Sitzpinkler

12 08 2021

„Im Grunde können wir uns die Wahl sparen, die Sache ist ja schon so gut wie entschieden. Laschet wird Kanzler, ob er will oder nicht. Das haben wir so eingefädelt, und jetzt machen wir das auch so.

Der Scholz, der versteht sich ja prächtig mit der Bundeskanzlerin. Sonst hätten wir das gar nicht so geräuschlos auf den Weg bringen können. Mit den Grünen ist es schon abgesprochen, die lassen am Wahlabend die Bombe platzen und verkünden, dass es mit der Union keinerlei Zusammenarbeit auf Bundesebene geben wird. Dann ist der Gartenzwerg angezählt. Die FDP als Mehrheitsbeschafferin wird etwas trüb aus der Wäsche gucken, weil sie sich das alles ganz anders vorgestellt hat. Und Scholz wird in den nächsten Tagen aus rein staatspolitischem Verantwortungsbewusstsein ein Koalitionsangebot an die CDU schicken. Öffentlich. Wenn Lindner das bisschen Schwanz, was er noch hat, schon wieder einkneift, wird er von seinen eigenen Leuten zu Brei geschlagen. Und Laschet muss. Er wird sich in die Hose machen, wie er sich bei so gut wie jeder Entscheidung in die Hose macht. Auch eine Art Opferrolle, aber wenigstens schön warm.

Obenherum hoffen wir auf eine möglichst starke Union, damit es nicht so viele SPD-Ministerien gibt und damit wenig Angriffsfläche für unsere Leute. Ein paar Schlüsselressorts reichen uns schon, zum Beispiel Finanzen und Justiz. Damit kann man dem Feind am Kabinettstisch auch ganz hübsch die Daumenschrauben anziehen. Was bei Merkel noch einigermaßen geklappt hat – die SPD macht den Hauptteil der Arbeit, die Unionsministranten sind größtenteils mit Atmen intellektuell ausgelastet, am Ende haut die Chefin auf den Tisch – wird hier nicht mehr funktionieren. Dieser Sitzpinkler, der die Bundesrepublik wie sein marodes Land komplett an die wand fahren will, wird abwechselnd etwas salbungsvollen Schmus von sich geben und seinen täglichen Wutanfall kriegen, weil diese verdammte Realität nicht das macht, was er will.

Haben Sie je davon gehört, dass Merkel mit einem konstruktiven Misstrauensvotum gedroht wurde? Fragen Sie sich mal, warum nicht. Dann verstehen Sie auch, warum sie dieses Windei kalt lächelnd ins Kanzleramt rollen lässt. Keine Schale, dafür kaum Inhalt. Vor der Wahl zeigen die Jungs ja schon zur Genüge, dass sie mit einem schlecht therapierten Dachschaden und einer Angststörung ausgestattet sind. Mit so einer Trümmertruppe ist Deutschland innerhalb einer Legislaturperiode im Eimer. Merkel weiß das. Sie braucht jetzt nur noch einen, der ihre Führungsrolle übernimmt, wenn sie nicht mehr im Amt ist. Und da kommt Scholz ins Spiel.

Die Idee ist, dieser Dünnluftpumpe durch die kontinuierlich mögliche Beendigung der Koalition ein gewisses Gefühl von Handlungsnotwendigkeit zu vermitteln. Das ist etwas, mit dem Laschet nicht zurechtkommt, weil er viel lieber nachdenkt und dann das Ergebnis seiner Verzweiflung als kluges und überlegtes politisches handeln verkauft, obwohl jeder Depp weiß, dass er außer Kurzschlussreaktion und korruptem Hinterzimmerdeal nur noch wirres Gefasel im Repertoire hat, wenn ihm nicht jemand rechtzeitig das Mikrofon abdreht. Er wird wissen, dass er ein Messer im Rücken hat. Und er wird schnell begreifen, dass er mit seinem dümmlichem Pastoralgesabber nicht mehr durchkommt. Merkels Arm reicht weit. Spätestens auf internationalem Parkett, wenn ihm jemand klarmacht, dass er als Vollausschlag auf dem Unterbelichtungsmesser nicht satisfaktionsfähig ist, sollte er es bemerken.

Laschets Wunschvorstellung ist ja ohnehin ein schönes Jenseits, in dem er sich um nichts mehr kümmern muss. Also lassen wir ihn früher oder später über die Klinge springen. Das Interessante an der Sache ist, dass wir mit offenen Karten spielen. Er ist es gewohnt, dass sich allerhand intrigantes Gelichter um ihn schart, das sich teilweise bekriegt, teilweise hinter seinem Rücken Absprachen trifft, wie man ihn noch effektiver über den Tisch zieht – die dadurch entstehende Reibung hält er ja für die notwendige Nestwärme im politischen Geschäft. Wir sind da anders. Nichts liegt uns ferner, als den Bundeskanzler im Unklaren zu lassen. Wir sagen ihm ganz offen, dass der Tag kommen wird, an dem wir ihm eins über seine dusselige Grinsrübe ziehen. Dann darf er die Richtlinien der Politik bestimmen.

Unangenehmerweise wissen wir inzwischen auch, was Laschet wem alles versprochen hat, wenn er mal Kanzler wird anstelle der Kanzlerin. Der Mann hat sich jede Menge Abhängigkeiten für den Fall der Fälle geschaffen. Leider hat er jetzt mehr Freunde als offene Posten, und wenn Sie den Job des Kanzleramtsministers an ein halbes Dutzend Drecksäcke vergeben müssen, dann hassen Sie alle bis auf den, der den Posten kriegt. Wenn Ihnen das auf dem Grabstein reicht, dass Sie einen guten Freund hatten, während Ihnen alle anderen die Kehle durchgeschnitten haben, bitte. Jeder hat ja seine eigene Vorstellung vom Paradies.

Sie sehen, wir können es uns gar nicht leisten, Laschet als Kanzler zu verhindern. Er will nicht, das hat mittlerweile auch der Dümmste kapiert, und die nicht ganz so dummen Beobachter in der CDU merken, dass sie nur noch ein Wunder retten kann. Dann werden wir ihre Gebete erhören und für ein Wunder sorgen. Wenn ihnen alles um die Ohren fliegt, ist es nicht unsere Schuld – wir haben ihm als langjähriger Koalitionspartner schließlich unsere Erfahrung als Regierungspartei im operativen und strategischen Geschäft vollständig zur Verfügung gestellt. Wenn er das nicht nutzt, ist das ja nicht unser Problem, oder?“


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12 08 2021
Umleitung: Afghanistan, Antifa, Klimakrise, Sitzpinkler und Ruhrtriennale. | zoom

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