Naturbelassene Schönheit

17 12 2014

„Wir nehmen den da. Nein, nicht den. Den da hinten. Genau den.“ Der Händler griff ein bisschen missmutig in die Schar der Weihnachtsbäume, als hätte Hildegard gerade versucht, ihm den Star des Sortiments, die einzige nicht verkäufliche Tanne zu entreißen. Sie war groß, sogar für die ansonsten doch eher schlank und dafür kurz bis mickerig und irgendwie gedrungen und eher klein gewachsenen Bäumchen, insgesamt zwei bis drei Köpfe größer als die anderen. „Wir stellen das Ding dies Jahr auch nicht aufs Podest“, befand die Gefährtin, „das haben wir ja bei Breschkes gesehen. Am besten ist immer noch die Natur, vollkommen unberührt. Also naturbelassene Schönheit.“

Das Manöver mit dem Netzschlauch hatte das Feiertagsgehölz halbwegs unbeschadet überstanden, doch schon das Verlasten auf den Dachgepäckträger brachte Hildegard in Rage. „Hier sollten Schlaufen sein“, nörgelte sie. „Warum sind denn hier keine Schlaufen?“ Meinen Vorschlag, nächstes Jahr einen Baum mit Schlaufen im Stadtwald zu suchen, an Ort und Stelle selbst zu schlagen und dann nach Hause zu transportieren, ignorierte sie schlicht. Den Hinweis, dass es sich bei diesem Gepäckträger um den eigenen handelte, der zufällig auf ihrem Wagen angebracht war, nahm sie auch nicht zur Kenntnis. Sie ließ mich nur wissen, dass sie nun schnellstens nach Hause wollte.

Eine Viertelstunde später standen wir vor dem Haus, das mir seltsam bekannt vorkam. Richtig, schoss es mir durch den Kopf, hier wohnte ja ich. „Ein bisschen schneller“, befahl Hildegard, „ich will heute noch fertig werden mit dem Baum.“ Ich seufzte. Warum musste ich auch ins Dachgeschoss ziehen, wenn sie einen Tannenbaum dorthin haben wollte. Einen großen Tannenbaum. Einen großen, stark pieksenden Tannenbaum, der aus reiner Bosheit schon jetzt zu nadeln begann.

„Etwas weiter rechts“, kommandierte sie. „Nein, so viel nicht – nur etwas.“ Das Gewächs ragte mir ins Gesicht. Hildegard stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf. „Jetzt stell Dich doch nicht so an!“ Gut, dass ich den Baum sah und nicht sie. „Du musst ihn auf der Treppe ein bisschen drehen.“ „Also die Spitze nach unten“, knurrte ich. Sie verstand es nicht. „Natürlich nicht, wozu kaufe ich eine schlanke, gerade gewachsene Tanne – um ihr dann diese harmonisch gewachsene Spitze abzukneifen?“ Ich hätte wetten mögen, dass dieser Frage ein rhetorischer Unterton innewohnte.

Noch vor Einbruch der Dunkelheit hatten wir das Dachgeschoss erreicht. Der Baum stand vor der Tür und ich vor dem Baum. „Ins Wohnzimmer“, überlegte Hildegard, „oder stellen wir ihn erstmal ins Arbeitszimmer?“ Meine Idee, ihn vom Balkon wieder in den Innenhof zu befördern, weil er sich an der nächtlichen Winterluft länger frisch halten würde, perlte an ihr ab. Oder ich hatte es eine Spur zu leise gesagt. Immerhin durfte ich meine eigene Wohnung aufschließen, was nicht so ganz einfach war. Ich stand ja, wie gesagt, hinter dem Baum.

Der Fuß, frisch abgesägt oder eben auch nicht, hatte auf dem Treppenabsatz einen kleinen Flecken hinterlassen. „Das kriegt man ganz einfach mit – Vorsicht!“ Instinktiv riss ich die Tanne an mich. Hildegard schüttelte sich, die Tanne auch. Doch nur sie verlor dabei eine Menge Nadeln. „Du wärest fast an die Lampe gestoßen“, sagte sie voller Sorge. Scherben im Flur, das hatte mir noch gefehlt. Allein ich musste sie falsch verstanden haben. „Die Spitze“, flehte Hildegard, „pass auf die Spitze auf!“ Ich hielt den Baum schräg. Wie mit einer Rakete, vielmehr: einem festlich begrünten Rammbock voraus stapfte ich ins Wohnzimmer. An der Tür hielt ich an. „Es passt nicht“, stellte ich fest. Der Baum war zu hoch, genauer: er war sehr viel zu hoch. Immer vorausgesetzt, Hildegard hatte sich nicht längst für Schräglagerung entschieden.

Wer sie kennt, hätte es nicht befremdlich gefunden, dass sie mir das Ding energisch aus den Armen wand und damit resolut ins Zimmer ging. „Pass auf“, warnte ich, denn schon hinterließ das Bäumchen eine beträchtliche Nadelspur auf dem Teppich. Eine abrupte Drehung, Hildegard in zentraler Position, der Baum als Ausleger, ein Mittelast in zentrifugaler Stellung, und das Nadelbett ergänzten zartblaue Splitter. „Das Murano-Schälchen“, heulte ich auf. Zwei hatte sie schon zerstört, beide auf ihre Art unwiederbringlich und ein geliebtes Souvenir aus der Lagunenstadt. „Was lässt Du das auch auf dem Flügel stehen“, gab sie indigniert zurück. „Außerdem war das nicht ich, sondern der Baum.“

Genau einen Quadratmeter hatte ich frei für den Weihnachtsbaum. Sie nahm Maß. Traute ihren Augen nicht. Lief rot an vor unbändigem Zorn. „Die Spitze!“ „Wir können ihn natürlich auch unten ein bisschen kürzen“, tröstete ich sie. „Den halben Meter sieht man nicht.“ Wobei das Ding parterre bereits derart genadelt hatte, dass man ein weiteres Tiefgeschoss nach dem Sägen würde entfernen müssen, und noch eins, und noch eins, und noch eins. Bei Breschkes sah so ein kleines, preiswertes Bäumlein preziös aus. Breschkes besaßen allerdings ein schmuckes Podest. „Man könnte“, überlegte ich, „die Spitze eine kleine Idee kappen.“

Der Transport ging relativ schnell. Hildegard zog die Balkontür mit einem Ruck wieder zu. Der Baum stand wieder im Grünen. Kein Wunder, beim Aufprall hatte er sich auch einer größeren Menge an Nadeln entledigt. Nur noch edler, schlanker Wuchs blieb dem Weihnachtsschmuck. Wenn man ihn so von oben sah, er war wirklich eine naturbelassene Schönheit.





Bis zum Äußersten

10 12 2014

Sie war ein wenig dürr und eher klein geraten. Außerdem schien sie nicht ganz standfest. Aber Herr Breschke hatte sich sofort in sie verliebt. „So ein wunderbares Exemplar“, schwärmte er. „Und er hat sie mir zum Sonderpreis gelassen, weil er Platz für die Nordmanntannen brauchte. Glück muss man haben!“

Das Bäumchen stand auf einem kleinen Podest, genauer gesagt: einem leicht zum Wackeln zu bringenden, da leeren Pappkarton, den Frau Breschke mit rotgoldenem Papier beklebt hatte. „Es sieht wirklich festlich aus“, stellte der Hausherr fest. „Weihnachtliche Farben, das passt auch so schön zur Adventsschale, und dazu haben wir in diesem Jahr auch das hübsche Gesteck von Doktor Klengel geschenkt bekommen.“ Ich musterte die Wohnung mit zusammengekniffenen Augen. Alles leuchtete, glitzerte und verbreitete eine penetrante Stimmung, die sofort dazu animierte, ins Freie zu entfliehen. „Großartig“, pflichtete ich bei, „wirklich wundervoll. Und dabei haben Sie noch nicht einmal den Baum geschmückt.“

Bismarck schaute aufmerksam zu, wie Horst Breschke den Kasten die Kellertreppe herauftrug. Er lief seinem Herrn nur einmal kurz zwischen die Beine – der touchierte mit dem Ellenbogen auch nur eben das Adventsgesteck, das auch prompt ein wenig zu rieseln begann, allerdings nur in die ohnehin saugbedürftige Perserbrücke. „Er ist ja immer so aufgeregt“, beruhigte er mich. „Es ist ja wegen – also, ich meine, ich kann Ihnen das – aber Sie dürfen auch nicht lachen!“ Ich runzelte die Stirn. „Der Baum, richtig?“ Breschke nickte verschämt. „Man kann einen Dackel nicht täuschen, wissen Sie? Er sieht sofort, dass es ein Baum ist, ganz egal, was wir da reinhängen.“ Ich hatte den Deckel der Schmuckschatulle schon leicht gelupft. „Schmücken Sie“, riet ich. „Schmücken Sie bis zum Äußersten. Geben Sie nicht auf, es ist genug von allem da.“

Fuder von Lametta quollen aus einer Papiertüte. Die Silberstreifen waren teils silbern und teils nicht, manche breit, manche weniger, manche nicht mehr eindeutig als Lametta zu identifizieren. „Früher war ja mehr“, seufzte Breschke. „Aber wir haben auch schon seit Jahren keins mehr gekauft, und die ganzen Reste reichen kaum noch für einen Baum. Deshalb haben wir auch nur noch einen kleinen.“ Die Flitterfäden hingen wirr herunter. Er war hier und da ein Nest in den Baum. Die Äste schaukelten bedächtig. An der linken Seite neigte sich eine große Gabelung. Der pensionierte Finanzbeamte hängte zum Ausgleich rechts auch noch ein paar Stanniolsträhnen hin. „Für die Symmetrie“, ließ er mich wissen. „Das muss doch ebenmäßig und harmonisch und – halt, das sind die großen Kerzen!“

Schon hatte er mir die Glühlämpchen aus der Hand genommen. Immerhin waren es nach diversen Explosionen und Experimenten im häuslichen Hochspannungsbereich nur noch zwei Dutzend weiße Elektrofunzeln, die an einer Strippe um den Baum gewunden werden konnten. Kein in kursiven Hieroglyphen verfasster Warnhinweis informierte den Benutzer, vor Inbetriebnahme der Lichter ein Testament abzufassen und das Weite zu suchen. Das Ding stammte also nicht von Breschkes Tochter, die es auf einem andalusischen Markt durchreisenden Kasachen abgekauft hatte, sondern ganz normal aus dem Kaufhaus. „Meine Frau besteht darauf.“ Fast wirkte er geknickt, dass sie so offensichtlich am Leben hing, aber immerhin ersparte dies alle Jahre wieder eine längere Diskussion. Breschke fummelte das Kabel durch den Baum. „Da oben“, keuchte er, „und hier – aber nicht rechts, hören Sie?“ Ich zog, aber das Material erwies sich als Draht und somit nicht endlos dehnbar, nicht einmal ein bisschen dehnbar, denn es handelte sich ja schließlich um Draht. „Hier unten oder da oben.“ Ich stellte ihn vor die Entscheidung. Allerdings war die Kette da auch schon zu Ende. Rechts hingen gleich zwei Äste ziemlich tief, was an den etwas gebündelt auftretenden Lichterkettenlichtern liegen mochte. „Warten Sie“, tröstete er, „wenn die Kugeln erst einmal im Baum hängen, wirkt das gleich viel ausgeglichener.“

Richtig, die Kugeln. Bismarck hatte die ganze Zeit in halb ängstlicher Spannung auf dem Sessel gelegen und war nur aus den Augenwinkeln dem Treiben in der Zimmerecke gefolgt. „Wenn sie vor den Lichtern hängen“, erklärte Herr Breschke, „dann scheinen sie besonders schön. Also die Kugeln, nicht die Lichter, obwohl die ja…“ Die Äste schaukelten behäbig unter der Last des ganzen Behangs. An der rechten Seite zog eine Kugel samt Kerzen den Baum in die Schräge. Gegenüber wirkte das Lametta der Fliehkraft entgegen. Bismarck hob den Kopf, hüpfte vom Sessel und trottete zum Tännchens. Andächtig setzte er sich zu Füßen des geschmückten Nadelgehölzes, stumm und in höchster Erwartung, was nun kommen möge. Ich verkniff mir jede Bemerkung, und ob Horst Breschke etwas auf der Zunge gelegen hat, wer weiß das noch.

Was dann geschah, dauerte nur einen unendlich langen Augenblick. Wie in Zeitlupe ging ein Stoß durch die Tanne, vielmehr ein Nachgeben, mit dem die ganze Masse an Glaskugeln, Lametta und Lichterkette nebst Strohsternen, Messingengelchen und Schokoladenplätzchen von hinten Schlagseite bekam und in einer Sekunde erst rauschend, dann mit einem hässlichen Geschepper in die Weihnachtsstube hineinkippte, Stanniolpartikel wie eine Schneekanone in den Raum hineinschießend und Doktor Klengels Gesteck mit den Scherben der splitternden Kugeln unter sich begrabend. Der laut triumphierende Verkündigungsengel landete genau auf Breschkes Brust. Auf dem eben noch vollgenadelten Perser knirschten die Scherben. Ein Jaulen aus der Küche verriet uns, dass Bismarck mit dem Schrecken davongekommen war. Ich wischte mir die Überreste des Tännchens aus dem Haar. „Sehen Sie es positiv“, ermunterte ich Breschke. „Dieses Jahr wird er den Baum in Ruhe lassen. Ich bin mir da ganz sicher.“





O Tannenbaum

14 12 2009

Herr Breschke schnaufte. Aber er sah zufrieden und tatendurstig aus, wie er in seiner waidmännischen Tracht, in Kniebundhosen und Lodenmantel sowie mit einem kecken Gamsbart am Hut durch den tief verschneiten Finkenbusch stapfte, immer der Tatsache eingedenk, dass er in Gottes freier Natur sei und dass Bismarck, der dümmste Dackel im weiten Umkreis, der treu und brav zwischen seinen Beinen trottete, den Blick auf den Waldboden hin und wieder erforderlich machte. „Schnuppern Sie mal“, keuchte er und zog den Hund nach vorne, „diese würzige Luft, das Baumharz, das ist doch wirklich einmalig. Dieser Fichtenduft!“ Ich stimmte ihm zu. Denn ein Tannenwäldchen, das nach Fichte riecht, ist durchaus ein singuläres Ding.

Ein Tännchen sollte es also werden, knapp einen Meter hoch, da Breschkes ihren Weihnachtsbaum von jeher auf ein hölzernes Podest stellten, damit Bismarck nicht an die unteren Zweige heranreichen konnte; der Brandschutz lag dem ehemaligen Finanzbeamten sehr am Herzen, wenngleich mich seit längerem der Verdacht beschlich, dass der Hund an dem Baum, der inzwischen nicht mehr von wächsernen Kerzen, sondern elektrisch illuminiert wurde, das Bein gehoben haben musste. „Wissen Sie“, teilte er mir mit, „seinen Weihnachtsbaum hier in der Region selbst zu schlagen ist ja auch gut für die Umwelt – wenn das mehr Menschen täten, was meinen Sie, was das für Folgen hätte!“ Vor seinem geistigen Auge froren vermutlich die Polkappen wieder an der Erdachse fest und das Ozonloch schnurrte zu. Da standen wir auch schon vor einer kleinen Portion Nadelgehölz, die mitten auf dem Weg vor sich hin wuchs und gedieh. Der Dackel schlich sich skeptisch einmal rund um den Stamm, wobei Breschke noch enger an den Schaft gezogen wurde. „Allerliebst, nicht wahr? Ich glaube, den nehmen wir. Der reicht doch für meine Frau und mich aus. Mehr brauchen wir ja auch gar nicht.“

Wenigstens hatte Herr Breschke in diesem Jahr eine benzinbetriebene Kettensäge geschultert und war nicht wie im vorigen Dezember mit dem Gerät in die Wildnis gezogen, das seine allzeit findige Tochter ihm zum Schnäppchenpreis besorgt hatte; dieses Einhandmodell, so gefährlich es auch aussah, hinterließ jedoch keinen Schnitt und keine Kerbe, weder am Baumbestand des Landkreises noch sonst wo. Denn der rüstige Pensionär war anderthalb Stunden kreuz und quer durch den Forst gelaufen und gut einen Kilometer vom Holzweg ab, als ihm auffiel, wie selten im Nadelwald Steckdosen sind. Er prüfte fachmännisch die Windrichtung und hob einen Daumen, um die Fallrichtung abzuschätzen. „Es könnte ja sein, dass er hängt. Die Krone sollte nicht schief stehen, sonst haben wir am Ende noch ein Problem mit dem Wind. Sie ahnen ja gar nicht, was so ein Stamm alles zerschmettern kann, wenn er unkontrolliert auf den Waldboden auftrifft.“ Im Fall dieser neunzig Zentimeter großen Tanne schien mir das Risiko allerdings durchaus kalkulierbar.

Der Motor heulte auf und scheuchte eine Elster aus den Baumkronen; Breschke balancierte die röhrende, rüttelnde Maschine an den ausgestreckten Armen. „Sehen Sie sich vor“, schrie er, „der Rückschlageffekt könnte Sie gefährden!“ Es stank. Der Zweitakter pestete jede Menge Benzindämpfe in die sonntägliche Waldidylle, ein feiner Strahl von Motoröl spritzte Breschke auf den Jägermantel. „Aber die Ölpumpe hat doch Fliehkraftkupplung“, jammerte er. Von einer Kupplung roch ich bei diesem Motor nichts, aber das Öl floh kräftig. Zu unseren Füßen bildete sich eine große Pfütze. „Jetzt machen Sie hier keinen Aufstand“, rief ich zurück, „sägen Sie das Ding um! Der Stamm ist doch keine zehn Zentimeter dick!“ „Der Fallkerb muss aber auf jeden Fall korrekt angebracht werden“, entgegnete er lautstark. „Wenn ich den Sohlenschnitt nicht genau waagerecht ansetze, dann wird der ganze Fuß am Ende schief und ich bekomme den Baum nie ordentlich in den Christbaumständer rein.“ Fast schien es, als wankte er auf dem benadelten Boden umher, doch der knatternde Forstapparat vibrierte nur so stark, dass Breschke ins Torkeln geriet. Plötzlich machte er eine unbeholfene Bewegung, so dass die Kette den Stamm berührte; das Bäumchen plumpste auf den Boden. Bismarck huschte jaulend zwischen meine Beine. Der Motor erstarb jäh.

„Sie haben wohl nicht alle Tassen im Schrank!“ Der Glatzkopf mit dem grobschlächtigen Gesicht war außer sich vor Zorn. „Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?“ Er stapfte mit wilden Schritten auf Breschke zu, der drohend die Säge erhob. „Das ist mein Baum“, antwortete der Pensionär, „ich habe ihn zuerst gesehen! Wenn Sie einen haben wollen, müssen Sie ihn selbst fällen.“ Das brachte den Glatzenträger erst recht in Rage; er schien einem Hirnschlag nahe. „Sind Sie noch ganz dicht“, brüllte er, „hier in der Schonung zu sägen? Ihren Ausweis!“ „Schreien Sie mich nicht an! Ich werde mich beim Oberförster beschweren über Sie!“ „Ich bin der Oberförster!“

Anne hatte ihre liebe Mühe, dass Herr Breschke wegen Widerstandes gegen Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, nur mit einem Strafbefehl und der Verwarnung mit Strafvorbehalt davonkam. Die Motorsäge wurde gleichfalls nicht als Waffe, der Fall damit nicht als besonders schwer angesehen. So fiel das Fest im Hause Breschke in diesem Jahr eher bescheiden aus, ersichtlich an dem Douglasienzweig, den Frau Breschke mit Lametta und Lichtern zu einem aparten Weihnachtsgesteck dekorierte. Er reichte für die beiden. Und in dieser Hinsicht hatte Herr Breschke durchaus Recht: mehr braucht man gar nicht.