Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCXXVII): Der Verbrauchercheck

15 04 2016
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Manchmal muss auch der langweiligste Nappel vom Tagwerk ruhen, und so setzt er sich nebst Bier und Salzgebäck auf die Klappcouch, schaltet die Buntapparatur ein und dröselt sanft in den seichten Schlummer des eigentlich Bekannten, das ihm vom wirklichen Leben vertraut scheint und hier so dumm wie dösig als Programm aufpoppt. Aus der Redaktion mit der höchsten Deppendichte kommt ein trefflicher Bericht, das Hirn an neuralgischen Punkten nachzulöchern, dass der flache Schmadder in kleckerndem Kontinuum nachrinne, um alle bis dato relevanten Inhalte zu verpappen. Kein Käse, keine Kartonage und kaum ein Kredit sind sicher vor dem dräuenden Röntgenblick der Filmchen, die scheint’s mit schwitzigen Fingern gedreht dem Konsumenten die Unterkellerung jeglichen Niveaus schmackhaft machen. Guten Abend, hier ist der Verbrauchercheck.

Stundenlang schwiemeln sich multikompetente Dackeldarsteller im Expertensprech durch Wirrnis und Abenteuer: wie lange klebt der mit Heftpflaster an die Betonwand gematschte Waschvollautomat, und wenn er fällt, dann schreit er? Hat er nach dem Totalschaden die geplante Obsoleszenz überholt oder lohnt sich die Reparatur am Hindukusch? Man kann diese Sendung nicht leiser machen, dann liefe sie gar nicht. Der Check, neudeutsch für: ein paar Bratzen lesen öffentlich eine Zutatenliste auf der Kekspackung vor, deckt die größten, geheimsten Geheimnisse auf. In Honig ist Zucker, Wasser ist nass, Tinte macht blau. Applaus für die banalsten Selbstverständlichkeiten en bloc, dramatisch zu einem epochalen TV-Event aufgepumpt.

Natürlich käme der Verbraucher selbst dahinter, dass die kleine Dose Erbsen proportional mehr kostet als die Krankenhauspackung, aber so würde sich der Sender das schöne Format verhunzen. Er vertraut darauf, dass der Verbraucher selbst nichts checkt und aus geübter Verzweiflung den Hystery Channel anknipst. Was bleibt, ist die sinnlose Dekonstruktion des Alltags: wenn man von Milch Krebs kriegt, soll man dann keine Milch mehr trinken, um weiterhin rauchen zu dürfen?

Dabei sind die Bescheidwisser nur geschminkte Hohlschwätzer, die ihr vermutungsbasiertes Viertelwissen mit Hilfe von Pseudowissenschaft und viel Brimborium aufhübschen, damit sie die Angst verbreiten können, die ihr intellektuelles Tischfeuerwerk direkt in die Gerümpelkammer der handgejagten Missverständnisse verbringt. Zum guten Schluss merkt sich der Zuschauer doch nur, dass jedes Papiertaschentuch durch die Packung aus reinem Weichmacher entsteht, der direkt in der Kalottenregion wirkt. Jedes Ei kommt aus dem Hühnergulag, jede Sonnenmilch ist Hitler, und wenn wir nicht gestorben sind, dann hat sich der Sensenmann nur um einen Tag verspätet. Der Kunde muss geschüttelt sein von Krise und Furcht, sein Herz sei ein verzagter Schlangenknoten. Wie soll man sonst mit dick aufgetragenem Vertrauen in das einzig wahre Gegenprodukt die Kohle abgreifen, die er aus ebendieser Angst in der Tasche versteckt?

Denn Verbraucherchecks sind immer nur und immer mehr dümmliches Kindertheater, das medial eine behämmertenkompatible Version von Scheinunabhängigkeit vorkaspert, während im Hintergrund die Lobby für Dosenmilch und Kreuzfahrten sich kichernd die dürren Finger knetet oder leise Zweifel aufkeimen lässt, wie viel Stroh in den Konsumentenschädel gleichzeitig rein passt. Die wirklich ernsten Themen – warum Massen geistig unausgelasteter Dumpfklumpen zum Homöopathen rennen, schamanisch linksgerührtes Informationswasser aus Vollmondabfüllung zum Preis von Druckertinte kaufen oder sich mit Aluhut und Malbuch vor der Übersäuerung durch Erdstrahlen schützen – werden nicht einmal im Ansatz berührt. Warum auch, man könnte sich in der Schicht der praktizierenden Bildungsallergiker Feinde machen, die als Zielgruppe langfristig wegbrechen. Was würde der Sender dann machen mit seiner Lebenshilfe, die den längst unmündig gelaberten Verbraucher an die Hand nimmt und ihm behutsam wieder in die Gesellschaft zurückführt, ohne ihn mit Eigenentscheidungen zu überfordern. Wir wären fürwahr um eine humanitäre Hilfe zur Daseinsbewältigung ärmer.

Und ganz nebenbei, wer checkt eigentlich den Verbraucher, der sich den Schmonzes zur besten Sendezeit reinzieht? Der Drogenbeauftragte hätte hier leichtes Spiel und fette Beute. Vielleicht sollten wir den Namen dieses Getöses einmal ernst nehmen und fragen, ob der durchschnittliche Konsument wirklich ein Blödföhn vor dem Herrn ist, der sich die Hose mit der Kneifzange anzieht. Die Antwort könnte durchaus spannend sein.





Zuckerbrot als Peitsche

30 04 2015

„… gegen die gesundheitsschädlichen Folgen des Süßwarenkonsums angehen werde. Die SPD habe sich entschieden, den erhöhten Satz von 19 Prozent für sämtliche zuckerhaltigen Produkte…“

„… müsse man die Verbraucher zur gesundheitsbewussten Ernährung erziehen. Dies könne ausschließlich durch die Ächtung von Schokolade und…“

„… zuckerhaltige Lebensmittel Bestandteil des geplanten Präventionsgesetzes sein sollten. Ob es Ausnahmen geben solle, müsse eine Kommission…“

„… wolle Sarrazin Erwerbslose, Muslime und andere Rasseschädlinge durch eindeutige Merkmale auszeichnen, dass nur noch der straffreie Erwerb von Saccharin möglich wäre. Der auf die Stirn tätowierte Schriftzug sei laut SPD-Präsidium zu kostenintensiv, außerdem habe Ursula von der Leyen angemahnt, dass ihre Chipkarte besser lesbar und wesentlich lukrativer für ihre…“

„… nicht gleichzeitig auch eine Diskriminierung von Salzgebäck nach sich ziehen müsse. Schwesig habe darauf hingewiesen, dass Chips inzwischen in wieder verschließbaren…“

„… einzelne Schokoladenstücke anzubieten. Dies erhöhe zwar den Verpackungsmüll, diene aber der gesundheitlichen…“

„… lehnten es die Sozialdemokraten ab, für mehr Bewegung durch höhere Kraftstoffpreise zu sorgen. Dies entmündige den Bürger, der selbst am besten entscheiden könne, ob und wann er mit dem Auto zum Zigarettenautomaten…“

„… falls Zuckerwatte davon ausgenommen werde. Es handle sich dabei um eine Verarbeitungsform von Industriezucker, jedoch nicht um ein zuckerhaltiges…“

„… keine Veranlassung, Pommes frites zu verteufeln. Die Bundesbürger seien in der Regel verantwortungsvoll genug, um gesundheitliche Gefahren durch fetthaltige Speisen selbst zu erkennen. Außerdem seien die Kartoffelstäbchen rein pflanzlich und ohne zuckerhaltigen…“

„… keine Ausnahmen gebe. Zwar sei Konfitüre keine Süßware, müsse jedoch wegen des hohen Zuckeranteils künftig mit dem vollen…“

„… keine gesetzliche Regelung. Der Aufdruck Ohne Zuckerzusatz dürfe daher auch auf Butter, Sahne und…“

„… stehe bei der Produktion der Nuss-Nougat-Creme die pflanzliche Komponente klar im Vordergrund. Eine Parteispende im niedrigen zweistelligen Millionenbereich habe diese Entscheidung selbstverständlich nicht maßgeblich…“

„… dass die Industrie den Preis von Erfrischungsgetränken mit Zuckeraustauschstoffen ganz bestimmt senken werde. Die SPD vertraue auf das verbraucherfreundliche Verhalten der Industrie, das wie immer…“

„… ob saure Drops überhaupt als Süßwaren…“

„… noch keine wissenschaftlichen Beweise gefunden worden seien, dass sich zuckerhaltige Ernährung negativ auf den Mangel an körperlicher Bewegung auswirke. Maas habe weiterhin erkannt, dass sich Bewegungsmangel nicht mit Hilfe eines Bundesgesetzes…“

„… nicht vorschreiben könne, ob Lebensmittel für Kinder einen erhöhten Zuckergehalt hätten. Nahles habe nochmals betont, die SPD wehre sich gegen den Eindruck, sie wolle mit sinnlosen Vorschriften gegen die…“

„… Speiseeis grundsätzlich ausgenommen werde. Dieses sei zwar zuckerhaltig, aber keine Süßspeise, was als vorbeugende Maßnahme vor einer Klage der…“

„… noch härter durchzugreifen, um eine gesundheitsbewusste Ernährung zu propagieren. Die Sozialdemokraten hätten als nächsten Schritt geplant, den Veggie-Day ohne Zuckererbsen zu…“

„… sich hinter dem Kölner Hauptbahnhof bereits eine Kandisszene…“

„… könnten etwaige Krebsrisiken durch Süßstoffe sehr wohl getragen werden, da die Mehreinnahmen einer Zuckersteuer sich günstig auf den Haushalt…“

„… keine Ahnung, ob Traubenzucker gesünder sei. Dennoch wolle die SPD erreichen, dass der Stoff als Zuckerersatz deklariert werde, um eine steuerliche Vergünstigung für den…“

„… andererseits eine Verdoppelung der Alkoholpreise ins Gespräch gebracht habe. Wie man an der SPD sehe, fördere der unmäßige Konsum Verhaltensweisen, die nur noch mit rigiden Sanktionen…“

„… habe auch der Anstieg der Preise für Tabakprodukte gezeigt, dass nur noch die rauchen würden, denen dieses Preisniveau keine Probleme…“

„… sich die SPD öffentlich zum Kampf gegen das Übergewicht als primärem Wahlkampfthema bekannt habe. Unklar sei, ob der plötzliche Rücktritt Gabriels in einem ursächlichen…“





Blauer Dunst

22 07 2014

„… habe ihrem verstorbenen Mann keiner mitgeteilt, dass Zigaretten Krebs auslösen könnten. Das Schmerzensgeld in Milliardenhöhe sei daher…“

„… zahlreiche US-amerikanische Staatsbürger am Steuer eines Personenkraftwagens verstürben. Dies rechtfertige jedoch nicht, bereits vor dem Erwerb der Fahrerlaubnis ein präventives Schmerzensgeld für den…“

„… in einschlägigen wissenschaftlichen Fachmagazinen publiziert worden seien. Nach Meinung des Gerichts sei es nicht vom durchschnittlichen nicht zu verlangen, dass er medizinische Lektüre dieser Art ohne beruflichen Hintergrund…“

„… dass gebrauchte Injektionsspritzen schwere Infektionen bis zur chronischen Bronchitis auslösen könnten. Palin habe angeregt, die kanadischen Heroinkonzerne an den Strafzahlungen prozentual zu…“

„… nur bekannt gewesen, dass Tabakrauch krebserregend sei, nicht jedoch, dass Zigaretten auch aus…“

„… im Bundesstaat Wisconsin künftig jeden Hammer mit dem Schild Dies ist ein Hammer zu…“

„… einen Warnhinweis auf Wasserflaschen anbringen müsse, dass das Überschütten einer Person mit mehr als zehn Kubikmeter dieser Flüssigkeit erhebliche gesundheitliche Folgen für…“

„… wenn mindestens einer von hundert Milliarden Verbrauchern einmal im Leben auf die Idee käme. Das Abkommen wolle ebenso regeln, dass US-amerikanische Autos Tankverschlüsse erhielten, in die man keine brennenden Streichhölzer mehr…“

„… illusorisch sei. Zwar seien die Folgen der radioaktiven Strahlung langanhaltend gewesen, die Japaner hätten die Bombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki jedoch durch eigenes Verschulden…“

„… dass Zigaretten anderer Marken möglicherweise krebserregend seien, nicht jedoch diejenigen des…“

„… den Säugling regelmäßig in einen gesunden Schlaf gewiegt habe. Der Schnapsfabrikant sei sich jedoch keiner Schuld bewusst, da er sein Etikett bereits vor Jahren mit einem…“

„… ihren halbseitig gelähmten Großvater mit Kabelbindern an Händen und Füßen gefesselt zu haben, bevor sie ihn aus dem Hubschrauber geworfen hätten. Der Fallschirmhersteller erwäge bereits eine Klage wegen unsachgemäßer Verwendung einer Kopfbedeckung, die zwischen März und Mai nur in Bodennähe…“

„… nicht zu erwarten, dass eine Ursache für die Hirnschädigung noch festzustellen sei, nachdem der Patient sich den Hammer bereits dreiundzwanzig Mal auf die Schädeldecke…“

„… dürfe man Zigaretten nur noch in Anwesenheit eines Justiziars erwerben. Der Plan, für mehr Rechtssicherheit die Verkaufsautomaten nur noch in Anwaltskanzleien zu…“

„… sei das Freihandelsabkommen ein willkommener Anlass. Allein die europäischen Verhandlungsführer hätten noch Bedenken, dass nur US-Rüstungsgüter ohne den Aufkleber Nicht Menschen töten, Waffen töten für den Export in mehrere…“

„… basiere das von den Republikanern geplante Todesurteil auf keiner rechtlichen Grundlage. Überdies genieße Helmut Schmidt als ehemaliger Regierungschef diplomatische…“

„… amerikanische Unternehmen, die keine Niederlassungen in der EU hätten, durch eine Investitionsschutzklage abzusichern, da diese dann keine lukrativen Klagen gegen Mitbewerber…“

„… entspreche der Logik des Justizsystems. Der afroamerikanische Rechtsanwalt verklage die Frühstücksflockenfirma nicht zuletzt wegen seiner Vorstellung als Kind, wie in der Werbung durch den Verzehr zu einem weißhäutigen, zehn Meter großen…“

„… zu jeder im Discounter verkauften Packung Schmerztabletten einen kostenlosen Pharmareferenten zu…“

„… zu einem überraschenden Schuldspruch geführt habe. Zwar sei die Prägung DAS SEIN HAMMER AMERIKANISCH BASTARD semantisch hinreichend klar, doch dürfe man die durchschnittliche Intelligenz der US-Bevölkerung nicht stillschweigend auf Texaner…“

„… erst das Freihandelsabkommen TTIP abwarten wollten, bevor sie den Ausgang der vergangenen beiden Präsidentschaftswahlen…“

„… eine Sammelklage geplant sei. Üblicherweise rette ein Sicherheitsgurt Leben, in diesem Falle jedoch müsse der Hersteller erklären, warum bei der Detonation einer Splitterbombe unter dem Geländewagen der Fahrer sofort…“

„… verspreche der Fruchtdrink, er könne zu mehr Vitalität führen. Die Hinterbliebenen des 108-jährigen José DiGilio aus Moscow (Idaho) seien äußerst empört, dass nach mehr als dreiwöchiger Einnahme keine merklichen…“

„… sich nach Zeugenaussagen eine brennende Zigarette ins Auge gesteckt habe, und zwar nach einer nichts an Deutlichkeit zu wünschen lassenden Ankündigung. Das Schwurgericht von Escambia County (Florida) habe einstimmig auf…“





Schall und Rauch

22 08 2012

„‚Rauchen tötet‘?“ „Ist immer noch der Klassiker.“ „Aber das lässt sich doch so gar nicht auf die anderen Sachen übertragen.“ „Die Vorgabe der EU-Kommission ist doch nicht so schwierig: eine klare, einfache und unmissverständliche Aussage.“ „Und dann haben wir bald nur noch Verpackungen mit diesen fürchterlichen Bildern? Also ich weiß ja nicht.“

„Ich kann ja auch nichts daran ändern, aber wir müssen das jetzt so umsetzen. Alle gefährlichen Konsumgüter ausfindig machen und stigmatisieren. Das wird für Sicherheit sorgen.“ „Und das sorgt für einen nachhaltigen Lernerfolg?“ „Wozu?“ „Damit die Leute nicht mehr rauchen?“ „Natürlich rauchen sie weiter. Um Gottes Willen, stellen Sie sich mal vor, die Leute würden nicht mehr rauchen – diese Steuerverluste!“ „Aber warum müssen wir dann auf die Zigarettenschachteln schreiben, dass Rauchen gefährlich ist?“ „Stimmt das etwa nicht?“ „Sicher stimmt, das aber…“ „Na also. Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“ „Aber warum werden diese Warnhinweise dann auf Zigarettenschachteln gedruckt, wenn man überhaupt kein Interesse hat, dass der Tabakkonsum zurückgeht?“ „Soll er ja auch nicht.“ „Warum dann die…“ „Der öffentliche Tabakkonsum soll zurückgehen. In Ihrer Wohnung dürfen Sie rauchen, wenn Sie das wollen.“ „Noch.“

„Gut, dann lassen Sie mal hören.“ „Fleisch?“ „Ich bitte Sie, was ist denn an Fleisch gefährlich?“ „Es ist fett, es enthält Rückstände von Hormonen und…“ „Meine Güte, das ist doch nicht das Fleisch – das sind die Inhaltsstoffe!“ „Wie, Inhaltsstoffe?“ „Was da drin ist. Fleisch an sich ist doch völlig ungefährlich.“ „Aber dann müsste man doch Tabak auch als ungefährlich einstufen. Den Krebs machen auch nur die Inhaltsstoffe.“ „Jetzt stellen Sie sich mal nicht dümmer an, als Sie sind.“ „Nein, echt – und außerdem ist das rein pflanzlich!“ „Gut jetzt, wir haben noch jede Menge anderer Sachen auf dem Zettel.“ „Aber man kann sich infizieren! Hühnergrippe, Schweinepest, BSE!“ „Und vom Salat kriegt man EHEC. Vergessen Sie’s, das kriegen wir nie durch.“ „Bei der EU-Kommission?“ „Bei den Fleischproduzenten.“

„Wie ist es denn mit Alkohol?“ „Haben Sie das immer noch begriffen? Es geht nicht darum, ob ein Stoff gefährlich ist, sondern um die äääh… also dass er, dass da halt eine Gefahr…“ „Eben, und das ist doch der Punkt. Wissen Sie, wie viele Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums sterben?“ „Und Sie wollen jetzt auf jede Bierflasche ‚Alkohol tötet‘ schreiben!? Sie haben ja nicht mehr alle Tassen im Schrank!“ „Es sind sogar wesentlich mehr als beim Rauchen.“ „Erzählen Sie doch keinen Unsinn!“ „Sogar mehr als beim Passivrauchen, denken Sie an die vielen Verkehrstoten.“ „Jetzt hören Sie schon auf damit, wir kriegen das doch nie durch. Wissen Sie eigentlich wie viel die Brauereiwirtschaft dem Bundestag zahlt?“ „pro Jahr? oder pro Mille?“ „Sie regen mich langsam auf.“

„Fliegen?“ „Nein, schlagen Sie sich das aus dem Kopf. Das können Sie vergessen.“ „Wieso denn nicht?“ „Sie meinen, weil mehr Flugzeuge abstürzen als Radfahrer ertrinken? Ist doch absurd!“ „Sie polemisieren.“ „Überhaupt nicht! Sonst würde ich doch behaupten, dass diese Nacktscanner an den Flughäfen gefährlich sind. Wobei, warten Sie mal…“

„Gummibärchen?“ „Machen Sie sich nicht lächerlich.“ „Wieso lächerlich, wir haben ein Verbot von Modeschmuck, wenn Kinder ihn für Gummibärchen halten und…“ „Aber kein Verbot von Gummibärchen.“ „Weil keiner erkannt hat, dass die Dinger gefährlich sind.“ „Hat Sie schon einmal eins im Wald überfallen?“ „Gummibärchen enthalten Zucker, die enthalten so viel Zucker wie Limonaden, denen man an den Schulen den kampf angesagt hat, und Zucker ist verantwortlich für Karies, Fettleibigkeit…“ „Laa-la-laaa!“ „… und Verdauungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Allergien und…“ „Sie wollen doch nicht allen Ernstes Zucker verbieten!?“ „Warum denn nicht?“ „Das ist ein Genussmittel, den können Sie doch nicht einfach so…“ „Das ist Alkohol auch.“ „Aber ein Verbot ist doch der falsche Weg, dann haben Sie eine Fruchtgummi-Szene in der Schulhofecke!“ „ja und?“ „Das muss man doch pädagogisch lösen können, man kann doch den Konsumenten nicht alles verbieten!“ „Und warum funktioniert das bei den Zigaretten nicht?“ „Das lässt sich ja wohl nicht vergleichen!“ „Was lässt sich denn bitte daran nicht vergleichen? Sie müssen einfach den Verbrauchern beibringen, dass der Konsum einiger Substanzen mit unterschiedlich hohen Risiken behaftet ist, bei machen lässt sich das gut kalkulieren, bei manchen weniger gut.“ „Sie wollen doch nicht ernsthaft einen Fettklops mit schwarz verfaultem Gebiss abbilden?“ „Nein, ‚Gummibärchen töten‘ wäre schon genug.“

„Dann noch einmal ganz von vorne. Die EU-Kommission erwartet, dass wir eine Liste erstellen mit Konsumgütern, die erhebliche Gefahren…“ „Warum zieht man sie dann nicht aus dem Verkehr? Sind die Gefahren nicht abschätzbar für den mündigen Verbraucher? Wenn ja, wozu braucht es diese Verbotshysterie? und wenn nicht, wozu dann überhaupt den legalen Verkauf?“ „Sie regen mich langsam auf!“ „Könnte man nicht diese Hinweise auf Schusswaffen anbringen?“ „Ich sagte, Sie regen mich langsam…“ „Aber Sie werden mir bestimmt gleich erzählen, dass es nicht die Schusswaffen sind, sondern die Munition, richtig?“ „Ich kriege wirklich zu viel! Langsam kriege ich wirklich zu…“ „Oder Bahnfahren, haben Sie sich das mal überlegt? Entgleisende Züge und kochende Klimaanlagen, und dann weiß man nie, ob man nicht in Stuttgart eins auf die Fresse…“ „Großartig! ‚Bahnfahren schadet nachhaltig Ihrer Gesundheit‘ – hervorragende Idee! Schreiben Sie das auf, den Rest macht das Verbraucherschutzministerium. Ich wusste doch, auf Sie ist Verlass!“





Gernulf Olzheimer kommentiert (CXXXVIII): Verbraucherschutz

10 02 2012
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Das Leben ist, wer hätte das geahnt, tödlich. Alles, was man in die Hand nehmen, aus dem Fenster schmeißen, in kochendes Wasser fallen lassen kann, ist ein potenzielles Mordwerkzeug. Schon der Verzehr eines einzigen Öltankers kann nicht abzuschätzende Folgen haben – und wie häufig sind gerade berufstätige Eltern damit konfrontiert, dass ihre Sprösslinge zufällig auf dem Sofa herumliegende Öltanker en bloc verschlucken. Man muss die Menschheit vor sich selbst retten, sonst kegelt sie sich eines Tages mit Hilfe von MacGyvers Tascheninhalt über die Wupper. Alle simultan einzuknasten funktioniert logistisch nicht, außerdem ist es zu teuer. Der kollektive pränatale Suizid ließe sich noch schlechter kontrollieren. Uns bleibt bloß der Verbraucherschutz.

Verbraucherschutz ist eine lustige Ansammlung von Maßnahmen, dem Konsumenten klarzumachen, dass er bezahlen und ansonsten seine Klappe halten soll. Alles wird ihm vorgekaut und paternalistisch parfümiert, der Beknackte hat ausschließlich zu schlucken. Damit das so gut funktioniert, wird das Ressort der Verbraucherschützer mit pathologisch austrainierten Kippfiguren ausstaffiert, die sich in blankem Selbsthass ergehen: damit der Verbraucher sie aus tiefster Seele verabscheut, wird der nur dann approbierter Konsumkontrolleur, wenn er bereits eine solide Abneigung gegen jegliche Laien, insbesondere den harmlosen Hausvater nebst Gattin, Kind und Hamster hegt. Mit derlei Dialektik ausgestattet entsteht alsbald knisternde Spannung zwischen Menschen und Märkten. Das ist soziale Marktwirtschaft, langweilig wird sie nie.

Natürlich darf der Verbraucherschutz nie von seiner Prämisse abweichen, der durchschnittliche Depp im Lande sei genau so verdübelt wie er selbst – könnte man sein Geld denn leichter verdienen als mit Zuckerwürfelpackungen, auf denen gut lesbar abgedruckt sein muss, dass dieses Produkt Zucker (in Würfelform) enthält? Wäre eine im Notfall vom Staat ausgehaltene Dumpfdüsenzuchtanstalt noch zu betreiben, wenn deren Insassen mehr können müssten, als Plastetütchen in Knopfzellengröße mit Warnaufdrucken zu verschwiemeln, falls versehentlich ein Liliputanersäugling sie sich über den Schädel zu ziehen gedächte? Abgesehen davon, dass auch King-Size-Neugeborene seltener zum Lesen neigen, die Angelegenheit offenbart lediglich das Verhältnis zum Bürger. Der Verbraucherschützer, namentlich der wild aus der Gebietskörperschaft wuchernde, ist ein Peitschenpädagoge, der sich zur erfolgreichen Verrichtung seiner Verdeppungsleistung bereits auf die embryonalintelligenten Bevölkerungsanteile zu konzentrieren hat. Die Sache ist nur ohne Schäden im Frontzahnbereich durchzustehen, wenn man sich von dem Gedanken verabschiedet, von halbwegs lebensfähigen Hominiden umgeben zu sein.

Denn welcher Bekloppte würde auf die Idee kommen, Tiefkühlpampe mit doofenkompatibler Nährwertampel für gesund zu erklären, weil sich der Richtwert an Fett, Zucker und Chemieunfällen beim täglichen Verzehr von 100 Gramm Pizza noch einhalten ließe? Ist nicht die Einstufung von Geländekarren, die der Yuppie zwingend für den täglichen Stau im Stadtverkehr braucht, als für ihre Klasse adäquat, die Klassifikation einer 13-PS-Straßenwanze jedoch als chronischer Spritfresser der Gipfel des Hirnrisses? Fällt der berappenden Bevölkerung nicht auf, dass sie sich unter Kuratel einer Kaste befindet, die so sinnvoll ist wie die Rücktrittbremse am Teilchenbeschleuniger? Würde der von Politik und anderen Lobbyisten reflexartig geforderte mündige Bürger das System nicht sofort zur Implosion bringen? Denn die Warenadvokaten interessieren sich minimal für die Keimbelastung in Discounterhühnerleichenteilen, schalten aber auf Durchzug, wenn chinesische Weichmacher in Form von Spielwaren wegen ihrer Herkunft aus volksrepublikanischer Kinderarbeit zur Diskussion stehen. Kauft nur der teutsche Untertan elektrische Haartrockner mit mindestens drei schaltbaren Leistungsstufen, dann ist alles, alles gut.

Da passt es doch, dass sich der europäische Moloch anschickt, seine Bürger wie in den US of A offiziell für infantil zu erklären. Messer, Gabel, Schere, Licht dürfen vermutlich bald nur noch im Beisein eines bewaffneten Sicherheitsbeamten angeschaut werden. Man preist ihnen das Leben hinter schusssicherem Glas als höchste Stufe der Freiheit, was ja faktisch auch stimmt – so frei von Verantwortung war der gemeine Honk noch nie. Er hat sich fangen lassen und hängt im Gängelband des Vormunds, der vom Rauchen abrät, weil’s dem Krebs Vorschub leistet, aber Silikonmöpse und Telefonverträge bedenkenlos in den Markt drückt, weil sich der Unternehmer elegant vor geprellten Kunden zu schützen versteht. Verbraucherschutz nimmt dem mündigen Unternehmer die Angst davor, plötzlich mündige Kunden zu haben.

Sicher wird es irgendwann die Panne geben, nach der wir alle nur noch unter Luftabschluss konsumieren dürfen. Terroristen werden ein Flugzeug entführen. Mit dioxinbelasteten Hühnerbeinen.





Warnvorstellung

4 10 2011

„… die Auszeichnungen auf der Verpackung als großen Schritt in Richtung Verbrauchersicherheit gelobt. Allein die Tatsache, dass nun Kandis als gesundheitsschädlich gelte wegen seines enormen Zuckergehaltes, dies gebe, so Aigner bei einer Supermarktbesichtigung, den Bürgerinnen noch mehr Klarheit im Umgang mit…“

„… weil ein prozentualer Anteil an der Gesamtmenge kaum zu erklären sei. So sei eine EU-konforme Verpackung von gemahlenen Nüssen auch weiterhin mit dem Aufdruck Kann Nüsse enthalten…“

„… die Lebensmittelindustrie inzwischen nicht mehr wisse, wie die Beschlüsse aus Aigners Ministerium umzusetzen sein sollten. So erfordert eine hinreichend große Inhalts-Ampel auf der Umverpackung von Bittermandel-Backaroma die Fläche eines Schuhkartons, was neben den Kosten für Fertigung und Transport auch erhebliche Einflüsse auf die Umweltbilanz…“

„… im Gegenzug, betonte Staatssekretär Bleser, wurden jedoch Kokosfett, Rapsöl und Butter mit der grünen Plakette ausgezeichnet, die den Verzehr ohne Mengenbeschränkungen empfiehlt, da diese Lebensmittel so gut wie zuckerfrei…“

„… dass die neuen Ampel-Aufkleber für gastronomische Betriebe oft willkürlich verliehen würden und trotz veränderter Sachlage einfach für mehrere Jahre an den Betriebsstätten zu verbleiben hätten. Der DEHOGA-Bundesverband bezeichnete diese Bestimmung als reinen Terrorakt, der nur eine Geschäftsschädigung an Restaurants, aber keine Verbesserung der Kundenfreundlichkeit bewirke. Bundeskanzlerin Merkel freute sich über die Umsatzrückgänge im Gastgewerbe, dies sei eine solidarische Haltung zum Sparpaket der…“

„… auch auf andere Branchen ausgeweitet. So fanden sich nach der Testphase keine Klempner- oder Maurerbetriebe, die nicht durchgängig rot…“

„… sich nicht für die Benotung in bayerischen Grundschulen eignen, da das System gegenüber der herkömmlichen Stufen 1 bis 6 als zu komplex erweise. Im Zuge einer weiteren Vereinfachung des Bachelor-Studiums jedoch zeigte sich Seehofer eher gewogen, den Vorschlag der katholischen…“

„… Kombination der Maßnahmen: alle Zutaten auf allen Angeboten auf allen bundesdeutschen Speisekarten seien nach dieser Vorlage einzeln mit einer Warnampel zu versehen. Aigner nahm als Gastgeschenk die Menükarte von Kalli’s Bratbude entgegen, das Speisenverzeichnis des Imbissbetriebs hatte inzwischen den Umfang des Kölner Telefonbuchs (L–Z) ganz knapp…“

„… könne man in einigen Ländern die Ampel zu Kommunalwahlen verwenden. Zwar sei noch nicht geklärt, ob Rot und Gelb als Zweitstimme unterschiedlich gewichtet würden, doch setzte sich Bundesinnenminister Friedrich dafür ein, dass die gewünschten Ergebnisse auf jeden Fall für die CDU zu einer…“

„… unerhörter Vorgang, da die FDP zwar um eine Bewertung gebeten, sie auch im Vorweg bezahlt und eine Werbekampagne um das Ergebnis geplant hatte, aber das Resultat nicht akzeptieren wollte, da es kein bisschen Gelb…“

„… erneuerte Schäuble seine Ansicht, nur eine öffentlich-rechtliche Ratingagentur für den Euro-Raum könne für Stabilität sorgen. Noch einfacher sei die Beruhigung der Märkte mit einer Rating-Ampel zu bewerkstelligen; dies System entspreche dazu dem geistigen Horizont von Investment-Bankern oder…“

„… obgleich das Innenministerium eine Ampel-Einstufung durch das Bundesseuchengesetz nicht verhindern konnte. Namentlich in den vergangenen sechs Monaten sei Friedrichs Haus eine Brutstätte für hirnzersetzende Keime…“

„… einigten sich Ackermann und Merkel darauf, dass systemrelevante Unternehmen nur mit grünen Aufklebern versehen werden dürften. Zur Beschleunigung des Verfahrens regte er an, dass eine Prüfung nicht stattfinden müsse, um die…“

„… eine Alternative zu ständig wechselnden Vorschriften durch das Bundesverfassungsgericht. Mit den Ampel-Aufklebern würde den Hartz-IV-Empfängern jeweils angezeigt, welche der Güter des täglichen Lebens – Alkoholika, Tabakwaren, Verhütungsmittel, Spähpanzer – nicht zu den…“

„… auch für das Three-Strikes-Modell denkbar. Der Internetnutzer erhalte durch unterschiedlich gefärbte Stoppschilder eine Warnvorstellung, wie sie der Bundesverband für…“

„… für Verwirrung, ob das Verkehrsministerium das Konzept überhaupt verstünde. Ramsauer hatte bisher darauf beharrt, Warnhinweise an öffentlichen Lichtzeichenanlagen nur durch geschultes Personal ankleben zu…“

„… dass eine dreistufige Ampel durchaus reichen könnte, um den Verbraucher vor großen Fehlentscheidungen zu bewahren. Die Einordnung von Grün (aspekte, Orchesterkonzerte) bis Rot (Mario Barth) helfe bei der Auswahl des Programms, so dass eine Überforderung kaum…“

„… einigte sich der Bundesverband mit den Ministerien, die Einzelergebnisse nicht jedes Mal erneut aufzuschlüsseln. Angesichts der ohnehin geringen Mengenbeigaben, so das Kanzleramt, könne man den Aufdruck Kann Spuren von FDP enthalten für eine Ampelkoalition…“

„… um ein großes Missverständnis. Der Handelsverband Deutschland, der zuletzt durch 100% positive Auszeichnung seiner Ladengeschäfte berichtete hatte, wies noch einmal darauf hin, dass dieses Prädikat ausschließlich eine Bewertung der Produkte darstelle. Der Service sei nach wie vor miserabel, um den Kunden das vertraute Gefühl…“





Die Achse der Blöden

16 02 2011

Der Instruktor hielt das Anschauungsmaterial in die Höhe. „Das“, verkündete er den Schülern, „ist ein Hühnerei.“ Einer der Zöglinge kratzte sich mit großem Umstand am Kinn. „Kann ich das noch mal sehen“, nuschelte er und griff danach – da lag das Ei schon am Boden. „So ungefähr dürfen Sie sich dann die praktische Arbeit vorstellen“, konstatierte Sübenkotte. „Es läuft wie am Schnürchen hier im Amt für Nahrungsmittelsicherheit.“

Oberregierungsrat Doktor Sübenkotte entfaltete umständlich den Lageplan seiner Behörde. „Hier unten“, erklärte er, „haben wir die Schulungsräume, siebenunddreißig an der Zahl, hier ist der Osttrakt, und dort befindet sich das Labor.“ Ich pfiff durch die Zähne. „So viele Räume? Sie müssen ja einen enormen Bedarf haben.“ Er nickte. „Das kann man so sehen. Schauen Sie, seitdem wir unsere Arbeit aufgenommen haben, ist der gesamte Bereich der Lebensmittelkontrolle auf ein komplett neues Fundament gestellt worden. Endlich haben wir eine vollumfängliche Sicherheit, die auch dem einfachen Verbraucher – entschuldigen Sie, was wollten Sie doch gleich wissen?“ „Die Anzahl der Räume“, half ich ihm ein. Sübenkotte nickte. „Das kann man so sehen. Wir haben das überschüssige Personal des Verfassungsschutzes und des Innenministeriums übernommen.“ „Und wie viele?“ „Alle, die für die Belange des Innern vollkommen überflüssig sind. Also schätzungsweise drei Viertel.“

Wir hatten einen anderen Ausbildungsraum betreten. In einem nachgebauten Hühnerstall gackerte vereinzeltes Federvieh umher, während in groteske Gummihosen gewandete Schüler im Sand herumstolperten. Einer schrie entsetzt auf – eine Henne hatte nach ihm gehackt. „Frau Lammbeck, die Ausbildungsleiterin für den Bereich Veterinär- und Zuchtwesen.“ Ich deutete eine Verbeugung an, doch die Lehrerin war sichtlich genervt und griff unvermittelt zu einem Huhn, das sie dem Eleven neben ihr unter die Nase hielt. Der junge Mann nahm allen Mut zusammen und begann, das Tier zu löchern: „Los, gesteh endlich! Willst du wohl? Du sollst endlich gestehen! Los jetzt!“ „Er hat doch dem armen Gickerl noch gar nicht gesagt, was es eigentlich gestehen soll?“ Triumphierend blickte der Hühnerschrecker mich an. „Jahaa, das denken Sie! Das ist aber ganz ausgebuffte Verhörtaktik!“

Während sich drinnen das Huhn auf den wehrlosen Lehrling stürzte – man hörte es noch lange gackern – führte mich Doktor Sübenkotte zum Osttrakt. „Das ist ja einigermaßen erstaunlich“, begann ich, „viele stellen sich am Beginn ihrer Ausbildung etwas an, aber dies hier?“ Er wehrte ab. „Aber nein, das sind durchaus keine Anfänger! Sie haben hier eben die Abschlussklasse gesehen, die Leute bereiten sich auf ihr Examen kommende Woche vor.“ Ich war verwirrt. „Aber der Mann war doch mit einem einzelnen Huhn völlig überfordert – wie soll der einen ganzen Geflügelzuchtbetrieb untersuchen, besser gesagt: wie soll dieser Typ die Kontrolle lebend überstehen?“ „Klar“, verteidigte sich der Behördenchef, „Sie haben da einen ganz anderen Zugang, aber Sie müssen berücksichtigen, dass das Personal im Innenministerium immer auf dem Stand des jeweiligen Innenministers sein muss. Zur besseren Kommunikation und für einen reibungslosen Ablauf der Terrorprävention.“ Nein, ich verstand kein Wort. Was hatten denn diese Hühner mit Terrorismus zu tun? „Wir nehmen die größten Idioten, die das Amt zu bieten hat, und bilden sie mehrere Semester lang zurück, bis sie auf dem Niveau von – verstehen Sie?“ Ja, ich verstand.

Auch im Freien fand der Unterricht statt. Aus dem Fenster beobachteten wir, wie plötzlich eine Horde von Männern in Trenchcoat und Schlapphut aus dem Gebüsch hervorbrach und sich johlend auf eine Palette Eier stürzte; müßig zu sagen, dass außer einer gewaltigen Menge Rührei auf dem Rasen nicht viel zurückblieb. „Der Angriff aus dem Hinterhalt ist eine der probatesten Strategien zur Überraschung des Feindes“, dozierte Sübenkotte. „Die Herren haben das doch schon recht hübsch demonstriert.“ Am anderen Ende des Gartens stampfte ein Trupp in ähnlicher Aufmachung durch etliche Stiegen mit Tomaten. „Wir kümmern uns im Amt für Nahrungsmittelsicherheit eben nicht nur um Eier, sondern eben auch um Obst und Gemüse. Eine rundum kompetente Behörde, die Sie als Verbraucher mit viel mehr Sicherheit ausstatten wird.“ Einer der Tomatenmänner, über und über mit rotbraunem Matsch bedeckt, zog einen Aufkleber aus der Manteltasche, den er an einer Holzkiste befestigte. „Damit“, informierte mich Sübenkotte, „haben die Tomaten die Einfuhrkontrolle bestanden und können ohne Bedenken für die Sicherheit der deutschen Verbraucher in den Handel kommen. Die Frau Aigner, die wäre wirklich stolz auf uns.“ „Moment einmal“, unterbrach ich ihn verwirrt, „was hat denn jetzt die Aigner mit Ihrem Schlapphutverein zu schaffen?“ Er lächelte. „Die sind ja nur Personal. In Wirklichkeit geht es uns doch hier um eins: richtig durchgreifen. Eine Kontrolle, die so richtig – was war jetzt doch gleich Ihre Frage gewesen?“ „Warum Sie das mit diesen Terrorverfassungsschützern machen.“ „Weil das bei denen ja auch alles so toll klappt, auch wenn die gar nichts dafür tun müssen – da fühlt sich der Bürger nämlich richtig sicher! Und dann ist das ja auch noch die Industrie da. Die wollen natürlich auch eine ganz scharfe Kontrolle, nur eben eine, bei der man nie Gammelfleisch oder Dioxin findet. Und das ist doch für einen echten V-Mann kein Problem. Die waren jahrelang Mitglieder in der NPD, ohne auch nur einen einzigen Nazi zu treffen, die kann man doch auf Gammelfleisch loslassen?“ Ich war konsterniert. „Und den ganzen Zauber verantwortet das Verbraucherschutzministerium?“ Sübenkotte protestierte heftig. „Wo denken Sie hin? Nein, wir lassen uns doch unsere Kompetenzen nicht streitig machen! Die Aigner hat einen klar umrissenen Aufgabenbereich, die darf das machen, was sie am besten kann: ankündigen. Mehr kann sie eh nicht.“ „Aber die Verbrauchersicherheit? Auf was soll ich mich denn jetzt verlassen, etwa auf Ihr Siegel?“ Er legte mir wohlwollenden die Hand auf die Schulter. „Das können Sie“, sprach der Oberregierungsrat im Brustton der Überzeugung. „Das können Sie – wenn Sie unser Qualitätssiegel sehen: Hände weg! Dann steht Ihrer gesunden Ernährung nichts mehr im Wege.“





Der leuchtende Pfad

2 03 2009

Bereits nach dreißig Minuten hatte ich den Automaten gefunden und zog eine Nummer. Noch am selben Nachmittag wurde ich aufgerufen und legte meine nunmehr vollständigen Unterlagen auf den Schreibtisch des Beamten. Er musterte sie kurz, reichte sie mir zurück und wollte schon den Knopf drücken, der den nächsten Bittsteller beordern würde, doch ich hielt ihn davon ab. Er stutzte.

„Sagen Sie mal“, fragte er mich fassungslos, „sind Sie noch ganz dicht? Was wollen Sie?“ Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. „Ich will eine Glühlampe betreiben, das heißt vielmehr, ich bin durch die Brandschutzverordnung dazu gezwungen.“ „Ja also, und warum haben Sie dann die Anlage F44/3b-1 nicht beigefügt?“ Aus dem Haufen rosa, blau und gelb gefärbter Zettel zog ich das hellgraue Formular, das mich berechtigte, einen Antrag auf Erteilung eines Antrags zum Betreiben einer Glühlampe zu stellen.

Er wurde ein bisschen milder. „Ich bitte um Entschuldigung. Ich sitze jetzt zwar schon fünf Jahre im Amt für Leuchtmittelsicherheit, aber bis jetzt hatte ich noch nie einen vollständigen Antrag auf dem Tisch. Das ist für mich auch Neuland.“ Wir überlegten gemeinsam, wie nun zu verfahren war. „Mir ist noch nicht ganz klar, ob Sie erst die Beglaubigung der Brandschutzbehörde beibringen oder die Leuchtmittelbewilligung dort vorlegen müssen, um die Glühlampe zu betreiben.“ Ich wies ihn nochmals darauf hin, dass die Angelegenheit dringend sei; bei Zuwiderhandlung, das heißt bei weiterer Verwendung einer Energiesparlampe, drohten mir inzwischen 475 Jahre und zwei Monate Haft, von der Strafe über 6,31 € ganz abgesehen.

„Herr, ich mache doch diese Gesetze nicht“, stöhnte der Amtmann, „ich verstehe das ja noch nicht einmal.“ Mit einem wirren Blick sah er mich an. „Wenn Sie versprechen, dass Sie es niemandem verraten…“ Ich schwieg wie ein Grab.

„Sie ahnen es nicht. Nichts davon. Es ist eine Verschwörung. Es sind die Illuminaten.“ Ja, darauf hätte man auch von selbst kommen können.

„Es ist ein Komplott. Natürlich die Wirtschaft.“ Ich fragte ihn, ob die Leuchtmittelindustrie der EU nicht bereits genug an der Umrüstung verdiene. Auch dies rang ihm einen müden Gesichtsausdruck ab. „Doch nicht die EU. Das Zeug wird in China hergestellt. Nur für den Export übrigens. In China verpufft die Energie lustig vor sich hin, die Kraftwerke verpesten die Luft, und keiner regt sich auf. Und dann die Zölle.“ Die Zölle? „Natürlich die Zölle. Wenn Sie alles durchkalkulieren, könnten Sie eine Energiesparlampe für 50 Cent anbieten. Im Endpreis! Wissen Sie, was daran der Zoll verdient? Die Steuer? Dagegen sind Alkohol, Tabak und Sprit steuertechnisch Kinkerlitzchen!“

So hatte ich das noch nicht gesehen. Bei Licht betrachtet hatte er durchaus Recht.

„Wir werden bald eine Birnen-Szene hinter dem Bahnhof haben. Warten Sie’s ab! Die Ware ist da. Sie darf nur nicht an Privathaushalte abgegeben werden.“ Ich fragte, wer denn die verbotenen Lampen herstelle. „Wer wohl? Die EU-Industrie. Sogar die Lebensdauer von Ewigkeitsglühlampen wurde drastisch gesenkt.“ Ich vermutete, dass es sich dabei um den Ausgleich für die erheblich längere Lebensdauer der Sparbirnen handelte, doch auch da lag ich falsch. „Die Sparfunzeln sind doch ein Riesengewinn für die Hersteller. Alles lässt sich einstellen, auch die Lebensdauer dieser Dinger. Sie werden nicht nur künstlich verteuert, nein, sie haben proportional auf den Preis gerechnet sogar eine niedrigere Lebensdauer! Keine Sparwendel wird sich je amortisieren!“ Ich gab zu bedenken, dass der Stromverbrauch doch beim Sparen helfe. „Gut, wenn der Strompreis gleich bleiben würde… aber das wollen wir doch mal nicht annehmen.“ Ich war verwirrt. „Natürlich werden die Stromerzeuger es als billige Ausrede nehmen, um die Preise zu vervielfachen. Schließlich sinkt der Verbrauch.“ „Aber die Ewigkeitsglühlampe…“ „… ist auch aus dem Rennen. Sie stützt den Stromverbrauch, dennoch ist sie in der Produktion zu teuer.“

„Aber wenn man an die Umwelt denkt, so…“ Er brach in sardonisches Gelächter aus. „Die Umwelt! Was für ein köstlicher Witz! Die Umwelt!“ Seine Augen tränten, er verschluckte sich und hustete. „Wenn sie etwas gegen den Kohlendioxidausstoß unternehmen wollten, würden sie regenerative Energien fördern oder die Schwellenländer unter Druck setzen. Sie würden alles konsequent auf Leuchtdioden umstellen. Sie würden aufhören, den Regenwald abzuholzen. Und sie würden nicht den Schadstoffausstoß durch Energiesparleuchten ankurbeln.“ Ich blickte ihn fragend an. „Ja, Sie haben richtig gehört. Die Recycling-Industrie verdient sich dumm und dämlich an den Sparglimmern. Wissen Sie, was das ist? Gift! Pures Gift!“ Er zog ein Papier aus der Schublade. „Antimon, Arsen, Barium, Blei, Quecksilber, Thorium, Yttrium, Zink-Beryllium-Silikate, Cadmiumbromide, Phosphor- und Vanadiumverbindungen, kurz: Sondermüll. Tonnenweise. Was, meinen Sie, verdient die Schadstoffmafia, wenn sie das sammelt“ – er legte den Finger unters Auge – „und dann in Zentralafrika versehentlich mit dem Zeugs aus den Gelben Säcken verbuddelt!“

Ich schluckte trocken. Mir war heiß. Ich fühlte nach meiner Stirn. „Sie haben doch nicht etwa Kopfweh“, fragte er mich mitfühlend, „oder leiden Sie unter Migräne?“ Ich gab zu, seit früher Kindheit Anfälle von Spannungskopfschmerz zu haben. „Tja, damit ist es nun vorbei. Also nicht mit der Migräne, sondern mit den Leistungen der Krankenversicherungen für Migränepatienten.“ Das wollte ich nicht hinnehmen. Schließlich war längst wissenschaftlich erwiesen, dass Energiesparlampen wegen ihrer Farbtemperatur sogar epileptische Anfälle auszulösen vermochten. „Und hier“, ergänzte er, „setzt die nächste Gesundheitsreform an: wenn Sie, Gott behüte, Epileptiker sind, wird man Ihnen eine Mitschuld anlasten, weil Sie sich ständig dem Energiesparlicht ausgesetzt haben. Ihre Medikamente werden Sie in Zukunft selbst zahlen müssen. Die Preispolitik der Pharmakonzerne werden Sie ja sicher noch in guter Erinnerung haben von ihren Bemühungen, AIDS auszurotten.“

Mir schwanden die Sinne. Abgründe taten sich auf, in denen sich Abgründe auftaten.

Er zog vorsichtig die Schublade auf und reichte mir einen Karton. Darin steckte eine fabrikneue Glühlampe. Klarglas, 40 Watt. Im Innern zitterte ein intakter Wolframfaden. Unglaublich.

„Schrauben Sie die in Ihrem Hausflur ein. Das ist unser Erkennungszeichen. Sie sind doch dabei, wenn wir putschen?“ Er legte mir die Hand auf die Schulter. „Wir werden das nicht hinnehmen! Es ist unsere heilige Pflicht“, flüsterte er, „die Illuminaten zu bekämpfen! Kommen Sie morgen um Mitternacht zur Alten Oper. Kommen Sie allein! Parole: Uri!“ Ich glaubte, ihn missverstanden zu haben. Was hatte Uri Geller damit zu tun? „Nicht der Geller“, wisperte er heiser in mein Ohr, „wir sind der elektrische Widerstand!“