Putz-Hilfe

16 10 2014

„Immer muss sie heiraten!“ Anne war außer sich vor Zorn. „Ich war seit drei Wochen kaum zu Hause und es sieht aus, als hätte ich die Fenster nicht geputzt und…“ „Du hast die Fenster nicht geputzt“, korrigierte ich sie, „was übrigens daran liegen könnte, dass Du drei Wochen lang nicht zu Hause gewesen bist.“ Anne knirschte mit den Zähnen. Sie hatte ihre Wohnung nicht mehr im Griff, und es war ausnahmsweise einmal nicht meine Schuld.

Sofia Asgatowna, ihre langjährige Perle, hatte sich just wieder verehelicht – die Eheschließungen kamen so plötzlich und unerwartet wie andernorts die Lottogewinne, nur das Glück kam seltener – und fiel bestimmt für ein halbes Jahr aus. „Ein Heizdeckenverkäufer“, informierte sie mich. „Diesmal ist es die große Liebe, wie schon bei dem polnischen Kellner und dem Gewichtheber aus Tirol.“ Die Perle war sprunghaft, grundehrlich und doch anstrengend, aber glücklicherweise nicht für mich, denn ich kannte sie nur vom Sehen. „Ich brauche eine neue Putzfrau, für mindestens drei Monate. Und sie sollte sofort verfügbar sein.“ „Lass mich machen“, beruhigte ich sie. „Morgen ist die Anzeige geschaltet.“

Die Dame war pünktlich. Zumindest war sie noch am Mittwoch erschienen, auch noch am Vormittag, wenn man die späte Teestunde als verlängerte Mittagszeit gelten lassen wollte. „Ist dunkel hier“, mokierte sie sich. „Bei so wenig Licht, wer soll hier putzen?“ Sie hatte ja recht, und dass sie so spät kam, lag sicher auch nur am Feierabendverkehr. „Erst neue Glühbirnen“, befand sie. „Wenn nicht genug Licht, wer soll putzen?“ Sie natürlich, aber so deutlich wollte ich das nicht sagen. Außerdem, wozu sollte sich die ganze Raumpflege lohnen? Bei mangelhafter Beleuchtung würde nie jemand einen Blick in die Ecken werden.

„Steckdosen“, fragte die angehende Pflegekraft. „Wo sind Steckdosen?“ „Hier und da“, beeilte sich Anne. Die Aufwärterin winkte ab. „Zu kurz.“ Ich verstand nicht. „Schnur zu kurz, wenn Staubsauger richtig arbeitet, braucht lange Schnur.“ „Sie können es ja ausprobieren “, erwiderte Anne angesäuert. „Meine Staubsaugerschnur reicht normalerweise von hier aus bis ins Schlafzimmer.“ Doch hier prallte die Bewerberin zurück. „Wie, Sie saugen?“ Angewidert hob sie die Hände vors Gesicht. „Geht gar nicht! Ein Haushalt wird nur von der Putzfrau geputzt, und basta! Wer sich einmischt in meine Putzarbeit, ist gefeuert!“ Ich glaubte, mich verhört zu haben, doch sie stampfte energisch mit dem Fuß auf die Dielenbretter. „Gefeuert, jawohl! In meinem Haushalt dulde ich keine Einmischung! Basta!“

„Wenigstens hat sie klare Vorstellungen“, flüsterte Anne. „Allerdings“, raunte ich zurück, „würde ich gerne ein paar Referenzen sehen. Ich wüsste gerne, wer sich diese klaren Vorstellungen bisher hat gefallen lassen.“

Das Arbeitszimmer traf offenbar nicht ihren Geschmack. „Rollen“, mäkelte sie. „Stuhl muss Rollen haben!“ Bevor Anne auch nur nachfragen konnte, schrammte sie den Sessel an der Lehne über das Parkett. „Ich kann doch nicht ständig den Stuhl durchs ganze Zimmer tragen, wenn ich sauge! Der Stuhl muss Rollen haben, sonst können Sie hier alleine fegen!“ Anne war sprachlos, was selten vorkam, doch was noch seltener vorkam: mir fiel auch nichts mehr ein. „Ich lasse Ihnen eine Übergangsfrist von vier Wochen“, verkündete die Raumpflegerin gnädig, „bis dahin haben Sie sicher einen schönen Bürostuhl gefunden. Und bitte keine Kunststoffrahmen, die ziehen den Schmutz ja an. Metall bitte, und nicht schwarz beschichtet. Die muss ich sonst mit Spezialreiniger abwischen, und den zahlen Sie bestimmt nicht, oder Sie regen sich hinterher wieder künstlich auf, dass ich den Preis nicht halten kann, und dann erzählen Sie überall herum, dass ich zu teuer bin, und wenn Sie deshalb Flecke auf Ihrem Bürostuhl haben oder Kratzspuren im Lack, dann bin wieder ich schuld, das kennt man schon. Also was jetzt?“

Die Steckdosen im Schlafzimmer waren erstaunlicherweise okay, nur waren die Steckdosen in der Einzahl und diese befand sich neben der Tür. „Was soll das werden“, kreischte sie theatralisch, „saugen Sie denn nie hier? Staubsauger braucht immer kurze Schnur, immer, sonst muss ich doch ständig das Kabel aufwickeln.“ „Außer einem Bett und einem Wandschrank befindet sich hier aber nichts“, knurrte ich, „und die Steckdose ist direkt neben der Tür, also was jetzt?“ Sie stemmte entrüstet die Hände in die Hüften. „Und das Zimmer ist so groß, so viel Platz, warum räumen Sie nicht die restlichen Möbel hier ein, statt die ganze Wohnung so vollzustellen!?“

Anne schnappte bereits nach Luft. „Ich platze gleich“, wimmerte sie. „Aber was soll ich denn machen? Man kriegt doch in der ganzen Stadt keine Putzfrauen mehr, und ich kann ja schlecht auf Sofia Asgatowna warten.“ „Dann reden wir mal vom Preis“, wandte ich mich an die Ambientefachkraft, „was schwebte Ihnen denn so vor?“ Sie rümpfte die Nase. „Beim Geld lasse ich ja noch mit mir reden, aber ich arbeite doch nicht überall. Hier ist es viel zu dreckig!“ Meine Faust musste sich irgendwie in ihrem Kragen verheddert haben. „Putz“, zischte ich, „sonst frage ich Dich nach der Lohnsteuerkarte!“

Übrigens war Sofia Asgatowna nach zwei Wochen zurück. Die Hochzeitsreise war ein Fiasko gewesen. Vermutlich lag es an den Steckdosen.