Finanzspritzen

8 09 2020

„… einen Untersuchungssausschuss vor der Hamburger Bürgerschaft einsetzen wolle. Bisher habe Scholz zu den Cum-Ex-Geschäften zwar alle Vorwürfe zurückgewiesen, auf der anderen Seite jedoch alles eingeräumt, was sich nicht mehr in…“

„… es keine rechtsfreien Räume gebe. Vielmehr habe der Bundesfinanzminister selbst durch ein Gesetz dafür gesorgt, dass die illegal erstatteten Zahlungen nur rechtmäßig in der Hand von…“

„… sehe die Hamburger SPD-Fraktion den Ex-Bürgermeister als entlastet an. Weder könne man einen Zusammenhang mit der HSH Nordbank noch Verstrickungen mit den G20-Krawallen als…“

„… den Deutschen Bundestag nicht in seiner Funktion als Kanzlerkandidat der SPD belogen habe, sondern als ehemaliger Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Da Scholz nun aber dieses Amt gar nicht mehr innehabe, fühle er sich nicht mehr in der Verantwortung für den…“

„… nicht auszuschließen sei, dass Scholz die Rückzahlungen zur Vermeidung einer drohenden Bankenkrise gestoppt habe. Möglich sei aber auch, dass die Privatbank selbst ohne Wissen des SPD-Bürgermeisters Verbindungen zum Fiskus…“

„… würden sich auch die Sozialdemokraten in ihrer Wahl des Kanzlerkandidaten bestätigt sehen. Scholz beweise durch seine Vergangenheit, dass er ebenso wie Friedrich Merz eine große Nähe zur Wirtschaft sowie erhebliche Kompetenz in der…“

„… dass von Warburg ein Berater instruiert worden sei, eine stringente Argumentation für die Steuerbehörde zu entwerfen. Dass die SPD nur auf Anweisung der Bank gehandelt haben könnte, trage bereits zur Entlastung der…“

„… die Spende an die Hamburger SPD rein zufällig kurz nach einer Wirtschaftsprüfung erfolgt sei. Leider habe die Partei kein Konto bei Warburg gehabt, so dass die Zahlung nur über einen…“

„… würden Kanzler üblicherweise erst nach der Wahl den Bundestag trotz erwiesener Tatsachen belügen. Die Sozialdemokraten seien fest davon überzeugt, dass dies nur für Scholz spräche, als Regierungschef die…“

„… die Bankberater von Steuererhöhungen abgeraten hätten, da zahlreiche Leistungsträger dann keinen finanziellen Spielraum mehr besäßen und dies die Versuchung für weitere Cum-Ex-Geschäfte oder andere…“

„… auch Finanzspritzen für weitere Vorhaben sammeln würde. Es sei daher nicht auszuschließen, dass ein weiteres Kohlekraftwerk in…“

„… sichere die Kanzlerkandidatur von Scholz der Partei auch große Stimmanteile im gehobenen Mittelstand, der nun nicht mehr auf die CDU als…“

„… habe Scholz zwei der drei Treffen mit dem Co-Chef von Warburg vergessen, da er durch die Lektüre einer Biografie von Helmut Kohl einen oder mehrere Blackouts im…“

„… trage man als Regierender Bürgermeister große Verantwortung für die Wirtschaft, vor allem, wenn eine Bank schon durch Rückzahlung illegaler Gewinne in eine gefährliche Schieflage zu geraten drohe. Scholz’ Amtsnachfolger habe sich durch sein beherztes Eingreifen für eine politische Karriere in höchsten Ämtern qualifiziert und werde damit…“

„… endlich wieder einen Spitzenkandidaten habe, der sich frühzeitig mit Machtpolitik befasse und mit epochaler Fähigkeit zum Aussitzen eine große Chance besitze, eine geistig-moralische…“

„… Teil eines langfristigen Plans sei. Scholz bereite eine Senkung der Wirtschaftskriminalität in der Bundesrepublik vor, die durch eine innovative Gesetzgebung in der SPD-geführten Regierung auf den niedrigsten Stand seit…“

„… ob es sich um einen verfassungsrechtlich umstrittenen Eingriff in die Abgabenordnung handele. Scholz weise jedoch darauf hin, dass nur sehr wenige Bürger von dieser Rechtsunsicherheit betroffen seien, so dass für die breite Bevölkerung zu keiner Zeit eine Gefahr bestanden habe, zu hohe oder steuerrechtlich problematische…“

„… hätte eine Rückforderung falsche politische Signale ausgesendet. Die Sozialdemokraten hätten immer wieder mit dem Vorurteil zu kämpfen, das Kapital aus Deutschland zu vertreiben oder wenigstens den Kapitalisten ihre…“

„… sei es für Scholz aber noch zu früh, sein Ehrenwort zu geben. Allerdings bestehe auch kein Zweifel daran, wer die Spenden an die…“

„… es erhebliche Schwierigkeiten gebe. Viele der Cum-Ex-Beträge seien inzwischen ausgegeben worden und könnten daher nicht zurückgefordert werden, was insgesamt wieder zu einer ungerechten Behandlung der…“

„… rücke die SPD grundsätzlich nicht von ihrem Spitzenkandidaten ab. Solange mit Scheuer und Klöckner Mitglieder der Bundesregierung jeden Standard unterlaufen können, gebe es keinen Grund für Scholz, sich als…“

„… auf einen strikten Sparkurs einstimmen werde. Der Bundesminister der Finanzen sehe nicht nur durch die Folgen der Corona-Pandemie die Notwendigkeit, soziale Errungenschaften auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls mehr Eigenverantwortung von den Bürgern zu verlangen, da Deutschland durch sinkende Steuereinnahmen mehr Instrumente zur Planungssicherheit für die Banken und den Handel…“





Casino Royale

20 11 2019

„Im Zweifel natürlich immer für den Angeklagten, wobei: angeklagt hat Sie noch keiner, das wollen wir ja auch verhindern. Und da befinden wir uns auch in einer guten deutschen Tradition, dass wir im Sinne eines noch nicht Beschuldigten ermitteln und Mittel zu seiner Entlastung finden. Sie werden sehen, diese neue Dienststelle wird Ihre Steuern sehr gründlich durchleuchten und nichts finden.

Die Unterlagen haben Sie dabei? Hätten Sie gar nicht gebraucht, bei der Lohnsteuererklärung weiß das Finanzamt auch schon, was Sie eingenommen haben. Die wollen nur nachprüfen, ob Sie ehrlich sind, deshalb müssen Sie noch mal alles angeben, und dann können wir Sie bestrafen, wenn wir das wollen. Erinnert ein bisschen an Hartz IV, finden Sie nicht auch? Da können Sie mal sehen, unsere Sozialpolitik ist gar nicht so praxisfern, wie manche das immer behaupten.

Aber egal, wir glauben Ihnen alles. Das hat sich der Bundesfinanzminister gut ausgedacht, oder? Da sieht man, der will wirklich Kanzler werden. Ist zwar im Moment ein bisschen kompliziert, weil die anderen wohl auch etwas von Politik verstehen, aber man kann nicht alles haben. Es sollen ja nicht die vielen hart arbeitenden Menschen bestraft werden, weil sie sich einfach ein bisschen mehr Gerechtigkeit für ihr Geld wünschen. Wir wollen an die richtig dicken Fische ran. Da sind Sie mit ein paar Millionen im Monat doch noch gar nicht auf unserem Radar.

Und wir warten jetzt auch nicht, bis die Sachen verjähren, das haben wir mit der Steuerfahndung extra so abgesprochen. Das ist für Sie sicher neu, aber fassen Sie sich, für uns ist es auch ungewohnt. In unserer alten Abteilung wurden Sie ja mit etwas Glück nur frühpensioniert, wenn Sie Ihre Arbeit entgegen der Dienstanweisung ernst genommen haben. Wenn Sie auch noch Ehrgeiz entwickelt haben, dann konnten Sie schon mal zu Ihren Vorgesetzten in die Psychiatrie umziehen. Aber das ist jetzt vorbei. Wir haben ein ganz neues Modell, das sich mit der Einnahmen- und Ausgabensituation des Staates verbindet, dem sozusagen Rechnung trägt – super Wortspiel, oder? dann eben nicht – also wo war ich? Geld. Jeder braucht Geld, Sie brauchen Geld, wir auch, also kann doch der Staat auch mal was für die Bürger tun, um umgekehrt.

Wir arbeiten ja auch nicht explizit gegen die Steuerhinterziehung. Diese Dienststelle befasst sich mit Steuergestaltungsmodellen am Kapitalmarkt, das ist etwas völlig anderes. Möglicherweise haben wir die eine oder andere Idee, wie man staatliches Vermögen auch ohne schwarze Null vermehrt. Am Ende ist Cum-Ex noch legal, und wir beißen uns alle in den Arsch. Das ist ein bisschen so wie im Casino Royale, Sie müssen nur aufpassen, dass Sie gleichzeitig am Spieltisch sind und in der Bank. Wie das funktioniert, hat uns auch noch keiner von den Finanztypen erklären können, aber das wusste bei den Steuerabschreibungen ohne Rückzahlung, nee, Rückzahlung ohne Steuer, oder wie war das? auf jeden Fall kam da am Ende Geld raus, und wir mussten das zahlen. Deshalb verlangen wir jetzt von uns negative Zinsen – die positiven müssten wir ja selbst erwirtschaften, aber die negativen kriegen wir als Staat geschenkt. Von wem? Von uns als Bank, als Staat natürlich, oder andersherum? Egal, das ist so einfach, das kapiert das Finanzamt nie, und wenn, dann sind wir längst über alle Berge.

Also wir machen das mit der Task Force ganz einfach andersherum, verstehen Sie? Sie haben da ein paar Milliarden, und wir machen Ihnen ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können. Doch, die Milliarden haben Sie. Wir wissen das besser. Sie können es natürlich auch ohne uns versuchen, aber Sie wollen nicht wissen, wie das ausgeht. Nehmen Sie den Ratschlag eines guten Freundes an, Sie sollten mit uns kooperieren. Es ist besser für Sie.

Die normalen Banken geben negative Zinsen gar nicht an die Verbraucher weiter, insofern haben Sie Glück, wenn Sie mit uns zusammenarbeiten. Es wahrt Ihr Vermögen. Sie brauchen also nicht mal Aktien, auch keine ohne Dividendenanspruch, und wenn etwas schief läuft, dann zahlen Sie nur das, was Sie als Steuerzahler sowieso belasten würde. Wenn Sie jetzt nicht gerade Kinder haben, die von Schulen profitieren würden oder von den Laternen auf dem Schulweg, oder vielleicht auch von den Schienen, auf denen der Zug zur Schule fährt, dann können Sie das eigentlich auch komplett ignorieren.

Dass wir auf diese Art noch mal so eine richtig ertragreiche Public Private Partnership hinkriegen würden, das hätten Sie nicht gedacht, oder? Man muss kreativ sein, wenn man sich gegen diese furchtbar komplizierten Gesetze behaupten will. Na egal, es dauert ja nicht mehr lange, dann ist das alles vorbei. Das mit den komplizierten Gesetzen jedenfalls. Jetzt müssen wir nur noch zusehen, dass wir die zuständigen fünfzig Mitarbeiter mit sehr viel Dokumentation in die Lage versetzen, ihre großen Erfolge für die Nachwelt zu erhalten. Viel wird es nicht gerade sein, aber deshalb muss man’s ja auch nicht gleich verschweigen, oder?

So, was haben wir denn da eigentlich? VW-Aktien, interessant. Wirklich, sehr interessant. Ich fürchte, da können wir leider nichts mehr machen. Der Konzern muss natürlich aus Staatsräson in den schwarzen Zahlen bleiben. Da hätten Sie besser auf ein anderes Pferd gesetzt. Tut mir jetzt ja auch leid, aber das wäre sonst mit Verlusten verbunden, die nicht nur Sie betreffen. Trösten Sie sich, so ist das nun mal in der Finanzwirtschaft. Mal verliert man, mal gewinnen die anderen.“





Kanonen statt Butter

26 03 2019

„… gegen mehrere Politiker der AfD-Führung ermittle. Die dabei im Raum stehenden Vorwürfe der illegalen Parteienfinanzierung nehme man bei der Staatsanwalt sehr…“

„… die einzige Möglichkeit, die finanziellen Mittel der Partei in standesgemäßer Höhe zu halten. Gauland habe einen Angriffskrieg zu diesem Zweck bisher immer ausgeschlossen, könne sich nach den jüngsten Angriffen der Justiz allerdings auch eine Änderung seiner…“

„… erst die Spender ausfindig machen müsse, bevor man von einem Gesetzesverstoß ausgehen könne. Maier kenne sich als Jurist gut aus mit der Strafprozessordnung und werde sich daher auch nicht an sie…“

„… damit entschuldigt habe, dass die meisten Parteimitglieder vornehmlich zur Sicherstellung der eigenen Bezüge in die Politik gegangen seien. Die Stückelung der Spendensummen sei für die Parteiführung ein notwendiges Übel gewesen, da die Schatzmeister größere Geldbeträge sonst reflexartig auf ihre privaten…“

„… habe die Partei keine Spendengelder bekommen, diese aber nach einer Wartezeit von wenigen Wochen sofort zurückgegeben und…“

„… es sich gar nicht um illegale Parteienfinanzierung handeln könne, da die AfD legal in den Reichstag gelangt sei. Meuthen kritisierte im Gegenzug die Altparteien, die nicht den Willen des deutschen Volkes, sondern nur im Auftrag von Migranten, Negern, Homosexuellen und anderen rassisch…“

„… lege die AfD großen Wert darauf, dass sie die anonymen Spenden viel schneller zurückgezahlt hätte, wenn diese tatsächlich nicht anonym, sondern von denen gespendet worden seien, die man wegen ihrer namentlichen Nennung als Spender als die tatsächlichen Spender der anonym gezahlten…“

„… reiche es der AfD vollkommen aus, als Partei Rechtsstaatlichkeit und Gesetzestreue zu fordern, solange sie selbst diese nicht auch noch in eine…“

„… sich eine Drittrolex habe kaufen müssen. Für Weidel sei dies ein Akt der Notwehr gewesen, da inzwischen jede Ausländerin aus einem minderwertigen Kulturkreis mit einer teuren…“

„… müsse man die Geldbeträge immer in Relation zu anderen sehen. Höcke betrachte die an die AfD gespendeten Summen als viel zu gering, als dass man damit den dringend notwendigen Staatsstreich unternehmen könne und wolle damit alle Verfahren wegen Geringfügigkeit sofort im…“

„… viele anonyme Personen behauptet hätten, die Alternative für Deutschland zu unterstützen. Storch sehe dies als Beweis, dass die Partei eine Stimme der schweigenden Mehrheit sei, die sich gegen das politische System der BRD GmbH in seiner von Gendergaga und linksfaschistischer Umvolkungsagenda mit allen Mitteln…“

„… es keine Beweise für eine Strafbarkeit von Spenden gebe, da diese auch aus Mildtätigkeit heraus gegeben worden sein könnten. Gauland sehe darin eine Verankerung der AfD im christlichen Abendland, die sich durch steuerliche Vorteile…“

„… die deutschen Tugenden bedroht seien. Höcke fordere im Falle eines Verbots von finanzieller Unterstützung die Rüstungsindustrie auf, nach dem Motto Kanonen statt Butter das Vaterland direkt durch Sachspenden vor dem drohenden Volkstod zu…“

„… die Steuerhinterziehungen von Gauland nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Spendenaffäre stehe. Es sei jedoch denkbar, dass er seine einbehaltenen Beträge anonym an die…“

„… immerhin keine eigenen Scheinfirmen für die Umlenkung von Spendengeldern gegründet habe, wie dies von Storch stets unternehme, wenn sie ihre privaten Geldflüsse verschleiern wolle. Weidel betrachte dies als Beweis, dass keinerlei Fahrlässigkeit im Umgang mit den…“

„… es keine Rückschlüsse auf natürliche Personen gebe. Aus dem nationalsozialistischen Flügel gebe es daher die Gewissheit, dass es sich nicht um Mitglieder der Identitären…“

„… habe die AfD die Spenden ursprünglich nur zum Aufbau von Rücklagen angenommen. Juristen hätten vorab gewarnt, dass die Annahme der Gelder Grund zu hohen Strafzahlungen sein könnten, was die Partei ja erst auf den Gedanken gebracht habe, Rücklagen in Höhe von mindestens einer…“

„… dass es aber keinen Grund gebe, an der Verfassungstreue der AfD zu zweifeln. Da die Verfahren der Parteienfinanzierung jedoch nicht durch das Grundgesetz bestimmt seien, könne Maaßen hier keinen Konflikt mit der…“

„… keinen politischen Schaden für die AfD befürchte. Gauland wisse, dass die Partei nicht wegen ihrer gesetzestreuen Handlungen wegen gewählt würde, sondern wegen einer Schicht geistig stark zurückgebliebener Asozialer, die sich von…“

„… sich für Maaßen nicht die Frage stelle, ob die AfD mit einzelnen kriminellen Strukturen als Ganzes gegen die Verfassung verstoße. Ziel der politischen Auseinandersetzung müsse es für ihn im Gegenteil sein, dass zuerst das Grundgesetz abgeschafft werde und dann erst die…“





Der Prozess

23 02 2010

„Das werden Sie noch bitter bereuen! Meine Anwälte werden Sie fertig machen, das schwöre ich Ihnen! Sie werden sich noch umgucken!“ Ein unartikulierter Schrei ließ mich zusammenzucken. Die Tür flog auf. Stadtbaurat Klarwasser taumelte auf den Flur, die Hand vor das Gesicht gepresst. „Kommen Sie bitte“, erscholl die bekannte Stimme aus dem Amtszimmer. Ich trat ein.

„Ein Stück Kandis oder zwei?“ Blume goss Tee in die Tassen. Er lächelte verkniffen. „Nicht, dass man uns noch spätrömische Dekadenz vorwirft.“ Der bullige Mann mit dem kahlen Schädel knetete die Finger. „Gehen Sie nur“, ermunterte der Beamte ihn, „machen Sie eine halbe Stunde Pause. Sie sind ja schon den ganzen Tag im Einsatz.“ Der Boxer stand schwerfällig auf und schlurfte zur Tür. „Herr Kagalin übernimmt bei uns die unzufriedenen Kunden. Sie verstehen?“ „Man sagte mir“, gab ich zurück, „dass Ihre Klienten oft nicht einverstanden seien.“ Er lächelte wieder. „Ja, so kann man das auch ausdrücken. So auch.“

Die Zustände hatten ein Einlenken erforderlich gemacht. Immer neue Datensätze waren auf der Bildfläche erschienen, die Steuerzahler waren kaum mehr nachgekommen – da hatte der Gesetzgeber plötzlich beschlossen, dass auch eine Selbstanzeige nicht vor empfindlicher Strafe schützen dürfe. „Die Regierungsparteien haben nicht schnell genug reagiert“, erinnerte sich Blume, „und stereotyp eine Strafverschärfung beschlossen – und den Rest musste dann das Verfassungsgericht erledigen.“ „Wie immer eigentlich“, bestätigte ich. „Dann kam die Regelung, dass die Straftäter zum Bezug von Transferleistungen verurteilt würden.“ „Wir hatten auf einmal sehr viel zu tun.“ Blume schilderte die Entwicklung durchaus lebhaft. „Besonders, dass auf einmal die Bankangestellten kleine Boni erhielten, wenn sie Steuerhinterzieher gemeldet haben. Das brachte uns natürlich jede Menge neuer Fälle.“

Drüben gab es einigen Lärm. Holz splitterte. Ein unterdrückter Schrei. „Das war unser Kollege. Da sitzt mal wieder der Doktor Göllesheimer aus der Finanzberatung Göllesheimer Hunneberg Lücksen. Ein unangenehmer Zeitgenosse, sage ich Ihnen.“ Die Tür öffnete sich. Der Athlet steckte fast schamhaft den Kopf herein. „Juri Wassiljewitsch macht Nase kaputt“, grunzte der grobschlächtige Mann. „Gut, gut!“ Blume blätterte in einer Akte. „Dann schicken Sie ihn nach unten und vergessen Sie ihn im Wartebereich.“

„Sie haben sich wohl auf Verfolgungsbetreuung spezialisiert?“ „Nicht ganz“, wehrte Blume ab. „Einen Großteil unserer Maßnahmen bestreiten wir mit einer perfektionierten vertreibenden Hilfe.“ Darunter konnte ich mir nun so gar nichts vorstellen. „Denken Sie sich einen Kandidaten wie den Doktor Göllesheimer: vollkommen weltfremd, kann nicht einmal einen Überweisungsträger ohne fremde Hilfe ausfüllen, und der soll nun für ein kompliziertes Antragsformular innerhalb eines Tages einen Stapel Unterlagen beibringen. Kann er natürlich nicht, schafft er auch gar nicht, weil die meisten dieser Unterlagen für die Ausfertigung mehrere Wochen benötigen. Er muss nun also jeden Tag hier ankommen, sich in die Warteschlange stellen, dann hat er ungefähr eine halbe Stunde, um einen Tag Fristverlängerung zu erbetteln, das macht er täglich – sechs, acht Wochen lang. Ist er fertig, stecke ich das ganze Konvolut vor seinen Augen in den Reißwolf und teile ihm mit, dass ich alle diese Unterlagen bis zum folgenden Tag wieder auf dem Tisch liegen haben will. Dreimal hintereinander, und der Mann ist durch.“ Ich schüttelte mich. „Wissen Sie, woran ich denke?“ Blume lächelte wieder sein harmloses Lächeln. „Kafka? Ja, durchaus. Das ist auch Sinn der Sache. Damit die Delinquenten begreifen, worauf sie sich einlassen, besser: einzulassen haben. Da ihnen ja keine andere Wahl bleibt. Wir reden hier nicht über einen absoluten Strafzweck, negative Spezialprävention, es soll wehtun. Sie werden ins Getriebe geworfen, sie wissen, dass sie absolut nichts tun können, um dem Gesetz zu genügen, aber: sie müssen es weiter versuchen. Wir nehmen unseren Opfern vorher auch noch die geringsten Dinge, sie sollen ja auf dem Stand sein, wie ihn ein Almosenempfänger erlebt. Sie haben nichts mehr, und sie wissen, dass es hier ums nackte Überleben geht.“

Er hatte immer noch das hintergründige Lächeln im Gesicht. Mich fror. Wieder und wieder blätterte er in der Akte hin und her, als fände er eine Antwort zwischen zwei Seiten. „Sie werden plötzlich in die Mühlen der Verwaltung geschmissen. Man sagt ihnen, sie seien verurteilt – allerdings nicht, was der Sinn des Urteils sei. Sie sind zwar noch auf freiem Fuß, aber sie müssen unsinnigen, sinnlosen, vor allem: völlig beliebigen Repressalien gehorchen. An einem bestimmten Wochentag lässt man sie ein Papier aus einem weit entfernten Amt holen und in einer anderen Dienststelle abstempeln, obwohl das alles auch hier in jedem Schreibtisch liegt. Am Ende geht es nicht anders, dann zahlt man ihnen die Miete und gibt ihnen ein bisschen Geld, damit sie nicht verhungern – sie sind inzwischen schwer magenleidend, es gibt keinen Grund mehr für sie, anständig zu essen – aber dann sind sie schon nicht mehr dieselben. Sie sind gebrochen. Wir brechen sie.“ Ich stellte die Tasse ab. „Damit sie beschädigt sind? traumatisiert und entwürdigt?“ Blume klappte den Aktendeckel zu. „Damit sie merken, dass das System mehr Macht hat – und nicht sie die Macht über das System.“ Er goss Tee nach. Und lächelte.