Regelbetrieb

25 04 2024

„Ungefähr hundertdreißig Euro, vielleicht auch hundertfünfzig, das sind Tagespreise. Pro hundert Gramm selbstverständlich, wir berechnen ja alles ein, auch die Umweltkosten und das, was so eine Aufzucht in der Zukunft für klimatische Schäden anrichten wird, egal, ob wir da jetzt das Theater mit jungen Bäumchen aufführen, die erst in fünfhundert Jahren die Emissionsbilanz ausgleichen, die Sie mit Ihrer Schnitzelgier schädigen müssen.

Was jammern Sie mich denn jetzt voll, haben Sie die Preis am Eingang nicht gesehen? Hier wird brutto gezahlt, das ganze Schwein, alle Kosten, die sonst durch Subventionen abgebildet werden, und dann auch zu Preisen, zu denen Bio-Bauern, die so wahrscheinlich nur in Ihrer Fantasie existieren, ihre Kosten wieder reinholen können. Das macht dann für ein Schnitzel knapp dreihundert Euro. Wenn Sie das im Supermarkt für unter fünf Euro kriegen, ist das ein Problem, aber nicht meins. Sie müssen sich halt entscheiden, ob Sie denselben Dreck fressen wollen, den die Schweine kriegen.

Wir haben doch wirklich alles versucht. Die Tierwohlabgabe war Mist, höhere Mehrwertsteuer hat’s auch nicht mehr rausgerissen, die meisten EU-Subventionen, die uns ja angeblich vor dem Hunger retten würden, gehen in die Massentierhaltung, die internationalen Agrarkonzernen nützt. Also nur den Vorständen, nicht denen, die Schlachtvieh züchten und von den Erlösen gerade mal eben die Kosten stemmen können. Auf der anderen Seite will die Politik ja die Fleischpreise selbst nicht künstlich niedrig halten, sonst könnte sich jeder Arbeitslose seinen Sonntagsbraten leisten, und dann würden Millionen Arbeitnehmer auf Bürgergeld umsteigen.

Hatten Sie nicht ursprünglich die Option für fünfzig Prozent Rabatt angekreuzt? Mutig. Das machen alle, und ich gehe mal davon aus, dass Sie das nicht durchgelesen haben. Sie wollten nur die fünfzig Prozent Rabatt, oder? Natürlich, ich kenne doch meine Pappenheimer. Egal, worum es geht, Hauptsache: alles schön billig. Das kriegen Sie nur, wenn Sie Ihr Schnitzel selbst schlachten. Also das Schwein. Und wenn Sie aus dem, was Sie vom Schwein übriglassen, dann auch ein vernünftiges Schnitzel rauskriegen. Wie Sie das machen, ist nicht mein Problem, aber ich sage es mal so: bisher ist es noch keinem gelungen.

Ja nun, wie können Sie sich das vorstellen – Sie sind dann zum vereinbarten Zeitpunkt in unserer Schlachtanlage, das Schwein ist selbstverständlich auch da, und einer von beiden weiß dann, was auf ihn zukommt. Lassen Sie es mich so ausdrücken: in so gut wie allen Fällen ist es das Schwein. Sie sind dann mit dem nötigen Werkzeug ausgerüstet, wobei wir großen Wert darauf legen, dass Sie gegenüber dem unschuldigen Schlachttier keinen Vorteil haben sollten. Ein elektrisches Bolzenschussgerät oder ein vorab durch Elektroschock betäubtes Tier können Sie sich abschminken. Wenn Sie mit traditionellem Werkzeug nicht zu Ihrem Schnitzel kommen, dann haben Sie eben Pech gehabt.

Steak würde ich Ihnen nicht empfehlen, wobei: mir kann es egal sein. Sie bezahlen ja nicht für das Fleisch, Sie bezahlen für den Versuch, mit einem im Vergleich nicht gerade großen Messer einen Bullen zu töten, der bei Ihrem Anblick und angesichts Ihrer Angriffe höchstwahrscheinlich dieselben Absichten hegt. Die gute Nachricht ist, der Jungbulle ist nicht im Besitz eines Messers. Andererseits sollten Sie in Anbetracht der räumlich sehr überschaubaren Lage seine Hörner nicht unterschätzen. Gerade auf fünf mal fünf Metern könnte das sehr eng werden. Also nicht für den Bullen, aber darauf wären Sie ja sicher auch von alleine gekommen, oder?

Todesfälle? Das klingt so putzig, wie Sie das sagen. Kleine Spur von Weinerlichkeit, richtig? Das ist nun mal so in einem Schlachthaus, und hier kann man als echter Mann – wir haben ausschließlich männliche Kunden, ob das echt ist, ist mir ehrlich gesagt auch ziemlich wumpe – auch mal dem Tod ins Auge blicken. Doch, das kommt vor. Also für den Bullen ist das als Regelbetrieb vorgesehen, aber bei uns ziehen meistens die Kunden den Kürzeren. Das muss doch eine total romantische Vorstellung sein: den Grillabend vor Augen, auf dem man mit selbst geschlachteter Kuh so richtig auf dicke Hose machen will, und dann wird man als Schmodder in der Kanalisation verklappt. Wie geil ist das denn?

Aber sicher. Was von den Tieren nach einer industriellen Tötung übrigbleibt, wird ja auch nicht nach katholischen Riten begraben, das landet in der Schredderanlage und suppt dann in den Ausguss hier im Boden, oder dachten Sie, wir machen diese formschönen Bullaugen zur Zierde in die Fliesen? Wenn Sie Pech haben, sehen Sie die ganze Scheiße in feuriger Tunke als Separatorengulasch samstags als Auffüllmaterial an der Fleischtheke im Supikauf wieder, oder unter Schutzgas verpackt mit allerhand Chemieunfällen in der Discounterkühlung. So viel Zeit für Romantik haben wir auch nicht, und um die Distanz zwischen Mensch und Tier ein möglichst geringes Maß zu bringen, machen wir mit Ihren Überresten halt das, was man in Betrieben unserer Branche mit nicht mehr verwertbarer Biomasse so tut, wenn sich das Zeug nicht mal mehr ins Ausland verschieben lässt. Sehen Sie es positiv, Sie müssen Ihre Familie nicht regelmäßig auf den Friedhof oder in die Totenmesse treiben, Sie werden ordentlich im Klärwerk rausgefiltert und dienen anderswo wieder als biologisch-dynamische Bodenzugabe.

Einmal Sojawurst? Gute Wahl. Das würde ich Egozentrikern wie Ihnen immer empfehlen, damit essen Sie Ihrem Schnitzel sogar noch das Futter weg. Besser geht’s ja gar nicht.“


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