Mutter der Kompanie

16 12 2013

„… als erste Frau das Verteidigungsressort zu leiten. Die Koalitionspartner hätten sich darauf geeinigt, von der Leyen in der…“

„… bereits einen Stahlhelm, den andere noch für eine Frisur gehalten hatten, auf dem…“

„… sich auf das Amt sehr freue. Die Vorstandsfrau der Christdemokraten habe bereits als Kandidatin für den Posten der Bundespräsidentin dasselbe Ziel verfolgt, nämlich viel von der Welt zu sehen und dabei einen bleibenden Eindruck von Deutschland zu…“

„… habe die CDU das Amt durchaus nicht als Notlösung an die ehemalige Sozialministerin gegeben. Diese habe sich bereits in so vielen Fachbereichen als unqualifiziert erwiesen, dass sie auf der Hardthöhe geradezu als ideale…“

„… dem Eindruck entgegengetreten sei, es habe sich um einen Angriff auf von der Leyen gehandelt. Die Entscheidung sei genau ausgewürfelt worden wie die Dauer von Pofallas Karenzzeit und der Neubesetzung der…“

„… für das Amt wie geschaffen. Parteifreunde hätten ihr bescheinigt, sich nicht mit Hindernissen wie der Wirklichkeit oder…“

„… den deutschen Soldaten wieder zu einem Botschafter des christlichen Glaubens zu machen, durchaus im Sinne eine mittelalterlichen…“

„… eventuell aus Gründen des Parteiproporzes in dies Amt geraten sein. Kritikern seien die Verhandlungsführer mit der Aussage begegnet, wenn Andrea Nahles trotz zwanzig Semestern Studium und bisher keiner nachweisbaren Erwerbsarbeit Bundesminister für Arbeit werde, sei das Verteidigungsministerium bei Ursula von der Leyen nicht wesentlich schlechter…“

„… durchgreifende Maßnahmen zu erwarten seien. Zunächst habe die Ministerin vor jeder Schießübung ein gemeinsames Gebet angeordnet, das jedoch auch mit der mangelhaften Ausstattung an Waffen und Munition…“

„… solle der deutsche Soldat nicht mehr rauchen und keinen Alkohol trinken. Die entsprechende Kürzung des Wehrsolds spare, so die Mutter der Kompanie, einen Betrag von…“

„… ob sie für die Führung der Truppe im Ernstfall geeignet sei. Beobachter hätten jedoch betätigt, dass von der Leyen dank ihrer Erfahrungen mit Mann und sieben Kindern eine militärisch zu verwertende Führungsrolle bereits…“

„… dass ein warmes Mittagessen als eher luxuriös gelte, um die Truppe im Kampfeinsatz zu stärken. Daneben wolle von der Leyen auf jeden Fall verhindern, dass ein Bildungspaket die Intelligenz der Söldner auf schädliche Weise…“

„… eine hervorragende PR-Fachfrau an der Spitze des Ministeriums. Dies sei nach eigener Aussage sicher viel wichtiger als militärische…“

„… sich freue, ein so wichtiges Amt mit ihrem persönliche Stil zu erfüllen. Vor allem wolle sie bei internationalen Konflikten eine gründliche Klärung durch Arbeitsgruppen und eine parteiinterne Diskussion aller beteiligten Gremien vor der Entscheidung unter Finanzierungsvorbehalt…“

„… falsch, dass es künftig auf jedem Truppenstützpunkt eine Kita geben solle. Vielmehr plane die Bundesregierung, sämtliche Krippen durch eine Frühförderung in Wehrsport und…“

„… der Gefahr einer technischen Kriegführung begegnen wolle. Von der Leyen habe daher beschlossen, das deutsche Interwebnetz zum Schutz vor Cyberangriffen und pazifistischer Propaganda mit einem Sperrfilter…“

„… die Innere Führung der Soldaten mit mehr persönlichen Erfahrungen prägen wolle. Stundenlanges Stehen in kaltem Wasser, Barfußlaufen durch Brennnesseln und andere Beweise der Hingebung an unseren lieben Herrn Jesus seien eine gute Vorbereitung auf dem…“

„… eine Frauenquote bei der Bundeswehr für möglich halte. Es sei jedoch vorerst nur geplant, Generalsdienstgrade und andere höhere Offiziersränge mit weiblichem Personal zu…“

„… auch zu zahlreichen Schließungen von Bundeswehrstandorten. Hier werde von der Leyen ihre Kompetenz für steigende Arbeitslosigkeit und sozialen Niedergang in ganz hervorragender Weise wieder einmal…“

„… keine Sorge, dass sich die Kompetenzen von de Maizière und von der Leyen nicht vereinbaren ließen. Der künftige Innenminister werde Erinnerungslücken bei sicherheitsrelevanten Themen haben, während Korruption, Verschwendung von Steuergeldern und mangelhaft informierte Vorgesetzte im Verteidigungsressort…“

„… auch mit verhältnismäßig geringem Etat zu bewerkstelligen. So werde für einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag bereits jetzt eine PR-Broschüre entworfen, die im kommenden Wahlkampf die Verdienste von der Leyens um die Rettung des christlichen Abendlandes vor den…“

„… könne sichergestellt werden, dass die deutsche Waffenindustrie nicht zu wenig Aufträge bekommen werde, wenn eine so engagierte Kämpferin gegen Demokratie und Grundgesetz…“

„… für mehr Sicherheit. Der Zugang zu bewaffneten Konflikten solle durch eine Chipkarte kontrolliert werden, die von der Firma einer ihrer zahlreichen Brüder…“

„… in Bundeswehrkreisen mit Gleichmut zur Kenntnis genommen worden sein. In Offizierskreisen heiße es, das Amt sei nach Struck ohnehin nur noch von Zivilversagern…“

„… den vollständigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan verwaltungstechnisch erheblich zu beschleunigen. Von der Leyen wolle 2014 einfach Stoppschilder an der afghanischen Grenze…“

„… auch Nachwuchsrekrutierung für die Freiwilligenarmee zu betreiben. Dazu werde sie gewaltverherrlichende Online-Spiele entwickeln lassen, die sie in den vorangegangenen Legislaturen bestens kennengelernt…“

„… sich gut vorstellen könne, nach ihrer erfolgreichen Zeit im Verteidigungsministerium als Kanzlerkandidatin der Union die…“

„… die Erhöhung des Solds um fünf Euro nicht länger als zwei Jahre zur genauen Berechnung…“

„… auf ausdrücklichen Wunsch der Kanzlerin ihren Schlauchboot-Ausflug in somalische Hoheitsgewässer ohne die Unterstützung der Bundesmarine absolvieren. Merkel habe Ursula von der Leyen das vollste Vertrauen…“





Vollstes Vertrauen

24 04 2013

„Vollstes Vertrauen?“ „Ach du Scheiße!“ „Dann ist sie verloren.“ „Warten wir’s ab. Von der Leyen hat schon jede Menge Mist fabriziert und ist nie darüber gestolpert.“ „Aber vollstes Vertrauen? Hallo!? Das ist so gut wie ein Todesurteil!“

„Also lässt die Merkel das jetzt doch nicht durchgehen.“ „Wieso denn nicht?“ „Ich meine, es ist doch die Kanzlerin.“ „Ja und? Hat die sich je bewegt, wenn irgendwas passiert ist?“ „Aber das hier ist doch innerhalb der deutschen Politik.“ „Jetzt mach doch nicht so eine Welle.“ „Dann hätte sie die Koalition schon zehnmal platzen lassen müssen.“ „Aber das ist doch innerhalb der CDU!“ „Gut, das ist schon fast ein Argument.“ „Wieso fast?“ „Wenn die Merkel jedes profilneurotische Arschloch rauswerfen würde, warum ist dann Schäuble immer noch Minister?“

„Aber hier, vollstes Vertrauen.“ „Vollstes? hat sie nicht…“ „Nein, vollstes.“ „Dann gute Nacht.“ „Meine Güte, die ist doch nicht Wulff.“ „Aber vollstes Vertrauen – vollstes Vertrauen! das hat nicht mal der Papst lange überlebt.“ „Wieso, die hat doch…“ „Glauben Sie der Statistik, 100% der Päpste, der denen die Merkel ihr vollstes Vertrauen ausgesprochen haben, sind zurückgetreten.“ „Sag an!“ „Das ist doch…“ „Und hier, Röttgen. Der ist doch auch inzwischen irgendwo in der Pampa.“ „Der war ja mal Muttis Bester.“ „Auch so eine Planstelle, die die Bundesuschi sich ungern streitig machen lässt.“

„Ich glaube ja nicht, dass das so geplant war.“ „Dann hat von der Leyen das also nicht geplant?“ „Doch, die schon.“ „Aber dann war das ja doch geplant.“ „Wenn die was plant, merkt man meistens eh nicht, dass es geplant war.“ „Aber geplant war das eh nicht.“ „Doch, nur nicht von der Leyen.“ „Wie bitte?“ „Von der von der Leyen.“ „Ach so.“ „Vielleicht ist das ja irgendwie schief gegangen, und dann sollte es so sein, wie es geworden war.“ „Geworden ist.“ „Also wie es wurde?“ „Oder wird.“ „Also so, wie es ist.“ „Das kann aber nicht geplant gewesen sein.“ „Nein, aber das ist so passiert.“ „Das ist aber ein ganz schöner…“ „Wieso schön?“ „Jedenfalls ein Unterschied.“ „Ich meine, hat sie nicht dieses Ding mit der Hartzkarte auch so geplant?“ „Weil das derart in die Hose ging?“ „Dann kann sie es nur geplant haben.“ „Du meinst: dann kann nur sie es geplant haben.“ „Aber was hat die Kanzlerin damit zu tun?“ „Die hat doch den Auftrag gegeben.“ „Kann ich mir nicht vorstellen.“ „Naja, die sagt dann, macht doch, was Ihr wollt.“ „Und Uschi?“ „Macht, was sie will.“ „Was die Kanzlerin will?“ „Nein, was die… ach, egal.“

„Dann kann sie es ja bloß selbst gewollt haben.“ „Finde ich auch.“ „Sonst würde die Kanzlerin doch rapide einen Vertrauensverlust erleiden.“ „Und vor allem an Autorität.“ „Hä!?“ „Na, dieses Ding halt, wo man immer so hat, wenn man…“ „Ich weiß schon, was Autorität bedeutet, aber wie kann man das im Zusammenhang mit der Merkel sehen?“ „Wieso hat die denn jetzt keine Autorität mehr?“ „Und was ist mit der FDP?“ „Keine Tiefschläge, bitte.“ „Ist doch wahr, das ist die…“ „Keine Tiefschläge!“ „Sie muss es gewusst haben, sonst würde doch ihre Personalplanung gar nicht aufgehen.“ „Was ist denn das jetzt schon wieder für eine Verschwörungstheorie?“ „Sie will doch bis 2017 Kanzlerin bleiben.“ „Ja und?“ „Ja und danach?“ „Was weiß ich, vielleicht ist bis dahin de Maizière genauso durch wie Schäuble.“ „Oder die CDU hat mit der SPD fusioniert.“ „Dann schon lieber Schäuble.“

„Und die Frauen?“ „Wie, Frauen?“ „Was ist mit Frauen?“ „Es ging doch um die Quote, oder?“ „Ja und?“ „Die sind doch eh nur vorgeschoben.“ „Aber wenn das im Wahlprogramm…“ „Ruhig, Brauner!“

„Also die Merkel hat es gewusst.“ „Das glaube ich nicht.“ „Kann sie gar nicht, sonst wäre sie ja nicht mehr Kanzlerin.“ „Wieso?“ „So was Unprofessionelles würde sie doch nicht einmal in ihrer Nähe dulden, geschweige denn in ihrem Kabinett.“ „Und Schröder?“ „Verdammt!“ „So kurz vor der Wahl schmeißt man doch keine Ministerin mehr raus.“ „Richtig, und lahme Ente kann die Kanzlerin alleine.“ „Auf jeden Fall hat sie es gewusst, schließlich muss sie ja mal zurücktreten.“ „Sie will also nicht weiter kanzlern?“ „Schon, aber nicht bis zum Ende.“ „Also nach 2017.“ „Oder ab 2015.“ „Sie baut vor?“ „Sie will sich rechtzeitig von einer Frau ablösen lassen, die unerschrocken ihren Weg geht und die Partei im Handstreich in die Gegenwart führt.“ „Aha?“ „Das meint er nicht ernst.“ „Quatsch, ist doch die Bundesuschi.“ „Aber wer soll denn die CDU in die Zukunft führen?“ „Jedenfalls nicht die Merkel, die hatte schon ein paar Jahre Zeit, die CDU wieder ins Mittelalter zu bringen.“

„Ich finde ja, sie lässt sich stürzen.“ „Von der Leyen?“ „Von der Leyen von der Merkel?“ „Nein, von der Leyen.“ „Also doch.“ „Egal, auf jeden Fall will sie eine Nachfolgerin, die die amtierende Kanzlern wegmacht.“ „Damit sie sich in die Opferrolle fügen kann.“ „Wie Kohl.“ „Bloß ohne die historische Größe.“ „Unterschätz nicht Muttis Doppelkinn.“ „Was soll denn das bringen?“ „Denk doch mal weiter. Spätestens 2017 kann auch der letzte Deutsche die Merkel nicht mehr sehen.“ „Und dann kommt Uschi?“ „Genau.“ „Also weiß die Kanzlerin doch etwas davon.“ „Offiziell nicht.“ „Und inoffiziell?“ „Spricht sie schon mal ihr vollstes Vertrauen aus.“

„Ich kriege den Gedanken nicht weg, dass das nur ein Bauernopfer war.“ „Steinbach?“ „Wieso denn Steinbach?“ „Ist die schon zurückgetreten?“ „Ist die jemals zurückgetreten?“ „Die hat höchstens zurückgetreten.“ „À propos, vollstes Vertrauen.“ „Und?“ „Hat mal gerade jemand von der Leyens Dissertation zur Hand?“





Dingens

20 09 2011

„Nein, das hatten wir nicht vergessen. Stand bei uns noch auf der Liste, wir machen uns da kundig. Nächste Woche ist noch was – nein, ich sehe gerade, aber bestimmt vor Weihnachten. Spätestens irgendwann im Wahlkampf. Versprochen. Frau von der Leyen hat im Augenblick so viel, worum sie sich noch kümmern muss, da kann sie sich eben um nichts mehr kümmern.

Weil das ja eigentlich von uns kommt. Kommen müsste – müsste, nicht wahr, müsste, aber das kam dann ja nicht. Ursula kümmert sich. Das hat poetischen Tiefgang und fast einen, ich sag mal, leicht sozialen Touch, verstehen Sie, das klingt fast so, als wäre es, ich sag mal, ansatzweise wahr. Ansatzweise! Aber Sie wissen ja, unsere neue Frontfrau macht das alles viel subtiler. Das muss nicht wahr sein. Darf es auch nicht.

Wir können uns hier nicht mit inhaltlichen Details auseinandersetzen, nicht wahr, das würde viel zu viel Zeit fressen. Das brauchen wir alles für eine Expansion in die richtigen Politikfelder. Breite Streuung. Wir haben das im Griff. Vertrauen Sie uns. Das mit der Außenpolitik macht der Blonde von dieser Kleinpartei da immer noch ganz gut, aber die anderen Sachen sollten wir auch langsam mal lernen.

Netzneutralität – gut, dass Sie das ansprechen. Wir haben schon länger vor, unchristliche Inhalte nur noch mit halber Geschwindigkeit durchzuleiten, und wenn wir das konfessionell hinkriegen, könnten wir es auch auf die Funknetze aufteilen?

Natürlich trägt das die CDU nicht mit. Wäre ja auch noch schöner. Aber Sie müssen zugeben, eine prominente, bei allen beliebte Politikerin, die von den Bürgerinnen und Bürgern sehr geschätzt wird – können wir uns nicht einfach mal darauf einigen, dass Frau von der Leyen moralisch okay ist? Sie hat doch auch schon jede Menge für die deutsche Wirtschaft getan und Arbeitsplätze gesichert. Denken Sie bloß mal an die Kartenleser-Hersteller, was wäre die maschinenlesbare Prekariatsprämie für ein grandioser technischer Erfolg geworden, wenn diese Grundgesetzarschlöcher aus Karlsruhe nicht ständig genörgelt hätten? Denken Sie an den Aufschwung für die Leistungsträger, die Telekom-Aktie wäre mit dem Zugangserschwerungsgesetz erst richtig durch die Decke gegangen. Und wenn ihr nicht jemand vor Zeugen verraten hätte, dass die 1-Euro-Jobs tatsächlich keine arbeitsfördernde Maßnahme, sondern eine reine Finanzierungshilfe für Industrie und Kirchen sind, dann hätte sie die solidarische Haltung gegenüber Deutschlands gut verdienenden Steuerhinterziehern nie aufgegeben. Machen Sie sich klar, das wird Folgen haben!

Als nächste Aktion war für uns die Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes geplant: nur noch stilles Wasser in Europa. Da hier auch bald nicht mehr geraucht wird, müssen wir bloß noch die Getränkehersteller auf unsere Seite ziehen.

Das mit den Vereinigten Staaten von Europa war auch eher so metaphorisch gemeint, nicht wahr – dass das verfassungsrechtlich nicht geht und für den Euro der Genickschuss wäre, müssen Sie in Ihrem Beitrag ja nicht so betonen. Wir wollten nur mal die außenpolitische Kompetenz etwas stärker in den Fokus rücken, schließlich bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Jetzt noch die Legislatur, dann acht Jahre Steinbrück, dann noch ein großer Wahlkampf, das wird extrem schwer. Wann soll sich Frau von der Leyen denn dann noch kümmern können? Und viel wichtiger, wann lässt sie sich mit ihren Kindern fotografieren? Das sind doch die Fragen!

Dass sich Frau von der Leyen jetzt schon in der zweiten CDU-Regierung so engagiert, gibt uns das ideale Profilierungsfeld. Das ist nicht nur gut, wenn man sich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in Stellung bringen will, das macht auch fit für eine innerparteiliche Entscheidungsschlacht mit dem Rest, der Merkel überlebt hat: sie hat keine Ahnung und tut trotzdem nichts. Und mit solchen idealen Voraussetzungen wollen Sie Führungsqualitäten für die Unionsparteien verneinen?

Es muss sich einer für Dingens interessieren. Das ist das neue Allzweckressort, wo man sich als Kanzlerin profilieren kann. Für die großen Gesamtzusammenhänge von Wirtschaft, Politik und Wirtschaftspolitik, nicht wahr, in denen die Bürger nicht dazwischenkommen. Da hat die Kanzlerin – die alte, also die jetzige, nicht wahr – die Kanzlerin hat Frau von der Leyen ja auch schon mal kritisch gewürdigt, weil das wohl nicht so ganz hilfreich war, dass hier einer den Geisterfahrerkurs von dem FDP-Azubi durcheinanderbrachte. Das muss doch abgesprochen werden, nicht wahr, wenn da plötzlich einer anfängt, seine eigenen Ansichten zu äußern.

Weil wir eben den Mindestlohn nicht nur nicht angedacht haben, Frau von der Leyen ist ja auch im Grunde genommen dagegen. Weil man dann den Mindestlohn allen zahlen müssten, die man jetzt noch ohne Mindestlohn beschäftigen könnte, nicht wahr. Wir mussten das jetzt schon machen. In der aktuellen Konstellation konnte man einigermaßen gut vorhersehen, dass sich die FDP komplett dagegen sträuben würde, nicht wahr, und dann könnte der Mindestlohn als Verhandlungsmasse gute Dienste tun – die Liberalen haben ja immer mal wieder einen Grund zum Einknicken, dann lassen wir ihnen den Spaß und tun für die Presse so, als würden wir es uns etwas kosten lassen.

Gut, Sie haben das nicht vergessen? Dann legen Sie mal los mit Ihrer Kampagne. Und ich hoffe, dass Sie sich endlich von den Guttenbergs trennen, nicht wahr?“





Kehrt, marsch!

15 12 2009

„Momentchen noch, ich kriege eben die neuen Zahlen rein. Auweh… nein, so schlimm auch nicht. Es reicht halt nicht. Aber wir kriegen das in den Griff. Bestimmt. Ja, davon können Sie ausgehen. 2025 sollte sich etwas geändert haben, wenn nichts dazwischen kommt. Klar, das kann man nie wissen. Aber 2025 ist schon mal eine ganz gute Richtung. Länger wird die Merkel ja wohl nicht durchhalten.

Nein, das ist komplizierter, als wir glaubten. Wir haben ungefähr elf Prozent verloren, Die Linke und die Grünen davon die Hälfte gewonnen – bleiben fünfeinhalb. Piraten minus zwei, heißt also, dass wir immer noch dreieinhalb Prozent… Gut, die kann man jetzt auch als Fehlertoleranz rausrechnen, man sollte ja bei Fehlern auch mal tolerant sein. Ja, nicht wahr? Bei unseren eigenen sind wir immer tolerant, da haben Sie Recht. Auf jeden Fall sind also mal die Piraten Schuld, dass wir jetzt diese Regierung haben. Da beißt die Maus doch keinen Faden ab. Und wenn wir das beweisen können, werden wir es irgendwann auch. Klar.

Verschwörungstheorie? Ich bitte Sie, das meinen Sie doch nicht ernst! Natürlich waren es die Medien. Sie sehen es doch jetzt beim ZDF, dass die Unionsparteien ihren undemokratischen Einfluss auf die Massenmedien überall ausnutzen, um die Bevölkerung darüber hinwegzutäuschen, dass sie jetzt… Wahlkampf? welcher Wahlkampf? Ach so, bei der Bundestagswahl. Da werden sich unsere Experten erst ein Urteil erlauben können, wenn wir endgültige Ergebnisse haben. Vermutlich hat es etwas mit der Erderwärmung zu tun, dass an diesem Sonntag so viele Wähler zu Hause geblieben sind.

Warum wir das erst jetzt bemerkt haben? Es ist nämlich… sagen Sie’s nicht weiter, aber die SPD ist ja doch schon eine recht alte Partei, da dauert die Schrecksekunde eben etwas länger. Ja, das kann auch mal eine halbe Legislaturperiode sein. Oder eine ganze. Oder zwei, ja. Also bei der Agenda 2010 wollten wir ja noch warten. Schrittweise Absenken der Ignoranz, sagt der Parteivorstand. In drei Stufen, meinen die Berater. Sie wissen doch, jeder Arbeitsplatz hat ein Gesicht. Gut, bei Hartz würde ich es nicht direkt Gesicht nennen, aber…

Ausgeschlossen! Das ist mit uns nicht zu machen! Schon aus ethischen Gründen nicht! Wenn wir jetzt auch noch Lohndumping und Rente mit 67 als Fehler bezeichnen, dann treiben wir doch das Land in ein Stimmungstief, aus dem die Banken nie mehr… Die Industrie? Die sollen nicht jammern, für die Ein-Euro-Jobs hätten sie mehr Dankbarkeit zeigen sollen. Und wenn Sie erst mal begriffen haben, dass das, was für die Wirtschaft gut ist, auch sozial ist, dann werden Sie begreifen, dass es hier keinen Grund gibt, sich öffentlich zu entschuldigen. Ich höre es doch schon – am Ende würden Sie uns auch noch Heuchelei nachsagen! Unverschämtheit!

Allerdings, man kann das eine tun und braucht das andere dann nicht zu lassen. Deshalb ist das Wachstumsbeschleunigungsgesetz schlecht, obwohl die Abwrackprämie die Arbeitsplatzverluste in der Autoindustrie bestimmt verdoppeln wird. Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Das eine war eine Finanzspritze, die den Arbeitsmarkt aushöhlt, das andere… Nein, ist es nicht! Es macht die Länderfinanzen und die Bildung kaputt. Das ist ja wohl ein himmelweiter Unterschied!

Warum müssen wir denn für jede Kehrtwende eine Erklärung abliefern? Hören Sie mal, das war so nicht bestellt! Gucken Sie mal den Westerwelle an, heute so, morgen so, und damit wird der Mann noch Vize – ja, man muss doch flexibel sein heutzutage!

Lippenbekenntnisse? Sollen wir jetzt den Tauss zum Parteivorsitzenden machen? Nein, da braucht es sturmerprobte Kader. Alte Kämpen, verstehen Sie, die unsere Partei durch so manche Katastrophe gesteuert haben und auch vor der größten… Die Nahles? Klar, die macht’s. Aber erst mal verheizen wir den Gabriel, dann kommt Scholz dran und dann wollen wir mal sehen, ob der Schäfer-Gümbel noch in der Partei ist. Oder ob er noch lebt. In Hessen weiß man das ja nie so genau.

Gut, haben sie da eben einen Mindestlohn. Aber Polen ist eben nicht Deutschland. Als Opposition kennen wir eben auch nationale Verantwortung, wir können doch jetzt nicht die guten wirtschaftlichen Verflechtungen zu unseren EU-Nachbarn einfach so zerstören. Das wäre ja unverantwortlich.

Moment mal, das haben wir nicht gesagt! Das haben wir nie gesagt! Bleiben Sie bei der Wahrheit – wir sind gegen das Zugangserschwerungsgesetz, aber dass wir auch gegen Sperrung von anderen Inhalten wären, können Sie uns nicht unterstellen! Schließlich darf das kein rechtsfreier… Die Idee kam ja schließlich von uns, wir wollten sie damals… Sie sind wohl selbst ein Neonazi, was? Dann fragen Sie eben nicht so dumm. Na, einen Deckmantel braucht man eben, wenn man gegen die Verfassung… Ob wir in der Regierung wieder eine Internetzensur einführen? Sie glauben doch nicht, dass es noch ein Internet gibt, wenn die SPD je wieder an der Regierung ist! Opportunismus? Wo sehen Sie hier denn Opportunismus? Das machen wir wie die FDP. Die wahre Freiheitsstatue, der Hort der Bürgerrechtsbewegung, ist nämlich die Sozialdemokratie. Bis zur nächsten Wahl. Und dann sehen wir mal weiter.

Sie sollten das mal pragmatisch betrachten: Opposition ist zwar Mist, aber möchten Sie für Ihr Geld ständig arbeiten müssen?“





Streng geheim

3 08 2009

Nein! Und nochmals: nein! Sie blieb dabei. Ursula von der Leyen weigerte sich standhaft, den Datenschutz der ihr anvertrauten Bediensteten zu verletzen. Einblick in die Fahrtenbücher ihrer zwei Dienstwagen gebe es nicht. Basta!

Da Gefahr im Verzuge lag, erging aus Karlsruhe ein wegweisendes Urteil. Die Schutzbedürftigkeit von vielerlei Informationen lag nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts schon lange im Argen, was das Innenministerium maßgeblich verursacht hatte; ein verfassungskonformes Umdenken sei nun vonnöten, der Datenschutz sei als Staatsziel keine hohle Phrase, sondern gehöre zu den vordringlichen Pflichten aller gesellschaftlichen Kräfte. Vieles, was einfach in die weite Welt hinausposaunt worden war, gehöre eigentlich unter hohe Geheimhaltung.

Die Regierung begriff und setzte das Urteil schnellstmöglich um. Noch vor dem 27. September, so ging der Ruf durch alle Fraktionen, müsse man ein Gesetz zur Geheimhaltung von nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Informationen durch den Bundestag peitschen, in welcher Form auch immer. Alle beteiligten sich, wie es ja auch sonst üblich war, wenn die Parlamentarier mit stolz geschwellter Brust zusammentraten, dem hehren Ziel der freiheitlich demokratischen Grundordnung dienen zu dürfen; geschlossen und vollzählig traten die Volksvertreter an, um ohne Ansehen der Sache den abgenickten Entwurf durchzuwinken – mancher Fraktionsvorsitzende ließ es sich nicht nehmen, persönlich Badestrände, Bars und Bordelle nach den Abgeordneten zu durchsuchen und säumige Hinterbänkler in Reih und Glied zu bringen – und so wurde Abend und aus Fakten wurde Gesetz, und es war gut so. Befreit atmete der Spreebogen auf.

Zunächst verbaten sich die Politiker, nach Nebeneinkünften gefragt zu werden, da dies der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit widerspräche. Auch abgeordnetenwatch.de wurde nicht hinter Stoppschildern verschanzt, sondern schleunigst abgeklemmt, nachdem das BKA zufällig entdeckt hatte, wie das funktioniert. Die Staatsmannen seien nur ihrem Gewissen verpflichtet, so hieß es, und öffentliche Gewissensforschung sei nicht zumutbar.

Von der Leyen hatte zwar aus steuerrechtlichen Gründen noch ein kleines Scharmützel mit dem Datenschutzbeauftragten zu erwarten, doch half ihr das Geheimhaltungsstufengesetz. Es hatte sich um Kraftwagen samt Fahrern gehandelt, nicht um den ICE, der ja ein öffentliches Verkehrsmittel ist; die Mobilitätshilfe der Ministerin sei jedoch in die Klasse Nur für den Dienstgebrauch eingestuft, somit gehöre das Fahrtenbuch nicht in die Hände naseweiser Behörden.

Doch die Kritik gab keine Ruhe. Hatten etwa die Abgeordneten dies Gesetz, das so geheim war, dass sie es selbst vor der Verabschiedung nicht hatten lesen dürfen – sogar dies wurde nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit bekannt – mit überzogenen Inhalten gefüllt? War die Richtlinie nicht mehr verhältnismäßig? Hatte man am Ende die Politik von den Bürgerrechten getrennt, mit zweierlei Maß gemessen? Von der Leyen verteidigte die Parlamentskollegen. „Es reicht nicht, die rechtliche Lage zu kennen“, klärte sie die Journalisten auf, „von Politik wird zu Recht verlangt, Vorbild und Maßstab zu sein.“

Dennoch sickerten immer wieder staatstragend Verschwiegenes an die interessierte Öffentlichkeit. Der Urlaubsort der Kanzlerin wurde publik. Man hatte herausgefunden, mit welcher Begründung Wolfgang Schäuble denn diesmal die Bundeswehr im Innern einsetzen wollte. Umgehend dementierte der Verfassungsschutz, V-Männer in die CDU eingeschleust zu haben. Man könne nicht jeden Verein überwachen. In der Bundesoberbehörde laufe man ohnehin schon permanent mit dem Grundgesetz unter dem Arm herum, nachdem das Bundesministerium des Innern seine sämtlichen Exemplare entsorgt hatte; man könne da nicht auch noch mit dem Kopf unter dem Arm kommen.

Nicht einmal Werner Mauss wusste, was hier gespielt wurde. Dafür wusste keiner, wo Mauss war.

Steinmeier versprach in seinem Deutschland-Plan vier Millionen neue Arbeitsplätze in der Republik. Die FDP beharrte energisch auf Steuersenkungen für Großkonzerne und Banken. Ob, wann und wie das alles zu erreichen sei, lag jedoch wohlverwahrt im Verborgenen, und bis zur Bundestagswahl, so beschlossen Regierung und Opposition einhellig, läge es da wohl auch gut.

Rechtsphilosophen philosophierten indes recht angestrengt, wie man denn das Grundgesetz nun kategorisieren solle. War es streng geheim? gar eine Kommandosache? Letzteres missfiel manchen, die den appellativen Sonntagscharakter der Verfassung nicht recht gewürdigt sahen, und so einigte man sich auf den Terminus Verschlusssache, der auch bei Schäuble Wohlwollen weckte. Denn was man abschließen kann, gerät nicht so schnell in Unordnung.

Unterdessen weigerte sich das BKA beharrlich, Einzelheiten zu Ulla Schmidts Dienstwagen zu nennen. Sie hätten alles aufklären können, da das Auto mit einem Ortungsgerät ausgestattet ist und der Standort den Kriminalern jederzeit bekannt gewesen war. Doch sie mauerten. „Dem Ansehen von Politik schaden solche Diskussionen wie jetzt um Frau Schmidt immer“, ließ sich die Familienministerin auf dem Boulevard vernehmen.

Die Geheimniscrème musste nun nicht mehr hinter hohen Hecken hecken, ganz offen besprach man die anstehenden Fragen, um eine neue soziale Marktwirtschaft auf den Hinterlassenschaften der Krise zu installieren. Kürzung der Regelsätze, eine verschärfte Verfolgungsbetreuung, deutlich höhere Bankerboni, alles wurde bei Rieslingsekt und Hummerhäppchen festgezurrt, ohne ministerielle Mysterien. Da die Presse nun die Freiheit besaß, nicht mehr darüber berichten zu dürfen, schwand der Druck auf die Entscheider.

Die zufällige Hausdurchsuchung bei einem Leserreporter förderte Erschreckendes zu Tage; wie selbstverständlich hatte er einen Schnappschuss angeboten, der die Bundesmutti beim Gemüsekauf in einem Discounter zeigte. Die Beamten druckten die Bilder umgehend aus und zerschnipselten sie zur Unerkenntlichkeit. Das Ansehen der Ministerin schien gerade noch einmal gerettet – Ursula von der Leyen im Selbstbedienungsladen, das hätten BILD-Leser kaum je verkraftet. Der BND atmete hörbar auf. Auch Dieter Althaus ließ sich wieder blicken.

So blieb es auch weitgehend ungehört, als ein ehemaliger Bundesverfassungsrichter Bedenken am Zugangserschwerungsgesetz anmeldete. Der Bund habe ein Gesetz erlassen, für das er gar keine Gesetzgebungskompetenz habe; diese liege, im Falle der Straftatverhütung wie bei der Einwirkung auf die Inhalte von Medienangeboten, bei den Ländern. Doch das griff die Politiker bei der Ausweitung der Symbolgesetzgebung nicht weiter an; welche Arten von Internet-Inhalten betroffen sein würden, wurde allerdings aus Rücksicht auf die Geheimhaltungsstufe des Projekts nicht bekannt.





Schweinkram

4 06 2009

„Alles in Butter!“ Der Techniker versetzte dem Gehäuse einen kleinen Klaps. „Daten gesichert, neues Netzteil, Betriebssystem neu installiert, die Kiste läuft wieder.“ Erleichtert unterschrieb ich die Empfangsbestätigung. Drei Tage zwischen Hoffen und Bangen, nur weil die Stromversorgung einen Aussetzer hat. Jetzt würde ich endlich wieder in Ruhe arbeiten können.

In der Zwischenzeit waren lange Papierfahnen aus dem Faxgerät gequollen. Der Anrufbeantworter blinkte beständig. Wo denn das Rundfunk-Feature über die Erforschung des Amazonas bleibe. Ob ich nicht endlich das vom Landwirtschaftsministerium angemahnte Loblied auf die deutsche Zuchtsau abliefern könne. Rasch brühte ich eine große Kanne Kaffee und stürzte mich sogleich ins Geschehen. Ich begann mit einer Recherche über den großen südamerikanischen Fluss und tippte etwas in die Suchmaschine. Doch kaum hatte ich die Anfrage abgeschickt, poppte ein großes rotes Schild auf dem Bildschirm auf. STOP verkündete mir der Rechner. Und da meldete sich auch schon die blecherne Stimme aus dem Lautsprecher. „Wollen Sie diese Suche wirklich ausführen?“ Ich klickte auf die Schaltfläche zur Bestätigung. „Geben Sie Ihre persönlichen Daten zur Altersverifikation ein. Sie sind im Begriff, Inhalte zu suchen, die den Moralvorstellungen des Landes, in dem Sie sich aufhalten, derzeit nicht mehr entsprechen.“

Was wollte dieser bescheuerte Kasten von mir? Ich klickte wild auf diversen Schaltflächen herum, doch nichts tat sich. Schließlich beendete sich das Programm. Ich griff zum Telefon und ließ mich umgehend mit dem Techniker verbinden. Er war im Bilde. „Warten Sie mal, welches Betriebssystem hatten Sie noch mal? Virus 2000 oder Sinnlos XY? Dann kann es sein, dass wir Ihnen aus Versehen ein Update der Datensicherheitsrichtlinie aufgespielt haben.“ Datensicherheitsrichtlinie? „Wussten Sie das nicht? Ach ja, Sie hatten ja drei Tage lang kein Internet. Eilgesetzgebung aus Berlin. Was hatten Sie denn eingegeben?“ Wahrheitsgemäß nannte ich ihm den Grund meiner Suchanfrage. „Ja, da haben wir’s doch schon“, antwortete der Spezialist, „ein obszönes Wort: Amazonasexpedition.“ Was ist daran denn unanständig? Vielleicht, dass in der Region ein paar Millionen Menschen am Rande einer kilometerbreiten Dreckbrühe vegetieren und sich von Abfällen ernähren müssen, während die Industrie für Billigsteaks in den USA den Regenwald umklappt.

„Schauen Sie doch mal genau hin, was da steht: AmazonaSEXpedition! Der Sperrfilter reagiert auf Wortbestandteile. Ganz neue Programmiertechnik. Unintelligentes Design. Fuzzy Unlogic.“ „Wie kriegt man das wieder weg?“ Er druckste ein bisschen herum. „Gar nicht. Das ist ein Nachteil an diesem Sperrfilter. Was einmal installiert ist, das kann man nicht mehr rückgängig machen. Dazu kommt natürlich der zentrale Filterkern.“ Der was? „Der zentrale Filterkern. Die Sperrregeln sind nicht auf Ihrem Computer gespeichert, sondern in einer zentralen Datenbank. Was da drin ist, weiß allerdings kein Mensch. Man munkelt, die Programmierer wüssten es selbst nicht ganz genau.“

Ich tippte erneut. „Sie sind im Begriff, Inhalte zu suchen…“ Wie gehabt. „Sie können das Ding aber überlisten“, kicherte der Computermensch, „geben Sie einfach ‚Amazonas‘ und ‚Expedition‘ getrennt ein. Das überfordert das System.“ Ein paar nervige Tastendrücke später – ich musste noch kurz auf die Verfassung schwören, einige willkürlich ausgewählte Fragen aus dem Einbürgerungstest für hessische Untertanen beantworten und mich für ein Quiz registrieren, bei dem ich dreimal am Tag eine Risikobewertung meiner E-Mail-Kommunikation gewinnen konnte – befand ich mich in den Tropen. Herrlich. Die majestätische Stille wurde nicht länger durch das klöterige Organ der Netnanny zerfetzt. Auch das Amazonasbecken ließ sich nun leicht erkunden. Beim ersten Testlauf kündigte mir Miss Blockwart noch an, das Becken sei per se ein unstatthafter Körperteil, erst ab 18 freigegeben und selbst dann ausschließlich in Begleitung von Erziehungsberechtigen zu betreten – offenbar hatte die Warneule ihre anale Phase ohne erfolgreichen Abschluss verlassen – der zweite Durchlauf gab mir einen umfassenden Überblick von Peru bis zu den Gestaden des Atlantik. Ich war’s zufrieden und söhnte mich aus mit der besten Regierung, die man für Geld bekommen könnte.

Jetzt noch schnell die Sau rauslassen, dann war der Tag erledigt. Wie zuvor gab ich alles fein säuberlich getrennt ein und landete manch schönen Treffer, unbemerkt vom fest installierten Zuchwart, der fein die Schnauze hielt. STOP verkündete das Schild plötzlich. „Sie pädophile Drecksau!“ Unentwegt ätzte die Stimme. „Sie sind ein Pädokrimineller! Das wird Konsequenzen für Sie haben!“ Der Bildschirm war gefroren, die Kiste reagierte nicht mehr. Hektisch hackte ich auf der Tastatur herum. Noch immer fistelte mich der Lautsprecher an. In höchsten Tönen überschlug sich das Unterleibsfalsett. Ich zog den Netzstecker.

„Gut gemacht“, bestätigte der Profi am anderen Ende der Leitung, „wenn Sie ausschalten, können die Ihre Verbindung nicht mehr kappen und in die Datenbank eintragen. Aber sagen Sie mal, sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen?“ Verwirrt fragte ich, was ich denn falsch gemacht hätte. War ich am Ende zoophil und wusste es nur noch nicht? „Ich bitte Sie, wer gibt das in eine Suchmaschine ein? Sind Sie etwa lebensmüde? Schweine Bilder?“





Schutz-Haft

19 05 2009

Manche meinten, man könne auch zu weit gehen. Manche meinten, jetzt gehe sie endgültig zu weit. Die meisten hielten es für einen Aprilscherz. Nur wenige begriffen, was da geschah.

Als Ursula von der Leyen zu Beginn darauf hinwies, dass in der Mitte der Pressekonferenz die Besucher die Aufnahmegeräte auszuschalten hätten, waren noch alle verwirrt. Doch der tiefere Sinn der Präventivmaßnahme erschloss sich ihnen schnell. Vorsorglich hatte der Bundestag in erster Lesung ein Gesetz verabschiedet, das ihm aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht zur Lektüre vorgelegt worden war. Fatal, wäre hier pauschal der Eindruck entstanden, dass es Abgeordnete gäbe, die sich gegen Sperrungen sträuben wollten. Nun sollten zur Wahrung des gesunden Volksempfindens keinerlei Kinder mehr in den Medien gezeigt werden. Der Volksmund wisse, so die Bundesministerin, dass Gelegenheit Diebe mache. Vorsorge sei nun erste Bürgerpflicht, Kontrolle hin, Zensur her. Das Volk wisse nicht, was ihm zum Guten gereiche.

Das Nähere regelte, da stets zu Diensten, ein Bundesgesetz. Das Bundesministerium des Innern übernahm recht gerne die Verwaltungsarbeit.

Containerweise landete anderntags Papier auf dem Parkplatz des Bundeskriminalamts. Bürger mit gesetzestreuem Sinn hatten Versandhauskataloge gesammelt und abgegeben, in denen Kleinkinder, ja Babys in altersgerechter Wäsche abgebildet waren. Tausendfach stapelten sich Säuglinge im Strampler und kleine Mädchen in Schlüpfern vor der Behörde, ohne dass auch nur ein Befugter gewusst hätte, wie im Massenfall zu verfahren sei. Die Ministerin verbat sich etwaige Anfragen; die Durchführung sei ihr egal. Schwierigkeiten ergaben sich aus der Strafprozessordnung. Straffällig wurde schon, wer die inkriminierten Materialien in Augenschein zu nehmen geeignet war – das BKA rotierte.

Irritationen erregte der medienwirksame Jubel des Zuckerproduktmarketingkonzerns Ferrero, der zwar der hessischen CDU eine Kleinigkeit wegen Steuerhinterziehung verdankte, für den Kinder-Begriff aber seine besten Anwälte aus dem Käfig ließ. Kinder-Gärten, Kinder-Spielplätze, Kinder-Tagesstätten waren noch immer im öffentlichen Bewusstsein verankert. Die Allianz war schnell geschlossen. Mit freundlicher Unterstützung von Nuss-Nougat-Creme, Milchschaumschnitten und diversen Schokoladenriegeln jagte die Regierung nun auch in den Werbepausen zur besten Sendezeit potenzielle Verbrecher – griffig gestaltete Spots trichterten der Fernsehnation ein, dass Kinder in bunter Plastikfolie statthaft, ansonsten aber pfui seien. Der Umsatz stieg.

Andernorts trat er auf der Stelle. Dienstbeflissen filzten die Kohorten das Sortiment auf Kindersitze, Kinderwagen, Kinderbetten. Stoppschilder klebten an Schaufenstern. Auf blutrotem Grund bohrte sich die Warnung Kauft nicht beim Pädophilen in die Augen. Das Volk war verstört. Die Ministerin frohlockte.

Schon waren die Konzerne zur Verschleierung übergegangen; ein ausrangierter Stasi-Offizier mit langjähriger Erfahrung an DDR-Sprachschatz bot seine Dienste den Unternehmen an und trug viel dazu bei, Begriffe wie Nachwuchssitzelement oder Minderjährigenzahnpflegegerät zu etablieren.

Schäubles Schutztruppe zerrte den Praktikanten aus dem Bett. Er hatte auf Geheiß seines Ausbilders den Titel einer auflagenstarken Illustrierten in Druck gegeben, ohne zuvor auf das Layout geblickt zu haben. Der Druckfehlerteufel hatte sein perfides Spiel mit den Gänsefüßchen getrieben. Anstatt des politisch korrekten „Kinder“-Schutz stand hier Kinder-„Schutz“. Obzwar sich der Haftrichter die Lippen fusselig redete, der Jugendliche wurde in Gewahrsam genommen.

Die Aufbruchsstimmung im Lande zeitigte schöne Folgen. Die Jugend war weg von der Straße. Musste sie ehedem noch Asylanten-, so konnte sie jetzt Kinderheime in Brand stecken, Kindergärten, Kinderkliniken, Kinderhorte, Kinderkrippen. Die Opfer wurden immer jünger und die Bilder immer brutaler. Die Bundesministerin zeigte sich zufrieden und beschied, wer das garstige Wort unverhohlen benutze, müsse eben mit Konsequenzen rechnen.

Der Kinderschutzbund wehrte sich gegen seine staatlich betriebene Zwangsumbenennung. Allein das half nichts; hatte man bei Kinderkrankheiten schon kein Pardon gegeben, so musste auch dieser Begriff aus dem Bewusstsein getilgt werden. Schon wurde bekannt, dass ein bekannter Liedermacher in der adventlichen Singestunde von der Bühne weg verhaftet worden war. Als strafverschärfendes Moment wies die öffentliche Vorverurteilung auf die Verwendung des Diminutivs in Ihr Kinderlein kommet hin, die an Perfidität kaum zu überbieten sei, noch dazu in einer KiTa.

Die Bundesministerin war der irrigen Meinung gewesen, über den Dingen zu stehen und also auch über dem Gesetz. Doch das nützte ihr wenig. Ohne zu zögern erhob der Staatsanwalt Anklage. Es galt, höhere Interessen zu vertreten. Sie hatte sich bei einem ihrer zahlreichen Pressetermine ablichten lassen und prompt eine Strafanzeige kassiert, nicht ganz zu Unrecht, wie konservative Kreise äußerten. Wer fährt auch heute noch mit einem Zweitwagen durch die Gegend, auf dessen Heck der sattsam bekannte Aufkleber Ein Herz für Kinder prangt.





Messer, Gabel, Schere, Licht

11 05 2009

Die innere Sicherheit war wieder einmal in Gefahr. So sehr, dass die Experten regelrecht von einer Verschärfung sprachen. Millionen unbelasteter Bürger, die sich bisher nichts hatten zu Schulden kommen lassen, galt es zu schützen. Sie grübelten. Die Erleuchtung ließ auf sich warten. Wolfgang Bosbach schaffte den entscheidenden Durchbruch. In einer flammenden Rede forderte er Kontrolle und unbarmherziges Durchgreifen. Man dürfe, so der gelernte Einzelhandelskaufmann, das Land der Biedermänner nicht den Brandstiftern überlassen.

Eine Großrazzia in den Niederlassungen einer Kaufhauskette brachte es ans Licht: Essbesteck war frei erhältlich. Fischmesser, Kuchengabeln, sogar Gartenscheren waren vereinzelt an Minderjährige abgegeben worden. Etliche verdachtsunabhängige Hausdurchsuchungen brachten das ganze Ausmaß des Unheils zum Tragen. Die Haushalte verfügten bereits flächendeckend über stehende und Klappmesser. Taschenmesser, Teppichmesser, Tranchier- und Tomaten- und Brotmesser, Obst- und Käsemesser landeten containerweise in den Asservatenkammern des Bundeskriminalamts. Die Öffentlichkeit in Gestalt von Christian Pfeiffer zeigte sich entsetzt, aber zuversichtlich. Schlüssig wies er nach, dass nur die sittliche Verrohung durch Killerspiele oder Paintball so weit geführt habe; nähme man dem mündigen Bürger alles, was man als Mordwerkzeuge zweckentfremden könne, verböte man ihm jegliches Tötungstraining, so sei das irdische Friedensreich zum Greifen nahe.

Ein Sturm der Entrüstung brach los. Mit Feuer und Schwert kämpften Einzelhandel, Gastronomie und Handwerk gegen die Schneidwaffenkontrolle. Solingen wurde rasch zum Zentrum des nationalen Widerstandes. Doch Bosbach postulierte die Schere im Kopf. Eine Waffe sei nicht per se gefährlich, urteilte der Vize, sie werde erst durch den Gebrauch überhaupt zur Waffe. Da man aber jedes Messer als Waffe missbrauchen könne, so schloss Bosbach locker aus der Hüfte, sei auch jedes Messer ein Mordinstrument. Die Anschläge des 11. September hätten dies hinlänglich bewiesen.

Die Nation schrie auf, als bekannt wurde, dass ein Sondereinsatzkommando im Odenwald quasi in letzter Sekunde eine Katastrophe verhindert hatte. Unweit des Götzenstein hatte ein Laternenumzug der örtlichen Kinderspielschar stattgefunden. Nur mit scharfer Munition war der Brandgefahr zu begegnen gewesen. Die Einsatzkräfte hatten alle Hände voll zu tun. Zwei Dutzend Halbwüchsige mussten unschädlich gemacht werden, was die tapferen Wächter teils durch Kopf-, teils durch Bauchschüsse erledigten. Dabei kamen ihnen die Mitglieder eines Schützenvereins zu Hilfe, die in uneigennütziger Nächstenliebe den Finger am Abzug hatten und ganze Magazine in die jungen Terrorverdächtigen entleerten. Ihren Dienst für Volk und Vaterland belohnte das Bundesministerium des Innern mit Verdienstkreuzen. Buntmetall gab es seit der großen Rückgabeaktion Messer zu Pflugscharen wieder genug in Deutschland.

Weniger Glück hatte der Notarzt, der versucht hatte, eines der angeschossenen Kinder durch einen Luftröhrenschnitt zu retten. Die Operation misslang und der Mediziner fand sich auf der Anklagebank wieder. Ein Notarzt, befand das Gericht, müsse auch dann seiner Pflicht nachkommen, wenn er auf Grund übergesetzlichen Notstandes nicht mehr zum Mitführen eines Skalpells berechtigt sei.

Die Einführung des bundesweiten Zündholz-Zentralregisters geriet ins Stocken. Man hatte eine EU-Richtlinie übersehen und wusste nicht, was als Zündholz zu definieren war.

Es ging in den Abendnachrichten unter, wie Ursula von der Leyen plädierte, Bastelscheren zu verbieten. Die Meldungen des Tages wurden von der Schreckensnachricht aus Baden-Württemberg dominiert, wo ein Vater dem Treiben seiner beiden Sprösslinge tatenlos zugesehen hatte: die Kinder hatten Räuber und Gendarm gespielt, noch dazu mit einem Plastikschwert, das vom Karnevalskostüm des Delinquenten stammte, der als Ritter Kunibert den Preis des Festkomitees für die beste Larve erhalten hatte. Bosbach hatte den Finger am Abzug. Er forderte vehement ein Darstellungsverbot von Waffen in den Medien. Die Medien waren strikt dagegen; BILD war als erste dabei.

Ein heftiger Streit belastete das Kabinettsklima. Franz Josef Jung erlitt einen Wutanfall, als er die Truppe bei einer NATO-Übung lustlos Manöver-Munition verballern sah. Dass Lagerfeuer verboten waren, hatten die Bürger in Uniform hingenommen. Dass sie jedoch den Inhalt ihres Essgeschirrs nur noch mit den Fingern schöpfen durften, senkte ihre Kampfmoral erheblich. Schon stichelte man auf internationaler Ebene, Deutschland habe den Löffel abgegeben. Der Stellvertreter fuhr dagegen schwere Geschütze auf. Seine Fraktion sehe die Bundeswehr nach wie vor als Friedensarmee.

Er kam schneller zu Fall, als er dachte. Hatte Bosbach noch vormittags vor dem Plenum mächtig Pulver verschossen, um Feuerzeuge in Form von Pistolenattrappen als völlig harmloses Spielwerk für ältere Herren zu bezeichnen – als Schusswaffe seien sie nicht zu gebrauchen, auf Grund ihrer äußeren Gestalt jedoch wie Feuerwaffen straffrei zu besitzen – so fiel er schon Stunden später ins Schneidwerk der Justiz. Der Ordnungsdienst hatte ihn auf der Reichstagstoilette ertappt. Der Westfale versuchte, sich mit einer Nagelschere heimlich einen Apfel zu schälen. Aller Ämter sollte er enthoben, aller Ehren ledig sein. Doch es kam gar nicht erst dazu. Er gab sich die Kugel.





Tiefergelegt

30 04 2009

„Guten Morgen! Behalten Sie ruhig Platz. Auch einen Kaffee? Ja, dann zwei Kaffee, danke. Ich will nur eben Ihre Bewerbungsmappe vom Schreibtisch holen, dann können wir auch schon beginnen.

Sie wollen sich also als neue PR-Managerin bei der Schräuble & Co. Tuning GmbH bewerben. Wollen mal sehen. Große Familie? Ja, da hat man natürlich immer ein schwarzes Schaf dazwischen, aber solange man selbst nicht… Ich sage ja immer: wenn man noch nicht im Knast gesessen hat, kann man die größten Schweinereien machen, hahaha! Eben, geht mir auch so. Man nimmt doch immer die eine oder andere Anregung aus dem Elternhaus mit, ob man’s will oder nicht. Mein Vater war ja auch schon völlig versessen auf Fahrzeuge, ich habe das Benzin quasi mit der Muttermilch in mich eingesogen. Wissen Sie, was mein Vater damals immer gesagt hat? ‚Tieferlegen ist keine Frage der Moral.‘ Das hat mein Vater immer gesagt, und er hat doch Recht? Eben, sehen Sie!

Wir arbeiten an einem völlig neuen Konzept. Früher, da konnte man eben dem normalen Fahrer noch Stoßdämpfer in die Hand drücken, da ruckelte es nicht ganz so arg auf dem beschissenen Pflaster, und für den Rest hat sich keiner interessiert. Heute geht’s anders zu. Stoßdämpfer? zur Werterhaltung des Fahrzeugs Stoßdämpfer verkaufen? damit man recht lange Freude an seinem Automobil hat? Gott bewahre, in welchem Jahrhundert leben Sie denn? Es geht hier nicht um rationale Argumentation, was denken denn Sie? Wie bitte, Vernunft? Logik, verstandesmäßig nachvollziehbare Entscheidungen auf Mehrheitsbasis? Wollen Sie mich veralbern? Hier geht es um Tuning! Einen Spoiler verkaufen Sie nicht mit Vernunft! Je durchgeknallter die Leute sind, desto mehr Spoiler setzen wir ab! Rausch, Hysterie, das sind unsere Marketingbegriffe. Hier zählen keine Tatsachen, hier zählt, was wir wollen: den Konsumenten kontrollieren, schikanieren, terrorisieren. Ja, terrorisieren, drücke ich mich etwa undeutlich aus? Was sonst macht man denn im Konsumterror, um Machtansprüche durchzusetzen? Eben! Zimperlich sind die anderen.

Wir kriminalisieren passende Marktsegmente. Ob das geht? Ja sicher, sonst würden wir es doch nicht machen. Wir stellen jeden Tag eine neue Liste mit verbotenen Zubehörteilen auf, mit dem Zubehör der Konkurrenz. Börsenkurse? Viel zu anstrengend. Das wird ausgewürfelt. Wer sich mit der falschen Frontschürze erwischen lässt oder mit Rallye-Scheinwerfern, die uns gerade nicht in den Kram passen, hat halt Pech gehabt. Die Autobahntruppen holen die Leute aus dem Wagen heraus, dann wird ein bisschen geprügelt, die Karre geht in Flammen auf, und die Fronten sind geklärt.

Jetzt hören Sie mal gut zu. Macht und Gewalt, genauer: Machtanspruch und Gewaltausübung sind zwei Seiten derselben schmutzigen Medaille. Die Wirtschaftsgeschichte fragt nicht nach den Opfern, das sind bedauerliche Einzelschicksale, die mir bitte nicht auf den Sack gehen. Wir operieren rein erfolgsorientiert und ohne Ansehen der Faktenlage, der Rest ist mir persönlich übrigens gleichgültig.

Wozu? Damit die Kunden ausschließlich das tun, was wir ihnen befehlen: unsere Produkte kaufen. Alles andere hat keinen Platz mehr auf dem freien Markt. Bedaure, so funktioniert eben asoziale Marktwirtschaft. Ich kann’s ja nicht ändern.

Unsere eigenen Produkte vom Markt nehmen? Einmal bisher. Ein Zulieferer wurde von einem jüdischen Produzenten übernommen, da mussten wir auch die eigenen Kunden bestrafen. Ich weiß nicht, wie es ausgegangen ist, interessiert mich auch nicht großartig. Sind doch nur Kunden.

Automechaniker? Karosseriebauer? Sie wissen, dass bei den vielen Kunden, die es gibt, rund 80 Prozent die ganz normalen Kraftfahrer sind. Und jeder kann eigentlich sich selber fragen, wen kenne ich, der die inoffizielle Konsumterrorregelung aktiv umgehen kann. Die müssen schon deutlich versierter sein. Das sind die 20 Prozent. Die sind zum Teil schwer Kriminelle. Die bewegen sich auf ganz anderen Straßen. Die sind versierte Fahrer, natürlich auch geschult im Laufe der Jahre in diesem widerwärtigen Geschäft.

Natürlich nicht an Polizeiwagen, ich bitte Sie! Mal muss ja auch Schluss sein. Also nichts gegen die Polizei – nützliche Idioten halt, billig zu haben – aber irgendwo ist eine natürliche Grenze. Ob die mit aufgemotzter Karosserie aus Behördeneigenbau durch die Gegend kacheln oder sich einen Turbo mit Lachgaseinspritzung in den Streifenwagen montieren, das ist mir schnurzpiepenegal. Können die auch gerne alles selbst aufbohren, kümmert mich rein gar nicht. Auch nicht, wenn es gegen die Straßenverkehrszulassungsordnung verstößt. Ich bin ja nicht der Justizminister. Und was ich nicht weiß, muss mich ja auch nicht heiß machen, habe ich Recht? Na also. Ich sehe, wir verstehen uns.

Diejenigen, die sich strafbar machen, also das aktive Anbauen von Teilen, das merken Sie, wenn jemand immer wieder versucht, die einschlägigen Fachhändler aufsucht für Tuningteile, und natürlich der Besitz, der Vertrieb, der Erwerb dieser Teile, da machen sie sich strafbar. Das ist unsere Philosophie. Begreifen Sie es jetzt?

Machen wir mal einen Praxistest, damit ich sehe, ob Sie sich auch in der Mitarbeiterführung zurechtfinden. Wir haben zu viele Mitarbeiter, die Dividende rächt sich. Die müssen weg. Die stehen aber an den Stanzmaschinen. Wie kriegen Sie die so raus, dass sie erledigt sind? Na? Sie stellen Stoppschilder an den Maschinen auf und bestrafen die Leute, die gemäß Arbeitsvertrag immer noch weiter Teile stanzen? und wer entlassen wird, bestimmt die Geschäftsführung je nach Lust und Laune? Und am Wochenende kann man jeden feuern, weil er weder nachweisen kann, dass er am Montag wiederkommen, noch, dass er der Arbeit fernbleiben wollte? Ich sehe, wir beide ziehen an einem Strang! Herzlich willkommen bei der Schräuble & Co. Tuning GmbH! Ah, da ist ja endlich der Kaffee. Darf ich vorstellen? Unsere neue PR-Kraft, Frau von der Leyen.“