
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Wo immer eine Trottelrotte aufmarschierte, um die chirurgisch präzise erfolgte Hirnresektion unter Beweis zu stellen, stets folgte das Gebrüll sattsam bekannten Strickmustern. In Zeiten der Pandemie, wo wirrlichternde Verschwörungsdeppen die Masse der evolutionären Montagsproduktion in geistiges Brachland führen, ist alles erlaubt, es sei denn, es widerspräche der ausgegebenen Parole; was das genau bedeutet, das wissen die meisten Clowns im Synapsenfasching nun nicht, nur Kritik, sagen die Kritiker, ist absolut verboten, da sie sich im Besitz der absoluten Wahrheit befänden. Wer sich etwa auf wissenschaftliche Untersuchungen bezieht, ist ein gekaufter Lügner des Systems, wie dieses System ja auch stets von bösen Mächten wunderbar geborgen die Zerstörung der Welt beabsichtigt – nicht die des Planeten, die geht recht ersichtlich von gekauften Lügnern organisiert vor sich – während die einzig wahre Wahrheit von einem Rudel antiintellektueller Sackpfeifen herausgefunden wurde, die nun mit der Unterhose auf der Rübe singend und klatschend in den Fußgängerzonen herumhüpfen, als hätten sie wegen Akutverstrahlung die Medikamentenausgabe verpennt. Was aber ist und wie funktioniert diese Strategie der Immunisierung?
Das älteste Gewerbe der Welt, das Priestertum, hat sich früh um die Sicherung ihres Berufszweiges gekümmert; das Bodenpersonal der Donnergötter hatte kein Interesse daran, sich in fadenziehenden Diskussionen um die innere Logik von Mythen zu verheddern, geschweige denn daraus resultierende Riten wie prächtige Opfergaben oder eine starke gesellschaftliche Stellung hinterfragen zu lassen. Das Wunder, Numinoses an sich, darf ja auch nicht hinterfragt werden, ohne sich einen Ruf als Ketzer einzuhandeln. Auch dieses ist System, nur eben in der nicht staatlich subventionierten Ideologie kaum so streng reglementiert, was andererseits jedem Bekloppten die Freiheit verschafft, seine eigenen Wahnideen individuell auszuleben. Entscheidet sich eine mehr oder weniger strukturierte Bewegung, Widerspruch grundsätzlich als Feindbild zu werten und dementsprechend aggressiv zu bekämpfen, bietet sich das Dogma an. Zwar haben Dogmen wie andere Überzeugungen ihre Halbwertszeit, nach der ein Funktionär die Vorhölle abschafft oder den Sieg des Sozialismus nicht mehr zum Staatsziel erklärt, aber auch diese bedürfen einer Abschottung.
Das probateste Mittel ist die Leerformel, die verbalen Bauschaum zur Abdichtung gegen böse Kritik oder die hässliche Wirklichkeit schwiemelt. Bekannt ist das Wortgeklöter aus der Esoterik, die im Gewand wissenschaftlicher Religionserklärung zum Allerlei der Paradoxa greift, indem sie jenes höhere Wesen, das sie steuerpflichtig verehren lässt, als transzendent und zugleich immanent, dies- und jenseitig, als alles und dessen Gegenteil beschreibt, da es unbeschreibbar ist. Nun wird der geschickte Theologe aus Kenntnis ost-westlicher Mystik diese Dialektik, die dem Faselbla marxistisch-leninistisch erzogener Kaderkasper Auslöser von Ohrenbluten und bestes Werkzeug zugleich war, für eine geniale Erfindung innerhalb der Heilslehren halten, da sie alle offenen Diskrepanzen zwischen Realität und Ideologie als billige Rechtfertigung einsetzen, alles zu leugnen, gegebenenfalls blutig zu beheben, was nicht der eigenen Ansicht entspricht, wobei es sich größtenteils schlicht um die Wirklichkeit handelt.
Flankiert wird diese Trapeznummer von einem niedriginstinktsicheren Framing, das Leerstellen für eine gelingsichere Totschlagargumentation schafft. Passgenau erfährt das Publikum, was natürlich ist (Verbrennungsmotoren, Atomkraftwerke) und was unnatürlich (Transsexualität, Bären im Wald). Jede Kritik also kommt immer aus der falschen Ecke, die Kritiker haben nichts verstanden, kapieren nicht einmal die Ideologie, die aber im Gegensatz zur Ideologie der Kritiker gar keine ist, und sie haben falsche Werte, meist, weil sie überhaupt welche zu haben meinen. Aus diesem Sumpf kommen die christliche Leitkultur und die Technologieoffenheit, und als Joker hüpft gerne die Menschenwürde aus der Schachtel, jenes Konstrukt, das man sich selbst vor allem zugesteht, wenn man über die Autobahn brettern oder Personen mit der falschen Hautfarbe anzünden will, das durch Grundrechtsmissbrauch aber von jedem Kriegsflüchtling beansprucht wird, obwohl die Verfassung irgendeines Drittweltlandes den Begriff gar nicht kennt, zumindest nicht auf Deutsch. So haben wir denn auch ein Land, in dem das exklusive Wir gut und gerne leben könnte, falls die Mitgemeinten endlich mal verschwänden.
Die hohe Schule des dialektischen Kunstturnens ist erreicht, wenn die Weichstapler mit den eigenen Widersprüchen gegen die eigenen Widersprüche schießen: ist alles wahr, auch das Gegenteil, dann ist das Gegenteil falsch, weil ja das Gegenteil wahr ist. Jeder an sich schon selbstbezügliche Diskurs ist damit sinn-, zweck- und ziellos, weil sie in guter aufklärungsfeindlicher Tradition Kritik als Methode diffamiert. Ein dreibeiniger grüner Affe hält alle dreibeinigen grünen Affen für Arschlöcher, denn er muss es ja wissen als dreibeiniger grüner Affe. Wir werden diesen Widerspruch irgendwann schon noch lösen. Ganz bestimmt technologieoffen.
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