Deutschlandfest

19 08 2013

„Olé, wir fahrn…“ „Sagen Sie mal, sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen?“ „… nach Barcelona, olé-olé!“ „Sie sind ja sturzbetrunken, Mann!“ „Ist noch was von dem Pinot grigio da, wenn Sie auch wollen.“ „Igitt! Und diese Fahnen da, die habe ich doch gestern erst gesehen? Haben Sie die etwa mitgehen lassen?“ „Nö, die gehören doch dazu. Nehmen Sie noch ’ne Bratwurst.“ „Ich will jetzt keine Bratwurst, ich will wissen, wer hier diese ganzen Papierfähnchen hingehängt hat! Das ist ja widerwärtig, die ganze Parteizentrale in…“ „Jetzt regen Sie sich nicht so auf. Gestern beim Deutschlandfest war’s doch auch okay.“

„Was feiern Sie hier eigentlich?“ „Uns.“ „Wie, uns?“ „Dass wir jetzt so eine tolle Zukunft, und mit Steinbrück, und dass es der Partei dann auch bald viel besser, das kann ich Ihnen versprechen, sehr viel…“ „Jetzt mal langsam. Wir befinden uns im Wahlkampf, klar?“ „Klar.“ „Und Steinbrück versemmelt gerade auf einem historischen Niveau, auch klar?“ „Auf jeden Fall.“ „Und Sie machen hier große Sause, weil wir geradewegs in das größte Dilemma reinsteuern, in dem sich die SPD je befunden hat?“ „Befunden haben wird.“ „Lassen Sie gefälligst den Quatsch! Für Zukunftsformen ist jetzt keine Zeit mehr.“ „Ich höre immer Dilemma, Dilemma – wo denn? Es ist doch alles in bester… nehmen Sie auch noch einen Eierlikör?“

„Sehen Sie es doch bitte ein, die Katastrophe ist schon in Sichtweite.“ „Können Sie Merkel von hier aus sehen?“ „Bleiben Sie doch mal ernst! Diese Regierung hat in vier Jahren nichts Vernünftiges zustande gebracht, und sie wird in den nächsten auch nichts auf die Reihe kriegen.“ „Das hat keiner bestritten.“ „Uns fehlen massive Gelder, uns fehlen 105 Milliarden aus den Haftungsanteilen und 131 Milliarden als Dauerleihgabe an den IWF und 211 Milliarden Euro für kaputte Staatsanleihen – das ist alles weg, wenn im Herbst endlich mal ohne Tricks bilanziert wird!“ „Ich weiß.“ „Diese ganze Kreditblase platzt, und dann kann die Regierung, die gegen jede Steuererhöhung schreit wie der Teufel gegen das Weihwasser, doch nur noch sämtliche Steuern anziehen und dazu noch im Sozialbereich kürzen und…“ „Logisch.“ „Und dabei können Sie noch so ruhig bleiben?“ „Soll ich Ihretwegen deshalb ausflippen?“ „Diese Regierung verscherbelt Deutschland! Die Mieten steigen, die Stromkosten gehen durch die Decke, weil die Wirtschaft ständig Rabatte bekommt und kostenlose Energie, und sie werfen Geld für die Herdprämie zum Fenster raus – diese Regierung fährt doch Deutschland an die Wand!“ „Eben.“ „Aber…“ „Und nun raten Sie mal, wer nicht dran schuld ist.“

„Sie meinen also, wir sollten ruhig in die Opposition?“ „Das habe ich gar nicht gesagt. Mitregieren ist okay, das wird ohnehin so kommen, aber mit Steinbrück als Kanzler, das doch bitte auf keinen Fall. Stellen Sie sich mal vor, wie toll das wird.“ „Also hat Merkel an dem, was sie macht, selbst schuld? Na, ich weiß ja nicht.“ „Doch, das ist der Knackpunkt. Schauen Sie sich das ruhig mal an, die macht doch inzwischen für jeden Mist die rot-grüne Vorgängerregierung verantwortlich. Das geht nicht mehr.“ „Weil wir dann mitregieren?“ „Das zum einen, aber bald ist die ja so weit, dass sie Schröder in die Schuhe schieben will, er habe nach Fukushima den Kernkraftwerksbetreibern nicht genug Kohle rübergeschoben.“ „So habe ich das noch nie gesehen.“ „Und den ganzen Euromist, den badet sie jetzt auch selbst aus.“ „Hm.“ „Und sie wird ihre 30-Milliarden-Wahkampfgeschenke nicht wegen Regierungswechsels ausfallen lassen und kann uns dafür auch nicht die Schuld geben.“ „Das klingt ja tatsächlich nicht schlecht, aber irgendwie ist das auch ein bisschen übertrieben. Also diese Lichtorgel und das aufblasbare Brandenburger Tor, das ist doch geschmacklos.“

„Denken Sie doch mal weiter. Merkel redet immer, wie krisenfest die CDU sei. Die Verfassung hat nur noch Unterhaltungswert, aber Merkel geht das nichts an. Wir sind deutschlandfest.“ „Also im weiteren Sinne realitätsresistent?“ „Wenn Sie so wollen, ja. Rot-Grün, das steht für Schnitzelverbot und höhere Spritpreise und Tempolimit. Lassen Sie das die Wähler ruhig glauben.“ „Und wenn die CDU gewinnt?“ „Dann wird der Sprit trotzdem teurer, aber wir sind nicht daran schuld.“ „Und was machen wir?“ „Aufdrehen. Jetzt geben wir richtig Gas.“ „Mit Steinbrück?“ „Aber sicher. Der haut jetzt einen Knaller nach dem anderen raus. Soziale Gerechtigkeit, Solidarität, so Sachen halt.“ „Und Steuerbetrug?“ „Wird er bekämpfen. Und er ist für flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn.“ „In welcher Höhe?“ „Wen kümmert’s?“ „Genial!“ „Sehen Sie? Merkel kann noch so viel falsch machen, aus der Falle kommt sie nicht mehr raus.“ „Die bleibt Kanzlerin, wir müssen überhaupt keine politische Perspektive mehr…“ „Und vor allem können wir jetzt noch viel mehr versprechen, wovon die CDU bisher nur geträumt hat. Diese Mietpreisbremse, die Strompreisbremse, das ist doch alles erst der Anfang. Was meinen Sie, was wir da bis zur Abschlusskundgebung noch alles raushauen werden. Merkel wird toben, sage ich Ihnen.“ „Hm, und wenn sie Zweifel haben sollte? im letzten Augenblick? Dass es diesmal mit der SPD vielleicht doch nicht so gut klappen könnte?“ „Da haben wir längst vorgesorgt. Wir sind etwas eingeknickt, es gibt jetzt keine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und keine Vermögenssteuer. Das klappt.“ „Trotzdem, ich würde mit der Feier warten. Bis zum Wahlabend. Sicher ist sicher, wissen Sie? Man soll es nicht beschreien, aber…“ „Außerdem ist Andrea Nahles weg vom Fenster. Endgültig.“ „Schnell, her mit dem Eierlikör! Olé, wir fahrn im…“





Geisterbahn

8 07 2013

„Wir machen das nicht.“ „Und wenn keine andere Lösung möglich sein sollte?“ „Dann machen wir es nicht.“ „Aber wenn keine andere Lösung…“ „Wir machen es nicht, klar!? Wir machen es nicht!“ „Welche Alternative haben wir denn bitte?“ „Wir gewinnen einfach die Wahl, basta!“

„Wir brauchen eine vernünftige Lösung, sonst wird das kein gutes Ende nehmen, und das wissen Sie so gut wie ich.“ „Das mag ja alles sein, aber ich mache eine Große Koalition nicht mit. Nicht noch eine.“ „Aber…“ „Nicht noch eine! Mir hat die erste schon gereicht. Wir machen die Arbeit, und die Kanzlerin gibt es als ihren Erfolg aus.“ „Aber das wäre doch im fall von Rot-Grün dasselbe.“ „Da würde es aber nicht so stören, weil da nämlich wir den Kanzler stellen.“

„Könnte man nicht den Kandidaten noch kurz vor der Wahl…“ „Auf keinen Fall. Steinbrück bleibt.“ „… mit mehr sozialpolitischem Profil ausstatten?“ „Wie wollen Sie das denn anstellen?“ „Er müsste sich halt öfters mal sozialdemokratisch äußern.“ „Unsinn, dann können die Leute doch gleich CDU wählen. So spricht doch sonst nur noch die Bundeskanzlerin.“ „Dann muss man eben die Deutungshoheit über die Sozialpolitik wieder zurückgewinnen.“ „Wie wollen Sie das denn anstellen? und vor allem: wozu? Wenn Sie jetzt einen lupenreinen Sozialdemokratiewahlkampf machen, dann zeigen Sie doch höchstens, dass Sie der CDU die Themen klauen wollen. Dann können Sie doch auch gleich Webung für die Große Koalition machen.“ „Darum geht’s doch eben, wir müssen herausarbeiten, dass Merkel eben nicht für eine sozial verträgliche und gerechte Politik steht.“ „Ja und? Steinbrück doch auch nicht.“

„Damit hätten wir doch zumindest eine Option auf eine Ampelkoalition.“ „Die Liberalen sind auf einmal wieder auf unserer Seite?“ „Nein, nur die FDP.“ „Das können Sie vergessen. Das wäre ja wie mit Rückenwind auf den Hintern fallen. Diese Partei ist ja für alles gut, womit man sich selbst schaden kann…“ „Deshalb würde sie ja auch so gut zu uns passen, meinen Sie nicht?“ „… aber sicher nicht für eine Ampel. Und wenn Sie jetzt meinen, wie bei Merkel braucht man in der Koalition einen Hallodri, damit man selbst nicht ganz so inkompetent aussieht: was glauben Sie, wofür wir Die Grünen haben?“

„Es gäbe ja noch eine Option.“ „Das ist nicht Ihr Ernst!“ „Doch. Aber dazu müssten wir jetzt das umsetzen, was wir seit Jahren in die Wahlprogramme reinschreiben.“ „Auf keinen Fall! Mit den Linken zu koalieren ist vollkommen ausgeschlossen!“ „Wo doch Merkel jetzt auch schon den Abzug aus Afghanistan fordert…“ „Das ist Kokolores, diese Lippenbekenntnisse sind doch nichts wert, weil es überhaupt nicht umgesetzt wird.“ „… und die Mindestlöhne…“ „Ich sagte: Kokolores!“ „… und eine Mietpreisbremse. “ „Hören Sie mir eigentlich zwischendurch auch mal zu? Das meint die Frau doch nicht ernst!“ „Aber die Linken.“ „Eben, und solange diese Stalinisten mit solchen hirnverbrannten Ideen Wahlkampf machen, kann man mit denen nicht zusammenarbeiten. Vollkommen ausgeschlossen!“ „Was stört Sie denn so an denen? Die sind doch ganz harmlos.“ „Das denken Sie! Die sind nicht regierungsfähig, das sehen Sie doch.“ „Weil keiner mit denen regiert.“ „Eben!“

„Gut, dann hätten wir das ja geklärt. Und was würde jetzt gegen die Große Koalition sprechen?“ „Sind Sie noch ganz bei Trost!? Wir können doch nicht einfach klein beigeben und der Kanzlerin der Drecksarbeit erledigen!“ „Hat auch keiner verlangt. Wir müssten nur ein bisschen konsequenter auf die Versprechen der CDU eingehen.“ „Wie soll denn das funktionieren?“ „Einfach mal die ganzen leeren Versprechungen der Bundeskanzlerin auf den Tisch.“ „Mindestlohn?“ „Mindestlohn. Und Atomausstieg, aber richtig. Und Mieten und Strom und Boni und Einlagensicherheit und Truppenabzug und Kita-Plätze, und dann wollen wir mal sehen, was sie macht.“ „Was sie immer macht: nichts.“ „Das wollen wir doch mal sehen.“ „Wie wollen Sie das denn anstellen?“ „Wir treiben sie vor uns her. Entweder sie setzt das um, was sie vor der Wahl versprochen hat, und wir haben das auch versprochen, also setzt sie das um, was wir versprochen haben. Klar?“ „Oder?“ „Oder sie setzt eben gar nichts um.“ „Wo ist da die Drohung?“ „Wieso Drohung?“ „Wie wollen Sie die Kanzlerin vor sich hertreiben, wenn Sie ihr nicht drohen können?“ „Man könnte sie doch bloßstellen.“ „Und womit?“ „Dass sie nichts umsetzt.“ „Und das ist eine Drohung?“ „Das wird bestimmt total peinlich.“ „Ich sehe es schon vor mir: Vizekanzler Steinmeier lamentiert, dass Merkel eine elende Lügnerin ist, die den Parlamentarismus aushöhlt und die Wähler nach Strich und Faden auszieht, damit ein paar Großaktionäre sich die Taschen vollstopfen.“ „So hatte ich mir das gedacht.“ „Und dann sagt sie noch, die Merkel-Regierung ist das Schlimmste, was Deutschland seit dem Krieg passiert ist.“ „Ich würde das gutheißen.“ „Und sie ist auch an der Verschärfung der Staatsschuldenkrise schuld und an den Milliardenzahlungen zur Bankenrettung und an der Jugendarbeitslosigkeit sowieso.“ „Finde ich gut, schreiben Sie das gleich mal auf, das brauchen wir bestimmt noch.“ „Und mit diesem politischen Monster, das Sie da aufblasen, wollen Sie in eine Große Koalition? nur, um hinterher sagen zu können, dass wir für diese Geisterbahn nicht zur Verantwortung zu ziehen sind, weil wir versucht haben, das Schlimmste zu verhindern?“ „Ja sicher.“ „Das ist Ihr Ernst!?“ „Aber ja doch! Die Leute erwarten das doch von uns. Wir sind schließlich Sozialdemokraten.“





Der Letzte macht das Licht aus

1 07 2013

„Noch’n Eierlikörchen?“ „Mensch Sigmar, tu doch die Flasche weg!“ „Ach lass doch. Soll er sich halt aufregen.“ „Aber wir müssen ihn doch nicht noch extra…“ „Wieso denn nicht? Wenn er mal richtig vom Leder zieht, wirkt er immer so authentisch.“ „Damit wird man bloß nicht automatisch Kanzler.“

„Das ist wieder tolle Stimmung hier.“ „Komm, Hannelore, das kennst Du nicht anders.“ „Aber irgendwie sind bei der CSU die Beerdigungen lustiger als bei uns das Sommerfest.“ „Ich nehm trotzdem noch einen Pinot grigio, auch wenn Peer meint, dass man den nicht…“ „Mensch Kurt, kannst Du mal das Maul halten? einfach mal das Maul halten?“ „Ihr seid doch dafür verantwortlich, dass hier so eine miese Stimmung herrscht! Ihr wollt doch nicht alles rausholen, was geht!“ „Kurt, lass gut sein.“ „Wer ist das da hinten am Büfett?“ „Der Scholzomat. Damit die Getränke nicht aus Versehen warm werden.“ „Na dann.“

„Sagt mal, Kinder, was lasst Ihr Euch denn die Petersilie verhageln? ist doch dufte hier.“ „Gerhard, das ist hier das Abstellgleis.“ „Jetzt mach mal halblang, Sportsfreund. Worüber beschwert Ihr Euch denn?“ „Gerhard, wenn das so weitergeht, dann werden wir marginalisiert.“ „Ui, da hat die Andrea aber fein Vokabeln gelernt! Marginalisiert, das klingt ja direkt nach Bildung, hähä!“ „Gerhard, es ist fünf nach zwölf. Wenn wir jetzt nicht langsam die Kurve kriegen, dann kippen die Grünen nach der Wahl um…“ „Na, das wollen wir doch mal schwer hoffen, dafür habe ich die ja damals mit an die Regierung gelassen.“ „… und dann gibt es Schwarz-Grün, und dann war’s das.“ „Also erstens, Andrea, sind wir hier überhaupt nicht am Rand, ich zumindest nicht, bei Dir will ich das gar nicht wissen, und zweitens ist das doch scheißegal, was die Grünen machen. Das sind ein paar Chaoten, die wollen Ministerposten, klar, und wenn sie nicht Männchen machen, dann fliegen sie halt wieder.“ „Gerhard, das ist doch Blödsinn.“ „Franz, da hinten ist die Tür, einmal schräg über die Straße ist das Pflegeheim, okay?“ „Gerhard, jetzt hör mir doch mal zu. Opposition ist…“ „Und wenn Du es nicht mehr ganz über die Straße schaffen solltest, Franz, zweihundert Meter und dann links, da geht’s zum Krematorium.“ „… Mist, verstanden? Opposition ist Mist!“ „Nimm Deine Pillen und halt’s Maul, Franz. Solange ich hier der Kanzler…“ „War was?“ „Nichts, Peer. Gar nichts.“ „Runter von meinem Stuhl.“ „Sofort, Peer. Ich wollte bloß…“ „Wollte, wollte.“ „Ich bin ja schon… bin ja schon weg.“

„Manchmal frage ich mich, was das alles hier noch soll.“ „Im Vertrauen, Sigmar: die Andrea hat recht.“ „Manuela, das ist doch jetzt Panikmache. Wenn ich bedenke, was wir damals alles…“ „Kurt, jetzt erzähl nicht wieder vom Krieg.“ „Aber wir haben uns an der Regierung gehalten, die jungen Leute sollen es doch auch mal so haben wie wir.“ „Aber die Andrea hat trotzdem recht. Wenn wir jetzt nicht rankommen, dann machen es die Grünen mit Mutti, und dann gehen die auch kaputt, oder die Piraten kommen rein, und dann gibt es auch wieder keinen Kandidaten, und die FDP ist wieder…“ „Und die Grünen? wieso soll es denn danach nicht mehr für Rot-Grün reichen?“ „Weil es danach vielleicht höchstens noch für Grün-Rot reicht.“ „Au weia!“ „Eben.“

„Ist der hier noch frei?“ „Ja, da saß bis vorhin Frank-Walter.“ „Wo ist der eigentlich hin?“ „Der stand vorhin auf dem Balkon und übte staatstragend gucken.“ „Na, soll er.“ „Außerdem ist doch nichts so gut wie Kontinuität in der Außenpolitik.“ „Vier Jahre Frank-Walter, vier Jahre nix, vier Jahre Frank-Walter.“ „Das finde ich gut. Dann haben wir wenigstens Außenwirkung, müssen uns aber im eigenen Land nicht so anstrengen.“ „Was würde der Hollande dafür geben!“ „Und wir brauchen gar nicht erst wieder in den Regierungsmodus – Franz ist doch schon raus?“ „Ja, der spielt hinten am Katzentisch mit Helmut eine Partie Schach.“ „Hätte er mal lieber Schafkopf gespielt.“ „In der SPD heißt das Doppelkopf.“ „Und Peer macht gerade sein Pflichtsolo.“ „Und der erste Stich kommt von links, schon klar.“ „Seid Ihr hier wieder am Lästern?“ „Ach was, Peer. Nein, nein!“ „Dann ist ja gut.“

„So, ich hol mir jetzt noch ’ne Flasche Bier. Sonst noch wer?“ „Lass mal, Gerhard. Wir haben noch Eierlikör.“ „Ich wollte noch diesen Roten da.“ „Das wollten wir alle, Kurt. Rot ist aus.“ „Aber irgendwas brauche ich doch für mein Alter. Man muss doch eine Beschäftigung haben.“ „Geh halt zur Seniorenunion.“ „Oder frag Helmut, ob Du ihn die letzten zehn Jahre durch die Gegend rollen darfst.“ „Seine?“ „Deine, Kurt. Deine.“ „Das lass ich mit mir nicht machen!“ „Ach, sei still. Streng Dich halt ein bissel an. Wenn Du Dich waschen und rasieren würdest, hättest Du in drei Wochen einen Job.“ „Hätte, hätte!“ „Was war das?“ „Oh, schon zurück, Peer?“ „Wir haben noch ’ne Flasche Pinot.“

„Und das tun wir uns hier jetzt an?“ „Kann ja nicht jeden Tag 150. Jubiläum sein, Sigmar.“ „Das hat auch keiner verlangt, aber ein bisschen Zukunft – also eine kleine Perspektive, ein ganz wenig Hoffnung, ersteht Ihr…“ „Ganz wenig Hoffnung? das hat Peer doch schon prima hingekriegt.“ „Andrea, das will keiner mehr hören.“ „Ist doch wahr!“ „So, Bier ist dann auch alle.“ „Na klasse, Gerhard.“ „Hauptsache, einer denkt an alle.“ „Wieso? Ich denke an mich, Ihr denkt bloß nicht an Euch. Macht das wie ich: wir gucken gemütlich zu, wie die Bude abgewickelt wird, und dank Hartz IV können die Billiglohnspasten sich die Finger blutig schuften, während wir uns die Kohle gegenseitig reinschieben.“ „Gerhard!“ „Ist doch so! Jetzt feiert nicht mehr so lange, morgen ist Meeting für die Agenda 2020. Und nicht vergessen, der Letzte macht das Licht aus.“





Wechselstimmung

17 06 2013

„Sarrazin.“ „Ich bewundere ja wirklich Ihren Mut.“ „Was sollen wir denn sonst noch machen? Ohne Rambazamba kann sich Steinbrück doch einsalzen lassen.“

„Mit dem Theater wird er allerdings erst recht auf dem Kehricht der Sozialdemokratie entsorgt.“ „Na, nun mal nicht so verzagt. Wir sind auf einem guten Weg.“ „Das bestreitet keiner, es ist nur nicht klar, wohin der führt.“ „Das wird sich hinterher zeigen. Wir machen einen absolut authentischen Wahlkampf, da können wir nicht auf alles Rücksicht nehmen.“ „Also auf die Wähler?“ „Auch, aber in erster Linie auf die SPD. Weil wenn wir auf die SPD keine Rücksicht mehr nehmen, dann müssen wir die Wähler erst gar nicht mehr in Erwägung ziehen. Dufte, oder?“

„Muss denn Steinbrück jetzt auch unbedingt gegen Gabriel treten?“ „Er macht das sicher nur, weil er gerade keine Beinfreiheit hat.“ „Verstehe ich nicht.“ „Er will, dass Gabriel alles mitmacht, was er ihm befiehlt.“ „Und wenn Gabriel das macht?“ „Dann will er es trotzdem. Einer muss dem Parteivorsitzenden doch zeigen, wer hier das Sagen hat.“ „Der Mann ist nicht mehr ganz bei Trost.“ „Ach was, er rechnet nur ganz fest mit einem Sieg. Oder meinen Sie, wenn er sich nicht schon als Kanzler sähe, dann würde er sich noch mit den Einzelinteressen der Parteien abgeben?“ „Ich begreife, das wird er von Merkel gelernt haben.“

„Jetzt seien Sie mal nicht so päpstlich, immerhin tut Steinbrück doch auch etwas für die Quote.“ „Für die Frauen?“ „Nicht nur. Vor allem für die Seniorenquote. Damit mal klar ist, dass man in Deutschland auch im fortgeschrittenen Alter einen Job bekommt und sich aktiv für die Gesellschaft einsetzen kann.“ „Sie reden von Brigitte Zypries?“ „Was ist daran verkehrt?“ „Nichts, aber warum muss Steinbrück dann so herumätzen, dass keine Regierung gebildet wird, ohne vorher Schäuble wiederzubeleben?“ „Und sehen Sie, genau das kann die SPD nämlich besser als diese Regierung: mit Zypries haben wir gleich zwei Quoten abgehakt.“ „Was genau sollte dann diese Design-Professorin im Kompetenzteam?“ „Das liegt doch auf der Hand. Das ist eine Professorin, und die kennt sich mit Design aus.“ „Ach was.“ „Nein, wirklich!“ „Und das ist jetzt auch etwas für die Quote?“ „Nein, Netzpolitik ist für die ganze Bevölkerung. Also für die jüngeren Wählerschichten. Die unter 70.“ „Da braucht man dann eine Designerin.“ „Super Idee, oder? Das kommt bestimmt voll supi an bei dieser Netzgemeinde.“ „Megaflausch.“ „Sie sagen es. Da hat er endlich mal politisches Gespür bewiesen. Weil ja dies Internet, das ist ja quasi total voll mit Design. Mit diesem Webdesign. Und da haben wir jetzt diese Professorin, und die kann uns das alles voll klasse erklären.“ „Abgesehen von Ihrer albernen Ausdrucksweise…“ „Ha, da muss ich aber mal hart lollen!“ „… wüsste ich dann gerne, wie man als Designprofessorin die staatsrechtlichen Implikationen von Netzneutralität beurteilt. Oder die wettbewerbsrechtlichen Aspekte, de gerade den Wirtschaftsstandort Deutschland schädigen.“ „Haben Sie eigentlich schon diese Katzenbilder da gesehen?“

„Weshalb hat denn Steinbrück dieses Mietmaul engagiert?“ „Na, da stand er wohl gerade an der Bar und hat sich gedacht, so’n Kleinen kannste noch nehmen.“ „Überragend witzig.“ „Finden Sie?“ „Ich lache, wenn ich Zeit habe. Wie kommt Steinbrück dazu, jemanden als Sprecher zu verpflichten, der öffentlich rassistische Hetze betreibt?“ „Die paar Griechen.“ „Und sämtliche Arbeitslosen als faules, geldgieriges Gesindel hinstellt.“ „Das ist immerhin offizielle Parteilinie.“ „Und dann noch Sarrazin verteidigt, weil er die Meinungsfreiheit in Gefahr sieht?“ „Jetzt regen Sie sich doch nicht so künstlich auf. Ein rechtspopulistisches Arschloch macht im Auftrag eines rechtspopulistischen Arschlochs Werbung für ein rechtspopulistisches Arschloch. Man muss auch neue Wählerschichten stabilisieren können, wenn man sein Profil verändert.“ „Mir fiele da auch einiges ein, um Steinbrücks Profil zu verändern. Nicht schmerzfrei, aber nachhaltig.“

„Auf jeden Fall ist mächtig Wechselstimmung im Land.“ „Richtig, das merkt man überall. Vor allem bei den Wahlprognosen.“ „Unken Sie nur herum, wir sind da ganz zuversichtlich, dass es doch noch klappt.“ „Wenn Sie schon den Wechsel wollen, warum tauschen Sie nicht noch eben schnell ein paar Leute in Ihrem Kompetenzteam aus?“ „Gegen wen denn? Wir haben doch schon die Besten.“ „Tut mir leid, dass die Personaldecke derart dünn ist, konnte ich natürlich nicht wissen.“ „Und überhaupt, was mosern Sie ständig?“ „Weil dieses Personal keinerlei inhaltlich Botschaft auf Lager hat.“ „Und damit passt das Team natürlich hervorragend zur Sozialdemokratie. Eine gute Kontinuität.“ „Das nennen Sie Wechselstimmung?“ „Vielleicht hätte man diese Design-Professorin ja mit einem richtigen Ressort ausstatten können.“ „Also Bildung und Forschung?“ „Nein, ich meine eher Gedöns und Senioren. Sie dürfen nicht vergessen, sie ist eine Frau, und an den Frauen schätzen wir vor allem die integrative Kraft. Und so.“ „Im Grunde genommen finde ich das ganz gut. Doch, ich wäre auch für den Wechsel.“ „Sehen Sie? Das ist ansteckend.“ „Und ich habe da auch schon eine Idee.“ „Wirklich? Dann lassen Sie mal hören, wo Sie ansetzen wollen.“ „Beim Kanzlerkandidaten.“





Und der Zukunft zugewandt

27 05 2013

„Ich würde ja nicht sagen, dass es ernst ist, aber haben Sie sich mal Steinbrück angeguckt?“ „Schon länger nicht mehr. Warum übrigens?“ „Er sagt gar nichts mehr.“ „Na also. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.“

„Der Mann trinkt schon öffentlich Eierlikör.“ „Ist doch nicht mein Problem, wenn er keinen Pinot abkriegt.“ „Eierlikör!“ „Jetzt machen Sie mal nicht so ’ne Welle, das kriegen wir in den Griff.“ „Das ist das Ende, der blamiert uns bis auf die Knochen. Können Sie sich etwas Spießigeres vorstellen als Eierlikör?“ „Saumagen.“ „Das ist doch Unsinn.“ „Natürlich ist das Unsinn, aber Eierlikör ist auch Unsinn. Haben wir Steinbrück in den Schlagzeilen, ja oder nein?“ „Ja, aber…“ „Also ja. Der Mann zeigt uns, wo die SPD ist, ist die politische Zukunft. Das zählt.“ „Die politische Zukunft besteht also aus Eierlikör?“ „Werden wohl Bio-Eier sein oder so. Genau habe ich mich auch nicht damit befasst.“

„Sie reden hier immer so von Zukunft, warum hat die Partei dann diese ganzen Schnarchnasen von vorgestern in sein Kompetenzteam gehievt?“ „Denken Sie doch mal logisch. Wofür steht der Kanzlerkandidat?“ „Für den Sozialabbau, für Verbrennen von Steuergeldern in Rekordzeit, für…“ „Für die Zukunft.“ „Sage ich doch.“ „Wieso?“ „Damit hat er uns ziemlich solide die Zukunft versaut.“ „Ersparen Sie mir Ihre Miesepeterei, der Kanzlerkandidat steht für die Zukunft.“ „Und woran sehen wir das?“ „Weil er das sagt.“ „Und warum soll ich das glauben?“ „Weil er nun mal für die Zukunft steht. Also müssen wir doch ein gutes Kontrastprogramm liefern. Verstehen Sie?“ „Nein.“ „An Leuten wie Ihnen scheitert unser Land.“

„Man hätte gerade vor der Kulisse mit dem 150. Gründungstag ein ganz anderes Programm fahren sollen.“ „Und welches, Sie Oberstratege?“ „Wir hätten zeigen können, dass wir gerade aus den politischen Fehlern der letzten Jahre unsere Lehren gezogen haben. Dass wir uns diesmal wirklich für mehr gesellschaftliche Teilhabe einsetzen – für Mindestlöhne, für starke Regulierungsmaßnahmen auf dem Finanzmarkt, für eine menschenwürdige Sozialpolitik, die diesen Namen auch…“ „Sie haben wohl vom falschen Baum geraucht? sozial!? Sonst geht’s aber, was?“ „Das wäre doch wirklich mal eine Botschaft gewesen, mit der die Leute sich identifizieren können.“ „Hören Sie mal zu, Sie Profi: wir identifizieren nicht, wir infizieren. Sie haben wohl noch nie einen Wahlkampf gemanagt, was?“ „Jedenfalls wäre das mal ein starkes Signal gewesen, um von der Progressivität der SPD zu überzeugen.“ „Und im Himmel ist Jahrmarkt.“ „Nein, echt!“ „Sie Träumer, Sie haben doch nicht einmal das Grundkonzept kapiert – natürlich zeigen wir die SPD, wie sie ist. Sonst bauen wir doch nie einen Kontrast zu Steinbrück auf.“

„Die Deutschen sehen die Sozialdemokratie ja auch nicht mehr als Arbeitnehmerpartei.“ „Was für ein Glück. Endlich haben wir den ganzen antiquierten Dreck von der Backe.“ „Ja aber…“ „150 Jahre haben wir daran gearbeitet, und heute erleben wir es endlich. Seien Sie mal ein bisschen feierlicher. Das ist ein erhebender Augenblick für die SPD.“ „Haben Sie das überhaupt verstanden!? Das sind unsere historischen Wurzeln!“ „Wir haben es fast geschafft. Jetzt sind wir in der Mitte der Gesellschaft angekommen – ohne diese ganzen unteren Segmente.“ „Ohne was?“ „Dieses, wie sagt man doch gleich…“ „Proletariat?“ „Nein, so ähnlich.“ „Prekariat?“ „Ich hab’s gleich. Es liegt mir auf der Zunge.“ „Niedriglöhner?“ „Nein, so Leute halt, die nicht irgendwo im Aufsichtsrat sitzen.“ „Das ist nicht Ihr Ernst! Wir haben in Deutschland Millionen von Facharbeitern, von Angestellten und…“ „Machen wir für die etwa unsere Politik?“

„Auf das Soziale will die Partei anscheinend komplett verzichten?“ „Ist ja auch besser. Man ist dann programmatisch immer so eingeengt. Zu wenig Beinfreiheit.“ „Und dass die Partei es mit der Demokratie nicht mehr ernst nimmt, hat sie auch schon zur Genüge gezeigt.“ „Nämlich?“ „Fangen wir mit der Abschaffung des Asylrechts an, für das die Sozialdemokraten fleißig ihre eigene Meinung über Bord getreten haben.“ „Man muss sich auch mal von überkommenen Vorstellungen lösen.“ „Was bleibt denn dann noch von der SPD übrig?“ „Die Partei.“ „Gibt’s schon. Aber das Original ist irgendwie besser.“

„Ich habe es Ihnen doch schon mal erklärt: wir sind auf einem sehr guten Weg. Es geht aufwärts.“ „Und weshalb redet dieser Kanzlerkandidat öffentlich so einen Stuss?“ „Dialektik.“ „Bitte was?“ „Dialektik. Wie das mit dem Kandidaten und der Partei, nur eben jetzt mit der Partei und dem Kandidaten.“ „Das verstehe ich nicht.“ „Der Kanzlerkandidat muss auch mal divergierende Meinungen über die Presse kommunizieren dürfen, möglicherweise auch Unsinn.“ „Das ist also diese Beinfreiheit, von der Steinbrück so gerne redet?“ „Quatsch. Die betrifft das, was er selbst will, und da hat die Partei sowieso nichts zu bestimmen.“ „Also muss er sich möglichst widersprüchlich und wirr äußern und in scharfem Gegensatz stehen zu seiner eigenen Partei?“ „Genau, denn dann sieht man auch, dass es uns vor diesem Hintergrund um die ganze Partei geht. Das Wir und so.“ „Aber Moment mal, jetzt ist doch diese Partei gerade so schlecht besetzt, weil dadurch der Kanzlerkandidat um so besser…“ „Das sind Feinheiten, damit können wir uns nicht auch noch auseinandersetzen.“ „Ich fasse zusammen: der ganze Laden ist derart von gestern, die SPD kann die Wahl nur verlieren.“ „Falsch. Vollkommen falsch, wir sind der Zukunft zugewandt.“ „In Ruinen ja, aber von Auferstehung kann doch wohl keine Rede sein, und der Rest – naja…“ „Absolut der Zukunft zugewandt. Die SPD ist die einzige Partei, die sich jetzt schon intensiv auf den Wahlsieg vorbereitet.“ „Nur mal als Gegenfrage, was rauchen denn Sie? das tun doch alle.“ „Aber nicht für 2017!“





Kompetententanz

20 05 2013

„Okay, und das sind jetzt alle?“ „Hatten die mehr bestellt?“ „Man kann aus diesen paar Leutchen doch kein Schattenkabinett bauen.“ „Ist nicht unser Problem.“ „Finde ich auch.“ „Die hätten ja mal nachzählen können.“ „Vielleicht dachten sie, das kostet pro Mann?“

„Und wir sollen jetzt das Kompetenzteam für Steinbrück zusammenstellen?“ „Hatte ich so verstanden, ja.“ „Unsinn, das steht doch schon.“ „Das nennen Sie Team?“ „Eben, das ist…“ „Das ist nicht der Punkt, es ist…“ „… schlicht lächerlich.“ „Das Team?“ „Lassen Sie ihn doch auch mal.“ „Wie, Steinbrück?“ „Ach was, Team. Die Kompetenz, die fehlt.“ „Und Sie denken, dass man die hinkriegt, wenn man das Team vergrößert?“ „Einer muss diese ganze Kompetenz ja schließlich mitbringen.“

„Es ist doch großartig, dass die Partei gleich von Anfang an so ein Konfliktpotenzial mitbringt.“ „Das finden Sie also gut, dass sich die Sozen schon vor der Wahl die Schädel einschlagen?“ „Wer hat denn das behauptet?“ „Konfliktpotenzial – der Wähler will Geschlossenheit!“ „Aber er will auch eine Diskussion über…“ „Geschlossenheit!“ „… soziale Gerechtigkeit und Wachstum und…“ „Danke, wir haben es verstanden.“

„Ob ein Wiesehügel reicht?“ „Der hat immerhin den letzten SPD-Kanzler als asozialen Desperado bezeichnet.“ „Oha, das gibt Ärger!“ „Meinen Sie, Schröder klagt wegen Beleidigung?“ „Würde ich ja machen.“ „Ach was, die SPD belangt ihn wegen Geheimnisverrat.“ „Ich finde das gut.“ „Dass er die Hartz-Gesetze auf den Prüfstand stellen will?“ „Oder eher, dass er die Rente mit 67 wieder abschaffen will?“ „Nein, ich finde das gut, dass er endlich mal eine soziale Position in der…“ „Haaa-hahaha!“ „Ulkig, der glaubt daran!“ „… SPD…“ „Sie sind mir vielleicht ein Schlingel, fast wären wir darauf reingefallen!“ „Aber ich meine das ernst!“ „Ja sicher!“ „Nee, schon klar.“ „Wirklich!“ „Hören Sie mal, das ist der Nach-der-Wahl-machen-wir-alles-anders-Zirkus, gefolgt von der Nach-der-Wahl-interessieren-uns-die-Versprechen-einen-Scheißdreck-Nummer.“ „Wenn sie klug wären, sollten sie mit Steuersenkungen werben.“ „Das ist doch…“ „Nee, glauben Sie mal nicht an diesen Mist. Das ist Theaterdonner.“ „Aber er hat gesagt, er will nach der Wahl…“ „Theaterdonner!“ „… ganz bestimmt, das hat er gesagt, dass er…“ „Ich glaube, er hat recht.“ „Bitte?“ „Das ist doch keine Bauernfängerei.“ „Nicht? Was denn dann?“ „Der meint es ernst! Der hat…“ „Ruhe jetzt!“ „Das ist typisch sozialdemokratische Selbstzerstörung. Vor der Wahl tröten sie alle herum, dass sie sozial sind und demokratisch und Grundgesetz und Trallala, und nach der Wahl handeln sie komplett gegen ihre Überzeugungen, damit sie von ihren Wählern auch ja eins auf die Mütze kriegen.“ „Gut, so gesehen reicht ein Wiesehügel.“

„Jetzt müsste man natürlich noch etwas für die Kernzielgruppe tun.“ „Die gebildeten Arbeiter?“ „Ach Quark, konservative Rentner natürlich.“ „Das macht doch Gabriel, oder?“ „War ich bisher der Meinung, ja.“ „Mir fiele auch kein anderer ein, der sich dafür hergeben könnte.“ „Müntefering?“ „Ist Leichenschändung jetzt Teil des Wahlprogramms?“ „Also Gabriel.“ „Der verkörpert die Rentner?“ „Nee, auf keinen Fall.“ „So was von null!“ „Wohl!“ „Quatsch! Gilt Duschen mit Kordelseife schon als Seniorensport?“ „Jetzt sagen Sie doch mal, warum ist Gabriel nichts für Rentner?“ „Weil sich ein SPD-Chef eher um Pensionäre kümmert.“

„Und die Frauen?“ „Gerne, tun Sie mir nur einen Gefallen.“ „Nämlich?“ „Fangen Sie mir jetzt nicht mit der Nahles an.“ „Das ist eine Frau?“ „Wenn man sehr genau hinhört.“ „Wer tut so was?“ „Sie meinen: wer tut das freiwillig.“ „Also diese Designforscherin.“ „Eine Designerin, die was mit diesem Interwebnetz macht?“ „Ja und? sind denn die anderen für irgendwas qualifiziert?“ „Nö, aber die tun wenigstens so.“ „Ich finde die gut.“ „Und warum genau?“ „Das zeigt doch, dass die SPD sich jetzt endlich auf moderne Kommunikation und neue Technologien einlassen will.“ „Aha.“ „So für die gesellschaftliche Dimension und so.“ „Was Sie nicht sagen.“ „Weil ja auch der Diskurs, also der wissenschaftliche Diskurs, und der ist ja zugleich auch für die Verantwortbarkeit, was dann die Konsequenzen der technischen Innovationen…“ „Also kurz und gut, die SPD verheizt mal wieder eine unbekannte Trulla, damit sie am Grundgesetz vorbei das Internet aushebeln kann.“ „Aber…“ „Nix aber.“ „… die gehört zu den kompetenten…“ „Kanonenfutter, kennt man“ „… Mitgliedern, die für die Wirtschaft…“ „Deshalb will sie sicher auch eine feste Frauenquote.“ „Hat sie das gesagt?“ „Nur für die Teilnahme an Fernsehtalkshows.“ „Recht so. Genau da wird doch Politik gemacht.“ „Mehr Nähe zu den Bürgern muss ja auch echt nicht sein.“ „Hallo, das ist doch…“ „Finde ich aber gut. Wenn man schon Juckreiz von neoliberalem Gelaber bekommt, dann sollen wenigstens zur Hälfte Frauen daran schuld sein.“

„Und wen kann er da ins Team reinnehmen?“ „Keinen, der am Leben hängt.“ „Mist!“ „Dann kann er einpacken.“ „Stimmt, mit dieser intellektuellen Magersucht ist nichts zu machen.“ „Ach was, das geht gut.“ „Wie!?“ „Machen Sie sich keine Sorgen, das wuppen die schon.“ „Entschuldigung, das meinen Sie jetzt aber nicht ernst?“ „Doch, absolut. Das geht alles. Es sei denn…“ „Na?“ „Malen Sie den Teufel nicht an die Wand!“ „… sie gewinnen aus Versehen die Wahl.“





Leben am Limit

14 05 2013

„… sich der SPD-Vorsitzende Gabriel für ein generelles Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde auf Bundesautobahnen ausgesprochen. Er erhoffe sich dadurch eine Versachlichung der Debatte um den…“

„… bereits sehr schwierig, da Gabriel den Kanzlerkandidaten auf 180 gebracht habe, so dass eine gemeinsame Lösung…“

„… müsste nach Ramsauers Ansicht erst der Zustand der Straßen und Brücken verbessert werden. Danach könne man andere Unfallursachen beseitigen, jedoch erst ab…“

„… ablehnende Haltung der FDP. Geschwindigkeitsbeschränkungen führten, wie man an Österreich, Italien und Finnland sehen könnte, direkt in eine stalinistische…“

„… sei eine Debatte um das Tempolimit zwar grundsätzlich eine richtige Idee, Gabriel werde sich aber nicht durchsetzen können, dadurch die Agenda 2010 ganz aus dem Wahlkampf heraushalten zu…“

„… ob Gabriel sich möglicherweise nur falsch ausgedrückt habe. Es sei nicht auszuschließen, dass er eine Entschleunigung für Lohnerhöhungen…“

„… sehe der ADAC keine höheren Unfallzahlen in anderen EU-Ländern, die bereits über eine Tempobegrenzung verfügten. Im Umkehrschluss werde nach Expertise des Autoclubs ein Limit zu sprunghaft ansteigenden…“

„… könne ein Tempolimit auch wichtige gesellschaftliche Diskussionen anstoßen, beispielsweise die Verlagerung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs auf Busse und…“

„… habe Gabriel auch deshalb den Vorschlag gemacht, um das bürgernahe Profil des Kandidaten Steinrück nachhaltiger in der Öffentlichkeit…“

„… sei die SPD auch für die Autoindustrie ein jederzeit zuverlässiger Partner, der auf keinen Fall gegen die Interessen der Werktätigen…“

„… dass unter dem aktuellen Spardiktat ohnehin nur deutsche Autos exportiert würden, die eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h…“

„… dass Gabriel eventuell eine unglückliche Wortwahl benutzt habe. Es sei denkbar, dass er eine verstärkte Schuldenbremse…“

„… habe Sarrazin anhand einer privaten Genanalyse herausgefunden, dass der Führer die Autobahnen für Spitzengeschwindigkeiten von…“

„… dass ein Tempolimit nur dann sinnvoll sei, wenn durch zusätzliche Kontrollen ein Mehr an Bußgeldern den Haushalt…“

„… betone Steinbrück außerdem, unter seiner Kanzlerschaft werde auch die untere Mittelschicht ungehindert mit ihren Ferraris auf den…“

„… habe die Leitung der Kampagne bestätigt, neben einer Designprofessorin und einem demnächst nicht mehr zur Gewerkschaft gehörenden Gewerkschafter gebe es keinen kompetenten Ansprechpartner im Kompetenzteam, der für den deutschen Straßenverkehr…“

„… da die deutschen Autos bereits jetzt die sichersten der Welt seien. Die AfD fordere daher den schrittweisen Ausstieg aller ausländischen Autobauer aus dem deutschen Straßenverkehr, um die Kosten nicht einseitig auf den Staat…“

„… sich die SPD spontan entschlossen habe, den ungeliebten Slogan Das Wir entscheidet durch die Formulierung Leben am Limit zu…“

„… gebe es bereits die ersten Gespräche zwischen SPD und Deutscher Telekom AG, ob eine gemeinsame nationale Drosselung nicht als…“

„… habe Gabriel ursprünglich vorgehabt, den deutschen Verkehrsablauf zu verbessern, damit alle Arbeitssuchenden morgens noch schneller bei den JobCentern…“

„… nach Berechnungen des ADAC zu einer längeren Straßenverweildauer führen, die zwangsläufig zur Einführung und der gleichzeitigen Erhöhung der Autobahnmaut…“

„… empfehle Steinbrück, das Tempolimit durch die Anpassung der Richtgeschwindigkeit auf 200 km/h zu ersetzen. Durch den beschleunigten Fließverkehr verteile sich die Schadstoffbelastung erheblich schneller als…“

„… in den Landesverbänden bereits positiv aufgenommen worden. So werde der Hauptstadtflughafen bereits mit verminderter Geschwindigkeit…“

„… würde ein Tempolimit keine positiven Effekte aussenden. Man sehe bereits am Reformstau, je schneller sich eine Gesellschaft fortbewege, desto weniger beschäftige sie sich mit den Konsequenzen des…“

„… habe Grube empfohlen, das Problem eher strukturell zu lösen. Schon der Einbau einer Klimaanlage in alle deutschen Autos könne in den Sommermonaten zu erheblichen Verzögerungen…“

„… verteile sich durch Vollgas auch der Verkehrslärm, was in den Innenstädten noch immer nicht befriedigend gelöst…“

„… sorge ein Tempolimit zwar für mehr Sicherheit m Straßenverkehr, gleichzeitig aber für einen Arbeitsplatzabbau in der Sicherheitsbranche, die nicht mehr genügend…“

„… die Zahl der Unfalltoten ohnehin rückläufig seien. Gerade im Hinblick auf das deutsche Bestattungswesen wolle die Sozialdemokratie eine nachhaltige…“

„… drohe ein Teil der Sportwagenfahrer zum Rasen ins Ausland zu fahren, was erhebliche Mindereinnahmen an Mineralölsteuern…“

„… dass Gabriel beim Zurückrudern eine Geschwindigkeitsüberschreitung…“





Wahrsager

8 05 2013

„Wie, Wahrsager? Ausgerechnet Sie?“ „Warum denn nicht?“ „Sie sind doch Sozialdemokrat.“ „Bin ich gar nicht.“ „Wieso?“ „Ich bin schließlich in der SPD.“ „Meinetwegen, aber deshalb sind Sie noch lange kein Wahrsager.“ „Doch. Wir sagen ab jetzt einfach die Wahrheit.“

„Entschuldigen Sie mal, das ist doch…“ „Richtig, das ist unsere Lebensversicherung.“ „… völliger Unfug, wollte ich sagen.“ „Nein, das ist der einzige Ausweg.“ „Sie können doch nicht einfach die Wahrheit sagen.“ „Wer hindert uns denn?“ „Nicht wer, sondern was. Die Wahl.“ „Warum die Wahl?“ „Weil man vor einer Wahl immer lügt. Das ist so, das gehört eben dazu.“ „Und deshalb wählt man die, die am besten lügen?“ „Nein, aber…“ „Also Sie wissen es auch nicht.“ „Da muss doch etwas dran sein, dass alle vor der Wahl immer diese haltlosen Versprechungen machen und dem Volk erzählen, dass es schon nicht so schlimm wird mit der Mehrwertsteuer.“ „Und deshalb machen wir das jetzt auch, was?“

„Jetzt wüsste ich aber schon mal gerne, warum Sie denn unbedingt den Wählern reinen Wein einschenken wollen. Das bringt Ihnen doch nur miese Umfragewerte ein.“ „Sie sind ja mal ein ganz kluges Köpfchen.“ „Und wenn Sie sich nicht vorsehen, dann hat die SPD überhaupt keine Chance mehr.“ „Donnerwetter.“ „Und dann war’s das mit dem Wahlsieg.“ „Was Sie nicht sagen.“ „Nehmen Sie mich überhaupt ernst?“ „Nehmen Sie mich denn ernst?“ „Warum denn nicht?“ „Weil Sie sich ganz schön naiv anstellen.“ „Aber Sie werden die Wahl wirklich verlieren, wenn…“ „Warum, denken Sie, haben wir Steinbrück zum Kandidaten gemacht?“

„Das muss ich jetzt aber echt erstmal verkraften. Sie meinen, Sie arbeiten dem politischen Gegner bewusst in die Hände?“ „Richtig.“ „Haben Sie denn überhaupt keine Moral mehr? Keinen Anstand?“ „Wir haben vor allem Überlebenswillen. Und ich sehe nicht ein, dass wir die Krise beseitigen, die die anderen uns eingebrockt haben.“ „Sie wollen die Wahl verlieren, damit Sie nichts ändern müssen?“ „Naja, genau genommen, weil wir auch nichts ändern können.“ „Aber dann werden die…“ „Vergessen Sie’s. Die können auch nichts. Die geben es nur nicht zu.“ „Das heißt, die wollen doch etwas ändern?“ „Nein.“ „Oder sie denken, dass sie etwas ändern können?“ „Quatsch.“ „Aber was ist denn dann der Unterschied?“ „Die werden erst nach der Wahl zugeben, dass sie sich das ganz anders vorgestellt haben. Oder wenn sie Glück haben, merken die Leute das von alleine. Oder aber auch gar nicht.“

„Sie haben Steinbrück als Kanzlerkandidaten genommen, damit er verliert.“ „Er macht seine Sache großartig.“ „Und er weiß von seinem Auftrag?“ „Keine Ahnung. Ich habe keinen Überblick, ob der Mann wirklich so naiv ist, wie er sich überlegen gibt.“ „Ist das nicht unehrlich?“ „Mag sein.“

„Das mit den Steuererhöhungen…“ „Ja, ich weiß. Das war dumm.“ „Aber Sie haben doch gesagt, Sie wollen gar nicht regieren?“ „Eben.“ „Aber wenn Sie das mit den Grünen abgesprochen haben?“ „Eben nicht, das ist es doch.“ „Dann freuen Sie sich doch. So eine Vorlage, das ist doch wundervoll.“ „Wofür?“ „Naja, es zeigt doch, dass Sie sich mit Ihrem potenziellen Koalitionspartner wirklich bestens…“ „Ach papperlapapp! Das ist doch die Katastrophe!“ „Aber…“ „Erst setzen die mit den Steuererhöhungen einen Wirkungstreffer, und dann bekennen sie sich auch noch derart demonstrativ zur SPD als Koalitionspartner!“ „Ja, aber das…“ „Das ist ein Desaster!“ „… ist doch gar nicht so schlimm?“ „Nicht schlimm!? Das ist die Definition von Weltuntergang! Was meinen Sie, wie die Wähler darauf reagiert haben?“ „Außer sich?“ „Schön wär’s. Die Grünen haben in den Umfragen sogar noch zugelegt.“ „Freuen Sie sich doch.“ „Mann, haben Sie noch alle Tassen im Schrank!? Freuen, weil wir möglicherweise doch regieren müssen, wenn diese verdammten Grünen Rot-Grün nicht verhindern?“ „Aber die bekennen sich doch wenigstens zu Rot-Grün.“ „Verdammt noch mal, das ist es doch gerade!“ „Wieso, was…“ „Wenn diese Idioten vielleicht wieder herumeiern würden, wenn sie irgendwann mal versehentlich sagen, dass sie sich als Juniorpartner der CDU auch nicht aus der Verantwortung stehlen würden, falls es gerade rechnerisch hinhaut und man der FDP damit einen Arschtritt verpassen könnte, meine Güte: das wäre wenigstens mal ein Knaller, aber so?“ „Sie wollen doch wohl nicht die Grünen dafür verantwortlich machen, wenn es mit dem Wahlsieg etwas wird?“ „Was denn sonst? Wenn die Wähler jetzt wie blöde für Steuererhöhungen stimmen und wir am Ende nicht anders können, als die Steuersenkungen der Regierung zu verteufeln, dann ist es doch Essig mit Opposition!“ „Ich dachte immer, Opposition sei Mist?“ „Stimmt ja auch, aber Regierung ist doch noch viel beschissener.“

„Und dann treten Sie 2017 wieder an.“ „Hoffen wir’s.“ „Und dann ist natürlich alles viel besser.“ „Jedenfalls ist Merkel dann endgültig weg vom Fenster.“ „Meinen Sie?“ „Und dann können wir endlich mal eine ganz neue Richtung für die Euro-Rettung einschlagen. Dann wird sich unsere jetzige kluge Zurückhaltung nämlich auszahlen.“ „Sie meinen Ihre sachzwanginduzierte Ehrlichkeit.“ „Eben. Denn nach allen Erkenntnissen wird dann die Krise keineswegs vorüber sein.“ „Also wissen Sie…“ „Was?“ „Dazu braucht man nun wirklich kein Wahrsager zu sein.“





Tod und Erklärung

23 04 2013

„Bloß keine Lachshäppchen. Das kommt nicht an. Ist nicht unser Profil. SPD ist Currywurst. Ja, ich auch nicht. Aber deshalb werden wir das Zeug trotzdem anbieten müssen. Es hilft ja nichts. Wir werden nur einmal 150.

Irgendwas muss man ja machen, nicht wahr, und diesmal wollen wir es im kleinen Kreis feiern. Im kleinsten Kreis. Im allerkleinsten. Nur die Wähler. Dann brauchen wir auch nicht so viel Stühle. Und Fähnchen. Und Kugelschreiber. Ich meine, wenn wir uns nicht auf der Jubiläumsfeier als Kümmerer-Partei ausgeben, wann denn dann?

Eigentlich wollten wir ja gar keine Festreden, aber dann meckert die Presse wieder. Dann halten die anderen Festreden, dass wir keine Festreden hatten, und kommen in die Abendnachrichten. Das geht auch nicht. Aber wen sollen wir da einladen? Lafontaine? oder Schröder? Sie haben gut reden. Beide, dann brauchen wir den Saal gar nicht erst aufzuschließen.

Haben die dieses widerliche Lila eigentlich auch für den Teppich ins Corporate Design geschrieben? Wenn das schon bei den Wandverkleidungen so aussieht wie gewollt und nicht gekonnt, dann muss man doch erst recht kotzen, wenn man auf den – Vorhänge? Meinetwegen, die paar Vorhänge wird man doch in einem geschlossenen Raum verkraften.

Aber die Reden. Erst Steinmeier, dann eventuell Rahmenprogramm, dann Gabriel, dann Pause, und dann der Seeheimer Kreis, und dann sehr lange Pause, und dann eventuell für die verbliebenen Gäste noch Sarrazin. Nach Einbruch der Dunkelheit dürften die meisten doch sowieso derart besoffen sein, dass man ihnen jedes Arschloch als SPD vorsetzen kann.

Vor allem die Chronologie macht uns ja leichte Schwierigkeiten. Wir hatten uns da so eine Art Multimedia-Show ausgedacht. Ja gut, Diavortrag halt. Aber mit Kommentaren halt und etwas Musik. Arbeiterchor aus Herne. Und Blasorchester. Und dann wollten wir die ganze Geschichte der Partei zeigen. Vom Eisenacher bis zum Godesberger Programm, dann Wiedervereinigung, und dann haben wir ein Problem. Nein, eben nicht. Wenn uns nach 1998 die Dias ausgegangen wären, hätten wir eben einfach weitergemacht. Wie das so bei der SPD ist, wenn bei uns etwas schief geht, machen wir einfach weiter, als hätten wir es nicht gemerkt. Naja, meistens merken wir auch nichts. Aber das ist ja nicht das Problem. Wir hatten noch Dias. Wir hatten sogar noch jede Menge Dias seit 1998. Aber wollen Sie das sehen?

Als Giveaways dachten wir an kleine Tütchen, Plastikfolie, Sie verstehen? ADAV? Hallo!? ist doch nicht so weit bis ADAC, oder? 50 Milliliter Benzin in Schlauchverpackung? Ein Schritt mehr zur energetischen Entlastung des Mittelstandes – das ist bald eine bessere Wertanlage als Gold! Das ist innovativ! Das ist echt bürgernah, verstehen Sie? Naja, wenigstens ist es ein typisches SPD-Geschenk. Die Unterschicht fühlt sich ausgegrenzt, die Mittelschicht fühlt sich verhöhnt, weil sie sich davon bald kein Auto mehr leisten kann, und die Oberschicht wirft das den Pennern in den Hut, weil denen eh der Spritpreis am Arsch vorbeigeht. Und die Grünen, die fragen sich auch, womit sie das verdient haben.

Dann noch der Saal, wir brauchen ja auch ein paar Spruchbänder. Atlasseide, gerne mit goldener Schrift. Antiqua, dazu rote Nelken, und in Großbuchstaben – Ruhe sanft? Sie sind wohl mit der Muffe gebufft!? Spruchbänder, verdammt noch mal, nicht Trauerschleifen! Was glauben Sie denn, was hier gespielt wird? Tod und Verklärung? Eher: Erklärung. Wenn man weiß, woran es lag, kommt man mit der Realität hinterher besser zurecht.

Wen haben Sie eigentlich für die Festschrift vorgesehen? Schily? Ach du lieber mein Vater, das kann ja heiter werden. Der schaltet ja am liebsten nicht nur die SPD, sondern gleich das ganze Grundgesetz ab. Ja, Sie haben recht. Das ist wie 1933: hier scheiden sich die Idealisten von den Pragmatikern. Aber lassen Sie uns nicht ständig von der Agenda 2010 reden, wir müssen ja auch das Personal bezahlen. Garderobe, Saalschutz, Klofrau – hören Sie mal, dieses Gegender können Sie sich an den Hut löten, für die Frauenquote ist jetzt die Merkel zuständig, klar? – Parkwächter, Kellner, Küchenhilfen, irgendwer muss den Mist halt erledigen. Haben Sie eine Kalkulation vorliegen? Egal, das wird dann das Wir ganz solidarisch entscheiden, wir haben eine Zeitarbeitsfirma am Start, aber seien Sie vorsichtig. Die haben ein paar Wirtschaftsmigranten dabei, also achten sie gefälligst darauf, dass Sie keine 8,50 die Stunde zahlen. Geburtstag hin oder her, wir sollten auch mal an die Arbeitgeber denken. Vor allem in Hinblick auf die nächste Bundestagswahl.

Rechnen Sie doch mal zusammen: Klappstühle, Programmhefte, Blasmusik, Wurst, Champagner – Schaumwein, wollte ich sagen, Schaumwein, und dann die Blumen, und ein paar Luftschlangen, vielleicht haben wir noch ein paar Ballons vom letzten Wahlkampf, Heißluft ist ja immer genug da, und dann mit Mehrwertsteuer – was!? Gut, dann lassen wir Steinbrück dreimal auftreten als Redner, da haben wir insgesamt fast 70.000 Euro gespart, davon können wir den Rest schon bezahlen.

Ja, ich weiß, dass das alles Mist ist. Das wird keine Party, das wird ein Begräbnis dritter Klasse. Aber was sollen wir denn machen? Oder haben Sie die Nummer von Helmut Schmidt?“





Ochsentour

17 04 2013

„Gerne, wir machen dann mittags einen Fototermin und am Nachmittag ist der Kandidat in der Fabrik. Vor der Fabrik, wollte ich sagen. Vor der Fabrik. Nein, reingehen ist nicht möglich. Richtig, wegen der Zeit. Sie haben es erraten.

So ein Wahlkampfprogramm ist hart. Sie machen das zum ersten Mal, nehme ich an? Ach, keine Sorge. Steinbrück auch. Wobei, Sie können ja in vier Jahren noch mal einen Wahlkampf machen. Wenn Sie diesen halbwegs verkraften sollten.

Das Immobilien-Forum ist okay, das nehmen wir am Vormittag. Dann gleich den Pressetermin, dass wir trotzdem für die Mietenbremse sind, aber trotzdem eine Mietensteigerung von zehn Prozent nicht schlimm finden, aber trotzdem – wo war ich? Ach ja, Immobilienmakler. Da müssen Sie darauf achten, dass Sie immer genug Spendenquittungen dabei haben. Falls mal einer versehentlich mit der Partei sympathisieren sollte, gleich unter die Nase reiben. So ein Wahlkampf bezahlt sich nicht von selbst.

Haben Sie keine Zahnärzte auf Lager? Wie, sind alle bei Rösler? Lassen die sich Steuersparmodelle in Vietnam beibringen? Na gut, Schwestern. Wie alt? Schwesternschülerinnen? Okay, das geht so gerade noch. Die machen das hoffentlich alle noch aus Idealismus, da müssen wir ihm nichts über Mindestlohn ins Manuskript schreiben. Immerhin kann er da sein Standardrepertoire über Bildung und Soziales absondern. Und Rentenkürzungen. Schließlich müssen auch Schwächere ihren Beitrag leisten, um das Solidarsystem zu entlasten. Wie sollten wir sonst unsere private Altersvorsorge finanzieren?

Dann nehmen wir noch das Banker-Meeting mit rein. Ob das eine systemrelevante Bank ist? Ich verstehe Ihre Frage nicht – das ist eine Bank, also ist sie systemrelevant, oder? Bei einer Schule könnte man ja wenigstens noch fragen, ist das eine Privatschule zur Förderung geistig benachteiligter Leistungsträgerkinder oder eine Normalpenne für Arbeiter, aber bei einem Kreditinstitut? Wir leben schließlich in einer marktkonformen Demokratie, da sind alle gleich viel wert. Vorausgesetzt, sie verdienen genug.

Klar, wir brauchen Möglichkeiten, an denen sich der Kandidat profilieren kann. Immer vorausgesetzt, wir haben auch die richtige Presse an Bord. Wir zeigen ihm das Land, und er stellt sich dann überall hin und sagt, Kinder, so cool, wie die FDP das findet, ist es nicht, aber wir sorgen dafür, dass es bald so wird. Glauben Sie nicht? Lassen Sie den Steinbrück mal machen. Lassen Sie den Kanzler werden, dann sieht das hier bald so aus, wie sich das die FDP vorgestellt hat.

Pflegeheim lassen wir mal besser. Stellen Sie sich vor, der Kandidat muss da alte Haut anfassen. Ist doch ekelhaft. Nein, den Termin lassen wir raus. Das ist nichts. Arbeiter-Samariter-Bund? Nein, ich sage doch, das geht nicht. Das mag ja auch sein, dass das landschaftlich schön gelegen ist, und das Foto mit dem Springbrunnen ist auch ganz hübsch, aber dann brauchen wir doch den Steinbrück nicht auch noch, oder? Nein, ich kann Ihnen da nicht – Ortsverband? Wieso, was haben die denn auf der Eröffnungsfeier zu suchen? Der Bürgermeister? Der Mann ist doch schon in der SPD, wozu muss der denn auch noch… Bürgerbeteiligung? das wird ja immer schlimmer, gehen Sie mir weg damit! Das macht Steinbrück garantiert nicht, der stellt sich doch garantiert nicht in den – Rohbau? Und der Bauunternehmer ist Parteimitglied seit 1965? Mann, sagen Sie das doch gleich! Natürlich kommt der Kandidat. Na sicher, der ist überall da, wo das Bruttoinlandsprodukt gesteigert wird.

Das mit der Kita ist ja sicher nett gemeint, aber sehen Sie mal, was braucht ein Kandidat so gar nicht? Richtig, Flecke auf dem Schlips. Einmal durchlaufen? Da kennen Sie Steinbrück aber schlecht, der ist immer im Mittelpunkt des Geschehens. Der will alles anfassen, der ist sich für nichts zu schade. Der geht immer direkt in den Brennpunkt, verstehen Sie? Dahin, wo es wehtut. Der geht auf Tuchfühlung, verstehen Sie? Der kennt da nichts, das ist ein echter Sozialdemokrat. Und genau deshalb betritt er auch keine Kita. Ende der Diskussion.

Oder irgendwas mit Tieren. Aber nicht, dass Sie eine Rinderfarm einplanen, und dann sind da lauter Pferde. Muss ja nicht gerade jetzt sein, auf der Ochsentour.

Aber doch bitte keine Computernerds! Diese langhaarigen Typen, die immer nur Pizza essen und Datenbanken hacken, das ist doch kein Umgang! Sicherheitssoftware? Der Vorstandsvorsitzende ist Multimillionär und Professor für Informatik? Honorarprofessor sogar? Honorar ist immer gut, da wollen wir mal nicht so sein. Das war ein bisschen leichtfertig dahingesagt, dass die SPD der Anwalt der Existenzgründer sein will, aber man kann ja auch im Niedriglohnsektor Firmen gründen.

Frauenclub kriegen wir auch noch hin, dann haben wir auf der Rückfahrt auch kurz Zeit für die Arbeitgeber, und wenn wir diese Bürgerinitiative für Steuergerechtigkeit auf den nächsten Wahlkampf vertrösten, dann machen wir auch einen kleinen Schlenker da im Osten, und dann winkt der Kandidat vielleicht einmal im Vorüberfahren dem Arbeitslosentreff zu. Naja, Aussteigen – wie stellen Sie sich das vor? Bei voller Fahrt kann man doch nicht so einfach… Nein, das ist nicht Ihr Ernst? Sagen Sie, dass das nicht Ihr Ernst ist! Eine Willy-Brandt-Statue einweihen? Für wen arbeiten Sie eigentlich? Für den Kandidaten? oder die Partei?“