Vereinfachte Maßnahmen

14 10 2021

„… das Bundesprogramm zum Bürokratieabbau mit gebündelten Ressourcen zu beschleunigen. Es sei mit der Opposition abgesprochen, ein schnelles und unbürokratisches Verfahren zu…“

„… die Überregulierung im Antragswesen auf Bundes- und Landesebene eindämmen solle. Als kurzfristige Lösung sei eine Regulierungsbehörde geplant, die die Abschaffung von Gesetzen durch die Neufassung einer gesetzlichen…“

„… Verwaltungsvorschriften ab sofort nur noch digital veröffentlich werden sollten, um den Zugriff für die Wirtschaft erleichtern zu können. Strittig sei allerdings, ob die Bürgerinnen und Bürger auch für private Anliegen von den…“

„… sehe die FDP zahlreiche Möglichkeiten, den Verwaltungsaufwand bei Steuersenkungen zu minimieren, so dass durch geringere Personalkosten nochmals Spareffekte, die zu Steuersenkungen und weiteren…“

„… eine erhebliche Last von Kontrollpflichten ausgehe. So seien derzeit Steuerhinterziehung und Geldwäsche für internationale Investoren nicht mehr möglich, was für den Wirtschaftsstandort Deutschland eine empfindliche…“

„… dass das Bundesministerium für Justiz entschlossen sei, das Guter-Bürokratieabbau-Gesetz innerhalb der laufenden Legislatur vorzulegen, wenn es keine unvorhergesehenen…“

„… sofort einen interdisziplinären Arbeitskreis einsetzen werde. Dieser solle prüfen, welche der geltenden Gesetze zeitlich befristet würden, um die Belastung der Unternehmen nicht unnötig zu…“

„… die Abschaffung vieler Vorschriften auch dem Bürger dienen müsse. Der ADAC befürworte den Verzicht auf Bußgelder für Falschparken und Geschwindigkeitsüberschreitungen generell als Entlastung der Justiz und wolle damit die…“

„… in den Behörden darüber geklagt werde, dass Bürger oft vom Widerspruchsrecht Gebrauch machen würden. Dies sei zwar Teil rechtsstaatlicher Verfahren, könne aber durch stark vereinfachte Maßnahmen und größere Ermessensspielräume die Beschleunigung der Antragsverfahren im…“

„… ergebe sich aus der zeitlichen Befristung in der Steuergesetzgebung ein steigender Aufwand für Steuerberater und Finanzämter, da eine Anpassung der Verwaltungsvorschriften jeweils durch neue Dienstanweisungen und Softwareupdates in der…“

„… künftig Antragsverfahren anzubieten, in denen kein Widerspruchsrecht vorgesehen sei. Im Gegenzug sei eine beschleunigte Bearbeitung der Anträge bei den Behörden für die meisten der…“

„… dringe die FDP darauf, die Gesetzgebung im Steuerrecht regelmäßig auf Notwendigkeit zu prüfen. Lindner sehe das Modell der freiwilligen Steuerzahlung für Besserverdienende als durchaus praxistauglich an und wolle es in einem…“

„… die Bundesregierung die Digitalisierung der Genehmigungsverfahren überall da beschleunigen werde, wo die technischen Möglichkeiten verfügbar seien. Dies bedeute, dass die Verlangsamung der Verfahren vorerst nur in Einzelfällen aus den…“

„… zahlreiche Beschwerden über Landes- und Kommunalbehörden laut würden. Die Bürger hätten sich nicht selten für widerspruchsfreie Verfahren entschieden, müssten aber trotzdem teilweise viele Wochen und Monate auf Bescheide warten. Dies werde von der Verwaltung mit Personalmangel begründet, der wiederum zu bürokratischen Hürden bei der Gestaltung der Dienstwege sowie des…“

„… den Kündigungsschutz abschaffen wolle. Merz sehe in der Bevormundung der Wirtschaft eine der größten Hürden, die einseitig zu Lasten der Leistungsträger in den…“

„… seien Banken- und Versicherungsgewerbe gewillt, auf Standardschreiben bei der Änderung ihrer Geschäftsbedingungen zu verzichten, um die Kundenbindung nicht unnötig zu gefährden. Der Vorschlag werde laut Wirtschaftsministerium sehr wohlwollend geprüft, man habe aber noch keine Perspektive, wann eine Antwort auf die …“

„… eine planerische Gestaltung des Konzepts im Justizministerium derzeit noch nicht zur Gänze erfolgt sei. Man habe sich darauf verständigt, dass die zwischenzeitlichen Arbeitsgruppen, die die Übersicht über obsolete Vorschriften behalten sollten, mit einem Plus an Material eingesetzt würden, was als bürokratische Abbauprodukte in den gesetzgeberischen Richtlinien des…“

„… nehme die Länderkommission ihre Arbeit auf, sobald die Gremien besetzt seien. Insgesamt zehn Abteilungen mit mehr als 350 Untergruppen seien von der Bundesregierung eingesetzt worden, um eine schnelle Lösung verwaltungsrechtlicher…“

„… mit dem Vorschlag gescheitert sei, sämtliche EU-Rechtsvorschriften in nationales Recht überführen zu wollen, wie es im Falle des Brexit geschehen sei. Andererseits werde derzeit wieder ein Vorschlag diskutiert, nach dem sämtliches Recht in die Kompetenz der EU zu übertragen sei, damit es keine Beschwerden mehr gebe, dass es zu viel deutsche Vorschriften in den…“

„… den Maßnahmenkatalog mit den Ländern abstimmen werde, sobald sich eine Harmonisierung mit den Vorgaben des Justizministeriums abzeichne. Die Fristen seien jedoch zum Teil nicht eingehalten worden, so dass eine Wiederaufnahme des…“

„… das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, sich aber auf einem guten Weg befinde. Ziel der Kommission sei es nun, den Einsatz von Faxgeräten bis spätestens 2050 durch digitale Kommunikation zu ersetzen, so dass eine messbare Beschleunigung im Behördenverkehr auf Bundes- und Landesebene sowie in den zugehörigen…“





Stabsstelle A38

31 03 2015

Rechts stapelten sich Akten in bunten Deckeln, rot, grün und braun, knapp kniehoch; links stapelten sich Akten. Es wäre nicht schwierig gewesen, durch diese Reihen von Aktenstapeln voranzuschreiten, hätte es sich nicht ausgerechnet um den Korridor im zweiten Stock der Behörde gehandelt, und selbst das wäre noch zu verkraften gewesen ohne die vielen Beamten. Wo sonst sollten sie auch hocken, um ihre Akten zu sortieren.

„Wir sollten uns nicht beschweren“, keuchte Frauke Severin, Referatsleiterin und sichtlich außer Atem, da sie gerade einen größeren Stapel brauner, besser: gilbfarbener Deckel durchwühlt und neu geordnet hatte. Sie strich sich den Rock zurecht. „Wir haben diese Aktenordnung ja selbst per Dekret eingeführt und müssen uns nun daran halten.“ Drei Akten lagen auf dem Wägelchen, das gerade so schmal war, um durch die Enge zu passen. Wollte sie die Deckel durch ihre Tür tragen, so ergab sich bereits das nächste Problem: sie passte durch die Tür, die Akten auch, doch der Wagen versperrt erst recht den Weg. „Dann muss man kurz in ein Zimmer“, seufzte Severin, „und dann schiebt man den Wagen vorbei und geht wieder raus und – ach, Sie sehen es ja selbst.“ Die Architektur dieser Verwaltung hatte etwas von Puzzlespiel.

„Wir haben die Stabsstelle A38 letztlich erschaffen, um in den anderen Ämtern den Ärger zu vermeiden.“ Severin klatschte die Akten auf den Schreibtisch, knipste ihre Lampe an und setzte sich. Es gab immerhin elektrische Schreibmaschinen, wenn auch nicht in ihrem Referat. Dafür hatte sie einen Bleistiftspitzer mit Kurbel. „Per Dekret.“ Die gesetzliche Vorlage befand sich in einem der unzähligen Ordner, die das Büro vollstellten. Es klopfte an der Tür. „Ich muss nur den Wagen“, krähte der junge Mann, „aber ich bin auch gleich.“ Sie fiel ins Schloss. „Sie sollten ihn mittwochs sehen“, sagte Severin tonlos. „Dann hüpft Kröber auf einem Bein. Strafversetzt, Sie verstehen.“

Oben auf dem linken Stapel lagen die Papiere zu einem wichtigen Verkehrsprojekt. „Ich darf doch“, fragte ich, „oder ist das etwa noch geheim?“ „Der Bundestag hat die Maut inzwischen beschlossen“, bestätigte sie, „da ist nichts mehr geheim. Obwohl man den Mist als Geheimabkommen hätte verhandeln sollen, dann hätten wir nicht immer so viele Presseanfragen bekommen.“ Ich stutzte. „Aber das Verkehrsministerium ist doch dafür zuständig?“ Wieder seufzte sie, und ich hatte Severin nie tiefer seufzen hören. „Das ist ja das Schlimme. Alle denken sie, die Ministerien machen diesen ganzen Unsinn, aber die wirklichen Deppengesetze, die müssen wir ausarbeiten. Was Sie hier sehen, ist meine tägliche Prüfung. Willkommen in dem Amt, das Verrückte macht.“

Eine imposante Reihe von Aktenordnern stapelte sich gute einen Meter hoch quergelegt auf dem Fensterbrett. Mövenpick las ich auf dem einen Rücken, auf dem anderen: Zugangserschwerungsgesetz. „Es ist wohl nicht einfach“, mutmaßte ich, und Severin nickte. „Da haben Sie allerdings ins Schwarze getroffen. Wir müssen hier eine enorme Kompetenz an den Tag legen, sonst können wir die Aufgaben dieser Stabsstelle gar nicht wahrnehmen. Stellen Sie sich doch nur mal einen Gesetzgebungsvorgang vor, in dem ein Beamter von einer Sache überhaupt keine Ahnung hat.“ Ich lächelte süffisant; sie wischte es mit einem kalten Augenaufschlag aus meinem Gesicht. „Ja, Sie und Ihre Vorurteile, weil Sie nicht mit der Ministerialverwaltung vertraut sind. Aber stellen Sie sich doch mal einen wirklich dummen Beamten vor, der nichts mit den Feinheiten des gesetzgeberischen Feldes anfangen kann.“ Ich grübelte. „Sie meinen…“ Severin nickte. „Es kommt allenfalls eine nachbesserungswürdige Gesetzesleiche dabei heraus, aber ein legislativer Akt, der erst in der Praxis total in die Hose geht – haben Sie eine Ahnung, wie viel Detailkompetenz das erfordert, um richtig Mist zu bauen!?“ Ich schwieg betroffen.

Ein neues Irgendwas-mit-Internet-Gesetz, so der Arbeitstitel, stellte fest, dass man an Wochenenden tagsüber keine Straftaten begehen dürfe, die auch im Internet zumindest nicht technisch unmöglich waren. Nach einer gründlich durchzechten Nacht hatte ein Landtagsabgeordneter kurz vor seiner Abwahl noch eine Schutzlücke ausfindig gemacht und über einen Parteifreund die Bundesbehörde damit befasst. „Das ist aber mal eine gute Sache“, sagte sie zu meiner Überraschung. „Es ging von Anfang an nicht um sachliche Auseinandersetzung mit den Rechtsgütern, sondern um reine Hysterie. Wir haben viel Freiraum, ein komplett überflüssiges Gesetz vorzulegen, das nicht nur nichts bringt, sondern sich auch noch selbst widerspricht und die Sache letztlich bloß schlimmer macht.“ Kröber hüpfte wieder hinein und hinaus und hinein, weil gerade ein Stapel Akten umgefallen war, währenddessen Dobrindt und Nahles ins Gespräch vertieft durch den Gang staksten. „Nebenbei arbeiten wir als Inklusionsprojekt“, informiert Severin mich. „Auf dem freien Arbeitsmarkt hätten die ja sonst keine Chance.“

Sie stempelte das erste Blatt jeder Akte und legte diese alle auf einen anderen Stapel. „Ich bewundere Sie“, bekannte ich. „Wirklich, wer würde diese Arbeit auch nur einen Tag lang aushalten?“ Severin lächelte geschmeichelt. „Sagen Sie das nicht“, antwortete sie. „Immerhin sind wir für viele das ideale Karrieresprungbrett.“ Ich verstand es nicht. „Wer für uns zu dumm ist, wird in die EU entsorgt.“





Verwaltungsrechtlicher Vorschlag (unter Umgehung des Dienstweges)

13 07 2014

Die Fähigkeit zu warten fehlt Behörden.
Sie achten, wenn es hochkommt, nur auf Fristen,
auf Formulare, die sie noch vermissten,
und geben Grund zu mancherlei Beschwerden.

Doch ebenfalls sind es die so empörten,
die Bürger, die in die Beamten dringen,
sie ohne Gegenstand zum Handeln zwingen,
bis sie am Ende selbst dabei noch störten.

Am besten wär’s, sie tauschten ihre Plätze.
So sieht der Bürger, wie Behörden walten,
und diese, was die Bürger davon halten
sowie die beiden Seiten der Gesetze.





Personalmangel

20 02 2014

„Keine Ahnung, wie wir das schaffen sollen. Ramsauer hat uns den ganzen Mist eingebrockt, weil er fest davon überzeugt war, dass es keinen dümmeren Knalldeppen außer ihm geben kann. Und dann kam Dobrindt.

Steuerrad, Sie haben gut Lachen. Nichts mit Steuerrad, wir steuern hier bald gar nichts mehr. Die neue Kraftfahrzeugsteuer muss erhoben werden und wir haben keine Leute dafür. Das müssen Sie sich mal vorstellen: der Bund schwatzt eine ganze Legislaturperiode lang intern davon, dass man endlich die Autofahrer wieder ausquetschen kann wie die Zitronen, darum geht’s doch, diese ganze Ausländermautgrütze, das können Sie sich doch sonst wo reinschieben, und was für tolle Einnahmen wir bald haben werden, und dann stellen sie zwischendurch fest, sie haben keine Beamten dafür. Großartig, sage ich da nur. Aber das fällt einem ja sowieso immer erst hinterher auf.

Oder das mit der Steuerprüfung, das können Sie ja auch total vergessen. Wir haben auf unserer Etage schon einen eigenen Schrank für die ganzen CDs, die liegen da sicher und stauben langsam ein. Dreißig Jahre sollen die angeblich haltbar sein, aber vorher wird die Sachen auch keiner lesen, und dann ist das eh verjährt. Weil Sie in diesem Staat keine Föderalismusreform hinkriegen, die gleichzeitig noch Reste von Föderalismus übriglässt und etwas reformiert. Geht einfach nicht, können Sie in die Tonne treten. Achteinhalb Milliarden Euro, und das muss für jedes einzelne Fahrzeug berechnet werden, Mahnwesen, Trallala, was glauben Sie, wie das funktionieren soll?

Eigentlich wollten wir ja die alten Bundeswehr-Offiziere einstellen, aber das hat nicht geklappt. Nein, nicht wegen von der Leyen, die hätten sowieso aufgehört. Aber wir hätten jeden einzeln weiterbilden müssen. Die sind ja total regrediert da. Schicken Sie mal einen Klempner nach Afghanistan zum Freiheitsretten, dem können Sie hinterher das kleine Einmaleins wieder vorbeten. Total bekloppt die Leute. Bis die das deutsche Steuerrecht kapiert haben, gehen die in Rente und wir in die Staatspleite, so sieht’s doch aus. Und am Ende haben die noch ein Problem mit dem Rechtsstaat, stellen Sie sich das mal vor: der Hoeneß zeigt sich selbst an, und statt ganz normal die Akten zu prüfen fallen die mit einem Geschwader ein, Drohnen und alles, und zur Vorsicht lässt der Oberst dann den ganzen FC aus der Luft beseitigen. Das geht doch nicht.

Gut, die Stromsteuer ist auch fast so hoch, aber die zahlen die Verbraucher ja fast von alleine. Da müssen wir auch nichts machen, das erledigen die Energiekonzerne für uns.

Wir haben die ja fast alle zur Bundesagentur für Arbeit schicken wollen, wegen Obrigkeitshörigkeit und so Sachen, die machen ja alles, was man ihnen sagt, ohne den Sinn zu hinterfragen. Die kürzen einem Säugling die Pension und verklagen ihn, weil er nicht drei Jobs gleichzeitig annimmt. Aber mal ehrlich, was nützt die Liebe in Gedanken – dass die das ganze Chaos nicht bei uns verbreiten, das ist ja schon mal ganz schön, aber davon kriegen wir die Arbeit auch nicht erledigt. Es ist sinnlos.

Gehen Sie mir ab mit Fachkräftemangel! Das hat diese Komikerkoalition schon aus dem Hut gezaubert, also sie haben es versucht, aber es ist stecken geblieben, war ja auch zu erwarten. Da hat dann der Zoll 270 Leute aus der Landesverwaltung zu uns versetzt, Sie können sich das ja vorstellen, wie das ablief, die haben sie so lange durch die Personalmangel gedreht, bis sie zugestimmt haben, und dann noch mal drei Dutzend größtenteils unqualifizierte Kräfte. Also die kamen von der Deutschen Bahn, das liegt ja nah, dass man sich da mit Autoverkehr auskennt. Alles so kompetente Leute, die hatten schon keine Verwendung mehr für die, verstehen Sie, die mussten einfach zum Staat. Da können sie ihre Qualifikation, nenne ich das jetzt mal, beibehalten, und ihre Arbeitsleistung auch gleich.

Wir haben das denen übrigens auch erklärt, also werbetechnisch. Befehl von oben. Das war so eine Informationsveranstaltung mit sanftem Druck, und dann gab es noch so komische Broschüren, die hat vermutlich noch die FDP in Auftrag gegeben, die miesen Werbeagenturen gehören ja meist zur FDP, und dann hatten wir 600 Interessenten für die Stellen. Nein, kein Grund zur Freude. Wirklich nicht. Die haben sich anders entschieden, weil sie dachten, wenn schon arbeitslos, dann doch lieber gleich richtig. Keine einzige Bewerbung.

Die von der Bundeswehr waren unsere einzige Hoffnung. Die sterben dann auch zuletzt. Sind alle wieder bei der Truppe.

So schlimm ist das anscheinend nicht. Fürs Bundesfinanzministerium, aber da kommen ja auch schon mal Sachen in der Schreibtischschublade weg. Also müssen wir uns Personal ausleihen. Kostet auch wieder mehr, und die geplanten Mehreinnahmen sind dann weg, und dann haben wir auch wieder nicht genug Personal für die Personalverwaltung, und dann kostet das auch wieder mehr, und dann brauchen wir für das Extrapersonal auch noch –

Sagen Sie mal, was ist eigentlich aus den Schleckerfrauen geworden?“





Robbie

12 06 2013

Er sah aus wie eine Schaufensterpuppe. „Aber nur, weil wir die Besucher nicht irritieren wollen.“ Bürgermeister Moritz sah nervös aus. Dabei tat Robbie doch nichts als seine Arbeit. Und genau das war das Problem.

„Unser Personalschlüssel machte Probleme.“ Der Ortsführer zog die Stirn in tiefe, sorgenvolle Falten. „Natürlich hätte ich früher oder später eine Hilfskraft einstellen müssen, aber wie? Wir sind eine arme Gemeinde – lauter Zahnärzte, ein paar pensionierte Bundesbeamte, die die Ruhe im Dülmseler Forst schätzen, drei Dutzend Millionäre, aber kaum einer, der Steuern zahlt.“ In der Zwischenzeit hatte der Verwaltungsautomat, denn um den handelte es sich schließlich, einen Vorgang aus dem Stapel gezogen, mit den Augen blitzschnell gescannt und gestempelt, einen Brief aus Textbausteinen zusammengefügt und mit einem erstaunlich echten Krickelkrakel unterzeichnet. „In weniger als zehn Sekunden“, stöhnte Moritz. „Und wir haben uns für die Genehmigung der Absenkung des Schnittgerinnes im Einfahrtbereich immer mindestens drei Wochen Zeit genommen. Mindestens!“

Er zupfte sich innerlich die Krawatte zurecht. „Ich bin hier in Bad Knölgenfelde ja die komplette Verwaltung. Sie kommen mit allem zu mir, wenn Sie geboren werden, wenn Sie sterben, und wenn Sie zwischendurch mal einen Bauantrag stellen. Und ich kann Ihnen sagen, das ist kein einfaches Amt. Hier muss man sich um jeden Bürger kümmern, um jeden einzelnen Bürger.“ „Wie schön“, gab ich zurück. „Sie haben wenigstens noch Kontakt zu den Leuten. Das ist doch in der Großstadt ganz anders.“ „Ach was.“ Er winkte ab, eine Spur von Resignation war ihm deutlich anzumerken. „Der Gemeindeverband hat ja inzwischen die Ortsteile Dülmselermoor und Krömpershagen mit aufgenommen – das war damals alles noch Knicken-Wieselang, bis auf Hoppenstede, das gehörte zur Ostzone – und wir müssen uns mit der neuen Verwaltungssituation befassen. Wissen Sie vielleicht, was das bedeutet?“ Ich wusste es nicht, und Moritz holte aus. „Da war also unser regelmäßiger Überprüfungstermin mit der Gewerbeaufsicht, und dann zieht mir der Apparat doch aus der Kartei das Hotel Seeblick. Das geht doch nicht!“ „Ihnen fehlten sicher die personellen Kräfte.“ „Ach was!“ Der Amtmann war sichtlich verärgert. „Das Hotel gehört doch meinem Vetter Ernst. Dreißig Jahre ist das jetzt gut gegangen – dreißig Jahre! Und ausgerechnet diese Blechbüchse muss mir die Wiederwahl aufs Spiel setzen!?“ Ich mutmaßte, es könne leichte Schwierigkeiten gegeben haben. „Leichte Schwierigkeiten?“ Moritz fletschte die Zähne. „Dreißig Jahre lang hat dieses Haus keinen Beamten gesehen, und dann meldet Robbie den Gesundheitsinspekteur nicht einmal an. Können Sie sich die Folgen ausmalen? Können Sie das!?“ „Ich weiß nicht“, stotterte ich, „was ist denn passiert?“ Moritz ballte die Fäuste. „Haben Sie am Ortseingang die Bruchbude mit den eingeworfenen Scheiben gesehen?“ Ich nickte. „Das war einmal das Hotel Seeblick!“

Den Akten entnahm ich, dass die Gewerbeaufsicht schon ein paar Jahre lang versucht hatte, die Absteige am Löschteich zu inspizieren. Einmal war der Kontrolleur in der Metzgerei gelandet, weshalb es Fleisch- und Wurstwaren seither ausschließlich in Krömpershagen gab, die anderen Male untersuchte der Lebensmittelmann den Dönerwagen des zugezogenen Syrers. Der Imbiss stellte sich als geradezu chirurgisch sauber heraus, was die Frustration des Aufsehers langsam ins Unermessliche steigerte.

Robbie war nicht alleine gekommen. Er hatte zwei baugleiche Kollegen mitgebracht, die nun unbeschäftigt im Keller saßen. „Einer von ihnen macht das ganz alleine“, stieß Moritz bitter hervor, „er macht das ganz alleine, was eine komplette Verwaltung dieser Gemeinde vorher erbracht hat: Strafzettel und Standesamt, Sperrmüll und Steuerformulare, und dazu die Bürgersprechstunde am Freitag von 18 bis 20 Uhr.“ „Sie meinen den Stammtisch im Hotel Seeblick?“ Er grollte. „Wenn es mal so wäre! Alles haben wir hier hingekriegt, und dann kommt dieser Stempelautomat und macht das von selbst. Unerhört! Eine ganze Verwaltung!“ „Immerhin“, wandte ich ein, „waren Sie ja auch nur alleine verantwortlich.“ „Umso schlimmer“, schrie Moritz. „Ich mache das genauso gut wie ein Roboter!“

Den Anstoß aber hatten die zahlreichen Beschwerden gegeben. Der Bürgermeister schien sich zunächst auf die Unterredung mit dem Ministerialdirektor zu freuen, bis ihm das Ausmaß der Katastrophe klar wurde. Es ging um einen riesigen Stapel von Beschwerden, denen Robbie anstandslos stattgab, Beschwerden über die Amtsführung des vormaligen Verwaltungschefs von Bad Knölgenfelde. „Eine arbeitslose Frau hat die Kosten für ein neues Bett eingeklagt, weil die Wiege für ihr Kind zu klein wurde.“ Ich schüttelte empört den Kopf. „Dieses Kind ist einfach so gewachsen? ohne einen vorherigen Antrag?“ Robbie prüfte derweil die Unterlagen für den Schornsteinfeger des Kehrbezirks Hoppenstede. „Was soll ich denn machen“, jammerte Moritz, „ich verstehe diesen Roboter einfach nicht. Er macht mir Angst – er macht mir Angst!“ Aus schreckgeweiteten Augen starrte er mich an. „Ich verstehe ihn nicht“, sagte Moritz mit heiserer Stimme. „Er ist menschlich.“





Wächst, bläht und gedeiht

19 07 2011

„Es ist ja so schwer“, seufzte Börsig. „Allein die Vorgaben sind schon enorm kompliziert, aber wenn Sie auch noch ein bisschen kreativ sein wollen, wird’s richtig ekelhaft.“ Er hatte ein paar Blatt Papier auf dem Tisch ausgebreitet. „So hatte ich mir das vorgestellt. Aber es wird nicht funktionieren, meinen Sie?“ Ich maß die Skizze mit einem flüchtigen Blick. „Sehr übersichtlich, klarer Aufbau und sofort einleuchtend – man begreift, dass hier jemand mit Logik am Werk war, ja sogar mit gesundem Menschenverstand. Als Grundriss für eine neue Behörde ist das vollkommen untauglich.“

Er ließ die Schultern hängen. „Das hatte ich befürchtet“, murmelte Börsig. „Sie haben uns nicht viel Zeit gelassen, die neue Behörde aufzubauen. Meinen Sie, wir kriegen das irgendwie hin?“ Ich überflog noch einmal die Pläne. „Bis zur nächsten Wahl müsste das natürlich gemacht werden, denn das beste Personal bekommen wir unmittelbar danach.“ „Das sehe ich aber ganz anders“, widersprach Börsig. „Beim letzten Mal haben Sie es ja gesehen – gewisse Splitterparteien wollen die ganze Verwaltung ausdünnen, und wenn sie dann endlich an der Macht sind, haben sie nichts Besseres zu tun, um sich erst einmal mit Posten einzudecken.“ „Da sehen Sie es“, hielt ich ihm entgegen, „da sehen Sie es doch. Wenn man schon nichts kann…“ „Aber beim nächsten Mal dürfte es noch nicht einmal klar sein, ob diese Partei überhaupt noch gewählt wird.“ „Keine Sorge“, beruhigte ich ihn. „Dann werden sie sich erst recht um ein trockenes Plätzchen in der Verwaltung bemühen.“ Staunend nickte Börsig.

„Spitzen Sie den Bleistift“, begann ich. „Ich werde Ihnen ein paar Regeln diktieren für den Aufbau einer perfekten Behörde. Zunächst die Struktur. Haben wir eine hinreichend differenzierte Struktur in Ihrem Amt?“ „Da sitzen jeweils zwölf Beamte in einer Etage, und wenn wir den Ostflügel auch noch…“ „Ach papperlapapp“, fiel ich Börsig ins Wort. „Was hat das Gebäude mit Ihrer Behörde zu tun? So werden Sie nie aus allen Nähten platzen und kein Geld für einen Anbau, eine Aufstockung, einen Umzug und schließlich für einen vollkommen überteuerten Neubau in bester Lauflage rausholen.“ „Wir haben aber gar keinen Publikumsverkehr“, wandte er zaghaft ein. Mit einer Handbewegung wischte ich seine Bedenken vom Tisch. „Egal, auch eine geheime Dienststelle sollte ihre Bedeutung mit der guten Adresse unterstreichen. Es geht vielmehr um den Aufbau der Behörde. Wie viele Abteilungen haben Sie vorgesehen?“ „Wir haben bisher noch nicht darüber nachgedacht.“ „Drei Hauptressorts“, diktierte ich, „und zwar möglichst solche, die sich gegenseitig ins Gehege kommen. Beispielsweise Laubvermeidung und Baumschutz – Sie werden endlose Grabenkämpfe haben, Hauen und Stechen und ein miserables Betriebsklima.“ Börsig runzelte die Stirn. „Und wozu soll das gut sein?“ „Der Beamte an sich braucht das“, dozierte ich, „die Leute werden sich freiwillig in Ihre Behörde versetzen lassen. Nicht ist besser als dieser Aufbau – übrigens auch in der Vertikalen. Wie viele Verwaltungsebenen?“ „Tennmeyer, Ludwigsen, Eberberg – ich hätte drei Leute zur Verfügung.“ „Sie begreifen nicht?“ Ich runzelte die Stirn; hatte denn Börsig überhaupt Verwaltungserfahrung? „Sie müssen eine entsprechende Vertikale in jede ihrer Abteilungen einziehen, sonst ist das kein gutes Amt. Stellen Sie sich vor, ich würde einen Antrag zur Bewilligung einer Erteilung des Formulars auf Prüfung zur Kostenfestsetzung der gesetzlichen Pauschale einreichen – das Ding wäre nach drei Tagen wieder draußen!“ „Oh“, sagte Börsig und rieb sich die Nase. „Das hatte ich natürlich nicht bedacht.“ „Stellen Sie sich vor“, bohrte ich weiter, „es soll inzwischen in einzelnen Ämtern zu Pannen gekommen sein – man bearbeitet Anträge vor Ablauf der gesetzlichen Fristen! So etwas darf nicht einreißen, sonst ist die Verwaltung bald im Eimer!“

Flink kritzelte ich ein unübersichtliches Gewirr aus Kästchen und Pfeilen auf Börsigs Blätter. „Am wichtigsten ist natürlich, dass wir einen Dienstweg haben.“ „Sicher“, stimmte er mir zu. „Wenn man den Dienstweg einhält, kann der Bürger sich sicher sein, dass alles mit rechten Dingen zugeht.“ „Börsig“, stöhnte ich auf, „was hat man Ihnen denn bloß beigebracht? Wir brauchen wenigstens eine Dreigliederung der Einzelteile – übergeordnete, untergeordnete, gleichrangige Teile innerhalb einer Behörde. Sonst funktioniert das doch nie!“ „Und wie haben Sie sich die Aufgabenverteilung vorgestellt?“ „Die übergeordnete Abteilung stellt klar, dass sie übergeordnet ist, die untergeordnete verursacht Schwierigkeiten, indem sie auch die eindeutigsten Anweisungen nicht ausführen kann.“ „Und die Gleichrangigen?“ „Also bitte – irgendeiner muss durch Kompetenzgerangel die Behörde von einer sinnvollen Tätigkeit abhalten.“

Eifrig hatte er sich alles notiert. „Man könnte, um die Behörde schneller zum Laufen zu bringen, die Formularvordrucke ein bisschen vereinfachen, finden Sie nicht?“ Angewidert verzog ich das Gesicht. „Börsig, was habe ich Ihnen gesagt? Wo entstehen die nötigen Schwierigkeiten?“ „Beim Aktenverkehr“, gab er kleinlaut zurück. „Gut, was lernen wir daraus?“ „Für jeden Vorgang ein neues Formular“, spulte er ab. „Jeder Vordruck ist in einer anderen Dienststelle zu besorgen, wird in einer anderen Dienststelle geprüft, muss von einer anderen Dienststelle nachgeprüft, von einer anderen Dienststelle beglaubigt werden, wozu ein Stempel einer anderen Dienststelle zu besorgen ist.“ „Brav“, lobte ich. „Sehr gut. Und wie werden Formulare hergestellt?“ „Grundsätzlich in zu geringer Auflage, nicht lesbar und nur ohne das Beiblatt 43B, ohne das das ganze Formular überhaupt gar nicht erst angenommen werden darf.“ Ich tupfte mir den Schweiß von der Stirn. Ein durchaus gelehriger Schüler.

„Dass das alles so schön einfach ist“, strahlte Börsig. „Ich wäre nie darauf gekommen, dass man so schnell ein Amt aus dem Boden stampfen kann.“ Geschmeichelt lächelte ich. „Im Vertrauen, Börsig: es geht noch besser. Organisieren Sie regelmäßig den Laden um. Lassen Sie die Abteilungen für Hühnerzucht und Aufsicht der Karnevalsvereine zusammenarbeiten, dann setzen Sie ihnen die Sektion Bibliothekswesen und Lärmschutz vor die Nase – und schließlich schieben Sie den ganzen Krempel in die Außenstelle für öffentliche Toiletten und Erforschung des Akkordeonbaus. Keiner wird sich mehr zurechtfinden. Nicht einmal mehr die Beamten werden wissen, was sie da tun.“ „Sie sind ein Genie!“ Ehrfürchtig blickte Börsig mich an. „Und damit halten wir das Amt am Laufen – wir schaffen ganz viele Abteilungen, jede mit einem Abteilungsleiterposten für Kompetenzkleinkriege und Bewerbungen, bei denen jeder am Stuhl seines Kollegen sägen kann, eine ganze Behörde voller hinterlistiger Mobber, die einander nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen.“ „Sie haben es begriffen“, frohlockte ich und schlug ihm anerkennend auf die Schulter. „Aber sagen Sie mal, um was für eine Behörde sollte es dabei eigentlich gehen?“ „Ich habe nicht genau nachgesehen“; sagte Börsig. „Irgendwas mit Bürokratieabbau.“