Gernulf Olzheimer kommentiert (DCXXI): Schwammintelligenz

1 07 2022
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Uga hatte kurz Kopfweh. Dann delirierte er ein wenig von alten Männern in Frauenkleidern, die mit einer qualmenden Handtasche durch große Höhlen liefen und dabei fromme Gesänge absonderten, und dann schaltete sein Betriebssystem auf Durchzug. Er war stundenlang durch die Steppe gestreift auf der Suche nach schmackhaften Schuppenrüsslern, die sich hitzebedingt lieber unterhalb des sandigen Bodens aufhielten, und hatte sich dabei die Kalotte verkocht. War es seine Dummheit oder sein tief im männlichen Ego wurzelnder Urtrotz – wobei diese beiden Faktoren sich nicht richtig trennen ließen – er hatte sich in die ewigen Jagdgründe verzogen, statt auf die Warnungen seiner jungen Gefährten zu hören, dass eine Wanderung ohne Wasser oft eine Wanderung ohne Wiederkehr ist. Jahre vor dem Bau der hängenden Gärten, der üppig begrünten Paläste der Antike und der Neuzeit wussten die klimatisch herausgeforderten Wüstenbewohner, dass es nicht ohne Flüssigkeitsregulation geht. Was uns heute fehlt, ist ihre Schwammintelligenz.

Das Wunschbild der bürgerlichen Nachtmützen ist bis heute das Häuschen im Grünen, vulgo: die Readymade-Idylle in pseudoindividueller Bauweise am Arsch der Welt, nur erreichbar durch Kilometer von Autobahnen und Schnellstraßen, ordentlich in drei Spuren durch die Landschaft gefräst, damit der Pendler privat und eigenverantwortlich ein paar Quadratmeter Natur bastelt. Zum Ausgleich wird hektarweise Wald wegplaniert, der beim Gasgeben stören würde. In den Städten blieb dafür das eine oder andere Stück Rasen übrig, das den Reichtum der Feudalgesellschaft demonstrierte: Landbesitz, der nicht wirtschaftlich genutzt wurde, sondern wie drohend nur der Repräsentanz diente. Mit dem Sieg der Bourgeoisie mehrten sich Lustgärten, bald auch dem gemeinen Volk zugänglich, doch was sich im Zeitalter der Industrialisierung an Treibhausgasen in der Atmosphäre ballte, bekamen auch Park und Prater nicht mehr weg. Die Stadt trocknete aus.

Dabei gibt es kurzfristig wirkende, langfristig den Wohnwert des urbanen Umfelds steigernde Mittel, um den Wasserhaushalt und damit die Hitze zu regulieren. Begrünte Dächer, vertikaler Wuchs, Drainage zur Speisung der Baumwurzelschicht, die Stadt der Zukunft ist porös und hat eine vielfach vergrößerte Oberfläche statt eines zentralistischen Abflusssystems, die Wasser größtenteils am Ort seines Bodenkontaktes speichert und nutzt. Das ist nicht getan mit drei Handbreit Grünstreifen, die im Zweifel doch von Blechlawinen überrollt werden, und nicht gesichert mit regelmäßig ausgetauschten Bäumchen, die direkt über Regenwasserkanälen zum Verdorren aufgestellt werden. Die natürliche Verzögerung, mit der Feuchtigkeit aus den oberen Bodenschichten in die Tiefe sinkt, macht sie auch länger nutzbar. Der immer noch auf den Straßen produzierte Dreck, wasserlöslich oder wenigstens schwemmfähig, sickert nicht in die Kanalisation und dringt nicht ins Grundwasser ein. Aber das geht ja nicht, weil das welkende Schimmelhirn seinen Straßenpanzer unbedingt drei Schritte von der Tür der gefäßchirurgischen Praxis parken muss, weil seine Nudel weich bleibt.

Auch die punktuellen Wolkenbrüche, die den periodischen Niederschlägen den Rang ablaufen, verlieren durch die Verhinderung einer Überflutung ihre Schrecken – nicht ganz, dazu hat die idiotische Gier der Menschheit den Karren schon zu weit in die Grütze geritten. Wie man Schwemmflächen und natürliche Rückhaltebecken mit Flussbegradigung und -bettvertiefung zur verkehrsoptimierenden Landschaftsvergewaltigung durchgedrückt hat, so rächt sich der Flächenversiegelungswahn, der die Wassermassen auch in noch so großen unterirdisch angelegten Kavernen nicht halten kann, völlig egal, woher sie strömen. Wir könnten, aber es wäre viel zu schön, um wahr zu werden.

Allein die autofixierte Hochglanztristesse, die sich von mürben Metropolen bis in die piefigste Provinz schwiemelt, um das Programm Unser Dorf soll schnöder werden mit Verve in die Netzhaut wehrloser Anwohner zu prügeln, besteht aus Fahr- und Standflächen, zwischen denen sich ungeschlechtlich Straßenbegleitgrünantäuschung mit Waschbeton paart, Kübel auf Kübel klinisch sauber vom Erdreich getrennt, damit nichts den verkehrstechnischen Nutzfaktor torpediert, und es ist wahr: wer das täglich sieht, kann nur schnell das Elend hinter sich lassen wollen. Der Städtebau der Zukunft wird vermutlich weniger Tankstellen und mehr Ladestationen haben, weniger störende Wege für lästige Läufer oder renitente Radler, weil ein paar gierige Arschgeigen die Sache durchgerechnet haben: bei normaler Lebenserwartung privilegierter Großkapitalisten dürfte ihr Ableben ungefähr dann stattfinden, wenn die Katastrophe alle Kipppunkte genommen hat und der Planet nicht mehr zu retten ist. Mit etwas Pech könnte man sie zwischendurch an die Wand stellen, aber wahrscheinlicher ist, dass sie dereinst im Pflegeheim irrtümlich in die Sonne geschoben werden, auf einen Weg ohne Schatten, ohne Wasser, ohne Wiederkehr. Da sie bisher wenig Sinnvolles abgesondert haben, wird der Hitzschlag kaum jemandem auffallen.





Wasserzeichen

30 06 2022

„Zwanzig, noch mal dreißig, also insgesamt einhundertzehn.“ Herr Breschke schloss den Karton und schob ihn zurück unter den Küchentisch. Es duftete, vielmehr: roch nach einer Mischung aus Maiglöckchen und Pfefferminzbonbons. Und noch hatte er keins der Erfrischungstücher benutzt.

„Es geht ja nicht um die Kosten“, betonte der Hausherr, „obwohl sie schon recht preiswert sind, wenn man eine größere Menge davon abnimmt.“ Hauptsächlich dürfte wohl es an der Herkunft dieser Hygieneartikel gelegen haben, die seine Tochter aus einem kambodschanischen Warenlager in Peru mit amtlichen Siegeln in drei ausgestorbenen Sprachen besorgt hatte. Immerhin waren bisher noch keinerlei Hautreizungen aufgetreten, noch benutzte der Alte zweimal am Tag die Brause. „Wenn man Wasser sparen kann, sollte man es auch tun.“ Ich nickte. Allerdings gab ich zu bedenken, dass es für Umwelt und Energiesicherheit auch schmerzfreiere Wege geben würde. „Sich zum Beispiel am Morgen mit dem guten alten Seiftuch zu reinigen, wäre einer davon.“ „Nun ja“, lächelte er, „ich bin nun nicht mehr so gelenkig. Duschen ist ein wenig bequemer, das muss ich schon zugeben.“ „Und wie erreichen Sie dann, sagen wir mal: die Zehen mit diesen Dufttüchern?“

Die Wasserrechnung vom vergangenen Jahr wies einen ganz hübschen Verbrauch auf, jedenfalls für ein kleines Häuschen mit Garten. Letzterer war mit Rasen und Rosen Großverbraucher, vor allem in regenarmen Zeiten. „Ich kann meine Pflanzen nicht einfach vernachlässigen“, betonte der pensionierte Finanzbeamte. „Sie müssen wissen, wir sind als Anwohner verpflichtet, diese Flächen zu begrünen.“ Ich sah mich um. Die große blaue Tonne, die seit Jahrzehnten im Keller stand, würde hervorragend unter den Abfluss der Dachrinne passen; ein kleiner Schnitt ins Fallrohr, ein Regensammler, schon liefe der Niederschlag nicht mehr in die Kanalisation. Er kratzte sich am Kopf. „Das würde sicherlich eine Menge weniger verbrauchen.“ Er blickte sich im Garten um. „Auf der anderen Seite liest man gerade überall, dass Sparen auch schädlich sein kann, wenn man die Leitungen nicht regelmäßig spült.“ „Ihre fünf Minuten Duschen am Tag reichen da vollkommen aus“, beruhigte ich ihn. „Keiner wird Sie zu einem Wannenbad nötigen.“

Das Bad, seit Jahrzehnten in einem funktional wirkenden Rostbraun eingerichtet, war die nächste Etappe. „Diesen Brausekopf haben Sie vor dem Dreißigjährigen Krieg installiert“, mutmaßte ich, was Breschke mit Stirnrunzeln quittierte. „Das Ding wird nicht richtig sauber“, nörgelte er. „Man kann Essig dazu verwenden“, riet ich trotz Skepsis beim Anblick der Gummidichtungen, „manche schwören auf Gebissreiniger.“ Aus dem Schränkchen unter dem Waschbecken kramte er eine vergilbte Dose mit Briefchen heraus, die ein blassblaues Pulver enthielten. „Sagen Sie nichts“, stöhnte ich. „Ja, aber sie hat mit die schon vor zehn Jahren mitgebracht, ich wollte sie erst aufbrauchen.“ Auch der Schlauch hielt einer genaueren Inspektion nicht stand; er war an mehreren Stellen porös und drohte zu brechen, so dass ein Leck bei der täglichen Körperpflege nur noch eine Frage der Zeit war. „Wir werden sicher im Baumarkt etwas Schönes finden, damit drehen Sie dann auch die Wasserzufuhr ab, wenn Sie sich gerade den Kopf shampoonieren.“ Er nickte. „Ich wollte ja die ganze Zeit etwas machen“, sagte er kleinlaut, „aber die Kosten!“ „Herr Breschke“, mahnte ich, „wenn Sie ab sofort auf zu viel warmes Wasser verzichten, hat sich diese Investition im Nu amortisiert.“ Es sah aus, als würde er mit mehreren Unbekannten rechnen. Schließlich nickte er wieder.

„Selbstverständlich können Sie auch in der Küche eine Menge Wasser sparen.“ Ich zog das Besteckfach des Geschirrspülers heraus. Zwei Gabeln, zwei Messer und zwei Suppenlöffel lagen im Auszug. „Ich müsste sonst den ganzen Kasten in den Küchenschrank räumen, wir haben ja so selten Besuch.“ „Sie spülen das Besteck also nach den Mahlzeiten von Hand ab“, konstatierte ich. Horst Breschke schüttelte energisch den Kopf. „Vor den Mahlzeiten, sonst macht es ja gar keinen Sinn.“

Das Minzmaiglöckenaroma der Küchenluft war noch immer dominant, da nahm Breschke eins der Tücher aus der Packung. Die Folie ließ sich leicht aufreißen, und sofort breitete sich das penetrante Bukett im ganzen Raum aus. Der Hausherr rieb sich die Hände mit dem Geruchsträger ein, und es trieb nicht nur mir beinah die Tränen in die Augen. „Das ist fürchterlich“, krächzte ich. „Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Sie sich ab sofort zweimal täglich mit diesem Zeug imprägnieren werden, um Wasser zu sparen?“ Seine Nase zuckte. „Glauben Sie, dass der Gestank mit Wasser und Seife wieder abgeht?“ „Sparen Sie“, ächzte ich. „Aber bitte nicht an Seife und nicht an Wasser, und nehmen Sie bloß warmes dazu!“ Er krempelte sich die Hemdsärmel hoch und verschwand im Bad.

Zehn Minuten später kam er mit rot geschrubbten Fingern wieder aus dem Waschraum. Freudig begrüßte Bismarck, der dümmste Dackel im weiten Umkreis, seinen Herrn, vielmehr: er hatte es wohl vor. Als er aber die Reste der fürchterlichen Aromenverirrung an seinen Händen roch, lief er jaulend ins Wohnzimmer, wo er sich verstört hinter dem Fernsehsessel verbarg. „Sie sehen“, schloss ich, „auch Ihr treuer Gefährte kann dem nichts abgewinnen.“ Er seufzte. „Kann man denn da gar nichts machen, um im Alltag das Wasser effektiver einzusetzen?“ Ich griff zur Blumenspritze auf der Fensterbank. „Nun“, sprach ich und drückte auf den Hebel, „es gibt da manche Möglichkeit.“





Autofreie Gesellschaft

25 05 2022

„Wir müssen das trotzdem…“ „Aber es ist Unsinn.“ „Wir müssen trotzdem…“ „Es ist Quatsch, und Sie wissen es ganz genau.“ „Wir müssen an der Prämie für Elektroautos festhalten!“ „Es ist nachweislich falsch, es ist Unfug, und es ist Wählerbetrug.“ „Und warum, meinen Sie, wollen wir es trotzdem?“

„Das Geld macht doch nicht die Autos billiger, es geht nur an die Hersteller, damit sie die Autos teurer machen können.“ „Also wie beim Sprit.“ „Aber so teure Autos kann sich dann ja keiner ohne Prämie leisten.“ „Wollen Sie eine Gesellschaft, in der sich keiner mehr ein teures Auto leisten kann?“ „Am Ende landen wir noch in der autofreien Welt, die uns die Grünen angedroht haben!“ „Gnade!“

„Es geht doch nicht um Autos an sich, sondern nur um Elektroautos.“ „Die verbrauchen aber kein Öl.“ „Aber Strom.“ „Und damit fossile Energie.“ „Wenn wir den Leuten Elektroautos finanzieren, können wir uns nicht gleichzeitig Windräder leisten oder Sonnenkollektoren.“ „Richtig, eins geht nur.“ „Außerdem wäre das ein Eingriff in den Markt, den der Staat gar nicht machen darf.“ „Und wenn die Konzerne das Aus für Verbrenner beschließen?“ „Das ist natürlich unternehmerische Freiheit, die wir als Staat durchaus unterstützen dürfen.“

„Das hört sich ja fast an, als müssten wir mit der Kaufprämie die Käufer entlasten.“ „Das ist ja auch geplant.“ „Wer von den hohen Preisen der heutigen Elektrofahrzeuge entlastet wird, kann sich auch die aktuell hohen Preise der anderen Wirtschaftsgüter leisten.“ „Denken Sie nur an die Lebensmittel.“ „Die bezahlen aber auch andere, die sich kein E-Auto kaufen.“ „Jetzt machen Sie doch nicht die Leute, die sich ein Elektroauto kaufen wollen, für die anderen verantwortlich!“ „Im Gegenteil, er hat doch nur gesagt, dass die sich kein…“ „Ich bin doch nicht dafür verantwortlich, nur weil sich einer gerade kein Auto kauft.“ „Die kaufen sich das aber vielleicht nur nicht, weil sie die hohen Preise für die Lebensmittel bezahlen müssen.“ „Dann könnte man denen doch die Prämie für Elektroautos geben, dann kaufen die sich eins und haben wieder Geld für Lebensmittel.“ „Und wenn die ihre Kaufprämie in Wahrheit für Lebensmittel ausgeben und sich das Elektroauto vom Ersparten leisten?“ „Das ist deren eigene freie Entscheidung, da darf der Staat nicht einfach so eingreifen.“

„Andererseits könnte man dann ja gleich die Lebensmittel subventionieren.“ „Ich bitte Sie, wir sind doch hier nicht im Sozialismus.“

„Aber faktisch ist es doch so, dass viele Leute gar nicht am Autoverkehr teilnehmen, weil sie zum Beispiel gar keinen Führerschein haben.“ „Die sind dann zum Beispiel auf ein Taxi angewiesen.“ „Oder leben in einem weit abgelegenen Dorf und brauchen im Fall einer lebensbedrohlichen Erkrankung den Arzt, der sich ja hoffentlich ein Elektroauto leisten kann.“ „Und hier, Pizzaservice!“ „Wenn man zu viel Pizza frisst, kommt der Arzt halt früher.“ „Das tut doch jetzt nichts zur Sache!“ „Also finanzieren wir jetzt den Pizzaservice oder den Arzt?“ „Wer braucht denn da wen?“ „Ist auch eine Frage des Preises.“ „Der Arzt hat mehr Geld.“ „Dann sollten wir den unterstützen, damit das auch so bleibt.“

„Und wenn wir diese autofreie Gesellschaft einfach als Gesellschaft definieren, in der jeder frei ist, sich ein Auto zu kaufen?“ „Die haben wir jetzt schon.“ „Dann frage ich mich, worüber wir hier diskutieren.“ „Haben wir den Autoherstellern die Subventionen denn direkt versprochen?“ „Unter Freunden muss man das doch gar nicht erst.“ „Das würde ich als Gewohnheitsrecht bezeichnen.“

„Könnte man diese Subvention nicht einfach antiproportional zur Fahrzeuggröße gestalten?“ „Sie wollen die Menschen dafür bestrafen, dass sie sich ein großes Auto leisten können?“ „Sagen Sie doch gleich, dass Sie im Sozialismus leben möchten!“ „Wir hätten aber Einspareffekte, die wir sonst nur mit einen Tempolimit erreichen würden.“ „Das ist doch eine krasse Marktverzerrung!“ „Kein Mensch würde sich ein teures Auto kaufen, wenn er damit nicht Höchstgeschwindigkeit fahren könnte!“ „Und kein Hersteller würde mehr solche Wagen bauen!“ „Und dann würde keiner mehr Autos kaufen!“ „Das wäre der Staatsbankrott!“ „Sie spielen hier mit der kulturellen Identität unseres Landes!“ „Und die Menschen würden komplett das Vertrauen in die Politik verlieren, wenn wir ihnen Prämien für ein Elektroauto versprechen, und dann können sie sich gar keins anschaffen!“ „Das ist Volksverrat!“

„Wahrscheinlich klappt es sowieso nicht, weil wir gar nicht genug Strom haben.“ „Seit wann denn das?“ „Die erneuerbaren Energien werden doch bis 2040 eingeführt?“ „Gehen Sie mal von 2050 aus.“ „Also faktisch 2080.“ „Bis dahin müssen wir in einer Langzeitstudie verlässliche Zahlen haben, wie viel Strom wir zur Umstellung des Verkehrs auf Elektromobilität brauchen.“ „Stellen Sie sich mal vor, wir bauen zu viele Windräder.“ „Das kostet vor allem auf Landesebene Wählerstimmen.“ „Das wäre ja schrecklich!“ „Könnte man dann nicht den Aufbau der erneuerbaren Energien an den Verkauf von Neuwagen koppeln?“ „Eher umgekehrt.“ „Auf jeden Fall brauchen wir mehr Wind und Sonne im Strommix, sonst haben wir gar nichts mehr für die Industrie.“ „Welche Industrie?“ „Die, die die Autos baut.“ „Ach so.“ „Das kann man doch jetzt noch gar nicht sagen.“ „Richtig, wir können nicht einfach Windräder bauen, die wir erst 2040 brauchen.“ „Oder 2050.“ „Also faktisch 2080.“ „Oder wenn wir endlich wieder alle Bauteile bekommen, um Elektroautos bauen zu können.“ „Sehen Sie, das ist das Schöne an solchen Diskussionen – wenn man ein bisschen wartet, erledigt sich alles von selbst.“





Gernulf Olzheimer kommentiert (DCXIV): Klimarealität

13 05 2022
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Die Entwicklung war absehbar gewesen. Obwohl Metuschelach im Kanaanitischen Boten eindringlich gewarnt hatte, blieben die ortsungebundenen Stämme skeptisch. Was hatte die Intelligenz ihnen nicht schon alles angekündigt: das Ende der Warmzeit, Dürren, vielleicht sogar die unabsehbaren Folgen der neolithischen Revolution. Sie aber waren für die Freiheit, sich überall und zu jeder Zeit auf neuem Territorium niederlassen zu dürfen, auch wenn das Volk sich dafür ständig die Schädel einschlagen musste und sich ohne fremde Hilfe dezimierte. Letztlich war das alles egal, die Flut kam doch. Während Noachs Kahn auf den Wogen tanzte, dämmerte es den Deppen in ihren Nussschalen, dass der Anstieg des Meeresspiegels mit dem Abschmelzen der glazialen Stauseen das Ende des Holozäns bedeutete, mehr noch: ihnen wurde der kausale Zusammenhang deutlich, und zwar deutlich zu spät. So ging Klimarealität.

So geht sie noch heute, mit dem Ergebnis, dass die dümmsten Brauchtumsterroristen unmittelbare Auswirkungen des Wandels nicht einmal sehen würden, wenn sie ihnen das eigene Haus unterm Hintern wegschwimmen ließe. Natürlich steigt die Erdtemperatur ab und zu an, dummerweise nur nie so schnell und konsequent in der Geschichte des Planeten. Dass Naturkräfte die Küsten der Welt geformt habe: geschenkt, nur haben die Deppen da noch nicht im Binnenland gebaut und klagten über gleichzeitigen Grundwassermangel. Die Erkenntnis von einer multikausalen, sich selbsttätig von einem Kipppunkt zum nächsten hochschaukelnden Serie von Katastrophen kommt auch heute nicht, und erst recht bleibt das Begreifen aus, dass wir nicht an der Schwelle zum Untergang stehen. Wir sind längst mittendrin und wollen es nicht sehen.

Es brennt gerade so nett in Sibirien, in Ostafrika und Indien verdorrt die Erde, verursacht immense Hungersnöte und Flüchtlingsströme, aus denen der SUV-fixierte Egoleptiker sich die Horrorvision vom Konsumverzicht herbeifantasiert, um mit ruhigem Gewissen kernkorrupte Klötenkönige zu wählen, die sie noch mit fadenscheinigen Lügen zukleistern, wenn die deutschen Mittelgebirge abfackeln. Die unbeholfenen Versuche, allgemein sichtbare Folgen der Überhitzung zu leugnen, sind trotzige Manöver, von einem rotierenden Karussell abzuspringen, indem man die Trägheit der Masse ignoriert. Leider kippt dabei nicht nur das Kompetenzimitat aus der Politik auf die soi-disant Gesichter, wir alle baden es ja jetzt schon aus.

Leider, und das muss stimmen, wenn es uns die Staatslenker einreden, ist der Kapitalismus nicht mit Fahrrädern zu retten, weil irgendwo in einem Dörfchen diese eine Beamtenwitwe lebt, die es mit dem Omnibus nur einmal am Tag zum Einkaufen schaffen würde. Müsste sie auf frische Brötchen verzichten, sie würde sofort eine der unzähligen linksextremistischen Terrororganisationen mit der mühsam von den Hedgefonds abgesparten Pension unterstützen, und das kann doch keiner wollen. Die steigenden Außentemperaturen bekommt auch sie zu spüren, und kann sie ihren Garten nicht mehr wässern, weil zum Wohle der Aktionäre der ganze Landstrich für eine Autofabrik draufgeht, dann ist das ein Opfer fürs Vaterland. Gestorben wäre sie ja früher oder später sowieso. Mit dem Wassermangel gehen auch die Ernten flöten, der deutsche Wein wird knapp, die Freibäder trocknen aus, da sich die Rechnung keine Gemeinde leisten wird, der in jeder Stadt wohlgelittene Springbrunnen ist passé, und es fällt jedem braunblauen Klosteinverkoster leicht, die ökoversifften Umweltextremisten für das eigene Versagen hinzuhängen, da sie es immer so machen: alle anderen von der Klippe schubsen in der festen Überzeugung, irgendwer würde bis zum Aufprall aus dem Inhalt seiner Hosentaschen den perfekten Fallschirm zusammenschwiemeln.

Längst sind wir so weit, wir wollen es nur als Fehler in einem ganz anderen Erdteil entschuldigen, der auf uns keine Wirkung hat. Überhitzte Meere führen dazu, dass die Korallenriffe die färbenden Algen abstoßen und ausbleichen – ein Ökosystem verendet still und quasi als ästhetisches Problem, wie alles, was uns wumpe ist: das Insektensterben, die steigenden Meeresspiegel, Extremwetter, der tauende Permafrost und die daraus resultierende Freisetzung von Kohlendioxid, die den ganzen Krempel nochmals triggert. Schon hört man das Gejodel der Stumpfstullen, die die Wissenschaft der Lüge bezichtigen, weil die Folgen alle eintraten, aber viel früher als befürchtet.

Wir sollten agieren, solange Zeit ist, denn viel Zeit zum Reagieren bleibt uns nicht. Die Meere werden die Seychellen als Urlaubsparadies vom Markt nehmen, bevor Sylt von der Karte radiert wird. Eines Tages heißt es: Imrhein-Westfalen. Mit dem Jetski über Venedig zu cruisen wird cool sein. Aber die Nachfahren werden uns fragen, warum wir diese klinisch bekloppten Kurzstreckendenker nicht einfach an die Wand gestellt haben. Wir haben, sagen wir, auf warmes Wetter gewartet, sie in die Sonne geschoben, den Dingen ihren Lauf gelassen, und schon war die Sache erledigt. Es war ja, sagt man, von Anfang an absehbar gewesen.





Gernulf Olzheimer kommentiert (DCXI): Das Ende des Wegwerfens

22 04 2022
Gernulf Olzheimer

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Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Da hatte Rrt gerade noch einmal Glück gehabt. Ein winziger Funke war auf sein verhasstes Fell gesprungen und hatte ein kleines, aber sehr gut sichtbares Löchlein gebrannt, so dass er den Pelz sofort ausziehen musste. Auch die Hauptfrau war’s zufrieden, hatte ihr Ernährer sie doch in einem viel prächtigeren Aufzug gefreit. Ersatzteile waren rar für Säbelzahnziegeneinteiler, Recycling war noch nicht erfunden, also musste den Fummel fortan der dümmliche Schwiegersohn auftragen. Immerhin hat keiner den Anzug entsorgt, wie wir es heute täten, auch wenn wir das Ding billig im Schlussverkauf geschnappt und nie getragen hätten. Es gab sie noch nicht, die immanente Notwendigkeit, jedes Objekt wegzuwerfen, weil sonst ein ganzes Modell an Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft nicht mehr richtig funktionieren würde. Das Ende könnte auch heute nah sein, wir haben es in der Hand.

Der typische Produktlebenszyklus elektrischen Kleingetiers mit Schnur und Schalter sieht heute so aus, dass das Design einzwei neue Schnörkel in die Oberfläche kratzt, wichtige Funktionen durch ein Potpourri unsinnigen Schmodders ersetzt und den Gegenstand gerade so lange überleben lässt, bis die nächste Generation an Zahnbürsten, Rasierern oder Haartrocknern am Markthorizont erscheint, wenn die Kabelführung morsch und das Gehäuse aus schlagfester Plaste unelegant gesplittert sind. Die einzelnen Komponenten lassen sich nicht ersetzen, nicht einmal das bröselnde Kabel durch einfaches Anstecken einer neuen Verbindung tauschen, und hat der Hersteller alles richtig gemacht, dann geht die Maschine in die ewigen Jagdgründe ein, weil der fest verbaute Akku abratzt. Dies freilich ließe sich mit etwas technischem Sachverstand, wenig Werkzeug und ruhiger Hand wieder reparieren, doch will das der Produzent?

Die meisten Gebrauchsobjekte sind bereits so entworfen, dass nur noch der Gang zur Tonne als schmerzfreier Akt vor dem Neukauf bleibt. Bisher haben nicht einmal drohende Rohstoffmängel, die vom Taschenrechner bis zum Smartphone jede neue Entwicklung irgendwann in die Sackgasse führen, die Industrie zum Umdenken durch groß angelegtes Recycling getrieben. Während in Entwicklungs- und Hungerländern unter unsäglichen Bedingungen die Rohstofffirmen unter Einsatz von Sklavenarbeit den Planeten geradezu auswringen, gefällt sich der Konsumismus in seiner Kampfstimmung gegen die Nachhaltigkeit – Pfeifen im Keller, weil sonst die aus kapitalistischer Religiosität und brachialer Beklopptheit geschwiemelte Zukunftsvision in dünnen Rauch aufgeht. Nicht einmal die rapide Verteuerung und eine mögliche Verknappung der Güter schrecken die Unternehmen, wenn man mit steigenden Preisen das für Aktionäre notwendige Wachstum vorspiegeln kann.

Natürlich kann die EU den Verbraucherschutz mit einem Recht auf Reparatur schärfen, aber am längeren Hebel sitzen die Hersteller, die sich das Geschäft kaum von ein paar aufgeregten Beamten vermiesen lassen werden. Kleingetier wie den flanschbaren Gummiwulst A38/II sieben bis zehn Jahre als Austauschware vorzuhalten macht die Waschmaschine nicht besser, wenn das ganze Gerät nicht am Ende des Motorlebens komplett in seine Einzelteile zerlegt und in den Kreislauf gebracht werden kann. Wenn die Trommelaufhängung nur vom fürstlich entlohnten Werkskundendienst mit dem Spezialhämmerchen festgedengelt wird, weil man dem Verbraucher die Neuanschaffung einfach nicht schmackhaft machen kann, hat die Industrie auf lange Sicht ihr Desinteresse an nachhaltigem Wirtschaften durchgesetzt. Hier hilft keine lauthals beschworene Eigenverantwortung, vor allem nicht, wenn der größte Teil der Waren aus chinesischer Fertigung auf den westlichen Markt quillt und nach kurzem Flackern afrikanischer Sondermüll wird.

Solange der Markenfetisch für digitales Gedöns grassiert und jeder Multifunktionsstaubsauger faxt, toastet und fotografiert, bis er nicht mehr faxt, aber dafür auch nicht mehr toastet oder saugt, solange wir uns als Verschleißjunkies mit allerhand Schrott zuballern, wird sich nichts ändern. Zum Glück ist der Fachkräftemangel die wohlfeile Entschuldigung fürs Aufrechterhalten dieses Zustandes, denn wer soll den auf eine einzige Platine gelöteten Fernseher noch mit handwerklichem Einsatz retten, statt ihn schwungvoll in den Container zu schlenzen.

Allein es gäbe einen Ausweg. Um eine richtige Kreislaufwirtschaft in Gang zu setzen, bräuchte es einfach eine Verlängerung der Herstellergarantie auf fünf bis zehn Jahre. Macht der Quirl innerhalb der Phase der geplanten Obsoleszenz die Grätsche, geht’s am Stück zurück nach Hause, bis das Ding wieder rührt. Dazu käme fallweise ein verkürzter Gewährleistungszeitraum, wenn sich die Reparatur nicht oder nur unter unverhältnismäßig hohem Aufwand umsetzen ließe. Früher kauften sich die Menschen pragmatisch teure Dinge in hässlicher Haltbarkeit, die bei guter Pflege vererbt zu werden drohten. Keiner käme heute auf die Idee, einen Radiowecker anzuschaffen unter der Prämisse, dass die Uhr auch in fünfzig Jahren zuverlässig den Morgen zerstört. Eigentlich schade.





Gernulf Olzheimer kommentiert (DXCIV): Greenwashing

10 12 2021
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Auf der Suche nach Wahrheit landen wir alle früher oder später beim Werbefernsehen. Kieksende Kids rumpeln in luxuriösen E-Panzerwagen über naturbelassene Straßen aus Bio-Beton, an deren Spontanvegetation unter schadstofffrei blauem Himmel glückliche Kühe käuen und die Landschaft mit veganem Methan nachhaltig bereichern. Voller Engagement verkünden miserabel synchronisierte Teenager ihre Entschlossenheit, das von der Politik kurz nach der Unterschrift getonnte 1,5-Grad-Ziel als real existierenden Surrealismus zu begreifen, in atmosphärischen Farben für ACME inszeniert. Als würde das nette Kohlekraftwerk um die Ecke die Landschaft mit Gänseblümchenextrakt vollballern, schwabbert uns die Konzernpropaganda die Hirne zu: wir tun was, quasi jetzt gleich sofort. In drei Jahren. In fünf. Oder zehn. Oder nie. Irgendwas tun wir aber, und sei es nur Greenwashing.

Wahrscheinlich hat man komplette PR-Tanks ins Rhetorikseminar geprügelt, damit die Grütze schneller durchgeht als ‚Bestes Waschmittel‘ oder ‚Leckerste Vollkornreiswaffel westlich des Rheins‘. Eine Rotte geldgieriger Arschgeigen rutscht auf dem eigenen Angstschweiß aus, weil die restliche Menschheit längst gemerkt hat, wie viel Dreck der Kapitalismus mit sich herumschleppt. Schon klebt die Wirtschaft Fantasiebömmel auf die FCKW-freie Baumwolle, als würde man kalorienarmes Wasser unter die Menschheit jubeln – immer bescheißt die Leute, passt schon, wenn sie nichts merken. Je wolkiger das Versprechen, innerhalb der folgenden ölfzig Jahre kein Dingsda zu verblasen, desto lauter der Jubeltutenchor der geistig Untertunnelten.

Natürlich geht uns alle das Etikettengeklebe der Ökonomen etwas an, wenn wir nicht als tumbe Gesellschaft der chronischen Aufschieberitis auf den Leim gehen wollen. Schon juchzt die einzig wichtige Industrie, die Kraftfahrzeuge ausstößt, das Stromauto sei so supi, es sei an Urstheit mit dem an sich schon duften Benzintöff nicht zu vergleichen. Wir erinnern uns, die Dieselschleuder wurde uns auch als Erlösung vom Auspuffgetöse herbeigebetet und mit hastig zusammengeschwiemelten Szenarien des Weltuntergangs verglichen, um dem gemeinen Nappel den Erwerb der Heizölkarre zu insinuieren – besser als ein Meteoriteneinschlag während der allgemeinen Nudelknappheit zur Helene-Fischer-Welttournee wäre es allemal gewesen.

Aber egal, die professionellen Klimaleugner, die unsere – unsere? wir haben den Schmodder mit den Gewinnen bezahlt und kommen jetzt auch noch für die versteckten Subventionen auf, bevor die Steuer fürs Katastrophenschutzprogramm uns den Boden unter den Füßen wegreißt – Kohle zur Abwehr der Zukunft verbraten, schleimen sich aalglatt an den Zielkonflikten entlang. Ein Cent pro Plastikbeutel würde reichen, frohlockt der gemeine Discounter, schaufelt sich mit der Methode eine halbe Million per anno rein und vergisst zufällig, wie sein übriges Grünzeugsortiment in Kunststofffolie geraten ist. Da barmt’s aus der Bierbranche, der Kunde könne gar nicht so viel von der Plempe saufen, wie der Hersteller Regenwald retten möchte – ungelöst aber bleibt, warum der Braumulti zehnmal so viel in die Reklame investiert wie in die Aufforstung. Bald stampfen stinkende Kreuzfahrtpötte den Restozean aus der Existenz, macht aber nix: an Bord gibt’s ja nur noch Handtücher aus nachhaltigem PVC-Textil, da kann man den Ausstoß der schwimmenden Kohlendioxidfabriken schon mal vernachlässigen.

Überhaupt ist die Grünwäscherei der mutige Versuch, die ganze Bevölkerung für geistig nicht satisfaktionsfähig zu verkaufen. Gäbe es nicht die Inseln aus kreisendem Plastik auf den Weltmeeren, hätten wir nicht längst Kleinstteilchen in jeder aus dem Wasser gefischten Nahrung, die an der eigenen Heiligkeit zugrunde gehenden Propagandalappen würden hoffen, dass niemand sich für ihr Geseier interessiert. Sie retten sich in die Zuversicht, dass der Verbraucher schlicht nicht alles boykottieren kann, wenn er irgendwie überleben will, oder aber ganze Produktgruppen ausblenden muss, Fahrzeuge und Fisch, Smartphones, Spielwaren, Tourismus. Und wer wäre schon so konsequent, ein Leben ohne Leberwurst aus ökologischen Motiven zu wählen.

Früher oder später wird es im Zeitalter der Wissenschaftsfeindlichkeit zum Schulterschluss mit dem Hokuspokus kommen, mit Homöopathie und Heilern, die die Schadstoffbelastung für Menschen in unseren Breitengraden wegpendeln, Globuli für Klimagestresste verordnen oder freie Energie aus Erdstrahlen gewinnen wollen, die gegen ordentlich Kohle das Chi oder irgendeine andere Schusswunde im Bewusstsein wegbügeln und uns alle zu Frieden und Freiheit helfen, damit wir nicht mehr merken, wenn der Planet uns mit Schmackes loswerden will. Als Alternative werden alle kritischen Stimmen, die nach Transparenz rufen, für Querulanten gehalten, die uns alle in den Ökoterrorismus treiben wollen. Bis dahin werden wir regional geerntete Bierdeckel, Recycling-Rollmops mit Stochern aus kontrolliert geschnitztem Qualitätstotholz, natürliche Aromen und naturidentische Natur erdulden und irgendwann als Normalfall akzeptieren. Irgendwer klatscht da sicher ein Bio-Siegel drauf. In Grün.





Gernulf Olzheimer kommentiert (DLXXXV): Die Krisenkaskade

8 10 2021
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Rrt begriff, aber er begriff zu spät. Seine Sippe hatte in mühevoller Kleinarbeit über Jahre das Wäldchen neben der westlichen Felswand gefällt, um immer genug Feuerholz zu haben für gebratene Singvögel. Erst wurde die Jagd beschwerlich, weil die Beute sich aus den gelichteten Baumkronen zurückgezogen hatte, dann lohnte sich nicht einmal mehr der Weg zum Schlagen. Ein Drittes sollte aus den beiden Mängeln erwachsen, und das wussten sie erst bei Einbruch der kalten Jahreszeit: keiner hungerte, ohne zu frieren, denn auch thermische Bedürfnisse waren ohne das Material nicht mehr hinreichend zu befriedigen. Hält der Jetztmensch in seiner Hybris sich auch für intellektuell zuverlässig ausgestattet, er bewältigt die ungleich komplexere Krisenkaskade der Gegenwart nicht viel besser.

Er beherrscht sie, um die Wahrheit zu sagen, gar nicht, da er sie nicht einmal erkennt. Die aktuelle Krise in der Holzversorgung liegt tatsächlich nicht allein am Mangel; die Bretter sind nicht weg, sie kleben nur vor anderer Stirn. Wie üblich auf einem freien Markt steigt der Preis für Bauholz, wie er für Weizen ebenso rasch angezogen hat. Hauptakteur China hat sich zum Exportweltmeister entwickelt, verdrängt Deutschland auf den dritten Rang und kann sich neben den USA einen leisten, die so an anderer Stelle fehlen. Der dürrebedingte Mangel in der Forstwirtschaft ist nur ein Teil der Geschichte, der Rückgang von Weizen- und Maisernten nur eine Facette im Kampf um die Belieferung der größten Volkswirtschaften. Der gemeine Dorfdepp, der sein Haus nur verlässt, um die Nudelregale vor einer drohenden Plünderung leer zu kaufen, sieht wie immer nur die Hinterseite des Wasserfalls.

Zugleich wird es schwierig für Landwirte, die nötigen Getreidemengen überhaupt zu erzeugen, da auch die Düngemittel fehlen. Dass China erheblich mehr Phosphatdünger kauft, als es selbst exportiert: geschenkt. Auch hier steigen die Energiepreise, da noch nicht ausreichend regenerative Erzeugung in der Wirtschaft ankommt – wahrscheinlich standen die Windräder alle zu nah an der Fabrik, irgendeine Bundesregierung musste die Fotovoltaik plätten, es ist halt kompliziert. Abgesehen davon sorgt die Dürre für sinkende Wasserspiegel, auf denen keine Vorprodukte angeschifft, keine Abwässer entsorgt werden können. Bereits hier bewirkt eine ungute Schleifenbildung durch verkettete Effekte für den Ernterückgang. Wer den Intellekt von Fischfutter als ausreichend ansieht, wird sich nicht lange mit den Gründen herumärgern: der Chinese war’s. So lässt sich wenigstens ein Wahlkampf bestreiten.

Vielschichtig wird es bereits bei den Chips, ohne die wir weder Mobiltelefone noch Autos bauen können – Deutschland wird kampfunfähig – obwohl es noch nicht zu wenig Ausgangselemente gibt. Vernachlässigen wir für einen Moment die US-Firmen, die EU-Firmen nötigen wollen, nicht mehr für chinesische Firmen zu arbeiten, damit am Ende keiner mehr seine Kunden beliefern kann. Es sind die pandemiebedingten Probleme, die sich in den Lieferketten aufstauen, Wassermangel (schöne Grüße von vorhin) und die üblichen Preiskonflikte. Wir merken: zu wenig verfügbare Arbeitskapazität durch die COVID-19-Bedrohung ist ein neuer Player, den Rest kennen wir aus der Mottenkiste. Würde uns jetzt noch jemand erklären, dass die aus Asien exportierte Containerkrise genau dieselben Ursachen hat, aber zum Ausgleich weiter reichende Folge auf die ganze Lieferketten- und Logistikkrise, wir wären halbwegs glücklich. Warum muss man immer einen Grund zum Verzweifeln finden.

Die zahlreichen Nebenwirkungen – Armut, Wohnraummangel, Waffengewalt, Drogenkartelle, Kriegspolitik gegen Konsumenten – sind nicht monokausal zu erklären, auch wenn es die Geschäfte mancher Regierung viel leichter macht. Aber nichts weniger schwiemelt die fadenscheinig zusammengewirkten sozialen Folgen besser zurecht als die Realität in manchen kapitalistischen Staaten, die sich mit Wirkungen auf die eigene Bevölkerung ebenso wenig befassen wollen wie mit denen auf andere. Der Klimawandel hat in den vergangenen Jahrzehnten die Ausbreitung von Fledermausarten gefördert, wie er die europäischen Singvögel, die Blütezeit der Bäume und den Ertrag des Getreides manipuliert. Mit fremden Spezies in Kontakt zu geraten war also riskant, aber nicht ungewöhnlich, und wurde Trigger mannigfaltiger Katastrophen, die wir uns vorher nicht hatten vorstellen können. Wir haben immerhin in globalem Maßstab versagt.

Wäre es nur eine Überschwemmung, die eine nicht vorhersehbare Wendung nähme, da die Flut auch die Abflussventile verstopft, wir könnten uns durch neuen Baumaßnahmen gegen den Dünkel der Unwissenheit stellen. Aber die Katastrophen der Zukunft lassen nicht nur einfach die Bäume vor der eigenen Haustür verdorren, sie lassen vergessen, dass die Welt ein komplexer Regelkreis ist, bei dem man jeden Tag die Folgen seiner Dummheit zahlt. Ab einer gewissen Zeit merkt man es. Aber auch da bleibt die Gefahr, dass man den Klimawandel für verhandelbar hält, wenn man nur jede Landschaft mit Spundwänden zuballert. Falls es Spundwände noch gibt. Oder Lieferketten für Spundwände.





Volle Kraft abwärts

4 10 2021

„Immerhin ist so ein Tempolimit kostenneutral.“ „Aber ein Verbot.“ „Man könnte damit sogar noch Kraftstoff sparen.“ „Aber es ist eben ein Verbot.“ „Und es rettet nachweislich Menschenleben.“ „Ich gehe davon aus, dass keiner gerne stirbt, dazu brauchen wir kein Verbot.“

„Haben Sie denn auch irgendein stichhaltiges Argument gegen ein Tempolimit auf Autobahnen?“ „Hören Sie mal, wir sind ein Haufen professioneller Ideologen, die anderen vorwerfen, professionelle Ideologen zu sein, da ändern wir doch für eine Regierungsbildung nicht unser Image.“ „Sie geben also zu, dass Ihre künstliche Antihaltung nur ein ziemlich aufgeblasener Versuch ist, als wählertreue Pseudodemokraten durchzugehen.“ „Wenn Sie dass sagen, klingt das so negativ.“ „Was halten Sie mal von Fakten statt Ideologie?“ „Wenn die Fakten zu unserer Ideologie passen, dann ist das für uns total ideologiefrei.“ „Und wenn sie nicht passen, sind sie Ideologie?“ „Dann sehen wir sie nicht als Fakten.“

„Wenn wir das Tempolimit bei 130 km/h lassen, dann verringern wir die Emissionen schon um 1,9 Millionen Tonnen.“ „Das sagt Ihr Wahlprogramm.“ „Das sagt das Umweltbundesamt.“ „Nicht mal Ihre Propaganda kriegen Sie selbst hin.“ „Die Deutschen wollen zu 42 Prozent ein Tempolimit.“ „Das ist die Minderheit.“ „50% der ADAC-Mitglieder sind dafür.“ „Alter statistischer Taschenspielertrick: Sie befragen ausschließlich Betroffene, das verzerrt das Ergebnis natürlich enorm.“ „Wen sollen wir sonst befragen, Radfahrer und Marsmenschen?“ „Fragen Sie eine Gruppe 10-Jähriger und eine Gruppe 100-Jähriger, wer in den kommenden Jahren mit seinem Ableben rechnet, ich kann Ihnen das Ergebnis jetzt schon voraussagen.“

„Interessant ist ja, dass das Problem skaliert.“ „Was?“ „Wenn man in Innenstädten das Tempo auf 30 reduziert, beschleunigt sich der Verkehrsfluss und Staus werden vermieden.“ „Das können Sie in Angola machen, wo die Städte aus drei Häusern und einer Telefonzelle bestehen.“ „Die Hauptstadt von Angola ist etwa doppelt so groß wie Berlin.“ „Was Sie nicht sagen, dann funktioniert das also in Europa gar nicht?“ „In Paris schon.“ „Vorschlag zur Güte: wir führen Tempo 130 für Lastenräder ein, die dürfen eh nicht auf die Autobahn.“ „Sagen Sie mir lieber, warum Sie einen Vorschlag ablehnen, der von einem signifikanten Teil der Bevölkerung mitgetragen wird.“ „Wie gesagt: die Mehrheit ist es nicht.“ „Mehr, als Sie Wähler haben.“ „Es ist nicht die Mehrheit!“ „Und Ihre Leistungsträger, die im Regelfall geerbt haben oder bei der Steuerprüfung nie aufgefallen sind?“ „Wenn die Mehrheit es gut findet, dann brauchen wir doch kein Verbot.“

„Gut, Sie haben doch bestimmt einen Vorschlag, wie man das lösen kann.“ „Nein, warum?“ „Weil es in ein paar Jahren politische Normalität sein wird, und dann wird man sich an Ihre Partei nur noch als Bremsklotz erinnern, der in die Versenkung kippte, als die Klimakatastrophe richtig zuschlug.“ „Ich weiß gar nicht, worauf Sie hinaus wollen.“ „Hatten Sie nicht so ein tolles Modell mit Anreizen?“ „Das war aber nur für die Wirtschaft.“ „Also kann sich der Bürger wie die letzte Umweltsau verhalten, seinen Müll in den Wald kippen und Altöl in die Kanalisation, und er wird dadurch bestraft, dass er keine Anreize nutzen kann.“ „Das ist doch eine ganz andere Konstellation, dafür gibt es schließlich Gesetze.“ „Also Verbote?“

„Dafür könnten wir Ihnen jetzt eine vernünftige CO2-Bepreisung anbieten.“ „Sicher als Symbolpolitik.“ „Nein, und wir würden auch die Maßnahmen zum sozialen Ausgleich mittragen.“ „Das ist schon ein bisschen lächerlich.“ „Stellen Sie sich mal die Verwerfungen in der Autoindustrie vor, wenn es plötzlich keine Sau mehr interessiert, ob ein Wagen 250 oder 280 schafft.“ „Sie fahren einen Porsche, richtig?“ „Darum geht es doch jetzt nicht!“ „Ach, doch.“ „Wenn die Hersteller jetzt plötzlich die Produktpalette so extrem verändert, was meinen Sie, was das für Folgen hätte.“ „Wir hätten jede Menge Neuzulassungen, das bedeutet wirtschaftlich nichts anderes als boomenden Binnenmarkt mit vielen sicheren und noch mehr neuen Jobs.“ „Wäre das nicht schrecklich?“ „Gleichzeitig würde sich das Image deutscher Automarken verbessern, wenn das überhaupt noch möglich ist, wir wären sogar als internationales Vorbild…“ „Hören Sie auf!“ „Die Chinesen würden endlich sehen, dass Deutschland seine herausragende Rolle in der Welt verdient hat.“ „Aufhören, bitte!“ „Und erst die Aktienkurse, das wäre eine…“ „Mama!“

„Verstehe ich Sie richtig, dass Sie sich nun ein Tempolimit durchaus vorstellen könnten?“ „Nein, absolut ausgeschlossen.“ „Aber Sie haben gerade eben noch…“ „Freiheit!“ „Bitte?“ „Es ist doch die Freiheit, die wir den Wählern versprochen haben!“ „Meine Güte, in ganz Europa haben Sie auf den Schnellstraßen Geschwindigkeitsbeschränkungen, da werden Ihnen als EU-Bürger doch diese paar Kilometer nicht viel ausmachen.“ „Verdammt noch mal, wir haben doch nichts zu bieten unter dem Etikett!“ „Immerhin kann man sich als Mitglied in einem parlamentarischen Amt in einer Kneipe den üblichen Spiegel ansaufen, ohne dass man von den Verboten der…“ „Gesetze, es sind Gesetze!“ „Und das wissen Ihre Wähler?“ „Eben nicht!“ „Ja, das ist tragisch.“ „Bitte, wenn Sie jetzt nicht…“ „Da wird Ihnen die CDU nicht mehr helfen, wir werden die Sache gerne an Herrn Scholz übergeben.“ „Aber die Sondierung?“ „So eine Große Koalition hat auch umgekehrt ihren Charme.“ „Wie jetzt?“ „Merken Sie sich das mal: es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“





Bildungsverständnis

7 07 2021

„Homeoffice ist ja zum Glück bald vorbei, man kann wieder ganz normal mit dem Auto zur Arbeit fahren. Das ist auch ganz gut so, uns fehlen ja nicht nur die Einnahmen aus der Mineralölsteuer, es sind auch die leeren Autobahnen. Wir können doch nicht ständig neue Autobahnen bauen, wenn keiner mehr darauf fährt.

Kommen Sie mir nicht mit Bahnen, die sind viel zu voll – das auch daran, dass die Menschen sich nicht genug Autos kaufen. Deshalb müssen wir die Autos billiger machen, dann lohnt sich ja auch der billige Kraftstoff, und dann haben wir auch einen richtigen Investitionsanreiz, um mehr Autobahnen zu bauen, um den Stau zu vermeiden, der aus der vermehrten Anzahl an Autos resultiert. Das müssen Sie mir nicht vorrechnen, oder denken Sie etwa, die Bundesregierung sei bescheuert?

Haben Sie eigentlich eine Ahnung, was so eine Eisenbahnbrücke kostet? Oder ein Meter Schiene? Das sind enorme Summen, vor allem auch, weil die letzte Bundesregierung die anderen davor nicht im Auge behalten hat, was die Instandhaltung kostet. Wenn man da jahrelang kein Geld ausgibt, muss man irgendwann richtig viel Geld ausgeben. Das ist ein politischer Grundsatz. Das ist so grundsätzlich, damit müssen wir uns noch nicht mal beschäftigen. Und deshalb setzen wir auf den Autoverkehr, weil der viel wirtschaftlicher ist – über so eine Brücke oder diesen Schienenmeter kann ja immer nur ein Zug gleichzeitig fahren, aber über eine Autobahn, da kommt es immer darauf an, wie viele Spuren die hat. Und man kann leichter eine dreispurige Straße fünfspurig ausbauen als eine Eisenbahnbrücke, das muss ich Ihnen doch nicht erklären?

Die Kosten sind übrigens auch viel höher, das kommt noch dazu. Wenn Sie einen Meter Schiene instand halten wollen, müssen Sie auch für Ersatz sorgen. Bei einer Autobahn gibt es einfach eine Umleitung. Und dann haben Sie noch diese Züge, die sind ja auch ganz schön teuer, das kostet den Steuerzahler jede Menge Geld, während so ein Auto der Wirtschaft eine Menge Geld einbringt und ganz nebenbei über die Unternehmenssteuern und die Umsatzsteuer den Steuerzahler netto sogar entlastet. Das entlastet den so sehr, wir könnten eine von den Steuern sogar senken. Dass keine Bundesregierung bisher auf solche Ideen gekommen ist, das wirft nun wirklich ein schwaches Bild auf dies Land.

Wir kommen Sie auf den Gedanken, dass das Auto die Haushalte belastet? Das ist überhaupt kein Thema für den Staatshaushalt, das kaufen Sie sich als mündiger Bürger doch schließlich selbst. Oder erwarten Sie jetzt, dass wir allen Menschen ein Auto kostenlos vor die Tür stellen, nur weil wir ihnen die Autobahnen auch schon kostenlos bis genau an die Anschlussstellen gebaut haben? Sind wir hier im Sozialismus?

Und jetzt kommen Sie mir nicht auch noch mit diesem linksradikalen Tempolimit! Wenn wir das in Deutschland einführen, dann können wir nämlich bald den Laden dichtmachen. Tempo 100 im ICE, da kommen Sie ja nie an! Ich frage Sie ganz direkt, wenn Sie mit dem Bummelzug zum Flughafen fahren, weil Sie nach Mallorca wollen, wie lange wollen Sie denn dann in der Bahn sitzen? Da kann ich ja gleich mit dem Taxi fahren, das ist im Zweifel sogar noch preiswerter als der Zug, weil ich da für den Strom nicht ständig diese unglaublich teuren Windräder in die Gegend bauen muss!

Überhaupt, Windräder – Sie regen sich doch sonst auch immer über Zersiedelung auf und noch mehr versiegelte Flächen, aber haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass man im Umkreis von einem Kilometer um so ein Windrad überhaupt gar nichts mehr bauen darf? Oder ist das für Sie als Verbotsfetischisten dann okay, wenn man dadurch den Verstädterungsprozess fördert, der wieder mehr Straßenbaumaßnahmen in der Stadt erfordert? Das sind alles Folgekosten, oder wie wollen Sie denn bis zur Anschlussstelle kommen? In der Umwelt hängt eben allen mit allem zusammen, aber so weit denkt ja bei Ihnen keiner. Das überlassen Sie wohl lieber der Bundesregierung, die Sie ja ansonsten total ablehnen.

Sie reden doch die ganze Zeit davon, dass diese Klimasache ein globales Problem ist, wieso soll die Bundesregierung sich denn auf eigene Kosten mit regionalen Lösungen daraus verabschieden? Oder gibt es in Ihrer Physik irgendein Modell, bei dem das Abschmelzen der Polkappen durch Windräder in Nordrhein-Westfalen verhindert werden kann? Wobei ich ja eher nicht glaube, dass Sie in Physik irgendwas gelernt haben. Aber das passt ja bestens zu Ihrem Bildungsverständnis, dass Sie die Jugend lieber zu Berufsdemonstranten umerziehen wollen, statt sie etwas Vernünftiges lernen zu lassen, wovon wir diesen ganzen Spaß bezahlen. Oder wollen Sie in Ihrer unendlichen Gnade Ihr Auto verkaufen, um davon ein Windrad zu finanzieren?

Jetzt seien Sie mal nicht gleich eingeschnappt, man kann doch vernünftig über alles reden. Nur halt nicht mit jedem. Wenn Sie ein bisschen mehr Kompromissbereitschaft zeigen würden, wären wir vielleicht auch bereit, uns einen sozialverträglichen Weg zu überlegen, wie man Deutschland ein wenig ökologischer gestalten könnte. Da kommen Sie mit Wissenschaft nicht weiter, das muss man auch für die Zukunft gestalten, und Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie jetzt schon wüssten, was die Wissenschaftler in der Zukunft erzählen. Das wäre ja so, als würden Sie einer Wettervorhersage für nächstes Jahr glauben. Nein, lassen Sie uns das gemeinsam anpacken. Jetzt sofort. Uns hält nichts auf, die Pandemie ist ja zum Glück vorbei.“





Spielräume

27 05 2021

„Jetzt sagen Sie uns doch endlich, was wir sagen sollen!“ „Es gibt mit Sicherheit noch irgendein Schulzeugnis, dass Baerbock mal sitzen geblieben ist.“ „Vielleicht parkt sie auch immer falsch.“ „Aber dann fragen die uns, warum wir nicht selbst auf die Idee mit den Kurzstreckenflügen gekommen sind!“ „Weil wir gar keine Ideen haben?“

„Am einfachsten wäre jetzt der Reflex mit der Verbotspartei.“ „Gut, dann hätten wir das Thema auch abgehakt.“ „Moment, so einfach ist das aber nicht.“ „Der deutsche Arbeiter darf bald nicht mehr nach Malle!“ „Unsinn, es geht um Klimaschutz.“ „Das kann man dem Wähler natürlich so nicht erzählen!“ „Aber…“ „Lassen Sie sich gefälligst etwas einfallen, ich habe keine Lust, vier Jahre lang in der Opposition zu hocken!“ „Wir könnten jetzt in die Offensive gehen…“ „Großartig!“ „Macht die alte Schlampe platt!“ „… und behaupten, dass wir die Subventionen sowieso nur gezahlt haben, um den Flugverkehr nach der Wahl umwelttechnisch viel besser aufzustellen.“ „Hä!?“ „Sie machen das noch nicht so lange, habe ich recht?“

„Die finanzielle Belastung wird doch bei den Verbrauchern landen!“ „Und wenn man das den Fluggesellschaften verbietet?“ „Meine Güte, das ist doch Unsinn!“ „Das regelt nun mal der Markt, dass man das auf den Verbraucher umlegt.“ „Vielleicht könnte man uns als Abgeordnete irgendwie von der Sache ausnehmen.“ „Vielflieger aus der Wirtschaft eventuell auch.“ „Das wäre Korruption!“ „Endlich mal ein Thema, wovon wir etwas verstehen.“ „Aber das lässt sich im Wahlkampf nicht ausschlachten, und diese grüne Hexe kommt ungeschoren davon.“ „Mehr Spielräume in der Klimapolitik!“ „Wir könnten zum Beispiel den Geringverdienern große Autos verbieten.“ „Die können sie sich schon jetzt nicht leisten.“ „Außerdem wäre das eine Art von Gesetz, das man eher mit den Grünen verbindet.“ „Ich bitte Sie, Logik hat uns noch nie interessiert.“

„Und wenn im Wahlkampf Fragen kommen, wie wir unsere Klimaziele erreichen wollen?“ „Welche Klimaziele?“ „Naja, Pariser Abkommen und so.“ „Wasserstoff.“ „Wasserstoff?“ „Irgendwie wird das funktionieren, ich bin da zuversichtlich.“ „Aber die Technologie ist doch noch nicht erfunden.“ „Und fliegen kann man damit auch nicht.“ „Das mag sein, aber im Innovationsjahrzehnt machen wir technisch Dinge, die die Grünen in ihrem Verbotswahn nie zugelassen hätten.“ „Und das nehmen uns die Leute ab?“ „Ich sehe schon, Sie machen das hier wirklich noch nicht lange.“

„Können wir eigentlich verhindern, dass die Deutsche Bahn AG irgendwann Zahlen vorlegt?“ „Was soll denn die Frage jetzt?“ „Keine Sorge, wir haben das Ressort mit einem Deppen besetzt, der jede vernünftige Nachricht sofort löscht.“ „Das heißt, wenn versehentlich rauskommt, dass der Zug im Inland jetzt schon preiswerter und schneller ist als ein Flug, dann gerät das gar nicht erst an die Öffentlichkeit?“ „Nur das Dementi.“ „Sehr gut.“ „Wenn ich es richtig sehe, wollen sie die Nachtzüge wieder einführen.“ „Schrecklich, dann wäre die Bahn nicht nur schneller, sondern auch noch viel preiswerter.“ „Außerdem sind Flughäfen meistens so weit weg, da muss man auch erst irgendwie mit dem Auto hinfahren.“ „Oder mit der Bahn.“ „Und wenn wir in den Wohnungsbau investieren, indem wir Gebäudekomplexe in unmittelbarer Nähe der Flughäfen…“ „Sie haben die Pillen vom Scheuer geraucht, stimmt’s?“

„Ich meine, Baerbock hat vollkommen recht.“ „Haben Sie einen Maulwurf in unsere Runde eingeladen?“ „Sie sind wohl nicht ganz bei Trost!?“ „Das ist sicher so eine argumentative Taktik, dass man die Perspektive des Gegners übernimmt, wenn man weiß, dass man keine Chance hat.“ „In zehn Jahren werden wir alle wissen, dass eine Diskussion über Inlandsflüge sich erledigt hat, vollkommen unabhängig, wie lange die Bahn braucht und wie viel das kostet.“ „Dann hat jeder sein Flugtaxi?“ „Das ist doch nicht der Punkt.“ „Wir sind längst auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet, wir merken es nur noch nicht.“ „Lassen Sie uns das mit der Perspektive mal probieren.“ „Als Schubumkehr sozusagen?“ „Wenn wir Kerosin besteuern, dann wird dadurch kein bisschen das Klima verbessert.“ „Es sei denn, es wirkt durch die Kostenanhebung auf den Verbraucher, der sich…“ „Müssen Sie unbedingt alles noch komplizierter machen, was ich nachher dem Spitzenkandidaten erklären soll!?“ „Sorry, der sitzt vielleicht gerade neben Ihnen?“ „Ja, aber ich muss dieser zugesoffenen Schabracke alles in Zeitlupe vortanzen, bis der Groschen fällt!“

„Also ich gebe es jetzt auf.“ „Da muss doch noch irgendwas im Archiv sein.“ „Da war was mit Nebeneinkünften.“ „Hat Baerbock mal irgendwo demonstriert?“ „Kein Bild mit Bolzenschneider da, tut mich traurig.“ „Mist.“ „Das Problem ist doch, dass wir sogar von der Wirtschaft kritisiert werden, weil wir keine Perspektiven mehr haben.“ „Ich will nicht in die Opposition!“ „Außerdem kooperiert die Lufthansa längst mit der Bahn.“ „Diese Schweine!“ „Davon weiß der Führer, ich meine: der Scheuer weiß da nichts von.“ „Wir haben gerade geregelt, dass die Kosten der Energiemodernisierung in den Häusern vom Vermieter getragen werden sollen.“ „Und?“ „Das nehmen einem die Wähler dann auch nicht mehr ab.“ „Das ist eine andere Problematik, da geht es nicht um Verbote, außerdem regelt das der Markt: wenn die Mieter belastet werden, drohen sie mit Auszug.“ „Wir hätten kein Homeoffice erlauben sollen, dann würden mehr Leute fliegen.“ „Das fällt Ihnen jetzt ein!?“ „Sagen Sie mal, muss es Kanzler sein, oder reicht Ihnen Bahn-Vorstand?“