Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Was auch immer man dem Hominiden an geistigen Errungenschaften nachsagt, er ist vor allem visuell an der Welt interessiert – Sehen, noch viel mehr: gesehen werden ist sein Zugang zu den Dingen an sich. So nimmt er Kontakt auf zu den Elementen, kaut die ersten Pflanzenteile, fügt die Reste zum Dach gegen Sonne und Regen, bis er mit der Fauna Bekanntschaft schließt, deren stetige Zuhandenheit ihm Nutzen und Freude schenkt und nicht selten den Fehlschluss fördert, er sei etwas Besonderes, dürfe sich das oxidierende Gewimmel untertan machen und es nach Lust und Laune dem kindischen Willen unterwerfen. Was für ein Unfug. Allein die Unterscheidung in Kuschel- und Brattier, die kulturabhängig oder nach wirtschaftlicher Lage nicht ohne irritierende Überschneidung auskommt, zeigt vor allem die Sicht auf die Natur, die uns nie ohne Nutzen erscheint, beim Tier meist in Gestalt von Eigennutz. Und so treibt der Knalldepp mit der Kreatur allerhand Allotria bis hin zur Qualzucht.
Die Domestizierung des Hundes zum Gefährten für die Jagd, Wächter für Haus und Hof und Hüter der Schafe, die Akzeptanz der Katze, die als Fänger im Korn lästige Nager wegnascht, ab und zu den plump stiefelnden Zweibeinern eine Berührung zu gestatten, waren für das Überleben der sesshaften Gesellschaften durchaus eine Bereicherung, die schließlich das Bedürfnis des gemeinen Honks nach Flausch und Anhänglichkeit weckten. Gepaart mit dem Experimentierdrang der sich immer weiter differenzierenden Gemeinschaft schufen Kalkhirne nicht nur den Kurzbeinhund, der sich besser in den Dachsbau graben konnte, oder den Sportheckkläffer mit Hüftgelenksdysplasie, den Mops, der ohne Nase auskommt und trotzdem kaum atmen kann, sowie die Deutsche Dogge, deren Größe jede Herzleistung überfordert, während eine labile Magenaufhängung dem Tier eine nicht behebbare Organverschlingung beschert, an der es unter bestialischen Schmerzen verendet. Auch Nacktmodelle schwiemelt sich der Tierfreund in der genetischen Bastelstunde für Katz und Hund zusammen, frierend und von aufreizender Hässlichkeit, aber eben so exklusiv, dass sie nur als bizarres Konsumgut in entsprechend mondäner Kulisse repräsentieren dürfen. Der Objektcharakter des Tiers, wiewohl es rechtlich nicht als Sache gilt, schwillt zum designorientierten Markenprodukt für den, der sich derlei Selbstsucht leisten will. Auf der Strecke bleibt regelmäßig die Lebensqualität, ja die reine Lebensfähigkeit des Tiers, das unter seinen Hautfalten Entzündungen bildet, nur unter Schmerz noch laufen kann, blind wird, keine Regelung der Körpertemperatur hat, im verfilzten Fell Parasiten anzieht oder in einem auf das Habitat Handtasche miniaturisierten Körper keinen Platz mehr für die inneren Organe hat. Die dem Konsumentenwunsch entsprechende Selektion produziert Ungeheuer an der einen Seite der Leine, an der anderen Leid.
Das Besitzverhältnis von Mensch zu Tier ist auch entgegen dem Rechtsstand immer noch eines von Sachen, die man benutzt und ausbeutet, bewertet, verarbeitet und entsorgt, und so ist es ein Fehlschluss, stylische Missbildungen allein bei den Schoßtierchen als Ausdruck humanoider Hybris zu betrachten, die mit Akribie erwünschte Farben und Formen für Modeaccessoires mendelt. Auch das eigentliche Nutztier wurde deformiert, um eine auf Wachstum und Effizienz getrimmte Wirtschaft zu schaffen. Die moderne Hochleistungskuh leidet an chronischen Schleimhautreizungen, die das tägliche Abpumpen von Eutersekret verursacht, während sie dauerträchtig im Hormonkarneval durchgeschaukelt wird. Die durchschnittliche Legehenne, die für ihre Größe viel zu oft viel zu große Eier aus dem Körper quetscht, bricht sich immer wieder das Becken, von physischer und psychischer Verwahrlosung in der Massenhaltung einmal abgesehen. Das Wollschaf, niedlich in Watteweiß zurechtgekreuzt, wird nur geschoren, weil seine enorme Fellmenge dem Tier das Atmen unter der eigenen Masse erschwert, was bei versehentlichem Hinlegen auf der Weide schon zum walähnlichen Tod durch Druck auf die Aorta führt, während Fliegenmaden sich gut geschützt in feuchten Hautfalten einnisten, juckende, nässende und blutende Ekzeme hervorrufen und schließlich maligne Tumore begünstigen. Nur das Schwein mit den zusätzlichen Schnitzelrippen haben alle lieb, auch wenn es weniger leckeren Speck unter der Haut hat, und dass der Schädel mit der kürzeren Schnauze und der aufgequollenen Stirn den Zähnen einen Überbiss erzeugt, die dem Tier das Fressen erschwert, das stört ja den Wurstliebhaber nicht.
Rückzüchten, fordert der Hohlschwätzer – dann hat der Dackel wieder lange Beine, der gefleckte Dalmatiner ist nicht mehr so oft taub wie andere Tiere mit künstlich weißer Fellzeichnung, aber wer die Funktion regulatorischer Moleküle kapiert, die nicht einfach einzelne Erscheinungsformen und Veranlagungen an- und ausknipsen, wie sich das der Querkämmer in seinem mechanistischen Weltbild so vorstellt, wird die Aussichtslosigkeit einsehen. Wir könnten auch durch Selektion überflüssigen Firlefanz aus dem Genpool kippen. Der Mensch, der sich dies alles aus der Rübe gekloppt hat, wäre dafür ein ganz heißer Kandidat.
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