Dein Reich komme

11 02 2015

„Und das muss ausgerechnet jetzt passieren?“ „Jetzt regen Sie sich mal nicht so auf, die Steuerprüfung kommt doch nun alle Jahre wieder.“ „Aber nicht mit dem Mann da in der Buchhaltung!“ „Ich sage doch, ruhig Blut. Der Herr wird sein Angesicht leuchten lassen über uns.“ „Und warum hat er diese Flachpfeife dann nicht in Limburg gelassen!?“

„Ich verstehe ja Ihre Verärgerung, aber…“ „Gar nichts verstehen Sie! Der hat hier so weitergemacht wie zu Hause!“ „Ein bisschen Nächstenliebe wäre vielleicht angebracht, mein Mitbruder. Siehe, die da irren, die will der Herr auch wieder auf den rechten Weg führen.“ „Irre? Ja, passt. Als erstes hat der Mann ein Teeservice für 20.000 Euro gekauft.“ „Das ist doch ein Schnäppchen.“ „Im Laden hätte er das Zeug für unter hundert Euro gekriegt!“ „Aber im Internet standen die Gebote weit über 21.000 Euro, also haben wir letztlich sogar Geld gespart, finden Sie nicht?“ „Aber…“ „Seine Heiligkeit ist da ganz entspannt, wir wollen vor allem die großen Vorteile sehen.“ „Das war ja irgendwie klar.“ „Und wenn es die säkulare Kampfpresse nicht will, werden wir uns der üblichen Kanäle bedienen.“ „Peter Hahne?“ „Mal sehen. Hängt davon ab, wie ungebildet unser Publikum inzwischen ist.“

„Aber hier, eine Badewanne für 80.000 Euro?“ „Sehen Sie, das nenne ich mal nachhaltiges Wirtschaften.“ „Aber das ist doch für sein privates Bad!“ „Natürlich, was dachten Sie denn? Wenn man sich als katholischer Würdenträger eine Badewanne mit Kollegen teilt, was meinen Sie, wie dann das Gerede aussieht.“ „Sie haben es immer noch nicht verstanden, diese Wanne hat 80.000 gekostet!“ „Ja, das hatten Sie bereits gesagt.“ „Aber für die hatte er bereits 30.000 Euro ausgegeben, weil die in Limburg in seinem privaten Badesaal stand.“ „Sehen Sie es positiv, er hat die beiden privaten Toilettenbecken, die da Seite an Seite standen, zu Hause gelassen. Ist das nicht einen ordentlichen Lobpreis wert?“ „Sie kriegen wohl gar nichts mehr mit, wie? Sehen Sie sich doch mal die Rechnungen an: 30.000 für die Entfernung, 20.000 für den Transport, und dann nochmals 30.000 für die Integration in das bestehende Kardinalsbad.“ „Es sollte ja harmonisch aussehen.“ „Und damit sind nicht einmal die Bauschäden in Limburg abgedeckt.“ „Meine Güte, wir sind der Vatikan. Solange es uns nichts kostet, solange unsere Lehrmeinung nicht angetastet wird oder es nach Menschenrechten aussieht, kann jede Diözese machen, was sie will.“

„Wer hat eigentlich die neuen Autos hier bestellt?“ „Das ist deutsche Wertarbeit. Seien wir froh, dass wir einen so erfahrenen Sekretär für die Evangelisationsarbeit haben.“ „Erfahren!?“ „Immerhin ist er Deutscher. Die wissen, was gute Autos wert sind.“ „Aber wieso denn neue Autos? Die alten waren doch noch nicht einmal steuerlich abgeschrieben?“ „Haben Sie eine Ahnung von der Steuerpraxis des Vatikans.“ „Nein, habe ich nicht.“ „Gut, dann hat sich das ja erübrigt. Auf jeden Fall sind Sie noch nicht lange genug an Bord, um unsere steuerlichen Möglichkeiten beurteilen zu können. Sie werden sich wohl noch ein bisschen gedulden müssen.“ „Ich frage Sie, warum haben wir mehr Autos als Würdenträger?“ „Vielleicht gab es sie im Familienpack? Der Heilige Vater ist ein sehr sparsamer Mann, vergessen sie das nicht.“ „Aber das ist doch noch alles von Ratzinger abgestempelt worden!“ „Ach so. Ja. Vielleicht haben wir ja Glück und es gibt eine logische Erklärung.“ „Warum diese ganzen Autos?“ „Bhagwan hatte auch immer mehr, als er fahren konnte. Und wir haben sicherlich mehr Mittel zur Verfügung als Bhagwan.“

„Dann hätte ich hier noch die Rechnung für die Weihnachtsfeier.“ „Ach, allerliebst! Sie waren auch eingeladen?“ „Ich kann mich nicht erinnern.“ „Schade, da haben Sie aber etwas verpasst. Erst dieses süperbe Muschelsüppchen…“ „Das war auf einem halben Zentner Safran gekocht.“ „… und dann das Bolschoi-Ballett – fabelhaft, wirklich!“ „Die Suppe?“ „Weiß ich nicht, aber man sieht in letzter Zeit so selten junge Männer mit freiem Oberkörper.“ „Weil Sie jetzt häufiger mal im Vatikan bleiben und keine Auslandsreisen mehr unternehmen.“ „Auch. Aber das war es wert.“ „Quittieren Sie mal eben die Rechnung, das ist es sicher auch wert.“

„Können Sie denn nicht einfach auch mal christliche Barmherzigkeit üben? Müssen Sie immer diese Rachsucht mit sich führen?“ „Wissen Sie, mir ist der ganze ideologische Schnickschnack genauso egal wie Ihnen. Ich will nur ganz einfach eine saubere Buchführung vorlegen.“ „Können Sie doch.“ „Hier steht, dass die Häppchen von der Weihnachtsfeier eine Spende waren. Wie verbuche ich denn jetzt die Stripper?“ „Das Bolschoi-Ballett, meinen Sie.“ „Ja, nein, egal. Ich kann die doch nicht einfach als Luftnummer…“ „Ach!“ „Ich habe diesen Tebartz-van Elst derart satt, der kann meinetwegen gerne nach…“ „Versündigen Sie sich nicht, Bruder!“ „Ach, ist doch wahr!“ „Demut. Üben Sie sich in Demut und suchen Sie Gewissheit im Glauben.“ „Wo wir gerade davon reden: den Bauplan hier kennen Sie, nicht?“ „Welchen Bauplan?“ „Den hier, Abriss und Neubau des Petersdoms als Stahl-Glas-Konstruktion. Wer hat da eigentlich das Budget gemacht?“





Protz und Wasser

14 10 2013

„Behalten Sie die Schuhe ruhig an, wir haben Filzpantoffeln. Das ist bei durchgängig Marmor einfach praktischer, als jeden zweiten Tag feucht durchzuwischen. Vor allem, weil die Kehrmaschine immer so einen Höllenlärm veranstaltet, das hört man ja bis in die Bibliothek.

Hübsch, nicht wahr? Das war für uns auch eine echte Herausforderung. Also nicht wegen des Exposés, so zwei bis fünf Aktenordner kriegt man ja auch schnell mal voll, aber bis Sie einen richtigen Immobilienkaufmann dazu bringen, dass er in der Anzeige lauter Untertreibungen schreibt – mein lieber Mann, ich sage Ihnen! Aber wenn wir hier gleich alles reingeschrieben hätten, würde sich bestimmt kein Interessent melden. Zumal dieser Kasten ja auch ganz nette Unterhaltungskosten hat.

Nehmen Sie ruhig den Treppenlift, der ist in weniger als fünf Minuten oben. Für schwerere Sachen haben wir hinter der Empore natürlich noch den Lastenaufzug. Sonst hätte der Adventskranz nie ins Obergeschoss gekonnt. Vorsicht mit den Gobelins, die sind echt. Wir haben hier links die Einhörner, im rechten Aufgang die vier Evangelien als Synopse. Es wirkt etwas unübersichtlich, aber das ist wie mit manchen Filmen: am Ende ist das Buch immer noch besser.

Sie können übrigens von hier aus alles steuern: Heizung, Licht, Beamer, Zugbrücke, und wenn Sie Ihr mobiles Endgerät mit der Hausanlage vernetzt haben, temperieren Sie die Badewanne schon, noch bevor Sie das Grundstück betreten haben. Da hinten ist das Ankleidezimmer, aber das ist eher schlicht gehalten. Ein paar hundert Meter Kleiderstange, die Rolltore natürlich elektrisch, die Spiegel drehen sich automatisch mit. Die getragenen Stücke werfen Sie gleich in den Schacht, dann landen sie unten in der Waschküche. Das ist praktischer, als für jedes Käppchen immer gleich in den unteren Keller zu latschen.

Das wäre dann hier die Küche. Wir haben sie recht einfach gehalten, der Herd ist freistehend, Hochbackofen, Kühlschrank mit begehbarem Drei-Sterne-Fach und Eiswürfelspender, Oblateneisen, und diesen byzantinischen Ambo haben wir als Kochbuchständer umgebaut. Hübsches Ensemble, und für die Beleuchtung haben wir diesen kleinen Kronleuchter an die Decke gehängt. Als Leselicht. Schauen Sie mal, Zicklein in Milch. Und Donnerstag gab’s Lamm für dreizehn Personen. Nein, als Getränkeautomaten würde ich das hier nicht bezeichnen. Wir haben uns das bei diesem Versandhaus abgeschaut. Der Ausgabeschrank ist durch eine App steuerbar und hat über ein automatisches Kommissionierfahrzeug Zugriff auf den Messweinkeller. Bei der jetzigen Bestückung sollte der Bestand bis zum Jahr 2048 reichen. Die Bistümer Trier und Paderborn natürlich inbegriffen.

Hier bitte einmal aufpassen, die Tür öffnet sehr leicht beim Gegenlehnen, und dann führt die Treppe bis ins Untergeschoss oberhalb des Kellers, der oberhalb des oberen Kellers liegt. Also eine Art unteres Zwischengeschoss. Das ist Terrakotta, richtig, und es ist eine Armee. Aber nicht, was Sie jetzt erwartet hatten. Das sind die himmlischen Heerscharen. In Lebensgröße. Nennen Sie es halt Kunst am Bau. Ich finde es auch etwas komisch.

Ja, das ist das Bad. Wirklich beeindruckend, was man aus einem derart großen Raum ohne Außenfenster alles machen kann. Wir waren sehr ergriffen, als wir dies hier das erste Mal gesehen hatten. Manche haben regelrecht geweint. Protz und Wasser. Das wäre hier die Badewanne, und der Waschtisch drüben war früher mal der Hochaltar von Sankt Bonifatius. Die Geschmeide an den Wasserhähnen sind natürlich abnehmbar, man muss das Objekt ja auch vernünftig putzen können. Deshalb ist die Keramik auch nicht aus Keramik. Sie wollen ja ein bisschen Freude an der Nasszelle haben, schließlich verbringen Sie hier die ersten Augenblicke eines langen, arbeitsamen Tages. Der Deckel wird hydraulisch bewegt, und dann kann man die Unterwasserbeleuchtung hier regeln. Den zweiten Hebel von links ziehen. Wieso Whirlpool? Das ist das Gästetaufbecken.

Es ist weitläufig, da haben Sie recht. Aber wenn Sie sich erst einmal an die Rolltreppen in den Verbindungsfluren gewöhnt haben werden, dann fühlen Sie sich ganz schnell zu Hause. Das ist der Durchgang zum Kölner Dom, falls Sie mal den Metropoliten sprechen müssen. Irgendwie vermisse ich auch den Herrn Kraußwinkel, der hat sich offenbar beim letzten Termin verlaufen. Steckt wohl im Funkloch, der Gute. Nein, das ist noch nicht so lange. Morgen werden es erst sechs Wochen.

Das ist jetzt natürlich unser ganzer Stolz. Wenn Sie mal schauen möchten, dies ist die Hauskapelle. Also unsere Sixtinische Hauskapelle. Doch, im Maßstab 1:1. Wir wollten es auch nicht unnötig verkleinern, sonst hätte es eine gewisse Unwucht mit der Statik im Kellergeschoss gegeben. Das ist unsere Sängerschule. Das Kyrie aus der Missa Papae Marcelli, wenn mich nicht alles täuscht. Wir wollten sowieso mal einen neuen Ton für die Türklingel.

Das wäre jetzt so der erste Eindruck, ich hoffe, es sagt Ihnen schon ein wenig zu? Natürlich feinste Tropenhölzer, die sind einfach haltbarer, und wir müssen da ja nicht so auf den Preis schauen. Sie sind zufrieden? Das freut mich. Dann würde ich vorschlagen, wir sehen uns jetzt das Hauptgebäude an.“