„Im Zweifel natürlich immer für den Angeklagten, wobei: angeklagt hat Sie noch keiner, das wollen wir ja auch verhindern. Und da befinden wir uns auch in einer guten deutschen Tradition, dass wir im Sinne eines noch nicht Beschuldigten ermitteln und Mittel zu seiner Entlastung finden. Sie werden sehen, diese neue Dienststelle wird Ihre Steuern sehr gründlich durchleuchten und nichts finden.
Die Unterlagen haben Sie dabei? Hätten Sie gar nicht gebraucht, bei der Lohnsteuererklärung weiß das Finanzamt auch schon, was Sie eingenommen haben. Die wollen nur nachprüfen, ob Sie ehrlich sind, deshalb müssen Sie noch mal alles angeben, und dann können wir Sie bestrafen, wenn wir das wollen. Erinnert ein bisschen an Hartz IV, finden Sie nicht auch? Da können Sie mal sehen, unsere Sozialpolitik ist gar nicht so praxisfern, wie manche das immer behaupten.
Aber egal, wir glauben Ihnen alles. Das hat sich der Bundesfinanzminister gut ausgedacht, oder? Da sieht man, der will wirklich Kanzler werden. Ist zwar im Moment ein bisschen kompliziert, weil die anderen wohl auch etwas von Politik verstehen, aber man kann nicht alles haben. Es sollen ja nicht die vielen hart arbeitenden Menschen bestraft werden, weil sie sich einfach ein bisschen mehr Gerechtigkeit für ihr Geld wünschen. Wir wollen an die richtig dicken Fische ran. Da sind Sie mit ein paar Millionen im Monat doch noch gar nicht auf unserem Radar.
Und wir warten jetzt auch nicht, bis die Sachen verjähren, das haben wir mit der Steuerfahndung extra so abgesprochen. Das ist für Sie sicher neu, aber fassen Sie sich, für uns ist es auch ungewohnt. In unserer alten Abteilung wurden Sie ja mit etwas Glück nur frühpensioniert, wenn Sie Ihre Arbeit entgegen der Dienstanweisung ernst genommen haben. Wenn Sie auch noch Ehrgeiz entwickelt haben, dann konnten Sie schon mal zu Ihren Vorgesetzten in die Psychiatrie umziehen. Aber das ist jetzt vorbei. Wir haben ein ganz neues Modell, das sich mit der Einnahmen- und Ausgabensituation des Staates verbindet, dem sozusagen Rechnung trägt – super Wortspiel, oder? dann eben nicht – also wo war ich? Geld. Jeder braucht Geld, Sie brauchen Geld, wir auch, also kann doch der Staat auch mal was für die Bürger tun, um umgekehrt.
Wir arbeiten ja auch nicht explizit gegen die Steuerhinterziehung. Diese Dienststelle befasst sich mit Steuergestaltungsmodellen am Kapitalmarkt, das ist etwas völlig anderes. Möglicherweise haben wir die eine oder andere Idee, wie man staatliches Vermögen auch ohne schwarze Null vermehrt. Am Ende ist Cum-Ex noch legal, und wir beißen uns alle in den Arsch. Das ist ein bisschen so wie im Casino Royale, Sie müssen nur aufpassen, dass Sie gleichzeitig am Spieltisch sind und in der Bank. Wie das funktioniert, hat uns auch noch keiner von den Finanztypen erklären können, aber das wusste bei den Steuerabschreibungen ohne Rückzahlung, nee, Rückzahlung ohne Steuer, oder wie war das? auf jeden Fall kam da am Ende Geld raus, und wir mussten das zahlen. Deshalb verlangen wir jetzt von uns negative Zinsen – die positiven müssten wir ja selbst erwirtschaften, aber die negativen kriegen wir als Staat geschenkt. Von wem? Von uns als Bank, als Staat natürlich, oder andersherum? Egal, das ist so einfach, das kapiert das Finanzamt nie, und wenn, dann sind wir längst über alle Berge.
Also wir machen das mit der Task Force ganz einfach andersherum, verstehen Sie? Sie haben da ein paar Milliarden, und wir machen Ihnen ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können. Doch, die Milliarden haben Sie. Wir wissen das besser. Sie können es natürlich auch ohne uns versuchen, aber Sie wollen nicht wissen, wie das ausgeht. Nehmen Sie den Ratschlag eines guten Freundes an, Sie sollten mit uns kooperieren. Es ist besser für Sie.
Die normalen Banken geben negative Zinsen gar nicht an die Verbraucher weiter, insofern haben Sie Glück, wenn Sie mit uns zusammenarbeiten. Es wahrt Ihr Vermögen. Sie brauchen also nicht mal Aktien, auch keine ohne Dividendenanspruch, und wenn etwas schief läuft, dann zahlen Sie nur das, was Sie als Steuerzahler sowieso belasten würde. Wenn Sie jetzt nicht gerade Kinder haben, die von Schulen profitieren würden oder von den Laternen auf dem Schulweg, oder vielleicht auch von den Schienen, auf denen der Zug zur Schule fährt, dann können Sie das eigentlich auch komplett ignorieren.
Dass wir auf diese Art noch mal so eine richtig ertragreiche Public Private Partnership hinkriegen würden, das hätten Sie nicht gedacht, oder? Man muss kreativ sein, wenn man sich gegen diese furchtbar komplizierten Gesetze behaupten will. Na egal, es dauert ja nicht mehr lange, dann ist das alles vorbei. Das mit den komplizierten Gesetzen jedenfalls. Jetzt müssen wir nur noch zusehen, dass wir die zuständigen fünfzig Mitarbeiter mit sehr viel Dokumentation in die Lage versetzen, ihre großen Erfolge für die Nachwelt zu erhalten. Viel wird es nicht gerade sein, aber deshalb muss man’s ja auch nicht gleich verschweigen, oder?
So, was haben wir denn da eigentlich? VW-Aktien, interessant. Wirklich, sehr interessant. Ich fürchte, da können wir leider nichts mehr machen. Der Konzern muss natürlich aus Staatsräson in den schwarzen Zahlen bleiben. Da hätten Sie besser auf ein anderes Pferd gesetzt. Tut mir jetzt ja auch leid, aber das wäre sonst mit Verlusten verbunden, die nicht nur Sie betreffen. Trösten Sie sich, so ist das nun mal in der Finanzwirtschaft. Mal verliert man, mal gewinnen die anderen.“
Satzspiegel