Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCL): Die Reichsbürgerreligion

28 10 2016
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Irgendwann dürfte es sie erwischt haben. Betet ein synapsentechnisch voll verseifter Gnom, dessen Existenz bisher keinen Gegenstand interessiert hat, das falsche Abstraktum an, hakt das größtenteils auf mechanischer Ausschussware laufende Großhirn im falschen Zahnkranz ein. Sensible Naturen neigen womöglich dazu, sich in den Eiffelturm oder einen Bagger zu verlieben – immerhin gibt so ein Objekt ja etwas zurück – oder sie gründen aus Selbstsucht Klöster in den Slums. Wer zugleich seine niedersten Instinkte zu befriedigen sucht, verschluckt sich am Glauben als solchem und beglückt die Welt mit der Kettensäge, gerne auch gegen ihren Willen. Das tauft zuerst und schlachtet dann ab, denn siehe: dem Buchstaben des Gesetzes ward Genüge getan. Jenes Durchsetzen des subjektiv Guten durch Gewalt ist die faulige Wurzel des Radikalismus, auch da, wo er in politischer Maskerade die Monstranz geistiger Verkommenheit vor sich herträgt. Reichsbürger, die ihre Halluzinationen zum Normalzustand erklären, leiden nicht unter einer entzündeten Nostalgiedrüse. Es sind religiöse Fanatiker.

Gemein ist den Frömmlern sämtlicher Richtung die strikt autoritäre Persönlichkeit, die nur das glaubt, was sie nicht nur nicht versteht, sondern auch weder beweisen noch widerlegen kann, es sei denn mit reichlich Fehlschlüssen aus gut geölter Indoktrinationsmaschinerie. Credunt, quia absurdum. Wie Wirrschädel ihre Vernunft in brennender Wut an der Garderobe abgeben, so ist natürlich nicht, was nicht sein darf, und beides heilt sich, Teufel und Beelzebub, in der Rosskur der Borniertheit. Jeder Fanatismus bemüht zunächst die Abnormen, allerdings nicht unbedingt pathologisch interessante Fälle – Führer immer ausgenommen – im Gefolge irgendeiner niedermolekular verzahnten Denkschwäche mit Emotionshintergrund. Herrgott! Vaterland! Rendite! Die Geschichte zeigt, dass der Hominide jedem unsortierten Wortdurchfall glaubt, wenn das Höhere Wesen ihm gibt, was andere nicht haben werden. Millionen unterschreiben, um auch garantiert zu den tausend Auserwählten zu gehören, denen nachwachsende Jungfrauen Psalmen ins Ohr gurgeln. Doch nur der Fanatiker glaubt unfrisiertem Gestrüpp, weil er das, was er für Vernunft hält, auf Dauer einer zerzausten Erleuchtung widmen kann, ohne sich auf manisch-abgewrackte Episoden des gemeinen Einsiedlers verlassen zu müssen, der als Medikamententester den besseren Lebensunterhalt auf die Reihe gekriegt hätte. Generell Gesunde sind eher Soldaten des Irrsinns, sie haben das Zeug, die Lunte auch anzustecken.

Fanatismus ist eine Gefahr von oben, denn nicht das Ausleben psychischer Produktionsfehler steht im Vordergrund, sondern hündischer Gehorsam unter die höhere Idee. Dass nun der Staat, jenes in sich durch Demokratie und wechselnde politische Richtungen aufgeweichte Gespinst, nicht mehr hilft bei der Überkompensation persönlicher Defizite, weil er den nationalistischen Blubberlutsch brauner Dumpfklumpen nicht mehr zur Prägung braucht, trifft alle, die Krücken aus scheinbar rationalem Zeug schwiemeln, um dann mit dem Glauben im Regen stehen zu bleiben. Statt einer Ideologie, die mit unterschiedlichen historischen Hintergründen unter vielen streitet, suchen Reichsschlümpfe sich ein Gerüst aus unantastbaren Wahrheiten, das jeder logischen Erschütterung dadurch standhält, dass es sie als Gotteslästerung wegputzt. Aus irrational-metaphysischem Kontext, für dessen intellektuelle Durchdringung sie schlicht zu bescheuert sind, wollen sie basteln, was als Schnapsidee für eine betriebsbereite Gesellschaft reicht, den säkularen Gottesstaat. Das ist wie der Bau einer Kathedrale aus Spaghetti: es funktioniert auf dem Papier.

So schenkt die Umquarkung der Geschichte wider besseren staats- wie völkerrechtlichen Wissens die jähe Erleuchtung, in den Gefilden der Rechtschaffenheit angekommen zu sein, von wo aus der Satan mit Steuerhinterziehung und illegalen Schusswaffen zu liquidieren sei, in einer streng von der Außenwelt angeschiedenen Gruppe, die ihre Hierarchie für so gottgegeben und rechtschaffen hält, dass sie einander die Schädel einschlagen, sich Führerscheine malen, Krankenversicherungen in Bausch und Bogen ablehnen – es sei denn, einer von ihnen hat plötzlich Schnupfen, eine von der BRD GmbH mit Impfgiften transportierte Seuche – und die Welt der Finsternis nur dann betreten, wenn sie plötzlich Arbeitslosengeld haben wollen. Bis dahin vernagelt sich die Sekte in ihrem eigenen Wandschrank, popelt sich eigene Götter zurecht, die sie angeblich ablehnen, folgt sorgsam ausgewählten falschen Propheten mit wechselnden Königs- oder Kaiserkrönchen und wundert sich, dass in diesem Quirl aus Dreck und Letten die Identifikation flöten geht. Man sollte die Gesichtszombies feierlich zur Erde bestatten, allesamt mit der Visage nach unten, ordentlich Erde nachschaufeln, Sediment für eine fröhliche Auferstehung nach der nächsten Episode aus Dinosauriern, und sobald das Geschabe am Sargdeckel nachlässt, Autobahnkirchen aus Beton über die Gräber klatschen, mit Lautsprecheranlagen und brechreizerregend blinkender Leuchtreklame: Dein Reich komme. Aus Gründen.


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