Schneller, höher, weiter

9 08 2012

„Und damit begrüßen wir auch unseren ersten Studiogast heute. Guten Tag.“ „Tag.“ „Es ist der dreizehnte Wettkampftag der XXX. Olympischen Sommerspiele, wir nähern uns langsam den letzten Entscheidungen. Sie sind für uns seit der Eröffnung live dabei in London, was sind Ihre Eindrücke?“ „Schön, doch. Teilweise ist das ganz interessant, aber wissen Sie, der ständige Sport, das geht einem schon gewaltig auf den Sack.“

„Wie würden Sie denn die Spiele beschreiben?“ „Gut ausgestattet. Sehr gut. Und hervorragend organisiert. Teilweise drei Sicherheitskräfte auf den Athleten vor Ort, das ist olympischer Rekord.“ „Ich meinte jetzt eher, wie ist so die Atmosphäre?“ „Ganz in Ordnung. Die British Army ist natürlich intellektuell etwas überfordert, weil sie zur Abwechslung der Metropolitan Police gehorchen muss. Sonst ist das ja immer umgekehrt.“ „Und was sind so die vorherrschenden Themen?“ „Diese Jahreszeit, die nach dem Frühling kommt, wenn aber noch nicht Herbst ist.“ „Sie meinen den Sommer?“ „Sie dürfen das sagen, ich nicht. Auch die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs…“ „London?“ „… darf man nicht nennen. Und die, die das dürfen, die darf man auch nicht so bezeichnen, weil sie nämlich das sind, was sie sind, weshalb man sie auch so bezeichnet, aber nicht als solche bezeichnen darf. Also jetzt nicht öffentlich.“ „Terroristen?“ „So ähnlich. Die Sponsoren.“

„Und die Ergebnisse?“ „Geht eigentlich.“ „Wie, geht? was geht?“ „Was geht, das sehen Sie, wenn Sie erwischt werden. Wir hatten dies Jahr einen albanischen Kandidaten in der Kategorie Stanozolol und ein hoch motiviertes Reinigungspersonal, das nach Spritzen fahndet. Aber das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange.“ „Unglaublich!“ „Wem sagen Sie das – andererseits gibt es auch starke rechtliche Bedenken, ob man die verbleibenden Fälle wirklich so werten soll oder ob wir nicht eine ganz neue Herangehensweise brauchen.“ „Das will ich aber auch meinen!“ „Denn schauen Sie mal, der Schwazer war mit EPO aufgebrezelt, das ist ja möglicherweise eine ganz andere Startklasse, und das wäre dann im direkten Vergleich auch unfair. Andererseits hat er sich das Zeug auch schon vorher reingepfiffen und wurde bereits vor der Anreise aus dem Verkehr gezogen. Das sieht mir allerdings ganz nach einer Disqualifikation aus, so Leid es mir auch tut.“ „Sie bedauern das!?“ „Ja, ich weiß, das klingt jetzt nach überzogener Härte, für den Nichtsportler ist das erstmal sehr streng. Aber wie gesagt, er hat sich im Juli erwischen lassen, da könnte man schon mal von einem Frühstart sprechen.“

„Und die Auslastung der Wettkampfstätten?“ „Wir sind angenehm überrascht. Im Aquatics Centre hatten wir erst ein paar Zweifel, aber dann hat es doch noch gereicht.“ „Man sprach doch von ausverkauften Austragungsorten?“ „Wir hatten auch abgenommen, dass das stimmt, aber es hat sich als Kalkulationsfehler entpuppt. Gut dreißig Prozent der Werbeflächen in den Außenbereichen waren bis kurz vor Schluss noch nicht belegt, aber dann haben wir einen sehr guten Deal mit der Werbeagentur…“ „Moment, Sie reden doch jetzt aber nicht von den Wettkampfstätten!?“ „Selbstverständlich nicht. Die sind ja leider immer noch werbefrei, da müssen wir auf die klassischen Maßnahmen ausweichen wie PR oder Produktplatzierung. Wir haben aber bei der Gelegenheit auch sehr gute Verträge mit den Sponsoren für die nächsten Olympischen Spiele gemacht, und dann werden wir mal sehen, wie sich das mit den Preisen in den nächsten vier Jahren so entwickelt, nicht wahr?“

„Aber äääh, es muss doch da auch ein paar Rekorde…“ „Na klar doch. Jede Menge. Sehen Sie jeden Tag hier. Neulich hatten wir einen absolut sensationellen Überraschungserfolg beim 3000-Meter-Hindernislauf der Damen, war nicht mit zu rechnen.“ „Saripowa? Aber die ist ja auch Europameisterin, und bei der Weltmeisterschaft…“ „Nee, das mit dem Bier. Da hat ein Tourist, Belgier oder so, der hat Bier während des Wettkampftages im Stadion getrunken, und zwar hat der das selbst mitgebracht, also nicht das Zeugt, was sie da im Stadion in die Becher verklappen. Und zwar hat der Kollege da neunzehn Flaschen weggezischt, und jetzt kommen Sie!“ „Donnerwetter.“ „Aber das ist ja noch nichts alles, auf der Gegengeraden hatten wir die Endausscheidung beim Fastfood…“ „Endausscheidung, hmja.“ „… und das war auch eine harte Konkurrenz, weil die da alle nicht die Fritten fressen wollten, die das goldene M hat. Bronze ging an die Teilnehmerin, die ein Pfund Nussplätzchen unter der Perücke reingeschmuggelt hat, Silber für den Athleten mit den fünf Wiener Schnitzeln, eingenäht in einer Thermojacke, quasi noch warm, und Gold natürlich für einen XXL-Teddy, gefüllt mit Fish ’n’ Chips. Das machen Sie erst mal nach!“

„Also ich meinte jetzt auch eher die sportlichen Herausforderungen, die den Spielen…“ „Übrigens, Hindernisrennen – wenn Sie den Greenwich Park in westlicher Richtung verlassen und die Toiletten suchen, dann kommen Sie automatisch auf den ausgeschilderten Rundkurs. Knapp anderthalb Kilometer mit um und bei zwei Prozent Steigung, Treppenstufen, Sand- und Kiesweg, Wassergraben zum Überspringen, das machen Sie maximal drei Runden mit, wenn Sie richtig nötig…“ „Aber das ist doch nichts für die Athleten, oder?“ „Nee, die Zuschauer laufen da eher unter sich. Dabei sein ist ja bekanntlich alles.“ „Hmnaja, dann äääh, danke bis hierhin und zurück ins Olympia-Studio.“ „Sagen Sie mal, was Sie da trinken, das haben Sie auch nicht im Stadion gekauft?“ „Das ist Leitungswasser aus dem Deutschen Haus.“ „Gut, will ich mal glauben. Aber wenn Sie mir mit Bier ankommen, dann ist aber zappenduster!“ „Neinnein, auf keinen Fall.“ „Dann ist ja gut.“