicht, auch keine Verbrecher fangen, aber man kann hinterher so tun, als wäre es für die Fahndung unverzichtbar. Wir brauchen diese Liste, wenn wirklich etwas passiert ist. Mord, Totschlag, Bombenattentate. Wenn wir dann sagen, wir hätten es ja längst wissen können, dann haben wir unser Ziel erreicht. Dann kommt die nächste Stufe. Kein Fernmeldegeheimnis mehr, kein Briefgeheimnis, und immer so weiter, weil es ja vorher noch nichts bringt. In jedem Keller ein Polizist, in jedem Raum ein Mikrofon. Weil wir ja alle irgendwie auffällig sind, gnädige Frau. Mehr oder weniger. Oder irgendwie auffällig werden könnten. Und wissen Sie was, gnädige Frau? Der Herr Innenminister und der Herr Sarrazin, der Uhl, der Wendt und der Ziercke, alle stehen sie auf der Liste – bei der Nachbarschaft, meinen Sie nicht, dass aus Ihrem Sohn noch mal was wird?“





Fachverband für Persönlichkeitsspaltung

26 04 2011

„Mehr Multikulti wagen!“ „Ja, geht okay.“ „Und diese ganzen Drecksasylanten raus!“ „Alles klar.“ „Und dieses ganze Hartz-Pack, das sollte man ins Arbeitslager stecken!“ „Einverstanden.“ „Und dann ein Sanktionsmoratorium, und bedingungsloses Grundeinkommen, Reichensteuer und keine Kohle mehr für Spekulanten!“ „Ja, ja, ja. Können wir alles machen. Kein Problem. Sie kriegen alles, was Sie wollen. In der SPD gibt es Platz für jede Meinung.“

„Und außerdem muss Lafontaine wieder…“ „Moment, das geht nun echt zu weit! Sie können von den Sozialdemokraten alles erwarten, die komplette Konturlosigkeit und den Ausverkauf aller Grundüberzeugungen. Notfalls auch den Verlust der Glaubwürdigkeit bis zum Ende aller Zeiten. Aber lassen Sie Lafontaine aus dem Spiel.“ „Wieso? Was ist denn mit dem? Der hat doch bis jetzt immer Recht gehabt – mit der Sozialgesetzgebung, mit der inneren Sicherheit, mit den Finanzen, mit der Zinspolitik…“ „Eben. Und Rechthaber können wir in der Partei überhaupt nicht ausstehen, damit das mal klar ist.“ „Also erlauben Sie mal – Lafontaine ist doch ein Populist, genau wie Sarrazin.“ „Um so schlimmer.“ „Und er hat immer alles hingeworfen, wenn der Applaus nicht laut genug war.“ „Hmja. Doch.“ „Und wenn Sie sich anschauen, was er jetzt macht, dann hat er auch nicht viel dazugelernt.“ „Ja, ja, ja. Mag ja durchaus alles richtig sein. Aber das qualifiziert ihn noch lange nicht, wieder als Vorbild in die SPD zurückzukommen. Da muss er schon andere Sachen vorweisen.“ „Beispielweise 40 Jahre Verbundenheit mit den Sozialdemokraten?“ „Zum Beispiel, ja. Das kann man doch nicht ignorieren?“

„Warum hat man denn nun den Sarrazin erst mit Parteiausschluss bedroht?“ „Weil er Sachen von sich gegeben hat, die in einer demokratischen Partei nichts zu suchen haben.“ „Und warum hat man ihn dann doch nicht aus der Partei rausgeworfen?“ „Weil er es möglicherweise doch nicht so gemeint haben könnte. Man kann doch nicht in den Mann reingucken, Herrgott noch mal!“ „Aber er hat doch erst vor zwei Wochen gesagt, dass er nichts von dem zurücknimmt, was er da geschrieben hat.“ „Sehen Sie, das ist Prinzipientreue. Eine gute, alte sozialdemokratische Tradition. Warum also sollten wir so einen Mann rauswerfen? Der hat doch sogar Vorbildcharakter für uns?“

„Dann war das am Ende doch wieder nur Taktik. Was wollen Sie denn damit erreichen?“ „Möglichst viele Kräfte an uns binden, verstehen Sie?“ „Verstehe ich nicht.“ „Also möglichst viele Kräfte in der Mitte, und rechts der Mitte, und rechts von rechts von der Mitte, und rechts von rechts von…“ „Aha, die SPD wird jetzt das neue Gegengewicht zur Linkspartei.“ „Da ist jede Menge Potenzial, da ist etwas abzugreifen.“ „Wählerstimmen?“ „Kann sein. Aber vor allem wäre für die Springer-Presse so eine Rechte attraktiv, und dann könnte man auch mit ganz hübschen Parteispenden rechnen.“ „Wäre es da nicht anständiger, den Wählern zu sagen, dass sie es mit einer potenziell rechtsradikalen Partei zu tun haben?“ „Wir machen das doch aus nationalem Interesse. Stellen Sie sich mal vor, die linken gingen zu den Linken, die grünen zu den Grünen, die Seeheimer zur CDU – obwohl: nein, die ist denen inzwischen vermutlich viel zu sozenhaft.“

„Aber jetzt mal ernsthaft, die SPD ist gerade dabei, den politischen Kern der Partei über Bord zu schmeißen.“ „Ja.“ „Das sagen Sie so ganz einfach? Ohne den Ausdruck des Bedauerns?“ „Das muss man eben hinnehmen. Und sehen Sie auch das Positive in dieser Entwicklung: wenn wir uns solcher Zwänge entledigen, dann haben wir auch wieder genug Platz für abweichende Meinungen, beispielsweise für Sarrazin.“ „Man könnte eher den Eindruck gewinnen, die SPD sei inzwischen dabei, ein Fachverband für Persönlichkeitsspaltung zu werden.“ „Von wem sprechen Sie denn? Von Sigmar Gabriel? Der hat doch keine Persönlichkeit, was wollen Sie da groß spalten?“

„Der Markenkern der SPD war irgendwann mal, das Gesicht einer sozialen Verantwortung zu sein.“ „Nicht nur sozial – sozialistisch, junger Freund. Das ist ein gewaltiger Unterschied!“ „Und das hieß vor dem Hintergrund der politischen Geschichte, dass man den Menschen in den Mittelpunkt stellt…“ „Na, das ist doch auch nach Schröder der Fall.“ „Fragt sich nur, wer noch in den Mittelpunkt gestellt wird, weil er als Mensch gilt. Jedenfalls hieß Sozialismus bei Ihnen mal, dass man den Menschen nicht für das verantwortlich macht, was die kapitalistische Gesellschaft mit ihm macht.“ „Richtig, das bleibt auch so. Wir machen Sarrazin ja auch nicht dafür verantwortlich, dass er so ein regrediertes Arschloch ist.“

„Warum macht denn die SPD diesen ganzen Zirkus?“ „Um sich nicht zu bewegen.“ „Weil sie sich nicht bewegen kann?“ „Nein, weil sie sich sonst bewegen müsste. Was meinen Sie, was das für eine Unruhe in der Partei erzeugen würde! Das mit Scholz in Hamburg, das haben wir ja gerade eben noch verkraftet. Aber stellen Sie sich mal vor, jetzt Neuwahlen, die Grünen sacken plötzlich wieder ab, weil sie in Stuttgart den Bahnhof eigentlich nie so richtig haben verhindern wollen, und Koch kriegt Merkels Stasi-Akte in die Finger, dann ist aber zappenduster. Dann müssen wir den Kanzler stellen, schlimmer: dann müssen wir regieren. Das werden Sie doch wohl nicht wollen?“ „Und deshalb macht die SPD jetzt Oppositionspolitik für die ganze Republik?“ „Für ganz Deutschland. Unsere Aufgabe ist eine nationale.“ „Und Sozialismus?“ „Den kriegen wir da auch noch rein.“ „Na, dann passt’s ja wieder.“





Deutschland schafft sich ab

15 02 2011

„Wenn wir jetzt beispielweise mal annehmen, die Deutschen würden jedes Jahr um fünf Prozent weniger, dann wären wir doch 2031 durch mit der Sache.“ „Bitte was?“ „Von uns wären in zwanzig Jahren eben keine mehr über. Rechnen Sie doch mal nach, zwanzig mal fünf macht was?“ „Wie? Was wollen Sie mir eigentlich die ganze Zeit erzählen? Hat man Ihnen etwas ins Trinkwasser gekippt?“ „Zwanzig mal fünf sind null. Weg. Abgeschafft!“ „Mann Gottes, wo haben denn Sie jetzt Rechnen gelernt?“ „Bei Sarrazin natürlich.“

„Zeigen Sie mal – heiliger Strohsack, was wird denn das?“ „Statistik. Ich berechne demografische Faktoren der deutschen Bevölkerung.“ „Und worauf stützen sich Ihre Statistiken?“ „Auf die allgemein als richtig empfundenen Zahlen.“ „Na, dann zeigen Sie mal her.“ „Hier haben wir etwa eine Aufstellung der Geburten.“ „Schön. Was sehen Sie daraus?“ „Wir haben hier eine Quote von muslimischen Einwanderern, die momentan genau – können Sie mir folgen?“ „Ja, durchaus.“ „Also wie gesagt, in vier Generationen haben wir dann siebzig Prozent Muslime in Deutschland. Und das bedeutet, dass wir Deutschland abschaffen.“ „Sind Sie noch ganz dicht? Wer hat Ihnen denn diesen Blödsinn verkauft?“ „Das ist doch erst der Anfang! Schauen Sie sich mal meine Interpolationen an, da werden Sie Augen machen. Also haben wir, wenn wir die erste Generation als bereits vorhanden voraussetzen dürfen, hier einen Zeitraum von sechzig bis maximal fünfundsechzig Jahren – Sie müssen berücksichtigen, dass diese Völker schon vor der Pubertät mit der Fortpflanzung beginnen – und sehen nach der Hälfte der Zeit, dass wir genau fünfunddreißig Prozent Muslime in Deutschland haben. Das ist fast die Hälfte!“ „Erstens ist das nur ein bisschen mehr als ein Drittel, und zweitens wüsste ich dann gerne, woher Sie diese Werte nehmen.“ „Unterbrechen Sie mich jetzt nicht. Das sind also 28,7 Millionen Muslime, die hier nach der Hälfte der Zeit leben. Wenn wir berücksichtigen, dass der Moslem im Schnitt teilweise bis zu drei Kinder bekommt, dann wären das gut 43 Millionen Nachkommen in einer Generation! Mit den Eltern zusammen wären das…“ „Das ist doch Unsinn im Quadrat, Mensch!“ „… bis zu 71,8 Millionen! Die sind dabei, Deutschland zu übernehmen! Sehen Sie sich das doch an, die Zahlen lügen nicht!“ „Eher wohl Sie, rechnen Sie Ihren Bockmist doch mal zu Ende!“ „Wir werden am Ende dieses Jahrhunderts einen Anteil von…“ „Jetzt gucken Sie sich doch mal diese Kurven an, das ist doch Quatsch! Alle ihre Muslime, die Sie da so säuberlich aufgetragen haben, bleiben in der Summe enthalten?“ „Ja, das mit der Auswanderung wollte ich nicht auch noch einrechnen. Das hätte es unnötig verkompliziert.“ „Aber nach Ihrer Berechnung bleiben sämtliche Menschen hier erhalten und bekommen eine Generation später mindestens drei Kinder?“ „Ja, das muss man doch mal in der Öffentlichkeit auch so aussprechen…“ „Sie Döskopp, Sie tragen hier eine Summenformel ein? Da kommt nichts weg? Sind denn diese Leute unsterblich?“ „Ich wollte diese Berechnung nicht unnötig…“ „Nach Ihrer Formel wären wir am Ende des nächsten Jahrhunderts bei 273 Milliarden Muslimen in Deutschland!“ „Da können Sie mal sehen, was dann in Neukölln los wäre. Das kann man doch so nicht auf sich beruhen lassen!“

„Was haben Sie da eigentlich für eine idiotische Kurve aufgezeichnet? Auf welchen Werten beruht das denn?“ „Die statistischen Jahrbücher der BRD, das sollte doch amtlich genug sein.“ „Aber das reicht doch gar nicht aus, um eine richtige Prognose zu stellen. Woher nehmen Sie Ihre Ausgangswerte? Das stimmt doch hinten und vorne nicht, Sie brauchen dafür mindestens so viel Zeit wie die Periode Ihrer Vorhersage.“ „Das sind doch sechzig, fünfundsechzig Jahre seit der Staatsgründung?“ „Aber da lebten doch noch kaum Gastarbeiter hier. Das ist doch verzerrt.“ „Sehen Sie mal, alles noch viel schlimmer!“ „Und wenn Sie die Geburten berechnen, das ist doch alles gar nicht sattelfest: die, die in siebzig Jahren siebzig sind, die sind doch heute schon geboren und lassen sich gar nicht mehr durch die Berechnung kommender Generationen erklären.“ „Ein Grund mehr, dass wir eingreifen und diese bildungsfernen Schichten…“ „Ich dachte, es ginge um Muslime?“ „Das ist doch dasselbe.“

„Jetzt sehen Sie sich den Kram doch noch mal an: wenn Ihnen 1949 einer gesagt hätte, dass wir in ein paar Jahrzehnten um ein Viertel mehr Menschen haben, das hätten Sie auch nicht geglaubt.“ „Das sind schließlich Deutsche.“ „Aber wenn Sie 1949 Ihre Statistik mit Rückschlüssen von 1871 hätten aufbauen sollen? Oder etwa 1914 mit Material seit 1848?“ „Also einen Krieg konnte man wirklich nicht vorhersehen.“ „Aber die Wiedervereinigung und den Fachkräftemangel und die Finanzkrise?“ „Das ist etwas anderes, das hatte schließlich keine Auswirkungen auf die Bevölkerung.“ „Aber die Leute können sich doch keine Kinder mehr leisten, das schlägt sich schließlich im demografischen Wandel nieder.“ „Weiß ich doch, und deshalb habe ich auch diese Berechnung hier gemacht. Wir nehmen konstant um fünf Prozent ab, die Ausländer wandern wieder ab, die Geburtenzahl sinkt – alles in allem sind wir 2025 damit durch.“ „Aber da schneidet die Kurve die x-Achse?“ „Wir sind dann bei minus sieben Millionen Deutschen.“ „Minus?“ „Genau, das heißt dann im Klartext: nicht nur die Deutschen sind weg, auch die Arbeitslosen. Dann wird alles gut – kein Hartz IV mehr, dann haben wir endlich Geld für eine Steuersenkung!“





Gernulf Olzheimer kommentiert (XCII): Pseudotabubrecher

11 02 2011
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Im Lande der Pyramiden, in einer der ersten Hochkulturen, waren wenigstens zwei Dinge gewiss: der König sorgte alljährlich für das nötige Nilhochwasser, und wer unvorsichtigerweise dessen Namen ausposaunte, der fand sich wieder in einer dauerhaft stabilen Stellung im Fundament eines seiner Grabmale. Die Nuhr’sche Regel, im Zweifel golden zu schweigen, statt erratische Wortspenden über die anwesenden Bekloppten zu kippen, zeitigte hier einen ihrer frühen Höhepunkte, und eine ganze Gesellschaft konnte sich darauf verlassen, dass der zivilisatorische Konsens griff, gewisse Maximen der Kommunikation einzuhalten, bevor es Teile regnet. Leider kamen irgendwann Hyksos, Römer und der Rest der Mischpoke, Ägypten ist versandet bis verwüstet, nicht einmal die Tabubrecher sind noch da. Nur ihre nichtsnutzigen Nachfahren.

Was heute öffentlich den guten Sitten in der Nase herumpopelt, ist im demokratischen Staat eine zu vernachlässigende Dünnlufthupe. Die scheinbar aufmüpfigen Hinterbeinbenutzer haben statt der Wirbelsäule nur einen Stock im Arsch, um nicht als Kriecher entlarvt zu werden – billiges Gesindel, das mit Platitüdenbingo die oberen beiden Drittel der Intelligenzpyramide nervt, sich selbst mit Hilfe boulevardesker Wortkotze über die Rampe kleckern lässt und seine Versagerexistenz als Held ohne Geschäftsbereich zum gesellschaftlich relevanten Flatus stilisiert. Das bölkt nichts als Hirnschrott, biedert sich am Speichelfluss des Gesindels an und diffamiert, was moralisch weit oberhalb ist. Es sind Pseudotabubrecher, Karnevalsprinzen eskalierender Schnellverdeppung, deren verbale Inkontinenz selten die Niveauschwelle zum Stammtisch überschreitet, diffamierendes Geschwall, das das Werkzeug des Rassismus aus der Schublade holt, bevor Hirnwuchs es überflüssig machen kann.

Natürlich deklariert der Grölfatz seinen Auswurf als größten, anzunehmende Wahrheit, darunter tun sie’s nicht mehr. Türken stinken, Schwule gehören kastriert, Arbeitslose sind selbst schuld und unter Adolf war auch nicht alles schlecht – so sicher nie gesagt, aber sinngemäß nicht verkehrt. Und das wird man ja wohl noch sagen dürfen! Und das spricht man aus! Und das muss doch endlich mal kann doch nicht wahr sein! Wobei es bei der müden Andeutung bleibt, letzthinnig Wahres abzusondern fehlt ihnen doch der Mut. Schließlich sind sie willfähriges Vorbild hündischer Kleinstgeister, devot bis schmarotzerisch.

Man müsste es inhaltlich auch nicht weiter beachten, da es an Realsatire entlangscheppert, wie die Radaubrüder das kleine Einmaleins und andere Selbstverständlichkeiten als Postulat in den Äther johlen, wie sie weltfremdes Gedöns plappern und längst abgeschnittene Zöpfe wieder zum Wachsen bringen wollen. Sie versprechen den 24-Stunden-Tag und fordern dafür einen Sonntag pro Woche. Und sie bilden sich ein, ihr verkokstes Gestammel sei der Trigger für die Wirklichkeit.

Ideologisch klebt der Schmadder am rechten Rand, wie sich das Wagnis in Watte ja auch ausschließlich im Schutze staatlicher Gewalt aus der Luke lehnt: was da sein bissel Betroffenheit in die desinteressierte Außenwelt kräht, provoziert nur gegen politische Korrektheit und Gutmenschentum, die Klischees einer verschwiemelten Denkfaulheit, die jede noch so eitle Zuckung zur zielgerichteten Handlung aufbläht. Präpubertäres Geplärr gibt sich den Anschein, den Sanktionsmaßnahmen gegen ein mit Fettfingerabdrücken geschändetes Mana gewachsen, ja überlegen zu sein – die mannhafte Revolte findet in Kauerstellung statt, denn ohne den krummen Buckel nach oben funktioniert es nicht. Die Kollateralmaden, die sich in Primatenpostillen und Senilensendern über ihr oligophrenes Bild von Staat ausmehren zu müssen meinen, heften sich allen Ernstes Meinungsfreiheit ans Samtjäckchen – Freiheit von vernünftiger Meinung, die ein strafbewehrtes Verbot von Flatrategeseier heraufbeschwört, als sei der beim Passieren der Blut-Hirn-Schranke vergorene Müll der Freiheit verpflichtet und nicht der histrionischen Persönlichkeitsstörung irgendeiner neoliberalen Vollbrezel, die ihren Nachtfrost im Stammhirn mit Zivilcourage verwechselt.

Die Tragweite dieser Sozialausfräsung in Form einer Pennälermutprobe lässt sich nur erahnen, wenn man berücksichtigt, in welchem Kontext das geäußert wird. Hier sprechen Unterbelichtete zu Unterprivilegierten, hier lauert die Gefahr, denn wer ungestraft jeden Brechbrei in die Menge speien kann, dem nimmt man auch die wirklich perfiden Lügen ab, die die Gesellschaft spalten, der braune Dreckrand, auf den sich Diktaturen aufmauern lassen. Es braucht eine Horde Geschmeiß, um eine Gemeinschaft zu unterwandern, und sie tun ihr Bestens dazu. Aber sei es Profilneurose oder, letztlich nur der Auslöser, Geldgier, in Wahrheit sind diese Goebbeloiden nichts als Jammerlappen, elende Würstchen, denen man aus Restmitleid nichts weniger wünscht als die Erfüllung ihrer Träume nach Tyrannei. Denn wer hätte schon Lust, die Überreste dieser Memmen zusammenzukehren.





Staatsbürger Kunde

4 11 2010

„Also entschuldigen Sie mal, Sie können mich doch hier nicht wie einen Verbrecher – ich verbitte mir das! Sie nehmen hier meine Fingerabdrücke und…“ „Das ist alles Routine, wissen Sie, das machen wir grundsätzlich. Auch die Fotos. Wenn Sie übrigens Abzüge haben wollen, die sind preiswert. Können Sie dann unten an der Kasse nachbestellen. Bis einschließlich 2013. So lange bewahren wir die für Sie auf. Dann ist die nächste Staatsbürgerprüfung, und dann machen wir selbstverständlich auch neue Fotos von Ihnen, nicht wahr?“

„Hören Sie mal, was soll das denn werden hier? Sie lassen mich von zwei Polizisten abholen!“ „Wir mussten sicherstellen, dass Sie der Aufforderung zum Erscheinen auf der Prüfdienststelle auch Folge leisten.“ „Sie hätten mich doch ganz einfach nach meinem Ausweis fragen können. Ich hätte Ihnen auch gerne meine Geburtsurkunde geben können. Oder das Stammbuch. Oder die Familienpapiere, wissen Sie, wir sind doch seit fast sechshundert Jahren…“ „Das interessiert doch keinen, Mann – das ist völlig egal! Staatsbürgerschaft wird heute ganz anders gehandhabt. Wenn Sie sich zur deutschen Leitkultur bekennen, dann sind Sie ein richtiger Deutscher.“ „Sie hören mir ja gar nicht zu – hier, schauen Sie sich doch meinen Pass an! Ich bin Deutscher, da sehen Sie’s doch!“ „Wie gesagt, das interessiert heute nicht mehr. Da kann viel drinstehen, Geburtsort Alma-Ata oder wohnhaft in Gabun, das ist alles nicht mehr wichtig.“ „Das mag sein, ich bin ja auch für die Integration, aber…“ „Sehen Sie? Wir nämlich nicht.“

„Es ist eine Frechheit! Ich bin 58 Jahre alt, ich bin hier geboren und aufgewachsen, ich bin der stellvertretende Bauamtsleiter! Das ist doch alles nicht mehr normal!“ „Jetzt regen Sie sich mal ab.“ „Ich will mich aber nicht abregen!“ „Das ist mir klar, es wird nur nichts an der Gesamtsituation ändern. Kommen wir mal zur ersten Frage: ‚In Deutschland dürfen Menschen offen etwas gegen die Regierung sagen, weil hier Religionsfreiheit gilt – weil die Menschen Steuern zahlen – weil die Menschen das Wahlrecht haben – weil hier Meinungsfreiheit gilt.‘“ „Antwort vier.“ „Das halten Sie für komisch, was?“ „Komisch? Was soll daran komisch sein? Religionsfreiheit haben wir nicht, solange dieser versoffene Schnappatmer aus Bayern seine Deportationsfantasien auf dem CSU-Parteitag ausspucken darf. Wer in diesem Land überhaupt noch Steuern zahlt, wird sich hüten, etwas gegen die Regierung zu sagen. Das Wahlrecht ist noch keine Entschuldigung, die Regierung hat sich noch nie darum gekümmert, ob ihre Wähler etwas gegen sie hat. Und die Meinungsfreiheit, na gut, die kann man wohl gelten lassen.“ „Leider keinen Punkt. Sie sollten wissen, dass die freie Meinungsäußerung nur noch gilt, wenn Sie wirre Vorstellungen von Populationsgenetik haben und der Nachtfrost öfter mal Gebrauchsspuren in der Rübe hinterlassen hat. Wenn Sie eine Regierung kritisieren wollen, suchen Sie sich eine. Diese hier steht nicht zu Ihrer Verfügung, kapiert!?“ „Ich werde Ihnen… ich… das ist doch die Höhe!“

„Dann kommen wir mal zum landeskundlichen Teil. Können Sie mir die Nebenflüsse der Donau nennen?“ „Die was?“ „Ja, ich bitte Sie – sind Sie denn nicht wohnhaft in Ingolstadt?“ „Aber was hat das denn damit zu tun?“ „Dann müssen Sie sich auch landeskundlich in der Region auskennen. Also, welche Nebenflüsse hat denn die Donau? Na?“ „Ich verbitte mir entschieden diesen Ton!“ „Iller…“ „Was?“ „Iller… Lech…“ „Was wollen Sie von mir?“ „Isar? Na? Und?“ „Was wollen Sie denn überhaupt von mir?“ „Tut mir Leid, mehr darf ich Ihnen nun wirklich nicht helfen. ‚Iller, Lech, Isar, Inn fließen rechts zur Donau hin, Altmühl, Naab und Regen kommen ihr entgegen‘ – das wäre die korrekte Antwort gewesen. Das war also auch nichts. Null Punkte. Schade.“

„Was muss ich mich hier überhaupt von Ihnen examinieren lassen? Ist Ihnen eigentlich klar, dass ich deutscher Staatsbürger bin? Kein Asylant? Kein Gastarbeiter, Moslem, Jude oder sonst was?“ „Ich bitte Sie – Sie sind Kunde! Hat man Ihnen nicht dieses hübsche Faltblatt ausgehändigt?“ „Diesen Wisch? Dass ich mich hier als Kunde vorzustellen habe? Allerdings!“ „Dann stellen Sie sich gefälligst vor, dass Sie Kunde sind. Bei den Arbeitslosen geht es doch auch.“ „Die werden von Ihnen aber auch nicht gerade anständig behandelt.“ „Das wollen wir auch gar nicht erst einreißen lassen – Hauptsache, wir können sie als Kunden bezeichnen, dann haben wir unsere Pflicht getan. Sie sind bei uns Kunde. Staatsbürger Kunde.“ „Und Sie lassen mich hier Staatsbürgerkunde lernen, was?“ „Keinesfalls, wir machen Sie nur mit dem neuen Staatsbürgerrecht vertraut. Wenn Sie sich nicht integrieren, fliegen Sie raus.“ „Aber ich bin Deutscher, verdammt noch mal!“ „Zu diesem Land gehören Christentum, Judentum und Islam. Von Ingolstadt hatten Herr Bundespräsident in seiner Rede gar nichts gesagt.“ „Ich kann mich doch wohl schlecht hier um meine eigene Staatsbürgerschaft bewerben!“ „So, können Sie nicht? Wollen Sie nicht? Was bilden Sie sich eigentlich ein? Überall in dieser schwer arbeitenden Nation bewerben sich regelmäßig Fachkräfte auf ihre eigenen Arbeitsplätze, statt sich mit lähmenden Fesseln wie dem Kündigungsschutz abzufinden. Da werden Sie doch mal aktiv sein können, wenn das Boot langsam voll wird, was?“ „Aber ich bin Deutscher, verflucht noch mal! Ich habe einen…“ „Ja, jetzt lassen Sie mich mit Ihrem Pass in Ruhe, Sie sind eben auf Grund der Antidiskriminierung nicht mehr Wert als ein Kümmeltürke. Tut mir Leid, ist aber so. Ich kann’s nicht ändern.“ „Das ist doch eine bodenlose Frechheit! Ich lasse mich doch von diesem… das ist ja… Ich lasse mich doch von Ihnen nicht ausbürgern! – Was sind denn das da für Fragen? ‚Welches Recht gehört zu den Grundrechten, die nach der deutschen Verfassung garantiert werden?‘ ‚Welches Amt gehört in Deutschland zur Gemeindeverwaltung?‘ ‚Was bedeutet soziale Marktwirtschaft?‘ Haben Sie noch alle Tassen im Schrank?“ „Was haben Sie daran auszusetzen? Sind die Fragen zu kompliziert?“ „Wenn Sie sich auf die Art ein paar Einwanderer heranzüchten wollen, die auswendig lernen können – gut, aber fragen Sie die Leute auf der Straße, die werden die Antworten nicht wissen.“ „Das mag sein.“ „Wollen Sie etwa Super-Ausländer, die Ihnen die Antworten herbeten, und depperte Deutsche, die durch die Prüfung fallen?“ „Nein, wir sorgen nur für Chancengleichheit. Bewerben Sie sich für einen Platz in Deutschland – ob stammverwandt, ob Asylant, Sie haben alle drei Jahre die Gelegenheit, Ihre Befähigung zum deutschen Staatsbürger testen zu lassen. Wir wollen nur die besten Kräfte in diesem Land, deshalb können wir auch leider keine Rücksicht mehr auf die Bewerber nehmen.“ „Ich will auf der Stelle Ihren Vorgesetzten sprechen! Holen Sie mir auf der Stelle den Dienststellenleiter! Ich werde mich beschweren! Ich werde Sie verklagen! Ich werde…“ „Na also – es geht doch! Volle Punktzahl! Das ist ja schon ein mustergültiges Verständnis der Landessitten, wie man es nicht schöner als Leitkultur bezeichnen könnte. Herzlich willkommen in der Bundesrepublik!“





Du bist nicht Deutschland

22 09 2010

„Nein, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Das sagen Sie jetzt so, weil bei Ihnen immer noch dieses 68-er Multikulti-Gewirr im Hirn umherspukt, aber das wissen Sie doch, dass das alles nicht gut gehen kann. Das ist ja alles…“ „Jetzt regen Sie sich doch nicht so auf, wozu führt denn das? Natürlich muss man einiges verlangen für die Integration, und natürlich ist das eine Bringschuld. Gebe ich Ihnen ja alles zu. Aber man darf das doch nicht derart mit Pessimismus überziehen – jetzt seien Sie doch mal ein bisschen zuversichtlich! Ein Mensch ist doch wie der andere, steht auch so im Grundgesetz, und wir sollten uns bemühen, die Gemeinsamkeiten zur Grundlage unseres Handelns zu machen. Jeder ist zur Integration fähig!“ „Jeder? Nein, ich lasse mir das nicht einreden. Die Bayern ganz sicher nicht!“

„Lassen Sie doch mal die Kirche im Dorf – es gibt doch wohl Schlimmeres als Bayern.“ „Das sagen Sie! Ernsthaft, diese ethnische Minderheit will sich einfach nicht integrieren, die sind nicht dazu in der Lage. Das ist vermutlich auch irgendwie genetisch bedingt. Inzucht oder so.“ „Also bitte, Ihnen ist der Sarrazin wohl zu Kopf gestiegen!“ „Na, was haben denn die Bayern da oben in ihren Alpentälern, da kommt für Jahrzehnte keiner raus und jeder ist mit jedem verwandt, das ist doch klar, dass Sie da mit der Zeit deppert werden!“ „Meine Güte, Sie übertreiben ja maßlos!“ „Nichts da, das ist die reine Wahrheit – haben Sie den Oberbayern da mal reden gehört? Diesen Stoiber, der keinen ordentlichen Hauptsatz innerhalb eines Quartals auf die Reihe kriegt? Was der sich da mit dem Bahnhof zurechtgestammelt hat? Das tut doch kein geistig normaler Mensch!“ „Jetzt werden Sie mal nicht ausfällig, der Mann hat halt ein besonderes Naturell und ist leicht aus der Fassung zu bringen.“ „Ach was, die haben lauter solche Kasper zum Häuptling gewählt, Beckstein und Strauß und…“ „Der hatte ein Problem mit dem Bier.“ „Bah, das haben die in Bayern doch alle. Die sind eben so!“

„Es mag ja sein, dass da eine kleine Minderheit unter den Bayern etwas anstrengend ist, das gebe ich auch gerne zu, aber deshalb können Sie doch nicht gleich alle über einen Kamm scheren.“ „So, kann man nicht? Und weshalb weigert sich dann dieser Volksstamm, Deutschkurse zu besuchen?“ „Aber die sprechen doch alle Deutsch.“ „Dass ich nicht lache – das nennen Sie Deutsch? Das hat doch die Gerichte schon beschäftigt, was diese Leute da für einen Dialekt von sich geben. Sie haben da einen Autofahrer, wahrscheinlich wieder mal volltrunken…“ „Jetzt hören Sie doch mal mit Ihren billigen Vorurteilen auf, das führt doch zu nichts!“ „… weil in Bayern die Promillegrenze ja doch eher lax gehandhabt wird und man im Vollsuff einen Mann totfahren kann, um danach Verkehrsminister zu werden, geschenkt! Und dieser Autofahrer, 1,75 Promille wird er haben, und vor dem Staatsanwalt wird er sagen, er hat ‚gebremst‘, aber er hat nicht ‚derbremst‘ – jetzt wollen Sie mir erzählen, dass die ordentliches Deutsch sprechen? Ich glaub es nicht!“

„Jetzt kommen Sie doch mal wieder runter, Sie holen sich hier ja noch einen Herzfehler!“ „Was, das interessiert Sie wohl gar nicht? Gehen Sie doch mal nach Bayern, wenn Sie sich das nicht vorstellen können. Wie die Leute da herumlaufen, das ist nicht zu glauben!“ „Na, schlimmer als Burnus und Burka wird’s wohl nicht sein.“ „Haben Sie eine Ahnung, mein Lieber – nackt laufen die da herum, halb nackt!“ „Also bitte, was denn jetzt, halb oder ganz nackt?“ „Die Männer ohne ordentliche Hosen, nicht einmal Kniestrümpfe können die sich anziehen. Und die Frauen, Herrschaft! die tragen – das kann man ja keinem erzählen. Das geht zu weit!“ „Sie meinen das Dirndl? Bitte, was soll denn daran nun bitte unanständig sein?“ „Diese Fleischbeschau, das ist ja einfach widerlich!“ „Nur, weil es eben ein bisschen weiter…“ „Widerlich! Alles sieht man, das ist widerlich!“ „Wenn sich die Frauen verhüllen, dann passt es Ihnen auch nicht. Können Sie sich vielleicht für eins entscheiden?“ „Sie lenken bloß ab, diese Bayern wollen sich einfach nicht anpassen und boykottieren die individualistische Uniform, die der Bundesbürger braucht, um sich als Subjekt dieses staatsbürgerlichen, dieses… na! Staates eben halt zu dingsen, zu… Sie wissen das doch, Mann!“

„Haben Sie auch noch echte Argumente auf Lager?“ „Was meinen Sie, was das bisher war? Ich rede mir hier den Mund fusselig seit Jahr und Tag und keinen interessiert’s, aber Sie werden das schon sehen beim nächsten Ehrenmord.“ „Ehrenmord?“ „Ja haben Sie denn geglaubt, nur weil das in der bayerischen Gesellschaft ‚Erbschaftsangelegenheit‘ heißt oder ‚Familiendrama‘, das sei nicht genau dasselbe wie ein Ehrenmord? Und Sie denken, dass es genau das, Scheidung, Streit um die Vaterschaft, Getuschel und Gezänk in einem kreuzkatholischen Dorf, fünf Liter Bier und eine Schrotflinte, dass es das in Bayern nicht gäbe?“ „Das kann man doch gar nicht vergleichen, das ist ja albern.“ „Das fragen Sie doch bitte mal jemanden, den sie aus seinem Heimatort herausgemobbt haben, weil einer von seinen drei Söhnen schwul ist. Vielleicht haben sie dem gleich noch den Hof angezündet und der Herr Bürgermeister, der auch der Chef der Sparkasse ist, hält die Versicherung für den Wiederaufbau zurück, damit man diese Leute nicht mehr unter sich hat. Und das nennen Sie nicht Parallelgesellschaft?“ „Aber die gehören doch zu Deutschland!“ „Pah, das wollen die doch gar nicht! Dieses ewige ‚Mir san mir‘, Bayernpartei! Freistaat! Wenn ich das schön höre!“ „Okay, das hatte ich jetzt nicht bedacht. Separatismus geht natürlich gar nicht. Wir sollten uns diese Richtlinie nochmals sehr genau ansehen. Möglicherweise müssen dann die Bayern innerhalb ihrer Landesgrenzen bleiben, man kann das mit der Integration ja auch zu weit treiben.“ „Gut so, gut so. Äääh, was ich Sie fragen wollte, haben Sie noch einen Moment? Wir hätten da noch die Sachsen.“





Haftpflicht

20 09 2010

„Machen Sie sich mal keine Sorgen, das wird schon werden. Ja, ich bin mir da ganz sicher. Wissen Sie, der hat so das gewisse Etwas, das man für den Job braucht. Schwiegermutterfresse. Dem kauft man jede Lebensversicherung ab. Einfach perfekt so.

Gut, das muss auch so. Sonst sehe ich für den mittlerweile schwarz, und das will etwas heißen in dieser Partei, wenn Sie verstehen, was ich meine. Lernfähig? Gott, sind sie doch mehr oder weniger alle nicht. Die kommen so, wie sie eben kommen, da kann man nichts mehr machen. Manche sind ein bisschen blöd, manche etwas störrisch, und der ist so durchschnittlich, der würde nicht mal auffallen, wenn er plötzlich weg wäre. Dieses gewisse Etwas. Den können Sie vor eine weiße Wand stellen, gucken den an, und wenn Sie den Kopf wegdrehen, dann erinnern Sie sich nur noch an die Wand. Überall einsetzbar. Macht zwar nichts so richtig gut und durchschlagend erfolgreich, aber was soll’s – er ist halt die formbare Masse der Partei.

Doch, immer schon. Wundert Sie das? Alles abgenickt, alles mitgemacht, alles durchgesungen. Deshalb hat man den auf diesen Posten gehebelt. Da fällt der nicht auf. Der ist eben eine Marionette derer, die selbst Marionetten sind. Ziehen Sie an den Strippen, dann macht der, was Sie wollen. Ja, gute Schule. Strukturvertrieb hat der auch gelernt. Maschmeyers Stall. Kann auch als Klinkenputzer eingesetzt werden. Haben Sie den gesehen, wie er seine Arbeitsprobe abgegeben hat? Südafrika? Wie der nach der Amtsübernahme gleich nach Südafrika gedüst ist, damit man weiß: der ist in Südafrika? Das war ganz groß. Diese Klinkenputzerei bei Jogi Löw, ich muss schon sagen. Besser hätte ich das nicht hingekriegt. Jeder hat gewusst, Hauptsache, der ist selbst im Bild, und immer schön anmeiern.

Sie könnten den gut für Außeneinsätze nehmen. Als Propagandist ist er großartig. Der verspricht den Leuten das Blaue vom Himmel, einfach toll. Wie die aufatmen, wenn man ihnen Sonntagsreden vorkaut! Endlich mal wieder positive Perspektiven! Alles wird gut! Natürlich, der soll etwas verkaufen, was er selbst nicht leisten muss. Der ist bloß die Flüstertüte fürs Marketing, die dreckigen Geschäfte machen andere hinter den Kulissen. Der passt ganz ausgezeichnet in Ihren Versicherungskonzern. Machen Sie sich keine Sorgen. Das wird schon.

Ja, Peanuts. Das ist eben die einzige Gefahr. Das mit dem, wie sage ich mal – der will seine eigenen Akzente setzen. Etwas machen. Gestalten, regieren, eine eigene Handschrift sehen lassen. Das ist es ja auch. Nein, normalerweise völlig unauffällig. Dem drücken Sie das Paket mit Hinterbliebenenschutz und Hundehalterhaftpflicht aufs Auge, da kommen gute Ergebnisse rein. Der macht Umsatz.

Sie meinen, die eigenen Geschäfte? Unauffällig, völlig unauffällig. Wenn der mal aufgefallen ist, dann höchstens durch Inkompetenz. Flugtickets nach Florida, Wahlkampfhilfe in Wolfsburg. Ach ja, und diese Jungministerin, die einige sehr ulkige Interpretationsansätze zum Grundgesetz hatte, aber das ist nicht seine Schuld. Es ist in dieser Partei seit dem Vorsitz der Bundeskanzlerin üblich, dass man sein Personal von der dritten Klasse abwärts wählt. Wer etwas kann, der hat hier keine Chance.

Aber Sie haben Recht, die eigene Handschrift. Das müssen Sie dem noch abgewöhnen. Der ist da etwas störrisch, vor allem: der begreift einfach nicht, dass es Spielregeln gibt, die er nicht selbst bestimmen kann. Da sehe ich Nachholbedarf. Der hat bis heute nichts verstanden. Sitzt da in Bellevue und hat nicht kapiert, dass das nicht viel mehr ist als die Hausmeisterwohnung der Republik. Sie sollten den gut umerziehen. Gewöhnen Sie den an den Gedanken, ein Unterschriftenautomat zu sein, der höchstens bei verfassungsrechtlichen Bedenken noch Kopfschmerzen bekommen darf. Das ist ein Parteisoldat, es sollte also keine großen Probleme damit geben. Der hat nichts mehr zu entscheiden. Der soll verkaufen und ansonsten seine Klappe halten. Wir haben ein paar Spielregeln, an die hat man sich zu halten. Keine Diskussion, hören Sie?

Der hat verhandelt. In wessen Auftrag auch immer, hier wird aber nicht verhandelt. Hier wird ernannt und entlassen, aber nicht verhandelt. Das ist nicht die Regierung. Das ist gar nichts. Das ist eine Unterschriftenstelle ohne eigenen Verfassungsrang. Sie sollten dem auch schnell verklickern, dass eine Versetzung nicht unbedingt mit einer Verbesserung verbunden sein muss. Es sei denn, es kommt dem nur darauf an, dauerhaft versorgt zu sein; das soll ja vorkommen in diesen Kreisen. Da kriegt man ja auch Gehalt, wenn man die Brocken hinschmeißt. Und das soll da auch vorkommen. Sagt man.

Seien Sie vorsichtig mit dem. Der hält sich für wichtig. Der hat verhandelt. Eine Rücknahme des Vorwurfs, Sarrazin habe Ausländer diskriminiert? Eine substanzielle und sachliche Debatte über Integration? Sie sollten mit dem eine sachliche Debatte führen, wie er für Sarrazins Juristen eine Altersvorsorge maßschneidert, ein Kuhhandel mit Steuergeld. Der setzt die Bundesbank indirekt unter Druck und leistet sich dann ein derart elendes Geschacher. Norden Sie den ein, wenn Sie ihn als Außendienstmitarbeiter haben wollen. Sonst wird der Sie mit seinen Extratouren manches Sümmchen kosten – und Ihren untadeligen Ruf. Lernen Sie den an und entscheiden Sie sich, ob Sie ihn behalten wollen. Der ist besser als sein Vorgänger, bei dem wissen Sie schon vorher, dass der nichts taugt. Und Sie können den auch jederzeit wieder hinaustun. Mit sofortiger Wirkung natürlich. Falls Sie merken, dass der dem Amt Schaden zufügt.“