Verfolgungswaren

5 08 2010

„Jetzt stellen Sie sich das doch mal vor: von Utah nach Missouri, von Missouri nach Minnesota, von Minnesota nach Iowa und über Oregon zurück nach Kentucky. Und da soll unsereiner nicht misstrauisch werden? Freiheit? Die Bürger der Vereinigten Staaten bestehen darauf, dass sie tun können, was sie tun wollen? Wo kommen wir denn da hin, wenn das jeder täte? Haben Sie denn nicht selbst gesagt, dass die transatlantischen Partner uneingeschränkt solidarisch miteinander sein müssten?

Natürlich sämtliche Bankdaten, was haben Sie denn gedacht? Alle Kontobewegungen, alle Barabhebungen, wenn jemand Geld wechselt, wenn jemand seine Kreditkarte belastet, alles. Wir wollen doch ausschließen, dass Dwight R. Kekatakis Jr. aus Rockville, Maryland bei einem Halt an der Tankstelle diese Burritos für einen islamistischen Bombenbauer kauft, der bei ihm im Keller sitzt und plant, die ganze Welt in die Luft zu jagen, nicht wahr? Deshalb müssen wir auch bereits im Vorfeld verhindern, dass Dwight irgendwelche Dinge ohne RFID-Chips für Dollarscheine ohne registrierte Seriennummern in nicht registrierten Tankstellen kauft und nicht Dinge damit tut, die wir ihm vorher nicht zugetraut oder nicht ausgeschlossen haben – Sie werden sich ein bisschen umgewöhnen müssen, Herr Minister. Die Rollen sind jetzt etwas anders verteilt seit dem Staatsbankrott.

Das mit den großen Bierflaschen, wissen Sie – wir sind der Ansicht, dass mehr als 100 Milliliter gar nicht nötig sind. Auch nicht bei Wein oder Mineralwasser oder Spülmittel. Sie werden Ihre komplette Verpackungsindustrie umstellen, den Einzelhandel, dazu auch sämtliche Preismodelle und… wie bitte? Flugverkehr? Wer braucht denn das im Flugverkehr? Sie werden als kriminell behandelt, sobald Sie Flüssigkeitsmengen über 100 Millilitern mitführen oder herstellen oder feilbieten. Dann trinken Sie eben drei von diesen Dingern statt einer normalen Flasche, ist das ein Problem?

Ja, das ist eine hirnrissige Idee. Damit werden Sie im Zweifel als Terrorist zum Tode verurteilt, wenn Sie den Boden Ihrer Badewanne benetzen. Aber darauf kommt es ja auch an. Sie werden das sehr schnell feststellen, es ist ein ganz neues Lebensgefühl. Sie kommen sich vor wie der letzte Dreck, auf dem eine komplett durchgedrehte Administration herumtrampelt, die sich an absurde, sinnlose und widerrechtliche Vorschriften hält und Sie im täglichen Leben erniedrigt, knechtet, anbrüllt und kriminalisiert, die ohne Verdacht und oft nur aus reiner Frustration irgendjemanden brutal schlägt und foltert und tötet und die Spuren verwischt und letztlich unbehelligt bleibt, weil sie die Macht vertritt. Sie werden irgendjemanden abknallen, wenn ihnen gerade danach ist. Irgendwann sind Sie an der Reihe. Vielleicht auch nicht.

Und das mit dem Flugverkehr – Sie werden sich umgucken. Innerhalb der USA sowieso nur noch mit Sondergenehmigungen, die wir kostenpflichtig erteilen, und zwar vollkommen willkürlich. Dazu werden Sie viele neue Einsatzmöglichkeiten für die Körperscanner sehen, insbesondere für die massenhafte Speicherung der Bilder, die Sie für technisch nicht machbar halten. Es geht, Sie werden es feststellen, wenn Sie Ihre Geschlechtsteile bei Facebook wiederfinden.

Natürlich werden Sie auch eine Meldepflicht einführen. Natürlich nach deutschem Vorbild. Mit biometrischen Bildern und Fingerabdrücken und DNA-Proben, die Sie jährlich unaufgefordert zu erneuern haben. Kostenpflichtig. Dazu werden wir Sie mit der deutschen Bürokratie vertraut machen, die Sie mit einigen Spezialitäten erfreuen wird, mit dem falschen Behördenbescheid beispielsweise oder mit Formularen, die sich selbst widersprechen. Sie werden verzweifeln, vor allem werden Sie eine der schönsten Eigenschaften des Apparates kennen lernen: das generelle Misstrauen, das auf die größte Wissbegierde stößt. Für die Ausreise aus Texas werden Sie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus Portugal brauchen, aber die werden Sie ja nicht haben, da wir Sie nicht aus Texas ausreisen lassen werden. Sollten Sie trotzdem irgendein Papier beibringen, dann werden wir Ihnen nichts glauben. Dass Sie Dwight R. Kekatakis Jr. sind, das mag in Ihrem Pass stehen, in Ihrem Führerschein, in Ihrer Arbeitserlaubnis, Ihre Fingerabdrücke und die Geruchsprobe mögen eindeutig zu Ihnen gehören – aber was heißt das schon? Doch wohl höchstens, dass man einen potenziellen Attentäter entdeckt hat, der in der Lage wäre, ein Flugzeug mit Hilfe eines Mobiltelefons abstürzen zu lassen – glauben Sie es ruhig, unsere Propagandaexperten haben das seit Jahren in der Bevölkerung verbreitet, und es ist wirklich lustig, dass noch niemandem aufgefallen ist, warum die Terroristen ihre Anschläge nie mit einem Mobiltelefon verüben, sondern immer noch mit geschickt als Kissen getarnten Benzinkanistern.

Das politische System in Ihrem Land hat einige schwerwiegende Fehler. Einer der gravierendsten ist die Verfassung, oder genauer: die Tatsache, dass es eine gibt. Wir werden das ändern, wenn Sie nichts dagegen haben. Ja, man sagt das so. Sollten Sie etwas dagegen haben, ändern wir es auch. Wir werden uns einfach Ihnen gegenüber so verhalten, wie Sie sich uns gegenüber verhalten haben, nur eben mit einer gewissen, sagen wir: europäischen Note. Wir haben hier etwas mehr Erfahrung mit totalitären Regimes. Wir kennen ein paar Spielarten und lassen uns gerne auch etwas Neues einfallen, wenn der Zweck die Mittel heiligt. Unser Kontingent ist groß, mein Freund, und Sie werden es uns abkaufen. Zu unserem Preis.“





Und Friede auf Erden

30 11 2009

„Mir doch egal. Nun machen Sie hier keinen Aufstand, sonst werde ich nämlich mal… Was wollen Sie? sich beschweren? Bei Ihnen piept’s wohl! Glotterbeck, haben Sie das gehört? Er will sich beschweren! Sich beschweren! Na, da wollen wir doch mal sehen, ob wir nicht noch ein bisschen Spaß haben werden miteinander, Herr Minister…

Natürlich ist das unumgänglich. Ich bitte Sie, wir können doch hier keinen Terroristen mit Schnürsenkeln herumlaufen lassen. Wie bitte? Was sind Sie nicht? Ob Sie Bundesinnenminister sind oder der Kaiser von China, hier in Deutschland sind Sie erst mal Terrorist, Herr de Maizière. Und als solcher können Sie entweder kooperieren – dann sind wir möglicherweise auch nicht ganz so böse mit Ihnen – oder Sie kooperieren eben nicht. Sie werden schon sehen, was Sie davon haben.

Also was, keine Schnürsenkel? Glotterbeck, ziehen Sie ihm die Hose herunter. Nun mal nicht so zaghaft, wenn er sich wehrt, dann weiß er ja, wozu das Gewaltmonopol des Staates da ist. Ach, das hatte Ihnen keiner gesagt? Doch, das gilt noch. Es gibt Dinge, die wir am Grundgesetz doch sehr zu schätzen gelernt haben, Herr de Maizière. Nur, wenn Sie nicht kooperieren, dann werden wir eben andere Saiten aufziehen müssen.

Was soll das denn bedeuten? wir machen Sie erst zum Terroristen? Na, das müssen Sie mir jetzt erklären. Wissen Sie, das alles hier ist doch eine ganz logische Folge aus Handlung und Reaktion. Die einen handeln – wir sind die Reaktion. Ist das denn so schwer zu begreifen? Ach, was sollen denn wieder diese Rechtfertigungsversuche – Sie wissen doch genau, dass das alles nichts bringt. Natürlich müssen wir die Verhältnismäßigkeit beachten. Aber dann gehen Sie mal so eine Straße in der Londoner Vorstadt herunter, da sind so unverhältnismäßig viele Ausländer, da muss man dann verhältnismäßig schnell handeln. Und wenn sich zum Beispiel die Festnahme von einem dieser Subjekte auch nicht vermeiden lässt, weil man seine DNA noch nicht hat… wieso Beweislastumkehr? Die DNA-Probe wird standardisiert bei der Festnahme entnommen, es sei denn, es ist schon eine vorhanden – deshalb muss man ja auch öfter mal einen von ihnen festnehmen, weil man ja einen festnehmen könnte, von dem man noch keine Probe hat, so dass man ihn festnehmen muss, um eine Probe von ihm zu haben, denn dann muss man ihn ja nicht mehr festnehmen, weil man dann eine Probe von ihm hat, wegen der man ihn vielleicht später mal festnehmen kann, verstehen Sie? Es dient alles dem inneren Frieden, Herr Minister. Und jetzt lassen Sie endlich das Gekasper mit dem Gürtel und ziehen Sie Ihre Hose aus.

Soso, ein Kontoauszug. Herr Minister trägt also einen Kontoauszug mit sich in der Hosentasche. Das ist ja mal interessant. Sie haben mit Kreditkarte gezahlt? Wohl, um keine Spuren zu hinterlassen, wie? Aber das wird Ihnen jetzt nichts mehr nützen, Sie sind ertappt. Fünfzig Euro für Süßwaren – Herr de Maizière, für wie blöd halten Sie uns eigentlich? Das ist doch eine versteckte Terrorfinanzierung. Sie unterstützen doch al-Qaida. Machen Sie uns doch nichts vor. Uns doch nicht! Tja, das ist eben die Logik, die Sie in Ihrem Ministerium pflegen, Herr Innenminister. Je mehr Terror Sie um sich herum sehen, desto mehr Überwachung müssen Sie auch durchsetzen. Daran führt nun kein Weg vorbei. Glotterbeck, den Rest.

Jetzt stellen Sie sich mal nicht so an, Herr Minister. Glauben Sie, unsereins hat noch nie einen nackten Mann gesehen? Entwürdigend? Ich bitte Sie, was gibt’s denn da noch groß zu entwürdigen. Sie sind für uns ein Terrorist, und fertig. Außerdem geschieht das hier alles nur zu Ihrem eigenen Schutz. Aber das wissen Sie ja sicher längst.

Natürlich wissen wir, wer Sie sind. Ja, machen Sie. Machen Sie nur, Herr Minister. Meinetwegen können Sie Bundespräsident werden, meinetwegen können Sie Finanzminister werden oder sonst was. Was man so wird, wenn man als Innenminister versagt hat. Beschweren Sie sich, wenn’s denn der Wahrheitsfindung dient und dem inneren Frieden.

Sie sind kein Terrorist? Weil Sie Minister sind? Wer soll Ihnen denn den Quatsch glauben? und seit wann schließt das eine das andere aus? Ich bitte Sie, mit derlei Spitzfindigkeit können Sie vielleicht Ihre Parteifreunde beeindrucken. Ein Verfassungsrichter will da schon etwas mehr sehen.

Fünfzig Euro für Süßwaren. Meinetwegen, haben Sie halt für Ihre Vorzimmerdamen Konfekt gekauft, das ist uns doch wurst. Ihr Auto ist nur geleast. Sie haben sich ziemlich früh gegen die Schweinegrippe impfen lassen – auffällig früh. Darstellung und rechtliche Würdigung eines verborgenen Vorgehens – kommt Ihnen das bekannt vor? Geheimniskrämerei? Ach Gott, jetzt stellen Sie sich doch nicht dümmer an, als Sie sind. Natürlich ist das alles belanglos, unerheblich, völlig irrelevant. Nur wird der Staatsanwalt, der Sie vor Gericht hat, etwas anderes darin sehen: Puzzleteile in einem Indiziengebäude. Und wenn er dann erfährt, dass Sie ja schließlich schon einmal mit uns zu tun hatten – und man steht ja auch nie so ganz aus Versehen vor Gericht.

Wir haben das verstanden, Herr Innenminister. Wir handeln auch danach. Krieg? Das heißt doch jetzt Verteidigung. Stimmt, das ist das Gegenteil von Angriff. Und wenn Krieg gleich Verteidigung, dann ist Angriff… Sehen Sie, jetzt haben Sie’s auch kapiert. Die Sicherheitspolitik der Bundesregierung dient nur dem inneren Frieden.“





Spur der Scheine

26 11 2009

Bradlee atmete auf. Endlich hatte er in Erfahrung gebracht, woher die Heckdiffusoren im neuen Konkurrenzmodell kamen. Der Verwendungszweck auf dem Zahlbeleg deutete darauf hin, dass auch andere Karosserieteile aus der Fertigungsstätte bei Magdeburg stammen mussten; völlig überstürzt begab sich ein Spezialkommando der US-amerikanischen Wirtschaftsförderung nach Sachsen-Anhalt. Ein Flüchtigkeitsfehler ließ sie die Seiten auf der Umgebungskarte verwechseln, so dass sie sich an den ungeraden Hausnummern orientierten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sprach von einem feigen, unmenschlichen Akt der Barbarei, der das gesamte, teilweise recht, teilweise rechts denkende Volk zutiefst empörte; ein Jugendzentrum mit Napalm zu beschießen grenze schon fast an Unhöflichkeit.

Drei Tage lang betonte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Interviews, Talkshow-Auftritten und Hearings zur Vorratsdatenspeicherung, sie wolle ihr politisches Schicksal von der SWIFT-Gesetzgebung der Europäischen Union abhängig machen. Danach rückten Sportberichte und die Wettervorhersage wieder in den Mittelpunkt der Berichterstattung. Die Freidemokraten bemühten sich indes um Disziplin; während sie öffentlich dem Verhalten de Maizières attestierten, zu einer Störung des Koalitionsklimas beizutragen, schossen sie sich hinter den Kulissen darauf ein, Mieter- und Kündigungsschutz schnell und unbürokratisch zum Wohle des deutschen Volkes auszuhebeln.

Die Presse griff begierig den Fall des Hassan F. (22) auf. Der Student wurde von BILD beschuldigt, regelmäßige Geldzahlungen aus dem Ausland zu erhalten. Die verdachtsunabhängige Kontrolle seines Telefonanschlusses ergab, dass F. einen Telefonanschluss besaß – damit war alles möglich. BILD handelte umgehend.

Natürlich hob die FDP erneut hervor, dass sämtliche Bestrebungen, die Bürgerrechte in Deutschland zu verteidigen, auch und gerade unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten diskutiert werden müssten. Der Bundesaußenminister sah hier noch unerledigte Konten. Die Bundestagsfraktion sprach sich in einer nicht öffentlichen Sitzung für effektiven Rechtsschutz und klare Regeln zur Datenweitergabe an Drittstaaten aus; die Arbeiter und Angestellten müssten effektiver als je zuvor vor dem Recht geschützt werden, eine klare Regelung sei bereits erzielt: eine Datenweitergabe erfolge ab sofort ausschließlich an Drittstaaten.

Wie das Bundeskriminalamt ermittelte, erhielt F. seine Halbwaisenrente nach wie vor aus Österreich. Er schloss just das Grundstudium der evangelischen Theologie mit dem Graecum ab. Eine in seinem Wohnheimzimmer konfiszierte Grammatik des Hebräischen sowie die Seminararbeit über den Status constructus in den semitischen Sprachen führte dazu, dass die Boulevardzeitungen erneut das ungesunde Volksempfinden aufwiegelten. Es war Schlimmeres zu befürchten.

Das Gespräch zwischen Bradlee und Weissenburgh war geprägt vom Geist konstruktiver Zusammenarbeit. Die Wirtschaftsnation USA, so pragmatisch sie sich auch den Freunden im Nahen Osten schon gezeigt hatte, sah keinen anderen Ausweg, als die ganze Welt zu demokratischen Idealen zu befreien, notfalls mit Gewalt. Der hessische Landesverband der CDU stand unter Schock. Gleich ein Dutzend hochrangiger Politiker hatte man bei Fulda aus dem Gleisbett gekratzt. Die aus Wiesbaden, Pullach und Neugier herbeigeeilten Beamten analysierten die in englischer Sprache abgefassten Abschiedsbriefe und gaben bekannt, es müsse sich um islamistische Terroristen gehandelt haben, die bereits sehr lange als Schläfer gelebt haben dürften, da ihre Sprache gewisse Einflüsse des Amerikanischen zeigte. Das Briefpapier einer Hotelkette aus Colorado sei eine nicht geschickt genug inszenierte Täuschung gewesen.

Eine Resolution des EU-Parlaments stellte fest, dass die notwendigen Datenschutzgarantien im Zusammenhang mit der gemeinsamen Nutzung und Weitergabe von Daten zur Terrorismusbekämpfung nur noch auf dem Papier bestünden. Der Gesandte der USA beglückwünschte die Abgeordneten; er freute sich, dass die Volksvertreter so schnell ein Gespür für die Wirklichkeit entwickelt hätten.

Dessen ungeachtet titelte BILD bereits einen Tag später: Wovon zahlt so ein Mordgeselle eigentlich seine Luxusmiete? F.s Auto wurde in Brand gesetzt. Noch am selben Tag wurde er, trotz seines aus Kärnten stammenden Vaters deutscher Staatsangehöriger, als Risiko für die innere Sicherheit verhaftet. Der Brandanschlag hätte fast eine Litfaßsäule beschädigt.

Leutheusser-Schnarrenberger widersprach drei Tage lang heftig den Anschuldigungen, die Liberalen seien kurz nach der Bundestagswahl wieder umgefallen. In mehreren Interviews und Fernseherscheinungen pochte sie darauf, dass die FDP nie zuvor gerade gestanden habe.

Doch als am folgenden Tag ein Dutzend hochrangiger Bankvorstände erhängt in ihren Arbeitszimmern aufgefunden wurden, war sogar Washington nachhaltig verstört. Er habe das nicht in Auftrag gegeben, teilte Präsident Obama mit. Noch nicht.





Internationale Solidarität

30 07 2009

„Also so sicher ist das nun auch wieder nicht. Die EU muss ja auch erst zustimmen, damit wir an die Daten kommen. Und bis das irgendwann mal passiert, ich sag’s Ihnen, das dauert wieder.“

„Aber auf der anderen Seite ist es der einzige Weg, ohne das Grundgesetz völlig zu ändern. Die Vorratsdatenspeicherung war ja auch ein Schlag ins Wasser, weil diese Strohköpfe aus Karlsruhe…“

„Na, na! Immer schön freundlich bleiben, wenigstens nach außen. Dass wir im Falle eines Falles das Bundesverfassungsgericht abschaffen, steht auf einem ganz anderen Blatt.“

„Abschaffen? Wozu abschaffen? Ich dachte…“

„Wozu braucht man ein Verfassungsgericht, wenn es keine Verfassung mehr gibt?“

„Auch wieder richtig.“

„Aber mal Spaß beiseite. Wenn diese Sache hinhaut, kriegen wir die Kontoauszüge zwar nicht offiziell aus der Schweiz, aber wenn wir ein paar kleine Autobomben installieren und die Terrorzellen sich nach Deutschland zurückverfolgen lassen, kriegen wir die Daten gratis.“

„Weil wir die Terroristen aufspüren?“

„Mittelbar. Wenn der Terror von Deutschland ausgeht, werden die Amis uns natürlich schnell als potenziellen Gefährderstaat einstufen und sämtliche Kontobewegungen einsehen wollen.“

„Aber dann sind wir auf der Achse des Bösen, dann marschieren die bei uns ein!“

„Reden Sie doch nicht so einen Stuss! Ein Gefährder ist Deutschland, nicht mehr. Sie wissen doch, was das heißt. Jemand, der nichts gemacht hat, nichts machen kann, weil er sowieso beobachtet wird, und bloß das Pech hat, die falsche Nase im Gesicht zu haben. Also alles paletti. Nix mit Einmarschieren. Falls die Amis überhaupt wissen, wo Deutschland liegt.“

„Und wie kommen wir dann an die Daten?“

„Als engster Verbündeter der Vereinigten Staaten werden wir natürlich kontinuierlich Akteneinsicht bekommen. Sie werden uns die Kontobewegungen auf dem Silbertablett liefern. Ausgedruckt, selbstverständlich.“

„Hm, ich begreife. Dann müssten wir uns nur noch um die Autokennzeichen kümmern, um die Telefonverbindungen…“

„Machen die Amis.“

„Ah ja. Deshalb die Autobomben.“

„Genau. Möglicherweise müssen wir das technisch in Eigenregie aufziehen, aber wir haben ja britische Unterstützung.“

„Wegen der Autobahn-Kontrollen mit RFID?“

„Nein, das ist ein Joint-Venture mit der Mafia. Die Engländer installieren hier die Videotechnik, die gerade in Bayern getestet wird.“

„In Bayern wird Videotechnik getestet? Seit wann denn das?“

„Natürlich noch nicht offiziell. Das sickert dann bei der nächsten oder übernächsten Landtagswahl durch, je nachdem, wie es ins Konzept passt.“

„Und die Geolokalisierung der Autos?“

„Das ist dann wieder ein deutsches Projekt. Wobei wir erst die Testergebnisse aus Spanien abwarten wollen.“

„Spanien? Ich dachte, das sei die Mafia?“

„Das eine muss das andere ja nicht ausschließen. Nein, kleiner Scherz. Die neuen Diebstahlsicherungen für Autos müssen noch durch den Probelauf kommen, dann schauen wir mal, ob sich das technisch lösen lässt, was uns die Polen an Datenmaterial liefern.“

„Polen? Ich dachte, das sei…“

„Ja, ist es auch. Aber irgendwo muss man halt die Zentrale für Autodiebstähle einrichten, und warum nicht in Polen? Die Versicherungen wollen, dass die Fälle zeitnah bearbeitet werden und vor allem äußerst preisgünstig.“

„Hm, gut. Bliebe natürlich noch das Problem mit den RFID-Chips.“

„Wir wissen noch nicht genau, wem wir das geben. Es hängt davon ab, wer Karstadt-Quelle und Arcandor finanziert.“

„Was haben denn die damit zu tun?“

„Denken Sie doch mal nach. Wer die Warenhauskonzerne lenkt, will natürlich auch das Einkaufsverhalten der Kunden so präzise wie möglich beobachten. Ab und an gibt es noch Einzelhändler, die wir nicht zwingen können, sich der Warenwirtschaftsüberwachung in Echtzeit zu unterziehen, was ja auch steuertechnisch sehr problematisch werden kann.“

„Wieso steuertechnisch?“

„Stellen Sie sich mal vor, dass da jemand seine ganzen Einkünfte einfach zu lokalen Einzelhändlern trägt und nie eine Quittung bekommt.“

„Unfassbar!“

„Diese Dreckschweine kaufen ihr Gemüse einfach so auf dem Wochenmarkt, und man kann ihnen keinen Umsatzsteuerbetrug nachweisen.“

„Unglaublich!“

„Deshalb ja das neue Telefon-Bezahlsystem. Einfacher shoppen mit dem Handy – ab 2012 sowieso zwangsweise.“

„Aber wie kriegen wir denn das an der Vorratsdatenspeicherung vorbei? Das war doch schon mal in die Hose gegangen.“

„Deshalb wehren wir uns auch nicht gegen die feindliche Übernahme der Mobilfunkprovider durch die chinesische Demokratieregulierungsbehörde. Im Gegenzug haben wir jederzeit Zugriff auf die Server. An den Stoppschildern vorbei.“

„Hm. Na gut. Und, sagen Sie mal, wer finanziert das eigentlich? Und wer hat das so beschlossen?“

„Fragen Sie doch nicht so blöd. Betriebsgeheimnis!“