„Olé, wir fahrn…“ „Sagen Sie mal, sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen?“ „… nach Barcelona, olé-olé!“ „Sie sind ja sturzbetrunken, Mann!“ „Ist noch was von dem Pinot grigio da, wenn Sie auch wollen.“ „Igitt! Und diese Fahnen da, die habe ich doch gestern erst gesehen? Haben Sie die etwa mitgehen lassen?“ „Nö, die gehören doch dazu. Nehmen Sie noch ’ne Bratwurst.“ „Ich will jetzt keine Bratwurst, ich will wissen, wer hier diese ganzen Papierfähnchen hingehängt hat! Das ist ja widerwärtig, die ganze Parteizentrale in…“ „Jetzt regen Sie sich nicht so auf. Gestern beim Deutschlandfest war’s doch auch okay.“
„Was feiern Sie hier eigentlich?“ „Uns.“ „Wie, uns?“ „Dass wir jetzt so eine tolle Zukunft, und mit Steinbrück, und dass es der Partei dann auch bald viel besser, das kann ich Ihnen versprechen, sehr viel…“ „Jetzt mal langsam. Wir befinden uns im Wahlkampf, klar?“ „Klar.“ „Und Steinbrück versemmelt gerade auf einem historischen Niveau, auch klar?“ „Auf jeden Fall.“ „Und Sie machen hier große Sause, weil wir geradewegs in das größte Dilemma reinsteuern, in dem sich die SPD je befunden hat?“ „Befunden haben wird.“ „Lassen Sie gefälligst den Quatsch! Für Zukunftsformen ist jetzt keine Zeit mehr.“ „Ich höre immer Dilemma, Dilemma – wo denn? Es ist doch alles in bester… nehmen Sie auch noch einen Eierlikör?“
„Sehen Sie es doch bitte ein, die Katastrophe ist schon in Sichtweite.“ „Können Sie Merkel von hier aus sehen?“ „Bleiben Sie doch mal ernst! Diese Regierung hat in vier Jahren nichts Vernünftiges zustande gebracht, und sie wird in den nächsten auch nichts auf die Reihe kriegen.“ „Das hat keiner bestritten.“ „Uns fehlen massive Gelder, uns fehlen 105 Milliarden aus den Haftungsanteilen und 131 Milliarden als Dauerleihgabe an den IWF und 211 Milliarden Euro für kaputte Staatsanleihen – das ist alles weg, wenn im Herbst endlich mal ohne Tricks bilanziert wird!“ „Ich weiß.“ „Diese ganze Kreditblase platzt, und dann kann die Regierung, die gegen jede Steuererhöhung schreit wie der Teufel gegen das Weihwasser, doch nur noch sämtliche Steuern anziehen und dazu noch im Sozialbereich kürzen und…“ „Logisch.“ „Und dabei können Sie noch so ruhig bleiben?“ „Soll ich Ihretwegen deshalb ausflippen?“ „Diese Regierung verscherbelt Deutschland! Die Mieten steigen, die Stromkosten gehen durch die Decke, weil die Wirtschaft ständig Rabatte bekommt und kostenlose Energie, und sie werfen Geld für die Herdprämie zum Fenster raus – diese Regierung fährt doch Deutschland an die Wand!“ „Eben.“ „Aber…“ „Und nun raten Sie mal, wer nicht dran schuld ist.“
„Sie meinen also, wir sollten ruhig in die Opposition?“ „Das habe ich gar nicht gesagt. Mitregieren ist okay, das wird ohnehin so kommen, aber mit Steinbrück als Kanzler, das doch bitte auf keinen Fall. Stellen Sie sich mal vor, wie toll das wird.“ „Also hat Merkel an dem, was sie macht, selbst schuld? Na, ich weiß ja nicht.“ „Doch, das ist der Knackpunkt. Schauen Sie sich das ruhig mal an, die macht doch inzwischen für jeden Mist die rot-grüne Vorgängerregierung verantwortlich. Das geht nicht mehr.“ „Weil wir dann mitregieren?“ „Das zum einen, aber bald ist die ja so weit, dass sie Schröder in die Schuhe schieben will, er habe nach Fukushima den Kernkraftwerksbetreibern nicht genug Kohle rübergeschoben.“ „So habe ich das noch nie gesehen.“ „Und den ganzen Euromist, den badet sie jetzt auch selbst aus.“ „Hm.“ „Und sie wird ihre 30-Milliarden-Wahkampfgeschenke nicht wegen Regierungswechsels ausfallen lassen und kann uns dafür auch nicht die Schuld geben.“ „Das klingt ja tatsächlich nicht schlecht, aber irgendwie ist das auch ein bisschen übertrieben. Also diese Lichtorgel und das aufblasbare Brandenburger Tor, das ist doch geschmacklos.“
„Denken Sie doch mal weiter. Merkel redet immer, wie krisenfest die CDU sei. Die Verfassung hat nur noch Unterhaltungswert, aber Merkel geht das nichts an. Wir sind deutschlandfest.“ „Also im weiteren Sinne realitätsresistent?“ „Wenn Sie so wollen, ja. Rot-Grün, das steht für Schnitzelverbot und höhere Spritpreise und Tempolimit. Lassen Sie das die Wähler ruhig glauben.“ „Und wenn die CDU gewinnt?“ „Dann wird der Sprit trotzdem teurer, aber wir sind nicht daran schuld.“ „Und was machen wir?“ „Aufdrehen. Jetzt geben wir richtig Gas.“ „Mit Steinbrück?“ „Aber sicher. Der haut jetzt einen Knaller nach dem anderen raus. Soziale Gerechtigkeit, Solidarität, so Sachen halt.“ „Und Steuerbetrug?“ „Wird er bekämpfen. Und er ist für flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn.“ „In welcher Höhe?“ „Wen kümmert’s?“ „Genial!“ „Sehen Sie? Merkel kann noch so viel falsch machen, aus der Falle kommt sie nicht mehr raus.“ „Die bleibt Kanzlerin, wir müssen überhaupt keine politische Perspektive mehr…“ „Und vor allem können wir jetzt noch viel mehr versprechen, wovon die CDU bisher nur geträumt hat. Diese Mietpreisbremse, die Strompreisbremse, das ist doch alles erst der Anfang. Was meinen Sie, was wir da bis zur Abschlusskundgebung noch alles raushauen werden. Merkel wird toben, sage ich Ihnen.“ „Hm, und wenn sie Zweifel haben sollte? im letzten Augenblick? Dass es diesmal mit der SPD vielleicht doch nicht so gut klappen könnte?“ „Da haben wir längst vorgesorgt. Wir sind etwas eingeknickt, es gibt jetzt keine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und keine Vermögenssteuer. Das klappt.“ „Trotzdem, ich würde mit der Feier warten. Bis zum Wahlabend. Sicher ist sicher, wissen Sie? Man soll es nicht beschreien, aber…“ „Außerdem ist Andrea Nahles weg vom Fenster. Endgültig.“ „Schnell, her mit dem Eierlikör! Olé, wir fahrn im…“
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