Geld spielt keine Rolle

6 06 2011

„Der Strom? Klar, der ist nun mal teuer. Das wird sich auch so schnell nicht ändern. Schließlich muss zur Energieerzeugung auch einiges getan werden. Das ist nun mal alles nicht umsonst. Auch nicht mit staatlicher Hilfe, denn wir sind ja quasi in einer Art sozialistischer Marktwirtschaft angekommen, nicht wahr? Also die Wirtschaft, das sind ja im Grunde wir alle, und der Staat, der kann – noch nicht klar?

Das ist nämlich dieses Wirtschaftswachstum, welches uns das Leben so teuer macht. Der Aufschwung, der kurbelt die Konjunktur derart an, da werden die Preise, also mein lieber Scholli, die steigen aber bis zum – das muss so, denn der Staat wird sich da fein raushalten. Wir können doch nicht auf einmal ein Preisdiktat einführen. Das können Sie vielleicht in Nordkorea oder in einer Phase der Rezession, damit die systemwichtige Industrie nicht plötzlich völlig verarmt. Stellen Sie sich das vor, so ein Unternehmen hat sich mal ein bisschen an die Wand gefahren und müsste jetzt alle Manager auf einmal entlassen, das geht doch nicht in einem Land mit christlich-kapitalistischem Menschenbild?

Es sind Hilfen, für die keine konkrete Gegenleistung erwartet wird, verstehen Sie? Wie soll ich Ihnen das erklären? Passen Sie auf: Sie stiften Ihr ganzes Vermögen der FDP, und die reißt sich einfach das Geld unter den Nagel, ohne zu – naja, als Stütze würde ich es nicht bezeichnen, da erwartet man inzwischen mehr. Nein, von der FDP doch nicht. Da erwarte ich, dass bald gar nichts –

Nein, das müssen Sie sich so vorstellen: Sie sind, sagen wir mal, Rinderzüchter. Warum nicht? Ist doch ganz egal, es geht ja bloß um ein Beispiel! Also Rinderzüchter, und da haben Sie so Ihre Rinderzucht, wo Sie Zuchtrinder züchten. Aber das ist natürlich teuer, der Strom und der Unterhalt für den Stall, und das Futter, die Personalkosten vor allem, kurz und gut: Rinderzucht lohnt sich gar nicht mehr, weil Sie nicht mehr genug verdienen. Preise erhöhen? Dann haben Sie ein Problem mit der EU. Und der Markt ist hart, die Leute kaufen sowieso schon lieber Schweinefleisch. Sie brauchen unbedingt Subventionen. Beantragen Sie also diese Subventionen, damit Sie auch wieder eine – das Personal? Sie brauchen die Subventionen doch nicht fürs Personal, Sie Traumtänzer! Was kümmert Sie bitte das Personal? Wir sind hier in der globalen Marktwirtschaft, da muss halt jeder sehen, wie er sich durchsetzt. Kürzen Sie den Leute noch einmal ordentlich die Löhne, sagen Sie ihnen, wem es nicht passt, der wird durch einen Polacken ersetzt, und wenn Sie dann Subventionen kassieren, dann bleibt für Sie mehr übrig, kapiert?

Selbstverständlich wird der Strom auch ganz hübsch subventioniert. Vor allem, wenn es sich um Atomstrom handelt, denn sonst könnten die Atomkonzerne ja gar nicht mehr sagen, dass sie den Atomstrom so billig herstellen, dass sie den nur noch teuer an den Verbraucher – haben Sie es jetzt verstanden? Den Strom wegen der Subventionen an die Rinderzüchter billiger abgeben, dann müssten die nicht auch noch – was ist das denn für eine Konstruktion? Das sind ja Quersubventionen, das wäre ja ganz furchtbar intransparent! Das geht ja gar nicht! Ja gut, das geht schon, aber nur in Ausnahmefällen. Zum Beispiel, wenn man den Atomkonzernen die Transportkosten billiger macht und abgabenfrei und keine Brennelementesteuer erhebt, das geht natürlich. Aber doch nicht in der Rinderzucht, wo kämen wir denn da hin?

Klar, die Schweinezüchter haben dann ein Problem. Wir leben ja nun mal in einer sozialen Marktwirtschaft, das heißt, wenn die Rinderzüchter den Strom billig bekämen, bekämen ihn auch die Schweinezüchter billig – halt, umgekehrt. Bitte um Entschuldigung, dass ich – kriegen also nur den Strom, der – nein, ich fange noch mal ganz von vorne an: Der Rinderzüchter züchtet seine Rinder so billig, dass das Schweinefleisch zu teuer ist, die Personalkosten, das Futter, alles viel zu kostspielig und nicht mehr rentabel und letztlich auf dem Markt nicht mehr konkurrenzfähig, und dann müssen Sie bedenken, dass die Rinderzüchter auch nur so billig produzieren können, weil man ihnen mit den wettbewerbsverzerrenden Subventionen unter die Arme gegriffen hat. Ja, das ist richtig, das ist im Grunde ziemlich ungerecht. Und dass die nun auch keine Verbilligung beim Sprit bekommen oder bei der Lkw-Maut, das ist ja auch schlimm. Da wird der letzte Schweinezüchter bald vor die Hunde gehen, nicht wahr? Wirklich schlimm. Ausweglos, ich sag’s Ihnen. Nichts zu machen.

Mit Subventionen, ja. Haben Sie’s also endlich geschnallt? Die Schweinezüchter kassieren jetzt die Subventionen, die sie brauchen, damit sie nicht mehr unter den Subventionen für die Rinderzüchter leiden müssen. Geld spielt da keine Rolle. Und es macht sich auch bemerkbar, zumindest bei den Rinderzüchtern. Die sind jetzt nämlich im Vergleich zu den Schweinezüchtern wieder so teuer, dass Rindfleisch im Grunde in einer freien Marktwirtschaft nur noch zu Preisen –

Genau. Ganz genau so. Und da die FDP bisher die Steuersenkungen nicht gebracht hat, muss man sich die Kohle eben von der Union holen. Ja, haben Sie auch wieder Recht – zahlen tut’s sowieso wieder das untere Drittel. Und da die auch keine Steuererleichterungen bekommen, sind sie doppelt bestraft. Beschweren Sie sich also nicht, wenn demnächst der Strom wieder mal teurer wird. Wir haben dafür tief in die Tasche gegriffen!“