Fakten

5 05 2020

„Andererseits müsste man mal wieder was über die Wirtschaft bringen.“ „Oder soziale Themen.“ „Es wird ja auch nichts mehr über die Klimakatastrophe berichtet.“ „Jedenfalls müsste man mal sehen, ob die Autobauer sich jetzt endlich am Riemen reißen und die Verbrenner ausmustern.“ „Und die nächste Sendung?“ „Lindner hat angerufen, er will dreißig Minuten lang Wissenschaftler anpöbeln.“ „Na, dann machen wir’s halt so.“

„Nein, ich finde wirklich, dass man die sozialen Themen nicht aussparen darf.“ „Man muss doch an die Kinder denken!“ „Sehr richtig!“ „Haben wir da nicht diesen Bildungsforscher, der überall WLAN-Strahlung fürchtet?“ „Dann machen wir das mit dem.“ „Der kann erklären, dass ein Kind im Grunde nach acht Stunden in der eigenen Wohnung rein rechnerisch tot ist.“ „Warum überleben Kinder ein ganzes Wochenende zu Hause?“ „Verwirren Sie uns jetzt nicht mit Tatsachen, das sind Fakten.“ „Dass man den Kindern den wichtigen Austausch mit ihrer Altersgruppe vorenthält, sollte man da auch einfließen lassen.“ „Vor allem das Abitur!“ „Ist das denn jetzt wirklich so wichtig?“ „Unsere Kinder werden von linken Extremisten und Grünen gefährdet!“ „Okay, das muss man dann aber auch mit den richtigen Leuten diskutieren.“ „Hat denn Lindner Kinder?“ „Seit wann muss der irgendwas verstehen, um im Fernsehen zu reden?“

„Besteht denn die Gefahr, dass wir erneuerbare Energien aus dem Blick verlieren?“ „Man anders gefragt, könnte es nicht irgendwann so kommen, dass diese linksextremistische Regierung alles mit Windkraftwerken vollstellt, weil wir das gar nicht mitkriegen?“ „Die stehen ja gar nicht von einem Tag auf den anderen.“ „Und es gibt auch gar nicht genug Leute, die die aufstellen könnten.“ „Dann könnte man zumindest eine Sendung über Energie machen.“ „Weil bei uns die Lichter ausgehen, wenn die Wirtschaft nicht schnell genug wieder öffnet.“ „Das verstehe ich nicht.“ „Wieso, was ist denn daran nicht zu verstehen?“ „Es gibt doch keinerlei Einschränkungen für die Windenergiebranche, und die Arbeitskräfte waren auch schon vorher nicht zu bekommen.“ „Ja, das ist aber eine ganz andere Diskussion.“ „Das dürfen Sie jetzt nicht alles in einen ideologischen Topf schmeißen.“ „Aber wenn wir befürchten, dass die Lichter bei uns ausgehen, dann brauchen wir doch mehr Windkraft und nicht weniger.“ „Ich finde auch, wir machen das mit dem Abitur.“ „Ganz Ihrer Meinung, Herr Kollege.“

„Aber wir haben immer noch das von Laschet.“ „Was denn noch?“ „Die psychische Belastung von Arbeitnehmern?“ „Er hatte Arbeitslose gemeint.“ „Wie kommt er denn auf einmal zu Arbeitslosen?“ „Hallo, es ist vielleicht Wahlkampf!?“ „Man ist sich ja inzwischen sicher, dass Arbeitslosigkeit die psychische Gesundheit massiv gefährdet.“ „Darum ist er auch so ein großer Fan der Hartz-Verwahrung, richtig?“ „Es ging hier um Arbeitnehmer!“ „Ah, und ich hatte mich schon gewundert, dass er das Argument vorher noch nie gebracht hatte.“ „Man muss sich ja nur mal ansehen, was Homeoffice mit den ganz normalen Leuten macht.“ „Und dass die psychosoziale Belastung bei Callcenterkräften und Pflegern und Fleischzerlegern und Spargelstechern und…“ „Sie müssen nicht in den Berufen arbeiten.“ „Laschet hat das auch nicht gemacht, und sehen Sie mal, was aus dem heute geworden ist.“

„Aber das mit den Küchenbauern müsste man auch mal hinterfragen.“ „Hatten Sie nicht bei einem Betrieb angefragt?“ „Die sind stocksauer.“ „Aber die Läden sind doch wieder offen?“ „Ja eben, jetzt müssen sie die Personalkapazitäten wieder voll hochfahren, können die bestellten Küchen nicht ausliefern, weil die Handwerker keine Wohnungen betreten dürfen, und deshalb können sie keine Rechnungen stellen.“ „Das erfordert natürlich eine sofortige Diskussion.“ „Eben. Wir haben mit Laschet gesprochen, er wird Vorauskasse für alle Handwerksleistungen fordern, damit die Betriebe nicht vom Staat gerettet werden müssen.“ „Das ist doch total behämmert!“ „Deshalb war er ja von dem Vorschlag sofort überzeugt.“ „Alternativ kann man auch mal überlegen, ob man nicht Handwerker wieder in die Privatwohnungen lässt.“ „Warum nicht, die Kunden müssen nur einen Mundschutz tragen.“ „Warum die Kunden?“ „Weil das die Wirtschaft vor Verlust ihrer Arbeitskräfte schützt.“

„Wir haben da noch einen Fernsehkoch auf der Liste und einen Kabarettisten.“ „Keine Frau?“ „Das würde nicht passen, wir müssen ja noch was mit Autos machen.“ „Aha.“ „Und Fußball?“ „Stimmt, das müssten wir auch noch machen.“ „Vielleicht einen Psychologen befragen, der uns bescheinigt, dass ohne Bundesliga schwerste traumatische Störungen zu erwarten sind.“ „Die dann auch wieder die Arbeitsleistung verringern kann.“ „Und Suchterkrankungen.“ „Wahrscheinlich wird die Kauflaune dadurch auch gedrückt.“ „Womit wir wieder bei den Autos sind.“ „Schlimm!“ „Aber da hätte ich einen, der bestätigt Ihnen alles.“ „Ist der Virologe?“ „Gegen Aufpreis bestimmt.“ „Dann laden Sie den Mann mal ein.“ „Dann müssen wir ja in der Sendung gar nicht mehr über soziale Themen sprechen.“ „Auto ist doch Gesellschaft genug.“ „Und den Kabarettisten?“ „Übernächste Woche soll irgendwas mit Statik kommen.“ „Nee, Statistik.“ „Sag ich doch.“ „Na, dann passt das ja wieder.“ „Okay, noch irgendwelche Fragen?“ „Und wie nennen wir das?“ „‚Corona – Müssen wir jetzt alle sterben?‘ wäre doch…“ „Ja, klingt gut.“ „Gut, dann rufe ich mal im Sender an. Wir machen eine ganz normale Talkshow, wie jeden Montag.“





Vibrationsalarm

13 08 2019

Man sah ihm die dunklen Augenringe an; dennoch verbarg Siebels sie hinter einer dunklen Brille. „Die letzten Tage waren nicht einfach“, stöhnte er. „Ich hoffe, dass wir bald diese dämliche Sommerpause hinter uns gebracht haben.“ Und er stürzte schon den zweiten Becher mit billigem Automatenkaffee hinunter.

Das Studio war unbeheizt, und die Morgenfrühe unterstützte die Zugluft. Wer nicht gerade im Licht der bläulichen Scheinwerfer saß und demonstrativ entspannt in die Kamera blickte, bewegte sich mit zusammengeschobenen Schulter und steifbeinig durch die Kulisse. „Sie haben den Sessel doch noch rechtzeitig fertiggekriegt“, brummte Siebels, und aus seinen Worten hörte ich eine tiefe Befriedigung. „Das Möbel sieht ein bisschen plump aus“, befand ich. „Warten Sie ab“, murmelte er. „Warten Sie ab.“ Frieder Marx, seit mehreren Jahren schon nicht mehr auf der Mattscheibe zu sehen, führte ein ganz normales Gespräch mit einem der zahlreichen Experten, die für alles und nichts unter jedem beliebigen Stein hervorkriechen, wenn eine Kamera oder wenigstens ein Mikrofon in der Nähe sind. Es sirrte von irgendwo her, ein ganz leiser und sehr hoher Ton, der recht unangenehm in den Ohren nachklang. Siebels nickte.

„Wir müssen die Steuersenkungen unbedingt noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen“, verkündete der Nachwuchspolitiker im billigen schwarzen Polyesteranzug. „Nur wenn die Spitzenverdiener über ein stark ansteigendes Nettohaushaltseinkommen verfügen, kann die…“ Weiter kam er nicht. Das immer noch leise, aber immer deutlicher vernehmbare Summen schwoll unvermittelt an, und dann war auch zu sehen, woher es kam. Der klobige Sessel war nicht einfach nur ein Sitzmöbel, er vibrierte. Und er vibrierte mit solcher Stärke, dass der jugendliche Schwätzer auf dem Sitz durchgeschüttelt wurde und kaum noch verständliche Laute von sich geben konnte. „Wenn ich Sie richtig verstehe“, begann Marx seine nächste Frage, aber er musste sie gar nicht mehr stellen. Niemand konnte noch etwas verstehen.

„Eine Art Vibrationsalarm“, erklärte Siebels. „Wir haben uns diese Möglichkeit überlegt, um den üblichen TV-Formaten wieder ihre journalistische Schärfe zu verschaffen, damit nicht so viel Unfug vor der Kamera geredet wird.“ Er knüllte seinen Pappbecher zusammen und warf ihn in einen der vielen Papierkörbe hinter der Kulisse. „Aber wir haben doch in den meisten Sendungen inzwischen einen Faktencheck“, wandte ich ein. Siebels zog nur leicht die Augenbrauen in die Höhe. „Das stimmt“, antwortete er. „Aber erstens kommt dieser Teil erst nach dem eigentlichen Gelaber in der Glotze, was auch dazu führt, dass er von kaum jemandem auch nur zur Kenntnis genommen wird, und zweitens sind es nicht nur die offensichtlichen Lügen und Verdrehungen, sondern auch Framing oder Hetze durch Kampfbegriffe. Das wird durch einen reinen Faktencheck nicht einmal erfasst.“ Ein Praktikant hielt uns ein Tablett mit Kaffeebechern hin. Wir griffen zu. „So kommt es auch zustande, dass ein Faschist mit aller Unterwürfigkeit in einem groß angekündigten Interview seinen rassistischen Dreck vom Stapel lassen darf, ohne dass ein Redakteur einschreitet und ihm den Saft abdreht.“

Inzwischen hatte sich die Diskussion fortbewegt und war bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer angekommen. Der Schnösel verteidigte vehement die ermäßigten Steuersätze für Luxusgüter. Man verstand es nur nicht. „Offenbar ist er der Ansicht, wenn man Rennpferde nur steuerlich begünstigt, hat bald jeder Geringverdiener eines im Vorgarten stehen.“ Siebels sah gelangweilt, wie der Sessel den Talkgast durchrüttelte. „Und das hilft?“ „Das werden wir sehen“, brummelte er. „Zur Not muss man mit Druckluftfanfaren arbeiten, um den größten Müll zu übertönen.“ Ich sah das skeptisch. „Das würde aber das Studiopublikum doch ziemlich erschrecken, meinen Sie nicht?“ Der Produzent nahm einen Schluck von der kaffeeähnlichen Brühflüssigkeit. „Wer sagt denn, dass das Publikum die Druckluft abkriegen soll?“

Die Vibrationsmechanik hatte ihren Dienst getan, der Gast war bis beinahe zur Erschöpfung durchgerüttelt worden wie eine Dose Farbe im Baumarkt. Er konnte kaum noch stehen und musste von einer Assistentin in die Garderobe geführt werden. „Vermutlich wird er jetzt in seiner Lieblingszeitung mit den großen Buchstaben das Lied von der Einschränkung der Meinungsfreiheit jodeln“, sagte Siebels ungerührt. „Für die Fraktion ist ja jegliche Kritik ein Grundrechtsbruch, und dass sich keiner für ihr dusseliges Gerede interessiert, wollen sie vermutlich demnächst unter Strafe stellen.“ „Meinen Sie nicht, dass Medien hier ganz klar ihre Kompetenzen überschreiten?“ Siebels stellte den Becher auf den kleinen Tisch neben dem Mischpult. „Haben Medien die Aufgabe, als reine Verstärken den Schwachsinn und die Lügen von Soziopathen zu verbreiten, oder sollen sie das Ergebnis einer Differenzierung darstellen?“ „Das ist eine Frage der Darstellung“, wandte ich ein. Aber er ließ es nicht gelten. „Dann berücksichtigen Sie aber auch, dass Zuschauer intellektuell beschränkt sind.“ Und schon hatte der nächste Gast Platz genommen, ein älterer Herr mit aufgezwirbelten Schnauzbart. „Der deutsche Widerstand ist nötig“, schnarrte er. „Die Flüchtlingskanzlerin hat widerrechtlich die Grenzen geöffnet, um die…“ Wir zuckten unter dem lauten Knall zusammen. Der Alte verkrampfte sich röchelnd in die Armlehnen. „Er wird es sicher überleben“, stellte Siebels fest. „Sehr gut, das gefällt mir. Sie haben meine Idee wirklich zu Ende gedacht, ich sehe eine deutliche Differenzierung, was die Aussagen angeht und ihre Tragweite.“ Er blickte auf die Liste, die auf dem Tischchen lag, und dann über die Schulter. „Nehmen Sie auch noch Kaffee? Gleich geht’s um Klimawandel.“





Bitte rechts freundlich

7 06 2018

„Also dann über Mieten. Da schlage ich einen Kardinal vor, im Angebot ist dieser Typ aus Köln, den kriegen Sie im Doppelpack mit Spahn, der redet sowieso über jedes Thema, und wenn ihm die Themen ausgehen, redet er weiter, und dann noch einen von der AfD.

Wollten Sie nichts über Wohnungsnot machen wegen der Zuwanderung? Ach so, Sie machen jetzt problemorientierte Kommunikation. Nicht mal mit einem Ex-Rechten? Frauke Petry? Islamismus-Experte? Meinen Sie denn, dass die Leute dabei einschalten? Sie wollen eine Sendung, die die Zuschauer interessiert? Ja, aber das ist noch nicht gleich die Einschaltquote. Sie können eine gute und vernünftige Diskussion über das Thema Mieten zeigen, aber das wird doch nach fünf Minuten auch langweilig. Da entsteht nichts.

Wir können ja erst mal mit den anderen weitermachen. Für die Montagsschiene haben wir noch Sportler, die sind immer gut bei sozialen Themen, dieser Fußballer da ist Ausländer und kommt aus Berlin, Brennpunkt, wenn Sie wissen, was ich meine, und Sie wollten doch irgendwas über Facharbeitermangel machen? Arbeitsmarkt? Passt doch prima, wir haben Scheuer und diese andere Schauspielerin, wie heißt sie noch, der kann dann den Part über misslungene Integration und schnelle Abschiebung übernehmen. Sie müssen in der Sendung schon herausarbeiten, dass der Mangel an Facharbeitern daran liegt, dass wir ungebremste Zuwanderung und… –

Jetzt verstehen Sie mich aber auch mal. Wir haben so viele große Fernsehtalente, gut, der eine oder andere Rohrkrepierer ist auch dabei, die CSU braucht halt die Kohle, und wir garantieren Ihnen eine einwandfreie Produktion. Die Sendung steht in einem Durchlauf, das kann man im Halbschlaf wegmoderieren, wenn da doch mal der eine oder andere intellektuelle Tiefgang drin sein sollte, das versendet sich, und vor allem mit den Themen machen Sie Quote. Das zählt doch. Zählt nicht? Also für uns zählt das.

Nächsten Mittwoch wollten Sie die Folge über mangelnde Schulbildung machen. Da laden Sie sich einen Imam ein, der das deutsche Schulsystem in den Gebetsteppich einwickeln will, dazu eine Nachwuchsschauspielerin, mittwochs sagt Sahra Wagenknecht auch immer so merkwürdige Sachen, vielleicht können wir Bosbach noch exhumieren, auf jeden Fall eine gute Mischung. Explosiv. Macht mindestens zehn Prozent mehr. Sie müssen dann aber schon noch so einen migrationspolitischen Drall reinkriegen, klar. Sie können da nicht einfach einen vom Finanzausschuss hinsetzen, der sagt: wir haben leider keine Mittel, um die Schulen zu renovieren, das mit den Wasserhähnen ging schon vierzig Jahre lang gut, das muss auch die nächsten siebzig Jahre halten, Sie brauchen da Widerspruch, einen, der das Thema wieder interessant macht. Mit einem Bildungsexperten, der Ihnen erklärt, dass das alles von homöopathischer Handystrahlung kommt, kriegen Sie nichts gerissen.

Ich mache Ihnen mal ein Angebot. Spahn und noch eine Schlagersängerin, dazu einen Bischof, Gauland und… –

Doch, probieren Sie das aus. Machen Sie ein ganz einfaches Thema, ‚Ist Deutschland noch zu retten?‘ oder so, und dann schauen Sie mal zu, in welche Richtung sich das Thema entwickelt. Sie müssen den Zuschauer auch mal da abholen, wo Sie ihn in den letzten zehn Jahren hingebracht haben. Sie haben doch mit Ihrem Programm auch eine inhaltliche Verantwortung. Erst anfixen und dann im Regen stehen lassen, das geht gar nicht. Die sind in der Lage und schalten zu den Privaten um. Und da wartet dann Strunz.

Wollen Sie jetzt, oder wollen Sie nicht? Es ist doch letztlich alles eine Frage des Preises. Und die AfD ist nicht mal billiger als andere, die haben auch Kredite zu bedienen. Manche auch anderes. Jedenfalls liefern wir Ihnen eine Sendung, die Sie bedenkenlos ausstrahlen können. Sie wollen doch an der politischen Meinungsbildung in diesem Land gestaltend teilnehmen, oder? Na sehen Sie, dann ist das doch das beste Mittel dazu.

Dann nehmen Sie eben nicht Spahn, wir haben auch noch Lindner, der ist nicht ganz so billig, kostet aber weniger. Da fällt der Ministerbonus weg, und dann haben wir ihn auch nicht mehr so oft im Einsatz. Dazu Höcke und ein Anschlagsopfer vom Breitscheidplatz, und das Thema können Sie frei wählen. Mir würde spontan etwas einfallen wie ‚Dauerthema Islam – Wie sehr dominiert die linke Mainstreamkultur die schweigende Mehrheit?‘. Oder ‚Messermänner, Ehrenmorde Veggie-Day – Ist Deutschland schon eine salafistische Republik?‘. Das zieht. Davon sprechen die Leute am nächsten Tag. Nicht nur im Rundfunkrat.

Nein, das ist unappetitlich. Da machen wir nicht mit. Ich meine, hier wird Deutschland wirklich gefährdet. Nicht nur in finanzieller Hinsicht, hier geht es auch um ein Stück nationaler Ehre, wenn Sie wissen, was ich meine. Und da werden Sie außer den üblichen Verdächtigen auch keinen finden, der sich äußern will. Das wird für alle Beteiligten unangenehm, und ich wüsste auch nicht, wie wir das Ding nennen sollten. ‚Deutschland am Scheideweg‘ oder ‚Wie lange haben wir uns selbst in die Tasche gelogen?‘ Das muss eine andere Produktionsfirma für Sie übernehmen. Wir machen das nicht. Doping im Fußball – ohne uns!“





Im Fokus

5 02 2018

„… zu unserer heutigen…“ „Sie haben ja wieder den Mainstream eingeladen, aber die schweigende Mehrheit hat auch ein Recht!“ „Und deshalb sind wir für eine Obergrenze, die…“ „Meine Damen, meine Herren, unsere Frage heute: macht uns die Landwirtschaft krank?“

„Zunächst mal muss man sagen, dass diese ganzen Pflanzenschutzmittel gar nicht die Pflanzen schützen, sondern in erster Linie nötig sind, um die Aussaat von genetisch veränderten Arten…“ „Und die haben in Deutschland nichts zu suchen!“ „Da sind aber auch deutsche Firmen daran beteiligt.“ „Deshalb müssen wir den Export stärken, damit wir den Fachkräftemangel abstellen können.“ „Aber auch andere Pestizide sind gefährlich für die Verbraucher, das müssen wir abstellen.“ „Ich möchte die jedenfalls nicht in meiner Nachbarschaft haben.“ „Es zwingt sie auch keiner.“ „Doch, die fallen in Horden ein in Deutschland und machen hier alles kaputt und werden vom Staat bezahlt, damit wir bald kein rein deutsches Erbgut mehr im Land haben.“ „Also wenn man die Wirtschaft fragen würde, oder die Börse, das ist auch ein ganz erheblicher Teil, wo wir als Staat für die Steuern arbeiten, da muss das Geld, und da kommt es doch her.“ „Sie sind ja wieder vollkommen am Thema orientiert.“ „Sie bezeichnen mich und meine Partei als Nationalsozialisten, aber wir fordern einfach nur eine erbgesunde deutsche Tomate, das wird man doch sagen dürfen in Ihrem linken Hetzsender!“

„Deshalb kann uns mehr Europa helfen, nicht weniger Europa.“ „Aber auch da gilt, dass eine Obergrenze sich an der Aufnahmefähigkeit unserer Wirtschaft orientieren muss.“ „Das ist schon von der Verfassung her sehr…“ „Wir brauchen einen atmenden Deckel, notfalls auf dem Grundgesetz.“ „Lassen Sie uns den zweiten Punkt beleuchten, der gerade durch die Regierungsbildung wieder in den Fokus gerückt ist: Massentierhaltung.“ „Das ist mit emotionalen Dingen wie Wissenschaft nicht zu beantworten, hier muss auch die Wirtschaft ein Wort mitreden dürfen, denn die ist schließlich in einem Land, in dem Steuerzahler leben.“ „Ich will das auch nicht in meiner Nachbarschaft.“ „Dann müssen Sie mithelfen, das in Europa zu…“ „Ich will nicht, dass es einem deutschen Huhn schlechter geht als einem arbeitsscheuen Islamfaschisten, der nur nach Europa gekommen ist, um die deutsche Frau zu vergewaltigen!“ „Wir müssen überall da eine Obergrenze anbringen, wo sie zur Erhaltung der deutschen Leitkultur dient.“ „Wo sehen Sie denn in der Geschichte Massentierhaltung als ein schützenswertes Kulturgut?“ „Wir haben einen Leberkäs und eine Weißwurst, und was meinen Sie, wo die Wirtschaft ihr Fleisch einkauft?“

„Mal abgesehen von der Fleischproduktion, wir sind in Deutschland noch nicht so weit in der Bio-Landwirtschaft, wie wir das noch vor Jahrzehnten sein wollten.“ „Ihre Zwangsislamisierung durch Kantinenessen ohne Schwein haben Sie ja schon zur Genüge im Staatspropagandafunk gebracht, die schweigende Mehrheit lässt sich das aber nicht mehr länger gefallen!“ „Wir brauchen hier mehr Europa, das ist Ihnen doch auch klar.“ „Das sind die Kulturbereicherer, die uns mit veganen Rezepten aus dem vorderen Orient beglücken wollen.“ „Das wird von den Deutschen ganz gut angenommen, die Wirtschaft hat jedenfalls…“ „Ich will das aber nicht in meiner Nachbarschaft!“ „Jetzt bleiben Sie mal auf dem Teppich!“ „Als Deutsche können wir uns das nicht leisten, wir holen uns doch jede Menge Antisemiten ins Land.“ „Sie widersprechen mir gar nicht, auch das lässt sich ganz verfassungskonform mit einer Obergrenze regeln.“

„Bleiben wir doch noch mal einen Augenblick in Europa.“ „Eben, wir brauchen viel mehr…“ „Wie sieht’s mit der Umsetzung von EU-Richtlinien aus?“ „Deutschland darf sich keine weiteren Strafen leisten, wir setzen das konsequent um, da es in der Bundesrepublik keine rechtsfreien Räume geben darf.“ „Dann sollten Sie aber auch Verordnungen umsetzen, die auf eine artgerechte Haltung in allen Betrieben bestehen.“ „Wir haben nie bestritten, dass wir eine Obergrenze auch mit viel Augenmaß und Verständnis gegenüber den Betroffenen…“ „Solange ein antisemitischer Asylant einschließlich Familiennachzug mehr Raum zur Verfügung hat auf deutschem Boden als ein von Ökofaschisten zum Nationalsymbol erklärtes Huhn, werden wir diese Regierung jagen!“

„Die Exporte beispielsweise nach Afrika…“ „Wir können uns nicht immer über Obergrenzen unterhalten, jedenfalls nicht außerhalb unserer Wirtschaft.“ „Genau, und mehr Europa heißt nicht automatisch mehr Entwicklungshilfe.“ „Wir haben aber den Markt für Geflügelzucht in Afrika schon komplett zerstört.“ „Mit weniger Europa lässt sich das jedenfalls nicht beheben.“ „Was würden Sie denn tun, wenn man Ihre Volkswirtschaft gezielt an der Wurzel zerstört? Das sind doch die Ursachen für die Flucht übers Mittelmeer!“ „Die Neger sollen gefälligst zu Hause bleiben und ihr Land wieder aufbauen, das haben wir doch nach dem Krieg auch gekonnt!“ „Aber wir führen den Krieg gegen die afrikanischen Volkswirtschaften!“ „Sagen Sie Ihren Nafris, die sollen einmal pro Woche in die vegane Kantine gehen, damit ist jedes Problem gelöst!“ „Als rohstoffarmes Land muss sich Deutschland gegen Wirtschaftspartner wehren, die einseitig nur auf Exporte setzen.“ „Das ist jedenfalls nicht meine Nachbarschaft!“ „Meine Damen und Herren, macht uns die Landwirtschaft krank? Vielen Dank fürs Zuschauen, morgen Abend sehen Sie die…“





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCLXXV): Die Talkshow-Demokratie

9 06 2017
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Es wird eine Wette zwischen fünf Freunden gewesen sein, die schon zuvor komplett schmerzfrei waren. Sie hockten im Kreis, keiften einander ohne Punkt und Komma an und ersonnen peinlich bis dümmlich wirkende Injurien frühinfantiler Höhe, um sich im Gezänk der Stände wenigstens pro forma Vorteile zu erschleichen. Einer von ihnen tut ab und zu vernünftig, ein zweiter wird später als Rumpelstilzchen mythologisch verklärt. Andere lallen ein Ostinato dümmlicher Fettreste herunter. Zuschauer gibt es, sie hocken hinter einer Wand und klatschen nach jeweils drei Minuten, weil man ihnen Bananen über den Rand schmeißt. Sie nehmen sich der drängenden Fragen ihrer Zeit an: Krieg oder Frieden? und: wen interessiert das? Das Publikum seinerseits begann Steine über die Mauer zu werfen, weil ihnen das unsägliche Geschrei auf die Plomben ging. Der Geist der Tragödie gebar Schlafstörungen, die Demokratie und die Talkshow.

Da eins nicht ohne das andere mehr denkbar ist, hat sich heute der Parlamentarismus mit dem an sich gesitteten Disput aus den Kreis der Gewählten bewegt. Mag die Verlagerung einst unter dem Vorzeichen der Popularisierung geschehen sein, die dem Volk etwas wie Scheinpartizipation zu geben gewillt war, sie hat nichts erreicht, unter dem Gesichtspunkt der politischen Aufklärung noch viel weniger. Denn die windschiefe Projektion einer Zusammenkunft der Klügsten zeigt lediglich Lumpen beim Hadern mit der eigenen Borniertheit. Beide, die Quasselveranstaltung mit abgekartet und abgehangen riechenden Killerphrasen und Scheinargumenten, die von drittklassigem Personal zur besten Sendezeit verbraten wird, um möglichst viel Kohle in private Hosentaschen zu pfropfen, und das Fernsehformat, sind letztlich nicht mehr als kommunikative Hüllen, aus denen sich mit etwas Glück ein rhetorisches Talent über den Bodenstaub erhebt, um das ritualisierte Brimborium mit der Brechstange zu öffnen.

Schon die Auswahl der Themen hegt den Geist der freien Meinung sorgsam in einem rostigen Käfig ein, durch dessen Gitter man das Gehampel der zusammengecasteten Kampfhähne sieht, spontan wie die Kontinentaldrift, überflüssig wie eine Wurzelentzündung. Mit der Beschränkung von Form und Inhalt auf eine nie da gewesene Lautheit macht sich der Klamauk mit dem Untergang der Demokratie gemein, wie er billig geskriptet den Betrieb über die Rampe schiebt. Ein hektisch aus Versatzstücken geschwiemeltes Infotainment in niedermolekularer Bauweise leitet über in die Sphären der Halbwahrheit, die Halbbildung fordert und fördert – Mimesis für den Mistgabelmob, der seinesgleichen sucht und tragischerweise auch findet, wo die Wirklichkeit verendet.

Die kontroverse Debatte wird mit glitschiger Rhetorik an den Parlamenten vorbeigelotst, die ihrerseits nicht viel mehr sind als das Sprechzimmer vor den Ausschüssen: ein falsches Bild von öffentlicher Sachwaltung entsteht, wie man auch den Akten lesenden Kommissar nicht ertrüge, der einen ganzen Krimi lang ballistische Berichte oder Abhandlungen über postmortalen Mageninhalt läse. Mehrfach kippt das Konzept, zuletzt in der dümmlichen Hoffnung, der Pöbel würde die schale Inszenierung willig schlucken, nicht aber den Auftrieb der Sündenböcke, die bunt getanzten Klischees und den lauernden Populismus, wie er sich zum Gesellschaftsbild emporarbeitet, um die Differenzierungen aus der Hirnrinde zu bügeln. Nicht die kompetenten Personen, sondern die wenigen talentierten Polarisierer werden im Ringelpiez durch die Talkshows gereicht, eine Rotte Flüstertüten im Dauereinsatz, sekundiert von Steuerhinterziehern, Koksern, Sprechblasebälgern, Schwerversprechern, Handpuppen und ähnlichen Treuepunktsammlern einschließlich der obligaten Frau in Burka, ohne die keine Polemik über EU-Milchquoten mehr möglich ist. Welche Rolle aber haben die Marionettenspieler, die Schmiere sitzen in diesem Kinderquatsch für Beknackte mit der Aufmerksamkeitsspanne von in Schnaps sozialisierten Goldfischen? Und warum haben sie der Salonfähigkeit für Extremisten nichts mehr entgegenzusetzen?

Sie verfolgen dieselben Ziele. In einer hohlen Form scheppert es lauter, sie haben alle immer wieder dasselbe so nie gesagt, sagen aber, dass man das ja mal sagen müsse, weil man das ja gar nicht sagen dürfe, und das dürfe man ja wohl noch sagen. Eine Riege von Sagengestalten tingelt trotzig mit verbalem Gerümpel im Gepäck von einem Flohmarkt der Eitelkeiten zum anderen, voller Sendungsbewusstsein, immer dicht an der intellektuellen Nahtoderfahrung, manche auch nur dicht, manche nicht ganz dicht, alle etabliert und deshalb erklärte Feinde des Establishment, weil sie genau das schon immer tun wollten, was sie ihnen vorwerfen. Sie machen es für Geld. Was hätten sie sonst auch zu bieten.





Fressefreiheit

7 02 2017

„… den Ex-Schalker zum neuen HSV-Coach machen würden. Der VfL Wolfsburg sei ebenfalls an einer Verpflichtung des…“

„… auch Kinder mit der Schusswaffe von der Grenze der Bundesrepublik fernzuhalten. Trotzdem habe sich die Redaktion entschlossen, von Storch nicht in die…“

„… habe neben ihrer langjährigen Rolle in der Lindenstraße bereits am Berliner Ensemble in Jelineks…“

„… keinen Widerspruch gelten lasse. Meuthen wolle nicht aus Prinzip Tabus brechen, wünsche sich jedoch mehr Öffentlichkeit für seine Idee, den linksverkrusteten Diskurs in der von den Alliierten installierten Staatssimulation auf deutschem…“

„… der Kohlrabiverbrauch in Norddeutschland steige, in der südlichen Landeshälfte jedoch eher stagniere, was nicht nur auf klimatische…“

„… Begriffe wie Nigger wieder zur sprachlichen Normalität würden. Petry habe mehrmals angefragt, ob sich dies auch im Rahmen einer Magazinsendung…“

„… der Hauptstadtflughafen auch in diesem Jahr nach menschlichem Ermessen nicht…“

„… plädiere Höcke dafür, Jude zur justiziablen Beleidigung zu erheben. Gleichzeitig habe er Strafanzeigen angedroht gegen jeden Sender, der ihm nicht sofort eine…“

„… ein weiteres Erdbeben in den Abruzzen nicht als Spätfolge der Regierung Berlusconi verstanden werden dürfe, da diese lediglich die für mehr Erdbebensicherheit investierten Gelder in die eigene…“

„… sei es bereits erwiesen, dass bereits ein auf der anderen Straßenseite gehender Syrer mit Pest und Keuchhusten anstecken könnten. Die Pflicht der Medien zur Volksaufklärung gebiete es, dass von Storch ab sofort jede Woche im ZDF an einem mehrstündigen…“

„… vor allem Weiß und Blautöne, gerne in Schurwolle und Kammgarn trage. Der Mann von Welt verzichte auch im Herbst nicht auf einen…“

„… sei bereits Zensur. Gedeon wolle auf dem Gerichtsweg erzwingen, dass der Deutschlandfunk eine Sondersendung über die Protokolle der…“

„… schon fest geschlossen habe. Die Börse sei noch nicht überzeugt, steige aber aus vollster Überzeugung, was aber einen rapiden Sturz der Verkäufe bei stark nachlassenden Werten nur…“

„… der wahre Grund sei, warum sämtliche Regionalprogramme nur noch Lügen ausstrahlen würden. Es müsse zu jedem kulturellen Thema ein Mitglied der AfD-Spitze eingeladen werden, um deren Wichtigkeit für das Deutschtum in Zeiten der Bedrohung durch Islam, Demokratie und den…“

„… müsse man die Elbphilharmonie doch als überbewertet ansehen. Das in der Raumwirkung der Concerti von Giovanni Gabrieli getrübte Gefühl von venezianischer Weite habe zu einem tiefen…“

„… die arische Herrenrasse durch eine jüdisch-arabische Blutvernichtung schwächen wolle. Höcke werde seine Angriffe auf die ARD erst einstellen, wenn ihm eine Sondersendung nach den…“

„… die Curling-Mannschaft nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen werde. Da die Sportförderung die Beihilfe für das deutsche Team mit der Begründung beschnitten habe, es sei in internationalen Qualifikationen sowieso ohne jede Chance, müsse man nun auf einen letzten…“

„… das Hausrecht durchgesetzt habe. Pretzell sei mit einem Kieferbruch und Schusswunden aus dem Studio der Sportschau…“

„… sich durch Lewandowski die Position an der Tabellenspitze gesichert habe. Vor einem Wechsel wolle der Verein ihm eine Prämie von…“

„… beim S-Bahn-Surfen mit dem Kopf gegen den Signalmast geprallt sei. Da die Ermittler wegen Poggenburgs Ankündigung im Internet von einem Suizid überzeugt seien, wolle man die Meldung nicht in den…“

„… ab 2019 mehr Quizshows im deutschen Fernsehen zeigen wolle. Der Qualitätsunterschied zu den anderen Sendern sei zwar deutlich, man müsse aber auch die Bedürfnisse der schweigenden Zuschauermehrheit in die Programmgestaltung…“

„… sich von Storch mit dem Plakat Seit 866 Tagen Gefangene des Genderwahn-Schweigekartells habe fotografieren lassen. Das Bild sei außer in den Publikationen des Kopp-Verlags sowie in der National-Zeitung nicht…“

„… als neue Trendfarben der Saison vorstelle. Die bisherigen Strickaccessoires seien durch Lack und Seide ersetzt worden, kombiniert mit leicht verspielten Baumwollapplikationen, deren…“

„… die AfD eine zweistellige Millionensumme angeboten habe für den Fall, dass ein bundesweit bekanntes Mitglied eine eigene Interviewsendung bekäme. Eine Integration in Formate wie das Dschungelcamp sei jedoch für die Partei nie…“

„… neue Forschungsergebnisse die Hypothese unterstützten, dass Hitler nur einen…“

„… sich auf den Stufen des Reichstags mit Benzin übergossen und angezündet habe. Für den bekennenden Nationalsozialisten sei jede Hilfe zu spät gekommen, der Notarzt habe nur noch den…“

„… zwar das Drehmoment beim Anziehen der Schrauben an den Türscharnieren prüft habe, nicht aber die Höhe der Abweichungen beim Abgastest. Winterkorn sei mit der Begründung, privat würde er nie VW fahren, in einen komplizierten…“

„… in den Umfragen deutlich werde, seitdem die Sender auf rassistische und wahrheitswidrige Politikerstatements verzichten würden. Auch die CSU habe in den letzten drei Monaten nicht…“





Mein Kampf

3 02 2016

„… und das sind heute Abend meine Gäste.“ „Ich möchte aber nicht neben dem…“ „Jetzt zieht er auch noch eine…“ „Bitte, meine Damen und…“ „Aber das ist eine Reichskriegsflagge!“

„So, wir haben ja eine hochinteressante Runde heute, deshalb gleich meine erste Frage: Deutschland, ja oder nein?“ „Wie oft fährt nicht unser Bürgertum in aller moralischen Entrüstung empor, wenn es aus dem Mund irgendeines jämmerlichen Landstreichers die Äußerung vernimmt, dass es sich ihm gleich bleibe, Deutscher zu sein oder auch nicht, dass er sich überall gleich wohl fühle, soferne er nur sein nötiges Auskommen habe.“ „Das ist so widerlich, dass…“ „Also noch mal ganz klar, es ist für Sie nicht denkbar, dass andere keine Deutschen sein wollen?“ „Dieser Mangel an Nationalstolz wird dann auf das Tiefste beklagt und dem Abscheu vor einer solchen Gesinnung kräftig Ausdruck gegeben.“ „Ich höre mir das nicht mehr…“ „Wie viele haben sich aber schon die Frage vorgelegt, was denn nun eigentlich bei ihnen selber die Ursache ihrer besseren Gesinnung bildet? Wie viele begreifen denn die Anzahl einzelner Erinnerungen an die Größe des Vaterlandes, der Nation, auf allen Gebieten des kulturellen und künstlerischen Lebens, die ihnen als Sammelergebnis eben den berechtigten Stolz vermitteln, Angehörige eines so begnadeten Volkes sein zu dürfen?“

„Also fürs Protokoll, das sind ja alles auch bloß Einzelmeinungen, und…“ „Können wir nicht mal eine sachliche…“ „Eine Debatte, Klammer auf: sachlich, Klammer zu, da muss man auch nach den Werten, die dieses Abendland…“ „Wer sein Volk liebt, beweist es einzig durch die Opfer, die er für dieses zu bringen bereit ist. Nationalgefühl, das nur auf Gewinn ausgeht, gibt es nicht. Nationalismus, der nur Klassen umschließt, gibt es ebenso wenig.“ „Dann ist Ihnen also die Integration von, ich sage es mal so, wie ich es verstehe, diese Menschen, die Sie ja in unserer abendländischen – Ihre Worte, ich will das nur mal zitieren, die Sie…“ „Wie grenzenlos die heutige Menschheit in dieser Richtung sündigt, mag noch ein Beispiel zeigen. Von Zeit zu Zeit wird in illustrierten Blättern dem deutschen Spießer vor Augen geführt, dass da oder dort zum ersten Mal ein Neger Advokat, Lehrer, gar Pastor, ja Heldentenor oder dergleichen geworden ist.“ „Ich finde das zum…“ „Ich frage nach, meine Mutter hat das eventuell noch nicht verstanden: das ist doch auch ein Statement, dass wir bereit sind, uns für neue Fachkräfte zu…“ „Merken Sie eigentlich noch was!?“ „Unerhört!“ „Meine Damen und Herren, liebe Zuschauer – eine hochemotionale Runde!“

„Fragen Sie den doch lieber mal nach seinen Hetzreden auf dem…“ „Das Stichwort ist gefallen, Sie sind mehrfach auch in Dresden in Erscheinung getreten, und seit hat der Protest auch nicht mehr…“ „Das konnten wir schon damals, am ersten Tage unseres öffentlichen Auftretens, erfahren. Wir haben wahrlich nicht um die Gunst der Massen gebuhlt, sondern sind dem Wahnsinn dieses Volkes entgegengetreten, überall.“ „Das meinen Sie doch nicht ernst!“ „Jetzt kommt gleich wieder die Nummer mit der Meinungsfreiheit und dass man angeblich in Deutschland nicht…“ „Also zum Verständnis, wir haben hier auch schon gehört, dass Sie sehr kontrovers…“ „Ich habe damals in kurzer Zeit etwas Wichtiges gelernt, nämlich dem Feinde die Waffe seiner Entgegnung gleich selber aus der Hand zu schlagen. Man merkte bald, dass unsere Gegner, besonders in Gestalt ihrer Diskussionsredner, mit einem ganz bestimmten Repertoire auftraten, in welchem immer wiederkehrende Einwände gegen unsere Behauptungen erhoben wurden, so dass die Gleichartigkeit dieses Vorgangs auf eine zielbewusste einheitliche Schulung hinwies. Und so war es ja auch.“ „Unglaublich!“

„Ihre Ausführungen hatten bis jetzt ja schon viel Rasse, hahaha, da will ich auch mal juristisch fragen. Integration, das heißt im Idealfall auch irgendwann Einbürgerung. Können wir Menschen mit Migrationshintergrund besser in die…“ „Ein einfacher Federwisch, und aus einem mongolischen Wenzel ist plötzlich ein richtiger Deutscher geworden.“ „Widerlich!“ „Ich höre mir das nicht mehr länger mit an! Ich…“ „Aber nicht nur, dass man sich um die Rasse eines solchen neuen Staatsbürgers nicht kümmert, man beachtet nicht einmal seine körperliche Gesundheit. Es mag so ein Kerl syphilitisch zerfressen sein wie er will, für den heutigen Staat ist er dennoch als Bürger hochwillkommen.“ „Das ist ja genug Material für einen Shitstorm, wie man das jetzt auf Neudeutsch nennt, ich würde aber…“ „Merken Sie eigentlich noch irgendwas!?“

„Im Nachgang der Silvester-Ereignisse, da müssen wir aber auch mal kritisch werden. Haben wir die, ich sage mal: Frauenrechte zu lange nicht…“ „Das deutsche Mädchen ist Staatsangehörige und wird mit ihrer Verheiratung erst Bürgerin. Doch kann auch den im Erwerbsleben stehenden weiblichen deutschen Staatsangehörigen das Bürgerrecht verliehen werden.“ „Empörend!“ „Es ist doch schon mal ein Denkansatz, dass sich die Positionen in punkto Frauenrechte gar nicht so sehr unterscheiden.“ „Ich werde mir das nun keinesfalls länger…“ „Das ist ja eine hochinteressante Entwicklung, und da wären wir auch bei einem zentralen Punkt. Reden wir doch mal über Autobahnen.“





Kontra

9 10 2014

„Sie sind ein bisschen spät dran.“ Siebels kaute mit ungewohnt hoher Frequenz an seinem Zahnstocher, aber sonst war er die Ruhe selbst, wie er an seinem Automatenkaffee nuckelte. Malottke griente recht säuerlich aus der Maske herüber; Siepenstihl würdigte wie immer keinen auch nur eines Blickes. Wir waren ja beim Fernsehen, da gewöhnt man sich an alles.

„Ich weiß gar nicht, was ich hier soll.“ „Auffallen natürlich“, antwortete Siebels mit einer leicht gelangweilten Härte, die kaum eine Spur von Ironie zu verbergen suchte. „Sonst hätte ich auch einen von der Straße holen können.“ Es handelte sich tatsächlich um die kulturpolitische Diskussion, und ich hatte schon gehofft; einerseits hatte ich an einer solchen Veranstaltung schon teilgenommen, mein Gesicht war also nachhaltig verbrannt, andererseits war es nicht das politische Programm, das sie Siebels, dem Altmeister der TV-Produktion, niemals in die Finger gäben. So würde ich wohl auftreten müssen, aber warum? „Sie werden einen der Teilnehmer nicht rechtzeitig angerufen haben“, mutmaßte er. „Oder sie haben ihn angerufen, und als das Gespräch auf das Honorar kam, hat er wortlos aufgelegt. Ich kenne doch meine Intellektuellen.“ Und das erwartete er jetzt also von mir, dass ich seine Sendung rettete. Meine Laune stieg merklich. „Ich glaube“, meinte er, „schlimmer wird’s nicht. Sie machen das schon.“

Die Anmoderation war kaum verklungen, als die Diskussionsleiterin auch schon die erste Frage provokativ in Richtung des konservativen Ministers stellte. „Nun“, begann er, „wir müssen uns immer wieder vorhalten lassen, dass wir uns nur an den althergebrachten Positionen messen lassen wollen, aber ich sage: ist das denn so verkehrt? Brauchen wir nicht immer auch eine Selbstvergewisserung in der eigenen Moral? Hat die…“ „Schnickschnack!“ Siebels zuckte zusammen. Das hatte er sich so gedacht, einfach einen Anzugträger in die Sendung einschleusen und warten, bis die Auflaufprämie im Kasten ist. „Der Punkt ist doch, dass Sie und Ihre Koalitionspartner keine Gelegenheit ausgelassen haben, um Ihre Inkompetenz unter Beweis zu stellen.“ Malottke sagte vorerst gar nichts. Er musste noch die Mehrheitsmeinung abwarten, bis er sich auf eine Seite schlug.

Von Siepenstihl war nichts zu hören. Er hatte auf die Anfrage der Moderatorin denn auch nur eine ziemlich dürftige Antwort. „Vom Standpunkt der Familie aus ist es eine Frage der Chancengleichheit, wenn wir für uns eine Steuersenkung…“ „Das muss Sie ja freuen“, höhnte ich. „Zwei Millionen, und dann rechtskräftig verurteilt, und Sie wollen mir etwas über Steuergerechtigkeit erzählen?“ Er wollte gerade aufbrausen, verschluckte sich aber. „Man kann das auch ein bisschen sensibler anfangen“, nörgelte Malottke. Ich hatte nicht gewusst, dass seine Chancen auf ein Landtagsmandat derart im Argen lagen. Die Moderatorin transpirierte. Siebels schien sich zu beruhigen.

„Wir brauchen gerechte Lastenverteilung und die Wachstumsorientierung der Mittelschicht, um die Großkonzerne zu entlasten, aber wir müssen auch Lohnzurückhaltung üben.“ Malottke war in seinem Element. „Denn nur dann hat die Wirtschaft wieder genügend Spielräume, um auch die Löhne zu erhöhen.“ Irgendetwas knirschte da. Zu meiner eigenen Verwunderung stellte ich fest, dass es meine Zähne waren. „Aber die deutsche Familie“, greinte Siepenstihl, „muss ausreichend versorgt werden, sonst…“ „Sonst ist sie nicht mehr deutsch?“ Er starrte mich entgeistert an. „Oder zerlegen sich Ihre Sippenhaftungskräfte sonst in Wohlgefallen und der Niedergang setzt ein? weil der eigentlich nur für nichtdeutsche Familien gedacht war?“ Siebels rieb sich den Bauch.

„Wir hatten nicht immer Gelegenheit für einen Konsens“, brachte sich die Gastgeberin in Erinnerung. „Deshalb nun meine Frage, ob wir…“ „Nein“, antwortete ich schlankerhand, „warum auch. Die finanziellen Spielräume für eine solche Aktion, die ich nebenbei nicht verfassungskonform finde, sind ja nicht endlos dehnbar.“ Das war zu viel. Siepenstihl explodierte. „Das ist eine Missachtung der wirtschaftlichen Anstrengungen der Wirtschaft!“ Einstweilen schwieg Malottke, man hatte ihm den Text geklaut. „Die deutsche Familie“, schrie Siepenstihl, „und das sage ich hier in aller Deutlichkeit!“ „Das wäre doch ein gutes Stichwort für einen…“ „In einer Deutlichkeit, die an Härte Ihren Intellekt wohl weit übersteigt!“ „Und lassen Sie mich noch…“ „Gar nichts werde ich Sie lassen!“ „… verdeutlichen, dass ich einerseits ganz genau so eine…“ „Gar nichts!“ „… und dass ich das, was ich jetzt auch so meine, dennoch kritisieren muss, weil ich auf der anderen Seite für den Mittelstand und die Industrie…“ „Sie sollten, wenn Sie – gehen Sie doch nach drüben!“

„Hübsch“, sagte Siebels tonlos. „Ganz hübsch gemacht.“ Man hatte die zankenden Kontrahenten erst hinter der Kulisse getrennt, Malottke sagte nichts, während sein Widersacher die Garderobe in ihre Einzelteile zu zerlegen drohte. „Ach was.“ So viel hatte ich ja auch nicht zur Unterhaltung beigetragen. „Es ging übrigens um die Frage, ob man in den Kindergärten Fremdsprachenunterricht geben solle.“ Siebels knüllte seinen Pappbecher zusammen. „Wie gesagt, hübsch gemacht. Wenn Sie wollen, übermorgen diskutieren die beiden wieder. Studio D. Bereiten Sie sich bloß vor, dann wird’s bestimmt politisch.“





Hart, aber fair

15 01 2013

„Für einen Altmaier kriegt man aber schon zwei Kubickis.“ „Da kommt ja auch nur Heißluft.“ „Dann schon lieber Gröhe.“ „Da kommt ja nicht mal Heißluft.“ „Leute, so kriegen wir das doch nie fertig!“ „Und welcher Sender kauft uns das ab?“ „Ist doch Banane. Hauptsache, wir haben die Leute hier am Haken.“

„Die Redaktion will Konzepte sehen.“ „Hatte ich mir gedacht.“ „Weil sie selbst keine mehr haben?“ „Man könnte doch mal…“ „Au nee!“ „Bloß nicht!“ „Hören Sie auf, das kauft keiner!“ „Aber Sie wissen doch noch gar nicht, was ich vorschlagen wollte.“ „Sie wollten was vorschlagen, das reicht.“ „Das will keiner.“ „Die wollen Personal mit möglichst viel Musik drin.“ „Musik?“ „Naja, die sollen sich nicht gleich an die Kehle gehen, aber für eine Runde Beleidigungen muss es schon reichen.“ „Und das kaufen die einfach so?“ „Was sonst? Aus mehr besteht doch eine Talkshow nicht.“

„Haben wir jemanden für…“ „Erstmal nicht, haben wir ein Thema für Bosbach?“ „Wieso werden die Themen jetzt schon für die Gäste ausgesucht?“ „Raten Sie mal.“ „Dann schlagen die Ihnen die Themen vor und werden dann eingeladen, wenn es passt?“ „Sie haben das offensichtlich noch nicht so ganz kapiert.“ „Die geben Ihnen die Themen vor und sagen, wenn Sie Zeit haben?“ „Waren Sie schon mal beim Fernsehen?“ „Ich bin vom Bundesrechnungshof, ich…“ „Ach Gottchen, das ist ja putzig!“ „Sagt ihm bloß nicht, was hier ein Intendant verdient.“ „Wir sagen ihm, was die anderen Arbeitskräfte bekommen, dann ist er wieder zufrieden.“ „Was schlagen Sie denn den Gästen jetzt vor?“ „Nichts.“ „Nichts?“ „Nichts. Wir sagen ihnen, was sie hier zu tun haben.“ „Und das lassen die einfach so mit sich machen?“ „Mann, was haben Sie denn gedacht?“ „Aber das sind doch Politiker?“ „Und? Was hatten Sie gedacht, wie Lobbyismus funktioniert?“ „Klingt hart.“ „Aber fair.“

„Bundespolitik für übernächsten Monat?“ „Rente.“ „Hier steht was mit Arbeitsmarkt und Energiewende.“ „Brüderle.“ „Okay, der kann alles nicht.“ „Und weshalb laden Sie ihn dann ein?“ „Weil wir die Roth schon drin haben.“ „Hat die nicht mit Lafontaine getauscht?“ „Nur einmal, aber dafür muss die Wagenknecht zu Lanz.“

„Wir brauchen eine Betroffenheitssendung.“ „Was bitte ist eine Betroffenheitssendung?“ „Ist die Käßmann schon wieder auf dem Markt?“ „Und dann noch irgendeinen Schlauschwätzer.“ „Der Yogeshwar macht doch diesen ganzen Müll.“ „Was ist eine Betroffenheitssendung?“ „Oder Heiner Geißler.“ „Meine Güte noch mal, was ist eine Betroffenheitssendung!?“ „Ja, nach irgendeiner Katastrophe halt.“ „Der Geißler guckt aber so schön philosophisch.“ „Der ist einfach nur alt.“ „Aber philosophisch.“ „„Was ist betroffen an dieser Betroffenheitssendung, kann mir das mal bitte einer erklären?“ „Ja, Katastrophen halt. Erdbeben, Zug entgleist, so Sachen halt.“ „Oder Amoklauf.“ „Nee, Amok macht der Innenminister.“ „Dann kommt aber Geißler nicht.“ „Eben, deshalb machen wir bei Amok auch keine Betroffenheitssendung.“ „Und die Leute heulen da öffentlich herum?“ „Sie suchen irgendeine Erklärung.“ „Oder rechtfertigen sich.“ „Aber für ein Erdbeben gibt es doch keine Rechtfertigung.“ „Deshalb sitzen da auch so Leute wie die Käßmann.“

„Dieser Programmpuffer…“ „Die Neubauer macht ja auch alles mit.“ „Kann man die Ferres nicht auch wieder mal einplanen?“ „Nur im Abstand von zwei Wochen zu der Ex von Wulff.“ „Das pufft ja auch schon ganz gut.“ „Soll aber puffern.“ „Also dieses ‚Hilfe, mein Hamster bohnert‘, oder was?“ „So ähnlich.“ „Zwei Politiker, zwei aus der Wirtschaft, ein Künstler, und ein Typ, von dem keiner weiß, wer den immer einlädt.“ „Das wäre das Ding von der Wulff?“ „Oder eben von der Ferres.“ „Können wir Nahles und Söder?“ „Hm, lieber Dobrindt und Leutheusser-Schnarrenberger.“ „Ich wäre ja für Gottschalk.“ „Als Künstler?“ „Nee, hat jetzt ja eher mit Wirtschaft zu tun.“ „Plus Ilse Aigner.“ „Nicht ausgewogen“ „Ist die auch aus den USA?“ „Aus Bayern sind die doch.“ „Stimmt, die reden ja auch beide so einen Schmarrn.“ „Oder Seehofer.“ „Weil der auch aus Bayern kommt?“ „Weil der auch einen Schmarrn redet.“ „Und dazu die Katzenberger.“ „Das gibt ein Niveaugefälle!“ „Dann erklären wir Seehofer am Anfang alles ganz langsam.“ „Westerwelle und Bushido?“ „Igitt!“ „Nee, dieses asoziale Schwein will doch keiner mehr sehen.“ „Aber…“ „Nix, diesen widerlichen Populismus kann er sich sonst wo reinstecken.“ „Bescheuerte Idee, so ein Profilneurotiker.“ „Äh, Bushido und Gabriel?“ „Na also, geht doch!“

„Und das Terrorspecial?“ „Können wir das noch näher an die Wahl heranrücken?“ „Bloß nicht!“ „Wieso denn nicht?“ „Mensch, sind Sie denn des Wahnsinns?“ „Man muss doch die Zuschauer warnen, wenn es eine…“ „Eben nicht!“ „Aber warum heißt das Ding dann Terrorspecial?“ „Rahmenvertrag.“ „Rahmenvertrag?“ „Die Gäste unterschreiben einen Rahmenvertrag, dass sie einmal im Jahr eine Sendung abdrehen müssen, in der sie nichts als die Wahrheit sagen.“ „Wie, die Wahrheit? Und das wird dann gesendet?“ „Eben nicht. Sonst hätte man ja nichts gegen sie in die Hand. Und wo bekäme man sonst Talkgäste her?“





Schizovision

22 05 2012

Siebels fuhr sich nervös durch die Haare. „Ich konnte nicht anders“, sagte er und zog hastig an seiner Zigarette. „Es ging nicht – mit Maske und Beleuchtung hätte er seit einer halben Stunde da sein müssen.“ Ich klopfte ihm auf die Schulter. „Das kriegen wir hin. Wer bin ich eigentlich?“

Der TV-Macher war völlig aufgelöst. „Er hat nicht einmal abgesagt! Wir können doch so diese Sendung nicht – senden, das geht doch…“ „Es ist eine Talkshow“, sprach ich auf ihn ein, „nichts als eine Talkshow, die sich vermutlich versendet, wenn Sie nicht so ein Aufhebens darum machen würden.“ Siebels war noch immer nicht bei sich. „Er hätte ja wenigstens absagen können – er hat nicht einmal abgesagt!“ „Das hatten Sie schon gesagt“, gab ich zurück. „Jetzt erklären Sie mir freundlicherweise noch, worum es geht und für wen ich mich in dieser Sendung ausgeben soll.“ Er hielt mir ein Papier hin. „Kenne ich nicht.“ Siebels stöhnte auf. „Hätte ich mir ja denken können! Diese Partei hat nicht einmal genug Personal, um die Kernthemen zu beackern! Ich kenne den übriges auch nicht, scheint ein Hinterbänkler zu sein. Also Sie gehören zum liberalen Flügel der Liberalen, damit Sie Bescheid wissen. Die anderen Gäste sind Denkmann – ja, der Denkmann.“ Ich rümpfte die Nase. „Sie stimmen ihm teilweise zu, manchmal allerdings nur unter Vorbehalt.“ „Hümpel“, stieß ich angewidert hervor, „Kardinal Hümpel. Was macht dieser Drecksack in einer Talkshow? Und was mache ich in einer Show, in der so einer sitzt!?“ Siebels winkte lässig ab. „Sie werden schon mit ihm zurechtkommen. Er ist schwerer Trinker, homosexuell, und hat eine Vorstrafe wegen Scheckbetrugs.“ „Warum sollte ich mit ihm fertig werden?“ „Er weiß, dass Sie das wissen.“

Die Titelmusik verklang, während Nöllmeyer, der langweiligste Fernsehsandmann aller Zeiten, ansatzlos zur Sache kam: die Gesellschaft ist am Ende, denn die Steuern sind zu hoch, das Land ist von einer schweren Identitätskrise bedroht, da nicht mehr genug geglaubt und zu viel nachgedacht wird. Mein Nebenmann, Wirtschaftswissenschaftler oder anderweitig als Kabarettist tätig, krümelte ein Pfund Allgemeinplätzchen hervor. Ich wurde schläfrig. Das war nicht angenehm.

„Und wie würden Sie die gegenwärtige Lage in Europa beschreiben?“ Ich schrak auf. Hastig suchte ich die Kamera. Nöllmeyer musterte mich genervt. „Was Herr Denkmann sagt“, stammelte ich. Der riss empört die Augen auf. „Aber ich hatte doch noch gar nicht…“ „Wir müssen unbedingt in dieser Lage, die ich übrigens aus mehreren Gründen – ich komme noch darauf zu sprechen – und wenn ich sie schon als eine ernste Situation, die wir alle hier innerhalb und außerhalb, das sollte uns hier und heute nicht auseinanderdividieren, jedenfalls kommen wir mit Lösungen aus dem 20. Jahrhundert nicht sehr viel weiter, und gerade das ist etwas, was wir verinnerlichen müssen. Die Regierung sollte hier endlich mal klar Stellung beziehen!“ Täuschte ich mich, oder war der Kameramann gerade ein bisschen zusammengezuckt?

Der Kardinal schwadronierte ein bisschen über die Verantwortung der Kirche, die sicher innerhalb kommender Generationen praktische Auswirkungen haben dürfte (Denkmann popelte sich unterdessen zwischen den Fingern herum), da fiel ich ihm ins Wort. „Sie können stolz sein auf Ihre Haltung“, pfiff ich den Gottesmann an, „Drei Jahre Diskussion…“ „Fünf Jahre“, unterbrach er mich mit hoch erhobener Nase, „und das wissen Sie.“ „Umso schlimmer“, höhnte ich, „fünf Jahre lang leere Versprechungen, und dann kommen Sie mir hier mit einer Selbstverpflichtung, die noch nicht mal in Ihrem Laden gilt? Lächerlich!“ Kardinal Hümpel wurde aschfahl, was ich durchaus verstand, desgleichen erblich Nöllmeyer zusehends.

„Psst!“ Siebels hatte sich auf allen Vieren quer durch die Kulisse unter meinen Stuhl gerobbt und stecke mir einen Kassiber zu. Ich wurde also laut Bauchbinde als Mitglied der Konservativen geführt. „Machen Sie was“, flehte er mich an. „Sie sorgen noch für eine Regierungskrise!“ Warum eigentlich nicht? Ich zwinkerte Siebels zu. Jetzt oder nie.

„Was wir brauchen“, röhrte ich, „ist eine entschlossene und handlungsbereite Regierung! Wir sollten uns nicht länger auf ideologische – lassen Sie mich ausreden! Eine nachhaltige Politik, auch unter dem Gesichtspunkt einer sozialen und in der Wirtschaft verbindlichen…“ „Sie haben ja gar kein Recht, das zu sagen!“ Der Kardinal ballte vor Wut die Faust. „Aber Sie“, antwortete ich scharf, „in welches Amt waren Sie noch mal gewählt worden? Beteiligen Sie sich mit konstruktiven Vorschlägen an der Diskussion oder halten Sie einfach die Klappe!“ „Wir lassen uns das nicht bieten“, krähte Denkmann, „das wird ein Nachspiel haben!“ Mit glasigen Augen starrte Siebels aus den Aufbauten. „Ein Nachspiel wird das haben! Ich werde…“ „Verschonen Sie mich doch mit Ihrem rhetorischen Tischfeuerwerk“, wies ich Denkmann zurück. „Das parteipolitische Geplänkel muss einmal ein Ende haben, wenn die Lage ernst wird, und sie ist ernst! Wir dürfen über die Fehler und Versäumnisse dieser Regierung nicht länger…“ „Sie werden jetzt auf der Stelle…“ Nöllmeyer sah aus, als wollte er jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Nur Siebels war bester Laune.

Der Geistliche hatte sich in eine Abseite verkrümelt und kippte hastig den Inhalt einer Taschenflasche in sich hinein. Kameramann und Beleuchter kümmerten sich nicht mehr um uns. Siebels rieb sich die Hände. „Großartig!“ Ich nickte geschmeichelt. „Man muss ja auch mal eine Politik mit menschlichem Antlitz zeigen. Wenn alles gut läuft, springe ich beim nächsten Interview für die Kanzlerin ein.“