Gernulf Olzheimer kommentiert (CLXIX): Großprojekte

12 10 2012
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Eine Zusammenrottung von Deppen war sich einig; sie ballten sich zu einer Gebietskörperschaft zusammen und wiesen Parzellen als öffentlichen Baugrund aus. Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Bauunternehmen, Planungs- und Architektenbüros gründen, eine Holding, deren Aktien wir uns wie Puderzucker in beliebige Körperöffnungen blasen können, und sie sprachen: Wohlauf, wir klotzen hier ein Einkaufszentrum mit Konzertsaal, Flughafen und Rennbahn ins Moos, das kein Schwein braucht, und sollte der ganze Kram in die Grütze gehen, so werden wir und einfach abwählen lassen, auf dass der Steuerzahler dafür blute. So ward das erste Großprojekt, und wir wissen zu Genüge, wie die Geschichte ausging.

Wie auch nicht – ein Großprojekt, meist so nötig wie ein kommunaler Brennholzverleih, ist zum Scheitern verurteilt, sofern nur eins der Kriterien erfüllt ist: Planung durch Politiker und/oder Spezialisten für Großprojekte, öffentliche Finanzierung, parallel verlaufende Aufwertung der städtischen Bausubstanz. Bereits Spurenelemente des Wahnsinns genügen, um die ganze Sache in Bausch und Bogen zu versaubeuteln. Wo immer sich Hohlbirnen heterogener Provenienz ins Gehege geraten, kann nichts Gutes werden. Rauchende Trümmer begleiten ihren Sturz.

Denn bei einem öffentlichen Träger, der ähnlich beweglich ist wie ein Öltanker auf hoher See, gilt Kompetenz so viel wie der Scheuklappenabstand der Referenten, Regierungs- sowie sonstiger Präsidenten. Wer Wissen vorweist, gilt automatisch als Sand im Getriebe der politisch getriebenen Entscheidungen, die von ganz anderen Faktoren befeuert werden; Gier und Eitelkeit sind nur die offenkundigsten. Sich ein Denkmal in die Fauna klotzen zu lassen geht nur ohne Kenntnis der Wirklichkeit und angrenzender Störfaktoren. Denn wer hätte heute noch die Zeit der Pharaonen, in aller Ruhe ein paar Pyramiden im Sand zu errichten. Und dann auch noch für die Ewigkeit. Schadet das der Baubranche? den Arbeitsplätzen? Und schlimmer noch, kostet es Wählerstimmen? Das lediglich aufs Überleben des Spitzenpersonals getrimmte Bewusstsein der Ichlinge lässt sich das aus Geld, Glanz und Gloria geschwiemelte Weltbild des elitären Hirnplüschs nun mal nicht zerreden. Schon gar nicht von denen, wie es können.

Die Faustregel aller einsturzgefährdeter Neubauten lautet: billige Planung führt zu teurer Durchführung. Wer immer alles billiger will, kriegt’s eben immer dicker am Ende. Und da in einer auf schnellen, aber oberflächlichen Erfolg getrimmten Leistungsgesellschaft der gewinnt, der eine möglichst billige Leistung vollmundig in die Gegend rülpst, ohne auch den Nachweis erbringen zu müssen, der wird für Lug und Trug belohnt. Dass nebenbei sich die Bürokraten selbst mit Hilfe von Strohmännern zu Bauherren erklären, macht die Sache nicht besser. Manisches Rausrechnen externer Effekte, wirtschaftliche Verflechtungen, weil sich die Dyskalkuliekranken für schwäbische Hausfrauen halten, Milchmädchenrechnungen mit Milliarden, die Beknackten halten Wissenschaft und Bürger für dümmer als sich selbst und walzen mit ihre fettigen Autorität alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt, Bäume, Rentner, Juchtenkäfer, notfalls ganze Regionen, die einen Flughafen brauchen wie einen zweiten Darmausgang.

Doch es ist nicht fachexterne Kommunikation – zwei Bauarbeiter wissen annähernd, was Phase ist, nur der neunmalkluge Neurochirurg in ihrer Mitte versteht nichts – sondern der Informationsaustausch zwischen den Fachidioten, der als illusorisch gilt. Es zählt der Konsens, und gibt es keinen, werden Gutachten großzügig überzuckert, Vergabe- und Prüfungsverfahren versehentlich vergessen, es fließt Geld, wo vorher nie welches, und letztlich gilt nur der einmal fest in den bröselnden Grund gestampfte Eröffnungstermin als wirklich verlässlich. Auch dann, wenn dazu die Erdrotation angehalten werden müsste. Das Ergebnis, liegt es auch sonst wo in der Zukunft verbaselt, es steht fest.

Denn der Bescheuerte blendet jegliche Konsequenzen seines Tuns aus. Das kindliche Gemüt vertraut darauf, dass die Klötzchen halten, und stapelt unbeirrt weiter. Gravitation ist eine Sache für Erwachsene und andere Spielverderber. Steht der Ruin vor der Tür, treten sie zu spät auf die Bremse. Sie wissen, dass sie eine Katastrophe konstruierten, aber da nicht sein kann, was nicht sein darf, schliddern sie in die Mutter aller Debakel. Ungebremst und mit Geräuschentwicklung.

Schuld sind die Kritiker, die zwar laut genug geschrien haben, aber: es waren Kritiker, auf die ein normaler Hohlrabi im höheren Dienst nicht zu hören hat. Möglicherweise hatten sie Recht, aber genau das ist ihr Vergehen. Sie haben sich nicht mit dem Aufsichtsrat unterhalten, keine Vorstände von der Klippe gestoßen, sie hatten keinen Erfolg mit ihrem Protest. Also können sie gar nicht Recht gehabt haben, sonst hätten sie sich ja durchgesetzt. So einfach ist das Synapsenpuzzle der Nachtjacken erklärt. Wir werden noch viele Bahnhöfe in den Sand setzen. Und wer weiß schon so genau, was unter den Pyramiden wirklich liegt.





Berliner Republik

10 10 2010

für Erich Kästner

Da habt Ihr den Salat. Der Rest sind Scherben.
Ihr konntet das, was jetzt geschieht, längst wissen.
Sie werden Euch das Fell schon kräftig gerben,
bevor Ihr aufwacht, seid Ihr rausgeschmissen.

Ihr tut so überrascht. Seid Ihr erbittert,
weil sie drauf pfiffen, als Ihr auf sie zähltet?
Die Karre steht im Dreck, hin und zersplittert.
Ihr habt nur das bekommen, was Ihr wähltet.

Jetzt sagt Ihr auch, man hat Euch hintergangen –
es brennt nichts mehr, der Rauch hat sich verzogen.
Ihr bangt. Ihr sagt: noch hat’s nicht angefangen.
Sie haben Euch nicht einmal angelogen.

Was sich da regt, das ängstigt Euch zu Tode.
Schon schweigt Ihr still. Nur brav und taktvoll bleiben!
Trägt man den Kopf jetzt hohl, dann ist es Mode.
Was jetzt geschieht, habt Ihr euch zuzuschreiben.





Oben bleiben

4 10 2010

„Das muss man mal ins Auge fassen. Die Medien sind ja auch nicht mehr das, was sie mal waren. Ich meine, warum machen wir erst diesen ganzen Trubel mit dem Staatsfernsehen, und dann kommt da diese Slomka und stellt einfach irgendwelche Fragen, die sie nicht vorher eingereicht hat? Sind wir hier bei den Hottentotten? Hat dieser Frau denn keiner klar gemacht, mit wem sie da redet? Ist das etwa der pflichtschuldige Respekt?

Natürlich müssen jetzt Köpfe rollen, das ist doch klar. Die Polizisten sind auf den Videos für unsere Leute leicht zu identifizieren, da braucht’s keine Nummern auf der Uniform, und dann werden wir einige von denen öffentlich schurigeln. So Disziplinarmaßnahmen eben. Auch mal ein bissel was Strafrecht, kann man machen. Befehlsnotstand? Wenn ich mich aus allem rausreden will, werde ich nicht Polizist, dann gehe ich in die Politik! Nein, wir verhandeln da nicht. Wenn Grube sagt, dass Mappus sagen soll, dass er das so haben will wie Grube, dann macht Mappus das. Woher Mappus weiß, ob Grube etwas gesagt hat? Weiß ich doch nicht. Fragen Sie Grube.

Dieser Öselmir, Öseldings, wie der da heißt, der ist doch einer von denen, oder? Ist der nicht einer von denen? Das müsste man jetzt auch irgendwie einfädeln. Ja, müsste man geschickt einfädeln, also lassen Sie bitte den Innenminister da raus, das ist ihm zu hoch. Also dass der Ösmir einen von denen ist. Dass die gegen alles sind und die Freiheit zerstören wollen, dass man da mit aller Gewalt gegen die… nein, lassen Sie das weg. Das klingt nicht gut. Gewalt, das ist nämlich eine Frage des Gewaltmonopols, das zur Demokratie gehört, und Herr Mappus und die Demokratie in einem Satz, das kann man nicht machen.

Den Ösil – das war der nicht? Wie hieß dieser anatolische Ökostalinist noch gleich? Wenn der Ötzfötz da ankommt, sagen Sie ihm, wir werden das Problem lösen. Der wird sich nach dem Wahlsieg noch umgucken, dass wir ihm nicht automatisch die Mitregierung anbieten. Da kann er aber Gift drauf nehmen, der Ösimir.

Kriegen Sie das irgendwie hin? Sie haben doch Verbindungen da, wenn man irgendein türkisches Wohnhaus abfackeln könnte? Natürlich nur so, dass man hinterher die Mohammedaner auch als linke Chaoten hinstellen kann. Vielleicht wenn man – was? Kastanien aus dem Feuer? Verstehe…

Auf gar keinen Fall, das war ja nur Stuttgart! Dafür war natürlich nur Rech verantwortlich, die Kanzlerin hat sich da komplett rauszuhalten und der Bundesinnenminister auch! Das ist hier eine reine städtebauliche Angelegenheit! Die Merkel soll uns hier nicht ins Zeug pfuschen, Baden-Württemberg kann das alleine regeln. Bundespolitik ist hier ganz falsch, wir lassen uns auch nicht für irgendwelche linken Schmierkampagnen und für irgendeinen Untersuchungsausschuss instrumentalisieren. Wir sind doch keine Kinder!

Nein, das glaube ich nicht. Die Beteiligung des Bundes ist ja nur eine Restfinanzierung. Mafia-Methoden? In den Neckar? Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Mappus Feinde hat. Dazu hat er doch viel zu viel mit der Wirtschaft zu tun.

Könnten Sie sich eine Solidarisierung vorstellen mit diesem Chaotenpack? Die Kommunisten haben doch Erfahrung mit feindlicher Übernahme, und unsere Wirtschaftskanzleien machen ja eigentlich den lieben langen Tag auch nichts anderes als das. Ja, ich fände das ganz gut. Die linken Chaoten müssen ja nicht freiwillig an den Verhandlungstisch kommen. Hauptsache, wir können das irgendwie in der Presse lancieren – wie mit den Pflastersteinen, das Dementi interessiert ja hernach auch keinen mehr, wissen Sie. So machen wir das ja auch, wenn der Staatsanwalt – also praktisch immer. Fotos mit Mappus und den Parkschützern und ein ganz entspannter Pressetext, dass die Kritiker ja im Grunde ganz große Fans des Ministerpräsidenten sind und der Landesregierung und der CDU und… Merkel? Die Alte soll bloß in Berlin bleiben, der Herr Mappus hat doch noch viel vor, wenn er erst den Parteivorsitz innehat.

Organisieren Sie das mal mit dem Treffen. Das wird schon klappen, wir haben gute Verbindungen zur Polizei. Wenn die Schwierigkeiten machen… wer, die Polizei? Die macht keine Schwierigkeiten. Die bringt sich höchstens ins welche.

Ja, das hatten wir schon bedacht. Wir sollten da eine gemeinsame Resolution abfassen, denen auch die Projektgegner zustimmen können. Am besten natürlich mit einem griffigen Slogan, wenn Sie da etwas parat hätten. Nicht geeignet? Aber schauen Sie sich doch mal die Beliebtheitswerte von Herrn Mappus an. Der will doch auch um jeden Preis oben blieben.

Auf gar keinen Fall, das war ja Bundespolizei! Dafür war natürlich de Maizière verantwortlich, denn die Bahn ist ein Staatsunternehmen. Deshalb muss der Bundesinnenminister die Verantwortung tragen für den Polizeieinsatz, da es um den Pächter ging und nicht um den Besitzer. Dafür kann man weder die Stadt noch das Land zur Verantwortung ziehen! Außerdem ist das keine Angelegenheit des Städtebaus, das ist ein Bahnprojekt und damit eine Angelegenheit des Bundes. Das werden wir nicht auf Stuttgart schieben lassen, dafür ist natürlich die Kanzlerin zuständig. Wir lassen uns unser schönes Stuttgart nicht kaputt machen durch diese Politik der… Stimmt, Mappus ist ja auch in der CDU. War mir gerade entfallen.

Haben Sie das gelesen? Das ist doch ein klasse Plan! Ja, finde ich auch. Also eine Demonstration aus Studenten, oder machen Sie’s halt so ähnlich. Die Leute könnten unterernährt ja aussehen und abgerissen, wie so das typische Chaotenvolk, dann kauft man denen die Studenten schon ab. Die müssen sich hier im Schlossgarten versammeln, schon so eine ganz große… Nein, mehr als vierzig oder fünfzig müssen es nicht sein. Das wird dann auch zu teuer. Und dann vielleicht noch so ein Lautsprecherwagen, Sie wissen doch, in Duisburg kamen die doch bei Sauerland auch gut an, das könnte man doch machen – teuer? Hmja. Haben denn Jura-Studenten nicht mehr so viel Geld wie früher? Ah, verstehe. Dann müsste man eher die Junge Union aufmarschieren lassen. Aber nicht wieder in die erste Reihe, das wird zu gefährlich!

Richtig Dampf, verstehen Sie? Eine richtige Demo muss das werden, chaotisch, Trillerpfeifen, Luftballons, alles! Die sollen ganz schlimme Sachen sagen, staatsgefährdende Sachen uns so. ‚Böser Mappus‘ und ‚Wir sind hier, um unsere nicht so ganz zufriedene Unzufriedenheit zu artikulieren‘ und ‚Mappus, wir wollen einen Bahnhof von Dir‘. Ja, so radikale Sachen sollen die sagen!

Man müsste dann eben dafür sorgen, dass der Herr Ministerpräsident da ankommt und die Demonstranten direkt anspricht. Wieso auf dem Wasserwerfer? Dass er sie alle… Plastehut? was haben Sie mit dem Plastehut? Wichtig ist doch, dass Mappus theatralisch den Bittstellern nachgibt und ihnen großzügig den geplanten Bahnhof verspricht. Das ist doch mal ein Zeichen von Größe. Das erwartet man auch von einem Landesvater.

Sponsoring? Wenn die alle mit einem Hemd von Wolff & Müller ankommen, wird aber der Herr Föll gar nicht zufrieden sein. Das ist keine Kostenfrage, wir möchten nur Chancengleichheit für die Firmen, verstehen Sie, und wir können das ja so kurzfristig nicht mehr ausschreiben. Nein, bedaure. Nicht auf Landesebene. Das regelt Stuttgart immer direkt, wenn Sie sich wegen eines Preisnachlasses bitte direkt an den Bürgermeister wenden wollen?“





Quergelegt

9 09 2010

„… haben sich Deutsche Bahn und Bauherren nochmals gegen die Vorwürfe der Projektgegner gewandt und bekräftigt, dass das Vorhaben so durchgesetzt werde, wie es vor längerer Zeit schon beschlossen worden war. Zum jetzigen Zeitpunkt das gesamte Projekt noch zu stoppen, sei schon aus vertragsrechtlichen Gründen geradezu illusorisch, und da die Störer keine substanziellen Einwände gegen den Abriss des Kölner Doms mehr…“

„… seien die Baukosten von grob geschätzt zwei Milliarden Euro sowieso nicht zu halten, was auch der Bundesrechnungshof monierte. Bahn-Chef Grube fegte die Kritik vom Tisch; eine Verlegung des Kölner Hauptbahnhofs in die Tiefe unter der Domplatte sei alternativlos, die Pläne seien bereits vor Jahren beschlossen worden, vertragsrechtliche Gründe schließlich würden das Bauvorhaben gar nicht zur Disposition stellen lassen, so dass…“

„… kann der Zorn der Bürger nicht mehr länger vor der Öffentlichkeit versteckt werden. Zwar blieben die Demonstrationen der Projektgegner weitest gehend friedlich und fröhlich, einige jedoch schienen den Zorn der Ordnungskräfte geradezu herausfordern zu wollen: sie setzten sich am hellichten Tag vor das Südportal, um so zu…“

„… bemängelte das allgemeine Konzept, das dem unterirdischen Bahnhof weder Verkehrs- noch Architekturvorteile bescheinige. Als einziges Plus an dem unterirdischen Bahnhof hebe der Bauplan hervor, dass der Bahnhof unterirdisch sei. Damit verbunden seien Vorzüge für den oberirdischen Teil, den man dank der Neustrukturierung der Innenstadt von Köln neu strukturieren könne: die Domplatte solle nach dem Abriss des Doms an die Stelle des ehemaligen Hauptbahnhofs…“

„… aus geologischen Gründen als Wahnwitz bezeichnet – der Untergrund sei derart durchlöchert, da das Areal bereits zur Römerzeit besiedelt worden war, dass man von einer normalen Ausschachtung gar nicht sprechen könne. Auch sei das Areal viel zu dicht am Rhein gelegen. Die Tiefbau-Abteilung des Baukonsortiums beruhigte die Bauaufsicht nur wenig mit der Auskunft, alle Tunnelarbeiten seien zur Vorsicht an Bilfinger Berger…“

„… stellten die Bauherren nach einer längeren Tagung fest, dass das Projekt vollkommen legal, sinnvoll, zukunftsorientiert und außerordentlich wirtschaftlich sei. Dass sich die Kapazität der zu befördernden Personen um ein Drittel reduziere, sei als Kollateralschaden kaum einer…“

„… keine unerhebliche Steigerung, da auch mit Umsatzeinbrüchen der Tourismusbranche gerechnet werden müsse; aus den ca. 3,4 Milliarden könnten leicht 5 Milliarden werden. Der Baustadtrat wies diese Kritik entschieden zurück. Man könne diesen mittelalterlichen Krempel (er benutzte in der Tat diese Worte) doch nicht mit dem modernsten Bahnhof vergleichen, einem einzigartigen und alle Maßstäbe sprengenden Architekturdenkmal, dessen Jahrtausend-Potenzial Köln sofort zu…“

„… mit der Korrektur, dass natürlich nicht 5 Milliarden, sondern 5,7 Milliarden gemeint waren, was aber als Kleinsumme…“

„… sich erstmals mit einem genauen Lageplan an die Öffentlichkeit wagte: durch die Verlängerung und Begradigung der Schienenverbindung über den Rhein in nordwestlicher, später nur noch westlicher Richtung, sei man nicht mehr länger auf den Dom als Raumteiler angewiesen, sondern könne diese stadtplanerisch wertvolle Freifläche jetzt auch mit Bauvorhaben von kultureller Dimension…“

„… Versäumnisse in der Kommunikation, denen man mit einer kostspieligen Kampagne nicht mehr zielgruppengerecht begegnen könne. Die Berater bemängelten außerdem, dass Mario Barth, entgegen der ursprünglichen Idee von Das ist mein Bahnhof, lediglich die Message ‚Ihr stinkt doch alle‘ transportiere – seine Penetrationswerte seien bereits derart flau, dass man sich entschieden habe, kurzfristig auf Daniela Katzenberger zu…“

„… denn falsch ist, dass die Abbruchfirma, die auch die Reste des Kölner Doms zu verwerten habe, dem Bruder des Kölner Oberbürgermeisters gehöre. Wahr ist hingegen, dass jenes Unternehmen einem Bruder des Bruders des Kölner Oberbürgermeisters gehört, so dass von Korruption keine Rede…“

„… schaltete sich auch der Papst ein in die immer lauter werdenden Bürgerproteste. Benedikt XVI. forderte einen sofortigen Baustopp. Mit scharfen Worten griff der Pontifex die Bauaufsicht der Deutschen Bahn AG…“

„… nicht mehr an die Spielregeln gebunden fühlte. So gab der Oberbürgermeister deutlich zu verstehen, dass er sich den Nazimethoden der Bürger nicht mehr länger beugen und deshalb zu brutalen, demokratischen Maßnahmen greifen wolle, um den demokratisch gewählten Willen der demokratisch gewählten Inhaber demokratischer Posten demokratisch durchzusetzen. Sollte es ab sofort noch vorkommen, dass die sich immer weiter radikalisierenden, nicht demokratisch gewählten Bürger etwa durch Autoaufkleber mit faschistischen Parolen wie Mr loosse dr Dom in Kölle die Geduld der Einsatzkräfte auf die Probe stellten, so werde man mit demokratischstmöglichen…“

„… ob die knapp 9 Milliarden nicht besser investiert wären in ein Güterumgehungsgleis. Die Deutsche Bahn wies dies vehement zurück; auch eine Revision des Streckennetzes sei zum jetzigen Zeitpunkt unsinnig, die Projektverächter gingen ja selbst von erheblich verlängerten Fahrzeiten auf der Achse Rotterdam-Wladiwostok aus und könnten daher nicht auch noch erwarten, dass man Gelder in die maroden Schienenverbindungen…“

„… zu ersten Zugeständnissen bereit. Zwar wolle man weiter aus Furcht vor einer Eskalation, die nicht von ihnen selbst ausging, nicht mit den Projektgegnern reden, könne aber im Rahmen der gerade wegen unvorhergesehener Sicherheits- und Umweltauflagen gestiegenen Kosten andenken, von den 15 Milliarden Euro nicht mehr sechs, sondern dreizehn Blumenkübel für die freie Domplatte…“

„… konnten auch die bisherigen Befürworter des Projektes 21 nicht mehr nachvollziehen, warum man 21 Milliarden Euro ausgeben müsse für einen Bahnhof, der bei näherer Betrachtung nicht einmal die Fahrzeit nach Krefeld sonderlich verkürzen…“

„… sich als Planungsfehler herausstellte, da man schlicht versäumt hatte, den Dom auf dem Modell zu berücksichtigen – den ortsfremden Experten war der Fehler nicht aufgefallen, Bahn-Chef Grube lehnte eine Verantwortung ebenso entschieden ab wie seinen…“





Fahrt zur Hölle

25 08 2010

„Na sicher, da können Sie völlig beruhigt sein. Was wir versprechen, das halten wir auch. Auf alle Fälle. Oder haben Sie schon mal gehört, dass bei uns irgendetwas normal lief? Völlig glatt? Störungsfrei, ohne Katastrophen und Kinkerlitzchen und die ganzen Aussetzer und Verspätungen? Na? Sehen Sie, das haben Sie nur bei der Deutschen Bahn AG.. Wir sind einzigartig – da kommt keine Airline ran!

Wissen Sie ja, was wir Ihnen versprechen. Urlaub vom ersten Augenblick an: Einsteigen und ab geht’s. Ja, hatten wir auch in Betracht gezogen, Themenbahn, Schaffner in Dirndl und Lederhosen, Alpenexpress, ein gutes und zukunftsweisendes Konzept. Aber das war uns dann doch irgendwann zu platt, verstehen Sie, da müssen Sie überlegen, was unterscheidet so eine Bahnfahrt denn wirklich von einem richtigen Urlaub? Was bietet der Zug, was kann man in einem ICE machen, was so im Auto und meinetwegen im Reisebus nicht geht? Ja, das sind die Aufgaben des modernen Marketing – das ist Event-Management, verstehen Sie? Da kann man unglaublich tolle Sachen machen. Loveparade? Wie kommen Sie jetzt darauf?

Also gewissermaßen als integratives Konzept, nicht wahr. Da wird die Fahrt mit der Deutschen Bahn selbst zu einem Event und eine ganz neue und eigene, warten Sie: das nennen wir jetzt unique, also unique äääh… Erlebniswelt. Oder irgendwie so. Wie das der Stoiber schon gesagt hatte. Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten, ohne dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen. Blöder wird’s Ihnen unsere PR-Abteilung auch nicht erklären können. Höchstens noch mit Stuttgart.

Das ist sozusagen das Einsteiger-Angebot – logisch, wenn die Türen nicht mehr aufgehen, dann ist ja auch nichts mit Aussteigen, oder? Haha! Haha, haha! Hahajaja, das meinten die dann auch, aber wir sind versichert, und die Leute wollen das so. Woher wir das wissen? Sagt der Vorstand. Dass die Leute das wollen. Und wir sollen eben dafür sorgen, dass die Leute das wissen. Also dass sie es wollen. Die Leute, klar? Dann geht das auf Gleis 3 oder Gleis 4, je nachdem, und dann nehmen wir die Züge ohne Klimaanlage, und dann haben Sie jeweils die freie Auswahl: Sauna-Party, Entführung mit echten Terroristen-Darstellern oder Untergang der Titanic. Für Titanic überbuchen wir einfach ein paar Mal und stellen den Zug schräg, kein Problem.

Am tollsten sind natürlich die Reality-Szenarien im ICE, wir haben da jetzt neulich ein total tolles Ding gemacht, haben Sie das gelesen? Fahrt zur Hölle, genau! Das ist aber derbe die Action – ja, das klingt mir auch ein bisschen zu reißerisch, aber ich kann damit leben. Sie steigen in Berlin zu. Vorher gibt es optional schon mal eine Cruising Unit, also Sie müssen versuchen, mit der S-Bahn irgendwie zum Hauptbahnhof zu kommen. Das schaffen Sie natürlich nie in der vorgegebenen Zeit, aber wissen Sie was? das ist auch völlig egal, der Zug fährt ja sowieso nie pünktlich ab. Aber wie gesagt, der ICE. Abfahrt Richtung Stuttgart, Klimaanlage ist defekt, und dann haben wir diverse Szenarien. Im vorderen Zugteil sind auch keine Getränke mehr vorhanden, nur noch hinten: körperwarmer Orangennektar. Dafür sind da, wo es Saft gibt, die Toiletten nicht mehr in Betrieb. Nein, selbstverständlich haben wir das alles komplett abgeschirmt. WLAN, Mobilfunk, das ist draußen. Nur draußen.

Vor Stuttgart gehen wir dann in Tunnelfahrt, und da haben wir die nötigen technischen Probleme. Die Belüftung ist auch abschaltbar, dazu ja auch Klima und Wasser, ganz wichtig: kein Wasser mehr an Bord, vor allem kein Trinkwasser, und die Sauerstoffmasken reichen natürlich nicht oder, was dann noch besser ist, sie sind nur Attrappen oder die Schläuche kann man nicht richtig an den Masken befestigen, das ist auch immer sehr schön, wenn man so eine gut durchgearbeitete Panik haben will, die entwickelt sich schnell und geht richtig gut durch den Zug, sehr schöne Effekte. Und wenn wir dann im Tunnel sind, haben wir Motorschaden. Das ist ja leicht zu bewerkstelligen, ich meine, denken Sie nur mal an die fehlende Kühlung, da passieren solche Sachen ja tatsächlich mal ganz schnell. Licht ist dann Essig, Türen verriegelt, Fenster luftdicht. Und dann der Zugfunk kaputt, mein lieber Scholli! Na, das wollen doch die Leute – Action, die ganze Palette, vielleicht noch etwas Rauch, da kann man ja ausnahmsweise auch mal mit Theaterutensilien nachhelfen, wissen Sie, jedes Mal den Zug in Brand zu stecken, das ist ja auch schon planungstechnisch nicht so einfach. Klar, bei der Deutschen Bahn wäre das schon wieder eine Vollzeitstelle, dass da einer die Liste führt, auf der draufsteht, welcher Zug gerade abgefackelt wird. Viel zu teuer. Das kann man doch besser eine Hilfskraft in der Arbeitspause mit erledigen lassen, oder?

Wissen Sie, was der absolute Oberhammer wird? Stuttgart. Wenn wir da erst die komplette Untertunnelung haben, alles unterirdisch – und dann so eine richtige Katastrophensause! Ich sage Ihnen, da mit Karacho rein in den Tunnel und volle Möhre Notbremsung, das fetzt aber so richtig! Am Wochenende, alles ausverkauft, ein Riesenchaos, und dann zwei oder drei Herzinfarkte im Zug, also Riesensache. Echt. Das wird wirklich einmalig in Deutschland. Und in Europa. Das macht Ihnen nur die Deutsche Bahn AG, da sind wir absolut unique. Und seien Sie mal ehrlich: für so ein supertolles Freizeitprogramm, da sind doch elf Milliarden auch echt nicht zu viel verlangt, oder?“