Schutztruppe

20 08 2012

„Für spielende Kinder müssten Sie schon mal die Bundespolizei anrufen, gnä’ Frau. Ah, wollten Sie auch. Dann müssen Sie sich wohl verwählt haben. Hier ist die Bundeswehr.

Wenn Sie mich fragen, das ist reine Schikane. Dass wir das auch noch übernehmen, das ist doch bloß so eine Sparmaßnahme. Ökosteuer, Sparpaket an den Sozialleistungen, und jetzt machen wir den nationalen Ordnungsdienst an der Waffe. Wir haben ja auch sonst nichts zu tun. Ich meine, es ist ja nicht so, dass wir auf eine neue Lage jetzt nicht auch vorbereitet sein müssten. Wenn wir den Einsatz von Spähpanzern im Wohngebiet probieren, können wir das doch nicht als Bewegungsfahrt mit normalem Kraftstoffbedarf abrechnen? Wer macht denn bitte solche Dienstanweisungen? Hat de Maizière noch nicht gemerkt, dass er nicht mehr Innenminister ist?

Stabsstelle Inneres, Oberst von Sprötzendorff? Ja, als Bundeswehr sind wir für äußere Sicherheit noch zuständig, da hat sich nichts geändert. Sie meinen, dass wir jetzt tauchen? die Polizei macht die innere Sicherheit nicht mehr, und wir kümmern und dafür nicht mehr um die Landesverteidigung? Das ist so nicht der Fall. Die Polizei wird ihre Bemühungen um die innere Sicherheit keinesfalls einstellen. Wir werden sie nur darin unterstützen. Also alles halb so schlimm.

Auf der anderen Seite ist das für uns auch ein großer Imagegewinn. Wir schießen immer noch, aber jetzt verteidigen wir das Land da, wo der wirkliche Feind sitzt. Nein, falsch – da, wo der Feind wirklich – also auf jeden Fall verteidigen wir jetzt die Feinde der – also die demokratisch, die in der Demokratie – vor den Feinden die Demokratie, nein, umgekehrt – also für das Volk. Das nationale Volk hier. Quasi jetzt als nationale Volksarmee.

Natürlich ist Ihr Einsatz bei uns in den besten Händen! Sie arbeiten mit Profis, vergessen Sie das nicht – wir sind keine Freiwilligenmannschaft mehr, wir sind jetzt eine Berufsarmee. Ja, Sie können ganz beruhigt sein. Nein, dadurch ändert sich für Sie gar nichts. Wir sind immer noch ganz wie früher. Eine starke Schutztruppe.

Ich meine, sehen Sie’s doch mal positiv. Wenn Sie sich die geistige Leistungsfähigkeit mancher Polizeikräfte ansehen – so etwas wird doch durch Einkreuzen von Neonazis noch aufgewertet. Streifendienst in den Google-Fotos. Plaketten, die Sie lebensgefährlich verletzen, wenn Sie als Eisbein verkleidet durch den Grunewald laufen. Grillabend beim Ku-Klux-Klan. Wollen Sie diesem Rudel an Hilfskräften die nationale Sicherheit überlassen? noch dazu einer Behörde, die auf Landesebene ihr Kompetenzgerangel inszeniert? Wir machen uns ja zur Komikernation!

Dass die Kritiker alle wieder den Untergang des Abendlandes herbeireden, meine Güte, das war doch alles vorhersehbar! Außerdem löst doch diese Entscheidung nichts wirklich. Stellen Sie sich mal vor, wir haben jetzt einen Terrorangriff, eine neue Sauerland-Zelle oder al-Qaida gründet eine Sektion Nordrhein-Westfalen, die sprengen den Reichstag in die Luft, und dann steigen die einfach mal in ein Flugzeug ein, das wir dann wieder nicht abschießen dürfen – das sind doch die Fakten! Wir haben ja in Berlin nun auch alles getan, dass sich solche Szenarien gar nicht erst ereignen, so schnell können Sie jedenfalls mit dem Flugzeug gar nicht…

Haben Sie einen unmittelbar bevorstehenden Schadenseintritt zu verzeichnen? Aha, Facebook. Nein, ich frage nur wegen der Zuständigkeit. Weil, gegen Demonstranten dürfen wir ja noch nicht – die haben keine Transparente dabei? Dann könnte man es vielleicht unmittelbar vorher noch als putative Staatsnotwehr arrangieren. Ich möchte das ja nicht gleich als terroristische Bedrohungslage ansehen, solange es noch keine Hinweise auf islamistische Täter gibt, aber – die Junge Union? Da sind wir nicht zuständig. Nein, nicht einmal in Hessen. Da verbinde ich Sie mal mit dem Verfassungsschutz.

Allerdings handeln wir im nationalen Interesse! Sie müssen sich das nur einmal vorstellen, wie das ist, wenn Ihre Liebsten in Kampfeinsätze verwickelt werden, wenn Sie jeden Tag bangem müssen, ob Sie Ihre Verwandten je lebend wiedersehen werden oder mit schweren Verwundungen, ob man sie in akuten Konflikten auch rasch genug in Sicherheit wird bringen können, am Hindukusch? Dann doch lieber in Bielefeld.

Stabsstelle Inneres, Oberst von Sprötzendorff, Sie wünschen? Eine Ausnahmesituation? Ja, die wünschen wir uns alle, aber dann – ach so, ach so. Ja, das kann ich von hier aus nicht entscheiden. Mir fehlen da die Fakten. Wenn es sich um einen Streik handelt, ist jedenfalls schon mal Vorsicht geboten. Wir können die Verfassung nicht interpretieren, das ist nicht unsere Aufgabe und auch gar nicht in unserem Kompetenzbereich. Das sollte an sich das Bundesverfassungsgericht tun. Das und nichts anderes. Wir sind da nur das ausführende Organ, verstehen Sie? Unsere Ehre heißt Treue. Zum Grundgesetz.

Also Zuckerschlecken ist das nun echt nicht. Wir sind dazu da, eine wirksame Gefahrenabwehr zu ermöglichen, und dann schreibt da irgendwer etwas von Bundeswehreinsatz bei Fußballspielen – Sie, das hat aber keine drei Stunden gedauert, als Hoffenheim sein Pokalspiel vergeigt hat!

Stabsstelle Inneres, Oberst von Sprötzendorff? Die Bundesregierung? Wir sind schon unterwegs. Bleiben Sie ruhig und lassen Sie Ihr Radiogerät eingeschaltet. Doch, das ist schon ganz richtig so. Sie verhalten sich absolut korrekt. Wir handeln bei Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes. Was bitte ist denn diese Bundesregierung sonst?“