Gernulf Olzheimer kommentiert (CLXII): Berufsbezeichnungen

17 08 2012
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Früher – da waren die Gummistiefel noch aus Holz – latschte der Hausmeister über das Gelände, beäugte den Fensterputzer, wie er auf schwanker Leiter die Fassade erklomm, und schiss einen Müllwerker zusammen, der wieder Glasscherben in den Papiereimer geschaufelt hatte. Da nannte man den Spaten noch Spaten, ließ sich kein X für ein U vormachen und sprach, wenn überhaupt, in reinem Hochdeutsch mit leicht mundartlicher Färbung. Wen aber interessiert das noch? Nichts wird besser, der Rest der Welt schon gleich gar nicht, aber der Facility Manager hat immer noch eine amtlich beschissene Laune, wenn er den Vision Clearance Engineer beim Scheibenwienern sieht und dem Head of Waste Removal seinen Schunder vor die Füße kloppt. Alles ist schön, alles ist neu, vor allem die Berufsbezeichnungen.

Man weiß nicht so recht, warum sie alle so hochtrabend und gleichzeitig dumm wie Graubrot klingen; entweder sollen sie die Unbedeutung der Tätigkeiten nonchalant zelebrieren, oder sie sind von einer Bande hirnrissiger Vollklopse in die Verbalvegetation gerülpst worden, weil man das sinkende Sozialprestige des Handwerkers mit bunten Glasperlen denglischer Provenienz zu retten versucht. Überhaupt diese Pest der Postmoderne, die sich pseudokosmopolitisch aufbrezelt und dann doch bloß erratische Wortspenden aus der Reprise des Dämlichen zapft. Der Sprachmansch der Behämmerten legt sich wie Mehltau über die Verständigung, alles managt, alles engineert, jeder Heini ist sein eigener Chef und braucht als kleinen Ausgleich für die ansonsten selten aufregende Existenz ein Türschild in Bling-Bling.

Jeder Sesselhocker ist inzwischen ein Chairman, denn das im Zahnfleisch schmerzende Gelaber, das sich nebenbei kein bei klarem Verstand befindlicher Franzose gefallen ließe, klingt halbwegs satter für den Deppen, der meist der englischen Sprache nicht ausreichend mächtig ist, um den Unfug als solchen zu erkennen. Im Verwaltungswesen hat man bisher versucht, mit aus dem Boden gestampften Pöstchen, mit Unterüberoberhilfssekretären im Amt für Entscheidungsrichtlinienkompetenzgerangel knurrenden Burgfrieden zwischen den zu kurz gekommenen Beschränkten zu schaffen. Jeder Mann sein eigener Papstkaiser, jeder hat einen Meter Schrott vor dem Namen stehen und kann sich eine aufrollbare Visitenkarte leisten, um den ganzen Schmadder draufzudrucken. Doch so einfach ist es nicht; neben dem Unternehmen, das sich eine Reihe zweifelhafter Duftmarken leistet, hat ja auch die Umwelt mit den Minderleistungen der modernen Arbeitswelt zu tun.

Der Manager an sich ist im neueren Sprachgebrauch bereits so auf die organisatorische Rolle festgelegt, dass man das Etikett nicht mehr für den Mann mit der Rohrzange gelten ließe; keiner würde analog von der Speisekarte Kraut bestellen, wenn er danach ein Büschel wirres Grün auf dem Teller hätte, nur weil die Nomenklatur rein botanisch noch nicht verkehrt wäre. Die Bedeutung eines Wortes, sagte treffend Wittgenstein, ist seine Verwendung. Nicht jeder Engineer ist Maschinist, geschweige denn Ingenieur, oft ist es lediglich der Müllmann. Kritisch wird die Sache, wenn die stur aus der Originalsprache entlehnten Begriffe auf den hiesigen Horizont der schadhaften Erkenntnis klotzen. Der Industrial Management Assistant ist ein Industriekaufmann – durchaus nützlich, wo er gebraucht wird, doch der nachklappende Assistent wertet ihn für den nicht Eingeweihten zum besseren Handlanger ab. Der Welcome & Sales Manager ist nicht etwa der Boni kassierende Schmierlappen, der das Blaue vom Himmel verkauft, sondern der Grüßaugust in der Eingangshalle, der die Gäste warten lässt. Und der Visual Merchandiser, nichts anderes ist er als der Schaufensterdekorateur, selbst im gegenwärtigen Blähsprech schon promoviert zum Schauwerbegestalter.

Hässlichkeiten ganz eigener Art dümpeln im Loch unreflektierter Rückübersetzungen, wo aus Erdgas natural gas wurde und daraus Naturgas, wo Technik mit technology übersetzt als Technologie zurückkam, obwohl es das Wort längst gibt und es nichts anderes heißt als Technikwissenschaft. Der Aufbereitungsmechaniker Fachrichtung Sand und Kies (vulgo: der Mann am Schüttelrost) ist nun Processing Technician und wird im Fallrückzieher zum Prozesstechniker aufgewertet – weder Grund- noch Bestimmungswort dieser Mesalliance stimmt, die Frucht des Missgriffs erst recht nicht. Aber wozu auch, es klingt doch so professionell.

Tatsächlich hat sich die Dummklumpenherde in den Chefetagen einen soliden Wirkungstreffer im eigenen Kauleistenbereich verpasst, wie jüngst das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zeigt. Ist in einer Kündigung die Stelle mit englischem Geschwiemel statt der muttersprachlichen Benennung aufgeführt, so wird der komplette Krempel juristisch unwirksam. Die Gerichtssprache in der Bundesrepublik ist nach letzten Mutmaßungen immer noch Deutsch. Der Senior Executive Head of Bullshit Management hätte es wissen können. Vermutlich hat es ihm sein Maintenance Officer nur nicht verraten, fuck yeah.