„Das ist eine organisatorische Frage. Der Papst ist für die ganzen fundamentaltheologischen Sachen da und für die Priesteraufgaben und für die Besuche im Ausland, und der Ratzinger labert halt Scheiße. Also quasi den heiligen Stuhl.
Klar, der Vatikan polarisiert. Deshalb ist es in dieser Zeit gerade so gut, dass wir nicht nur einen äußerst kontroversen Papst haben, sondern auch noch diesen ausgedienten Bayern im Schuppen. Das wirkt erst mal sehr merkwürdig, weil das im ganzen Reformprozess, der sich seit langer Zeit, also quasi seit der Gründung angestaut hat, weil das jetzt eben so enorm kontraproduktiv wirkt. Das ist nicht ganz ungefährlich, vor allem in Situationen, wo man in der Öffentlichkeit zeigen muss, dass man sich mit den Forderungen seiner zahlenden Kunden auseinandersetzt. Oder sie überhaupt erst mal zur Kenntnis genommen und dann auch kapiert hat. Und gerade dann ist da dieser eine Typ, dieser Hemmschuh, der im Grunde alles verhindert, was nach Modernisierung und Nachhaltigkeit aussieht. Siemens ist doch immer noch Konzern von Weltruf, trotzdem beschäftigen die Joe Kaeser. Oder hier, die SPD – Olaf Scholz.
In der Hinsicht sind wir wie die Industrie, die sich gegen den Klimawandel wehrt. Erst wehren wir uns gegen die, die nachweisen, dass wir Mist gebaut haben und weiter Mist bauen, dann leugnen wir, dass wir überhaupt Mist bauen können, dann bezeichnen wir alle als Lügner, die behaupten, dass Mist überhaupt existiert, und dann geben wir den Opfern die Schuld. Das kann man beliebig lange so weitermachen, uns kommt nur unangenehmerweise dieses metaphysische Zeugs dazwischen, das die Leute glauben, weil es in der Bibel steht. Man muss da schon eine sehr straffe Unternehmensführung haben, sonst kann man sich die Rendite in die Haare schmieren. Wir können nicht ewig warten mit der Reform des Pflichtzölibats, die Frauen, die wir uns als Arbeitstiere halten, wachsen leider auch nicht so schnell nach, wir müssen uns überlegen, wie wir das langfristig geregelt kriegen. Deshalb leisten wir uns für die Kundenbindung der rechten Kräfte auch einen zusätzlichen Aufsichtsrat. Für die unangenehmen Zwischenfälle. Wenn Sie sich auf den Glauben verlassen, sind Sie verloren. Deshalb ist auf jeder Kirche ja auch ein Blitzableiter.
Wir haben das jetzt auch in unsere offizielle Kommunikationsstrategie aufgenommen, damit die beiden ihre Erklärungen abwechselnd an die Presse schicken. Gute Bulle, böse Bulle. Dass Ratzinger da jetzt plötzlich einen Fallrückzieher macht, das war so nicht geplant, aber letztlich ist es für das Profil ganz gut, wenn sich der Papst jetzt von dieser Seite angegriffen sieht. Das erspart uns, dass wir nach fünfhundert Jahren die nächste Spaltung riskieren, und das wäre nicht nur marketingtechnisch eine Katastrophe. Diversifikation ist zwar praktisch, um möglichst den kompletten Markt abzudecken, aber bei unserem Produkt wird das kompliziert. Es wäre schon eine Herausforderung, sich einen neuen Markennamen auszudenken. Altkatholiken gibt’s schon, und die sind auch noch viel progressiver als der Marktführer.
Im Normalfall macht man interne Kritiker ja schnell mundtot. Oder man schiebt sie irgendwo in eine eigene Sparte ab, wo sie nicht mehr viel zu melden haben. Als Großinquisitor hat der Alte einen ganz guten Job gemacht, das muss man ihm lassen. Immerhin hat das mittlere Management vor ihm immer noch Angst. Aber ich sehe es noch nicht, dass wir eine feindliche Übernahme zu befürchten haben. Dazu fehlen ihm dann doch die Mittel. Der Laden ist ihm über den Kopf gewachsen.
Möglicherweise ist der Ratzinger auch schon dementer, als es vorher den Anschein hatte. Die Vorgänger waren ja auch nicht mehr alle ganz dicht – was erwarten Sie auch bei einem Berufsbild, in dem man Anweisungen von einem unsichtbaren Mann bekommt, den man erst nach seinem Tod kennen lernt. Natürlich gibt es da auch einige, die den Ratzinger als ein ausgekochtes Schlitzohr sehen und meinen, dem sei es völlig egal, wer unter ihm Papst ist. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte. Gegenpäpste hat es ja schon immer gegeben, und wenn Franziskus ihn jetzt als Ketzer an die frische Luft setzt, dann denken Sie daran, dass auch schon genügend Päpste plötzlich Visite beim Chef hatten.
Für dieses Jahr werden wir noch einen bis zwei Durchgänge erwarten können, ich tippe man auf das Thema Frauenordination. Da wird der Ratzinger irgendeinen antifeministischen Scheißdreck vom Stapel lassen, dann gibt es einen Aufschrei, die Deutsche Bischofskonferenz wird sich von dem alten Sack distanzieren, und der Papst lenkt mit viel harmoniesüchtigem Gelaber vom Konflikt ab. Falls seiner Heiligkeit nicht plötzlich der Hals platzt, er hat ja gesagt, wer seine Mutter beleidigt, kriegt aufs Maul. Dann wird er halt lernen müssen, wie wir das mit den Führungsaufgaben schon seit unserer Gründung gelöst haben. Es kann nur einen geben.“
Satzspiegel