Gernulf Olzheimer kommentiert (DCCXVIII): Das Scheitern des Neoliberalismus

14 06 2024
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

So etwas wie eine Gesellschaft gibt es nicht. Wer nicht für sich selbst sorgen kann, hat Pech gehabt, weil im Neoliberalismus jeder durch genug Leistungsbereitschaft sich im freien Wettbewerb gegen alle anderen durchsetzen kann. Was wie das Resultat einer Lackverkostung geistig ungesegneter Soziopathen klingt, die nur mal eben eine Religion für Hirnvermisser ihres Kalibers gründen wollten, ist die Gebrauchsanweisung unserer Weltwirtschaft, die von einer Katastrophe in die nächste torkelt, die ihr eigenes Grab schaufeln lässt und es gar nicht tief genug haben kann. Sie wird ja nicht darin liegen, es ist für die gedacht, die keine Chance mehr haben, sich aus dieser Sackgasse zu befreien, wenn es nicht durch Gewalt oder Enteignung dazu kommt. Der Neoliberalismus ist gescheitert, und zwar schon im Ansatz.

Gerade die deutsche Ausprägung, die sich in der Mär von der schwäbischen Hausfrau verliert, die stets nur ausgibt, was sie zuvor erwirtschaftet hat – was Quark ist, so bekäme kein Häuslebauer je einen Kredit – schwiemelt sich Staats- und Finanzwesen zur intellektuellen Nulllösung, praktiziert Sparen als Kulthandlung und verklärt ihre Kasperade unter Nutzung sämtlicher Denkfehler zur mathematisch sattelfesten Theorie. Es wird so getan, als ob eine Gesellschaft (die es ja bekanntlich nicht gibt) durch reine Umverteilung nichts verlieren könne, weil ja die Erträge ihres Wirtschaftens in einem hermetisch abgeschlossenen System erhalten bleiben würden. Lassen wir den Gedanken einer globalen Ökonomie einmal außen vor, die weder Ein- noch Ausfuhren kennt, was dem deutschen Selbstverständnis als Exportweltmeister widerspricht. Ignorieren wir die absurde Vorstellung des exponentiellen Wachstums in einem abgeschlossenen System. Dennoch beruht diese Definition auf dem logischen Fehler, dass der Gewinn des einen nicht den Verlust des anderen zur Bedingung hätte, was erstens eine ideologiebekiffte Verzerrung einfacher arithmetischer Grundlagen ist und zweitens das genaue Gegenteil der Nullsumme. Es ist die Beschreibung einer Religion, die Dinge aus dem Nichts erschaffen kann und sie an anderer Stelle verschwinden lässt, als seien Volkswirtschaft eine Art Quantenschaum, in dem Milliardäre uns nützen, indem sie ihr Kapital verzinsen lassen (was uns alle reicher macht), während Asylbewerber, die täglich Lebensmittel zu sich nehmen, Schuhe tragen oder beim Arzt sitzen, trotz ihrer Umsätze das Bruttoinlandsprodukt in den Ruin treiben (was uns alle ärmer macht). Das schafft allein der Hominide mit einer sorgfältig austarierten Mischung von Gier und Beklopptheit.

Denkt man diesen Lapsus weiter, so bleibt der Sozialstaat das Haupthindernis für den Wohlstand der Wirtschaft, die ja nur florieren muss, um alle zu ernähren, die sich an ihr beteiligen – wer also Rente bezieht oder einen Mietzuschuss, liegt schon der Allgemeinheit auf der Tasche und muss folglich bestraft werden. Das allgegenwärtige Grundmuster des Verteilungskampfes, als müsse man nur die Güter stetig verknappen, um die Wirtschaft dadurch zu stützen, ist Mumpitz; bezahlbare Wohnungen in Luxusbuden umzuwandeln fördert den Wettbewerb um bezahlbaren Wohnraum, sorgt aber weder für mehr Wohnungen (erst recht nicht in einer Krise, die systemisch in den Baumarkt ragt) noch für die Marktregulierung der Mieten. Es sorgt für weniger Mietzahlungen, mehr Mietzuschüsse, würgt also selbst nach Doktrin der Deppen die Ökonomie ab. Drückt die ideologiegesteuerte Wirtschaft folglich die Löhne, um ihre Milliardäre vor dem Hungertod zu bewahren, würgt sie noch einmal das Wachstum ab. Was die Klimakatastrophe für Lieferketten und Verfügbarkeit von Schlüsselgütern bedeutet, wird ein Armageddon für die Nullsummenspieler.

Man könnte die Taschenspielertrickserei durch eine Reihe von Abschöpfung von Übergewinnen, Vermögens- oder Erbschaftssteuern stabilisieren, aber das ist nicht vorgesehen. Die Zahlengaukler plappern lieber Wunder wie Steuerentlastungen für Reiche nach, die dann ja mehr investieren würden – als hätten sie nicht jetzt schon genug Kapital, um es in Schulen und Infrastruktur, Bildung, Sicherheit und Sozialwesen zu stecken, vom Klimaschutz als Geschäftsmodell einmal ganz abgesehen. Doch der Neoliberalismus will keine Veränderung, da seine Spielregeln schon bestens funktionieren.

So war die Finanzkrise kein Ausrutscher, sie war eine ruckartige Kapitalverschiebung nach oben, um private Player durch Staatsknete zu mästen. Die Pandemie bot sich als Beschleuniger geradezu an, wenn auch die störenden Nebeneffekte ein wenig zu offenbar wurden. Der Rest ist banale Psychologie: wer trotz Armut oder Migration in der Mittelschicht gelandet ist, verteidigt die eigene Rolle, wie sie ein Milliardär verteidigt, der Erben für eine Leistung hält, wie es ihm Politiker eingeredet haben. Die Ängste, man könne ohne Repressionen gegen alle sozial Abgehängten selbst wieder verarmen, ist eine Allzweckwaffe der Autokratie. Von ihr wird rege Gebrauch gemacht. Vielleicht schaffen wir es ohne neoliberale Gewaltfantasien. Sonst schlucken sie früher oder später ihre eigene Medizin: ihr Geld ist nicht weg. Das haben dann nur andere.


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