Drücker-Kolonne

21 05 2020

„Die Probleme mit dem Nachschub sind wirklich verheerend.“ „Großartig!“ „Epochal!“ „Und die Reserven?“ „Es gibt keine mehr.“ „Wirklich nicht?“ „Zumindest nicht von nennenswerter Menge.“ „Das ist hervorragend!“ „Meine Herren, Sie wissen, was das bedeutet: in Kürze dürfte Deutschland frei von Rauschgift sein.“

„Was aber gewisse Folgen haben dürfte, denken Sie nur an die vielen Süchtigen.“ „Solange wir die Wirtschaft nicht vollständig öffnen, gibt es auch keinen Flugverkehr mehr.“ „Und natürlich viel weniger Containerfracht.“ „Und damit schließlich und endlich auch weniger Drogenschmuggel.“ „Das ist schon klar, aber was machen die Süchtigen?“ „Entzug, was denn sonst?“ „Das kommt zwar ein bisschen plötzlich, aber was soll man machen, wenn es hinterm Bahnhof keinen Stoff mehr gibt.“ „Das wird aber schwere gesundheitliche Schäden nach sich ziehen.“ „Wissen Sie, wir betrachten das pragmatisch: diejenigen, die jetzt an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung versterben, wären früher oder später sowieso an einer Überdosis krepiert.“ „Eben, das ist mit Corona nicht anders.“ „Also hält sich der Schaden einigermaßen in Grenzen.“ „Bis auf die Volkswirtschaft.“ „Stimmt, die Dealer machen auch keinen Umsatz mehr.“ „Und die Suchtkliniken.“ „Aber schauen Sie, gewisse Opfer muss man halt bringen, und wir wollen doch gestärkt aus der Krise hervorgehen.“

„Meinen Sie nicht, dass es Ausweicheffekte in der Drogenszene gibt?“ „Die Junkies könnten sich wieder mehr rezeptpflichtige Betäubungsmittel verschaffen.“ „Das wäre in den Szenebezirken schwierig, da unsere Kontaktverbote mittlerweile sehr gut greifen.“ „Stimmt, mal eben ein Tütchen in die Hand drücken geht nicht mehr.“ „Sie haben das im Griff?“ „Zumindest in den Großstädten sind die Drücker-Kolonnen unterwegs, denen entgeht so gut wie nichts.“ „Hervorragend!“ „Allerdings sind die meisten Medikamente inzwischen so stark im Preis gestiegen, dass nur noch wenige Leute sich das Zeug leisten können.“ „Also nur die Branchen, in denen Geld…“ „Genau.“ „Sie sehen, der Markt regelt das ausnahmsweise mal ganz im Sinne der Allgemeinheit.“ „Hervorragend!“

„Und wenn es doch wieder einzelne Bezirke gäbe, die mit Stoff versorgt würden?“ „Dann haben die Konsumenten neben der Beschaffung immer noch das Problem, dass sie die Ware bezahlen müssen.“ „Verstehe, die Gastronomie ist nicht mehr so einträglich.“ „Flaschensammeln fällt größtenteils weg.“ „Der Tourismus kommt zum Erliegen.“ „Damit sind Geschäftsmodelle wie Betteln oder Taschendiebstahl so gut wie tot.“ „Und wenn sich ein paar zusammentun und eine Bank ausrauben?“ „Wenn Sie mit einer Maske in eine Bank reinlaufen – falls man Sie überhaupt da reinlaufen lässt – meinen Sie, dass Sie da überhaupt als Bankräuber erkannt werden?“ „Außerdem ist ja der Nachschub abgeschnitten.“ „Es gibt keinen Markt mehr, das ist eben so.“ „Und wenn wir weiter lockern?“ „Das wird sich nicht umkehren lassen, diese drogenfreie Gesellschaft ist die neue Normalität.“ „Und dann wird man bestimmt auch bald wieder preiswerte Gummihandschuhe bekommen.“ „Richtig!“

„Wir müssen nur so reagieren, dass wir die internationalen Verflechtungen rechtzeitig in den Griff kriegen.“ „Der Warenverkehr aus Südeuropa dürfte mit dem Ende der Ausgangskontrollen wieder anlaufen.“ „Und chinesische Chemikalien sind auch bald wieder da.“ „Da müssen wir die Kontrolle behalten.“ „Wir setzen da eher auf den Gewöhnungseffekt.“ „Und solange wir Sucht weiter kriminalisieren, dürfte das auch gehen.“

„Trotzdem ist ja der Alkoholkonsum in den vergangenen Monaten erheblich angestiegen.“ „Was hat das denn damit zu tun?“ „Wollen Sie uns weismachen, dass in den Fixerstuben jetzt Riesling serviert wird?“ „So ein Blödsinn!“ „Man steigt nicht plötzlich von Heroin um auf Bier.“ „Irgendein Ersatzstoff wird halt immer genommen.“ „Das kann man aber gar nicht verhindern, oder wollen Sie die deutsche Brauwirtschaft deshalb lahm legen?“ „Oder den deutschen Weinbau?“ „Was für eine bekloppte Idee!“ „Das kann auch nur so einem Sozialfuzzi einfallen!“ „Wir haben im Moment nicht nur sehr viel mehr Gewalttaten, in deren Verlauf Alkohol eine Rolle spielt, die Zahl der alkoholbedingten Todesfälle geht auch nicht zurück.“ „Das müssen Sie erst mal beweisen, ob so ein Herzinfarkt unbedingt mit den zwei Promille zu tun hatte.“ „Normalerweise sind es eher langfristige Erkrankungen.“ „Und dann müssen Sie auch noch unterscheiden, ob jetzt einer mit oder an Alkohol gestorben ist.“ „Das kann man doch kaum.“ „Wenn einer besoffen vom Dach fällt, dann kann dem auch einfach nur schwindelig gewesen sein.“ „Eben, oder der war einfach nur irre – was macht denn bitte ein normaler Mensch auf dem Dach?“

„Also geben Sie zu, dass sämtliche Versuche, eine suchtfreie Gesellschaft zu erzeugen, völlig sinnlos sind.“ „Jetzt kommen Sie mir bestimmt gleich mit Zigaretten.“ „Wir sollten alle Baumärkte schließen, die verkaufen Pinselreiniger!“ „Wenn die eins nicht werden, dann vermutlich arbeitssüchtig.“ „Ihre Diskussionsversuche in allen Ehren, aber es ist unsere Aufgabe, aus dieser Pandemie mit einer besseren Gesellschaft herauszukommen, und das geht am besten, wenn man das Übel an der Wurzel packt und alles herausreißt, was unser Land, in dem wir gut und gerne leben wollen, so schädigt, indem es uns auf der Tasche liegt und den Staat übermäßig viel kostet. Kommen wir zum nächsten Punkt: Arbeitslose. Irgendwelche Vorschläge?“