Gernulf Olzheimer kommentiert (DCLXCV): Die deutsche Debatte

5 01 2024
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Obacht! Irgendwo in der dafür gehaltenen Mitte und damit allem im Weg hocken Jammerlappen, die ihren eigenen Nabel auspopeln, Wehgeschrei von sich geben und genau wissen, warum: weil sie es können. Es sind Deutsche, deutsche Deutsche gar, aggressiv auf Herkunft erpicht, dass sie am liebsten alles anzünden würden, das anders ist, und was dies Andere ist, bestimmen sie gerne, wenn sie es schon angezündet haben. Dann aber müssen sie wieder ihr schreckliches Schicksal beklagen, dass jeder sie für dumpfe Feuchtbeutel hält, in Wirklichkeit aber für ihre Deutschheit beneidet, auch so sein will und folgerichtig das Deutsche zerstört. Nebenbei zündet einer von ihnen das an, was sowieso den Deutschen gehört, weimert noch ein bisschen darob herum, und schon haben wir die Debatte, die sich um alles dreht, vor allem aber nicht um den Gegenstand.

Denn wenn einen so gar nichts interessiert außer der eigenen Befindlichkeit, dann sind wir im Land der Richter und Henker, das zunächst sich selbst im Lichte aller möglichen Dinge betrachten und also in den Vordergrund rücken muss. Geht auf der Erde ein Komet nieder, fragt der Teutone zuerst, ob die Wirtschaft davon zurückgeworfen wird; ob nicht fremdländische Feindmächte begünstigt und ein paar Jahrtausende eher wieder aufgebaut würden; ob man nicht angesichts der ausweglosen Lage alle Bettler an die Wand stellen sollte, da sie schließlich nichts täten, um die Gefahr vom Volk abzuwenden. Nicht auszudenken, wüsste ein Ingenieur, durch widrige Umstände zum Betteln gezwungen, einen Ausweg aus der Katastrophe – es wäre unter der Würde der Deutschen, denn nur um die geht es.

Auch sonst ist der Piefke froh, für jede Lösung ein eigenes Problem aus dem Ärmel zu ziehen, das sich nirgends so bewährt wie in der Heimat. Paris verbannt die Autofahrer? Schweinebande, da fliegt er nie wieder hin! In den Niederlanden baut man ganze Städte für den Radverkehr um? Die arme Krankenschwester im Schichtdienst kann nie mehr ihre Waschmaschine zur Reparatur mitnehmen! In Asien werden Radwege mit Solarzellen überdacht, die Fassaden der Wohntürme begrünt und Tausende von Schienenkilometern pro Jahr gebaut? Das geht nur, weil der Chinese so klein ist! So kurzsichtig, wie sein Blick am eigenen Tellerrand hängen bleibt, bevor er irgendeine Landesgrenze überquert, ist der deutsche Politiker, ein weltfremder Honk, der plärrend in einer ausrangierten Telefonzelle hockt, die Scheiben von innen anspeit und bis zum letzten Atemzug seine Leitkultur verteidigt.

Alles das will der Germane nicht, wollte er noch nie, wird er auch weiterhin nie wollen, und zwar auch dann nicht, wenn alle es tun, eben weil es dann ja schon alle tun – und das war des Deutschen Ding noch nie. Denn was in anderen Ländern funktioniert, kann nicht sein. Daraus schwiemelt sich der Volksgenosse flugs ein passendes Axiom zurecht, und schon ist die Welt wieder einfach. Das Einfache aber, das der Konservativismus verspricht, ist vielmehr noch in der Zeit seine Sehnsucht nach der eigenen Kindheit. Der Deutsche hat Angst vor der Komplexität, weil er heute erwachsen ist und niemanden mehr hat, der ihm die Realität aus dem Weg schafft. Und so trotzt er allen Widerständen, indem er sie tapfer ignoriert. Treibhausgase und Kinderarbeit, Imperialismus, Fachkräftemangel, das alles mögen Probleme sein, aber nicht hier, nicht heute – das ist nicht unser Deutschland, in dem wir gut und gerne leben wollen wie in der imaginierten guten, alten Zeit. Damals gab es kaum Kanalisation und keine Mobiltelefone, aber man durfte die Gattin noch straffrei vergewaltigen.

Die deutsche Debatte dominiert der sklerotische Dumpfschädel, hat er keinen Plan, erfindet er eine neue Vergangenheit und verbietet flugs, was uns zu einer ungewissen Zukunft verdammen könnte. Ein konkretes Beispiel ist nicht notwendig. Populisten kämpfen am liebsten gegen Windmühlen, die nicht mit Inhalten von den Scheinproblemen ablenken. Wird die Bratwurst verboten? Können andere etwa noch besser Antisemitismus als wir? Erwirbt sich die Bundesrepublik einen angemessenen Ruf als Heimstatt der Arschgeigen, wenn sie Fachkräfte anwirbt, während dringend benötigte Spezialisten wegen falscher Staatsangehörigkeit abgeschoben werden? Sind wir am Ende gar nicht das Land der Opfer, das immer wieder aufs Kreuz gelegt wird, bis wir es als Abschreckungsattrappe an jede öffentlich-rechtliche Klowand nageln, damit man uns in der Kleinstaaterei auf Weltniveau abnimmt, dass wir tatsächlich Sehnsuchtsziel aller Menschen sind, die mal ordentlich aufs Maul kriegen wollen?

Wir aber wollen Opfer sein, und nichts ist da schwerer erträglich als diese nicht auszurottende Wirklichkeit, in der durch uns und unsere Vorväter andere Opfer waren. Die stetige Unschuld hält nicht bis zum Schlussstrich, und so hasst der deutsche Deutsche nichts so wie die anderen. Wir könnten ein modernes, weltoffenes Land sein, aber dann wären wir wie die, die wir hassen: der Grund dafür, dass wir dieses Geschmeiß an Politikern an die Spitze hieven, das uns zuverlässig in den Untergang führt und dem Bratwurstverbot die Schuld gibt. Ja, das tut gut. Wenn auch nicht so gut wie Krieg.


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5 01 2024
Umleitung: Bauernproteste, Angriff auf Habeck, Umsturzfantasien, Subventionen, Agrarlobby, Klima & Landwirtschaft plus weltoffenes Thüringen und eine deutsche Debatte (Satire). – zoom

[…] Die deutsche Debatte (Satire): Obacht! Irgendwo in der dafür gehaltenen Mitte und damit allem im Weg hocken Jammerlappen, die ihren eigenen Nabel auspopeln, Wehgeschrei von sich geben und genau wissen, warum: weil sie es können. Es sind Deutsche, deutsche Deutsche gar, aggressiv auf Herkunft erpicht, dass sie am liebsten alles anzünden würden, das anders ist, und was dies Andere ist, bestimmen sie gerne, wenn sie es schon angezündet haben … zynaesthesie […]

5 01 2024
Umleitung: Bauernproteste, Angriff auf Habeck, Umsturzfantasien, Subventionen, Agrarlobby, Klima & Landwirtschaft plus weltoffenes Thüringen sowie eine deutsche Debatte (Satire). – zoom

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5 01 2024
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