Gernulf Olzheimer kommentiert (CDLIX): Partnerlook

12 04 2019
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Der Geschlechtsdimorphismus hat auch seine guten Seiten. Zwar degradiert manche Fischart das Männchen zum Reservoire für genetisches Material mit praktischer Anklettfunktion am Bauch des Weibchens – wo denn auch sonst – aber wenigstens findet sie ihn dann auch wieder, wenn sie keine besondere Neigung zur Ordnung hat. Alternative Möglichkeiten sind Anketten, Einmauern oder am Boden festnageln, wobei Letzteres gerade am Meeresgrund auf verfahrenstechnische Probleme stoßen könnte. Wie viel einfacher ist doch der Hominide gestrickt, sogar bei Baureihen nach der Steinzeit: auch außerhalb der Wohnhöhle lässt sich der Vater leicht lokalisieren, ohne Ortungsfunktion oder Implantat, wenngleich auch mit einer Kombi aus Instinkt-Dressur-Verschränkung und Hardwareunterstützung. Sie nennen es Partnerlook.

Was als textile Zwangshandlung an der unschuldigen Kollateralbekinderung von n größer gleich zwei einigermaßen funktioniert, zumal bei Zwillingen, fußt bei Paaren auf Handlungszwang. Auch im dichten Gedränge findet man gerne den anderen Teil der Zugewinngemeinschaft wieder, Anleinen ist gesellschaftlich noch nicht akzeptiert, also entscheidet sich gerade der dominante Part zur rigorosen Farbwahl. Der Klempnermeister geht nur in pinkem Pantherprint zum Möbelschweden, weil er sonst am Samstag garantiert zwischen Eingang und Getränkestützpunkt den Anschluss zur Gruppe verlöre. Was auch immer die Neigung hervorbringt, sich öffentlich zum Obst zu machen, es muss mehr sein als der Hang zum theatralischen Scheitern vor wehrlosem Publikum, sonst gäbe es nicht eine Industrie, die Viskose zu ästhetischem Gerümpel schwiemelt, auf dass sich alles außerhalb der fokussierten Zweierbeziehung schon aus Gründen des nervlichen Selbstschutzes für ausgeschlossen erklärt. Nicht jeder mag Grellorange in Verbindung mit frechen Mohairapplikationen, nicht einmal jeder Klempnermeister.

Eigentlich hat die Individualisierung, besser: der Zwang zu ihr jeglichen Wunsch nach Konformität zur Banalität des Blöden degenerieren lassen, und die Einzigartigkeit treibt Blüten sonder Zahl. Reicht es hier und da noch, sich mit unangepasstem Haarschnitt und flamboyantem Schuhwerk nebst den üblichen Metallwaren im Gesichtsbereich plus Ganzkörpertattoo als Teil einer Jugendbewegung zu gerieren, geht erst der Partnerlooker so recht in der Masse unter wie ein durchschnittlicher Uniformträger auf dem Feuerwehrball. Ist also der Versuch, einander selbstähnlicher zu sein als zwei Schlümpfe, die immerhin funktionales Beiwerk mit sich durch den Comicstreifen schleppen, eine falsch verstandene Integration in eine Parallelwelt, die noch unmöglicher existiert als das gezeichnete Ich?

Es ist das niedermolekulare Zusammenwachsen zweier wohl einzeln nicht mehr überlebensfähiger Organismen zu einer größeren Einheit, ähnlich den Polypen, die sich erst in der Kolonie als handelnde Gebilde verstehen. Das wirkt so überflüssig, wie es auch überflüssig ist. Zwischen Verstörung und Selbstaufgabe pressen sich zwei Personen in denselben Phänotyp, als wollten sie krampfhaft ihre durch die Beziehung und andere Abhängigkeiten gewachsene Identitätskrise nach außen krempeln, Abziehbilder ihrer selbst in einer Dialektik, die nicht einmal mehr Schielen erlaubt – einmal nicht aufgepasst, und man legt an auf den falschen Vogel.

Wo sich Paare finden, am Arbeitsplatz, in der religiösen Ausübung oder im offenen Vollzug, sie teilen zunächst ihre Gemeinsamkeiten, um nicht gleich über die Differenzen streiten zu müssen. Gut möglich, dass es zur Bildung einer Persönlichkeit einen gewissen Grundsatz an psychischer Stabilität braucht, aber man kennt das von der Steuer: die Veranlagung geht auch gemeinsam. Und just so kommt es zur Oberbekleidung, die nach einer Doppelblindstudie schreit, gemeinsam produktiv genutzter Stressbewältigung an der Außenhülle zur Innenwelt, die nicht mehr sieht als eine gründlich gespaltene Persönlichkeit. Es ist noch Luft, aber nicht unbedingt nach oben.

Mag es sein, dass Konfliktvermeidung zum Doppelerwerb der Hosen geführt hat, generell sind die multiplen Outfits tatsächlich ein schrilles Signal in die vereinzelte Welt: wir tragen Gelb, wir lieben den Affenarmschnitt, wir haben jeglichen Anflug von Scham weit hinter uns gelassen und schauen dem Einsetzen des Schwachsinns relativ gelassen entgegen, und zwar alle beide. Hier verläuft der schmale Grat, ab der die Symbiose beginnt, aber als Krankheit. Nicht selten endet der anschließende Kontrollwahn in einer lustigen Katastrophe, weil man die Überreste anhand ihrer Verpackung nicht mehr als einzelne Proteinhaufen separieren kann. Aber was soll’s. Nach dem Feuerwehrball hätte man sie auch nicht mehr identifizieren können.